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Als Wayne Adams den letzten Mann aus dem Maverick Saloon geworfen hat, hält er schnaufend inne, starrt hoffnungsvoll auf die Schwingtür und hält sich bereit für den nächsten Schlag.
Doch keiner seiner Feinde kommt noch einmal herein. Sie bleiben draußen. Die Rauferei ist beendet. Er hat gewonnen.
Doch was hat er davon? Diese Frage dringt allmählich durch die dumpfen Nebel seiner Trunkenheit.
Der Barmann fragt vorwurfsvoll: »Wayne, warum hast du das getan? Du hast mir die ganzen Gäste vertrieben. Es waren doch gute und nette Jungs. Ihr alle kennt euch schon viele Jahre. Die meisten ritten unter dir, als du noch Vormann auf der Bullskull warst. Warum hast du sie aus meinem Saloon geworfen?«
Wayne Adams grinst zu diesen Worten. »Ach«, sagt er, »ich konnte diese Knallköpfe plötzlich nicht mehr sehen. Und überhaupt - ich bin fertig in dieser Stadt und in diesem Land. Ich haue ab, hörst du, Frank? Was von meiner kleinen Ranch übrig blieb, übernahm die Bank, und die Bank gehört dem alten Piraten Todhunter McGinnes. Ihm gehört alles in diesem Land - alles. Doch ich habe seine Mannschaft verprügelt. Er konnte meine Ranch schlucken, und dafür schlug ich seine Reiter aus diesem Saloon. Kannst du verstehen, warum ich das ganz einfach tun musste, Frank?«
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Verlorene Reiter
Vorschau
Impressum
Verlorene Reiter
Als Wayne Adams den letzten Mann aus dem Maverick Saloon geworfen hat, hält er schnaufend inne, starrt hoffnungsvoll auf die Schwingtür und hält sich bereit für den nächsten Schlag.
Doch keiner seiner Feinde kommt noch einmal herein. Sie bleiben draußen. Die Rauferei ist beendet. Er hat gewonnen.
Doch was hat er davon? Diese Frage dringt allmählich durch die dumpfen Nebel seiner Trunkenheit.
Der Barmann fragt vorwurfsvoll: »Wayne, warum hast du das getan? Du hast mir die ganzen Gäste vertrieben. Es waren doch gute und nette Jungs. Ihr alle kennt euch schon viele Jahre. Die meisten ritten unter dir, als du noch Vormann auf der Bullskull warst. Warum hast du sie aus meinem Saloon geworfen?«
Wayne Adams grinst zu diesen Worten. »Ach«, sagt er, »ich konnte diese Knallköpfe plötzlich nicht mehr sehen. Und überhaupt – ich bin fertig in dieser Stadt und in diesem Land. Ich haue ab, hörst du, Frank? Was von meiner kleinen Ranch übrig blieb, übernahm die Bank, und die Bank gehört dem alten Piraten Todhunter McGinnes. Ihm gehört alles in diesem Land – alles. Doch ich habe seine Mannschaft verprügelt. Er konnte meine Ranch schlucken, und dafür schlug ich seine Reiter aus diesem Saloon. Kannst du verstehen, warum ich das ganz einfach tun musste, Frank?«
Frank schüttelt den Kopf. »Du bist ein Narr, Wayne Adams«, sagt er. »Ihr habt mir eine Menge Tische, Stühle und Bänke zertrümmert, dazu die vielen Flaschen und Gläser. Ich glaube, dass der Schaden mehr als hundert Dollar beträgt ...«
»Den musst du von den Jungs kassieren, Frank«, unterbricht ihn Wayne Adams. »Die haben noch mehr Spaß gehabt als ich. Sie durften immerzu durch die Luft segeln und Purzelbäume schlagen. Ich leistete die ganze Arbeit. Ich müsste dafür noch ein Honorar bekommen. Oder vielleicht nicht?«, fragt er mit schief zur Seite geneigtem Kopf.
Frank weiß ziemlich genau, was in Wayne Adams vorgeht.
Galgenhumor ist es. Ein tiefer Schmerz, Depression und das Gefühl, ein Versager zu sein.
Vor drei Jahren gab er seinen Job als erster Vormann der mächtigen Bullskull Ranch auf und versuchte sich selbst als Rancher.
Weil er wenig Weideland besaß, das niemals für große Longhornherden ausreichen würde, wollte er eine fleischige Rasse von Rindern züchten. So kaufte er sich für den größten Teil seiner Ersparnisse einen Herefordbullen. Es war der erste Bulle dieser Art im südlichen Teil von Texas. Er musste ihn mehr als fünfhundert Meilen weit transportieren, und er konnte ihn nicht einfach so treiben wie einen Longhornbullen.
Denn die Longhorns stammen von den spanischen Kampfstieren ab.
Ein Bulle aber aus der englischen Grafschaft Hereford – nun, der ist eben von anderer Art.
Deshalb vertrug er auch die Texas-Zecke nicht, gegen die texanische Longhorns völlig immun sind.
Da er aber ständig mit Longhorns zusammen war, bekam er mehrmals das Texasfieber.
Nach einem Jahr war er tot.
Für Wayne Adams war der Verlust des kostbaren Bullen der Anfang vom Untergang.
Bevor seine Schulden den Wert seiner kleinen Ein-Mann-Ranch überstiegen, trat er die Ranch an die Bank ab.
Dann kam er in den Saloon, trank für seine letzten Dollar Whisky und Bier, und danach warf er die Jungs der Bullskull-Mannschaft raus.
Oh, sie wehrten sich dagegen.
Doch es nützte ihnen nichts.
So war das. Frank, der Besitzer und Barmann dieses Saloons, versteht ihn recht gut.
Aber so groß das Verständnis des Saloonbesitzers auch sein mag, so will er doch nicht auf hundert Dollar Schadenersatz verzichten. Deshalb sagt er höflich: »Es tut mir leid, Wayne, doch du hast angefangen. Ich muss hundert Dollar von dir eintreiben, Wayne.«
»Oh«, sagt dieser, »wenn ich hundert Dollar besäße, so hätte ich damit noch länger als ein Jahr durchgehalten. Ich hätte warten können, bis die paar Kälber meines Herefordbullen groß geworden wären. Bei mir gibt es kaum noch Hosenknöpfe zu holen. Also, Frank! Ich gehe jetzt und komme nie wieder.«
Als er sich schwankend umwendet, sieht er den alten Marshal Tate Brown.
Tate Brown hat ein Holzbein, einen Vollbart und etwa siebzig Jahre auf dem Buckel. In Radego braucht man eigentlich gar keinen Marshal.
Tate Brown wurde dennoch von Todhunter McGinnes zum Marshal gemacht. So ein alter Kater wie Tate Brown muss ja auch leben und will nicht das Gefühl haben, das Gnadenbrot zu bekommen.
Tate Brown steht also mit einer Schrotflinte da, als Wayne Adams sich vom Schanktisch und von Frank abwendet.
Er trägt den Marshalstern und stößt Wayne Adams die Doppelmündung der Schrotflinte in die Magengrube.
»So geht das nicht, mein Sohn«, sagt Tate Brown. »Ich habe mich schon gewundert, warum immer wieder die Jungs aus dem Saloon kugelten, als würden sie von einem Maultier getreten. Ich bin ja nicht kleinlich, doch wenn Frank meint, dass der Schaden hundert Dollar beträgt, so musst du wohl zahlen, Wayne, mein Junge. Anders ist das nicht zu machen.«
Er hat ein richtiges Piratengesicht, dieser Tate Brown. Man erzählt sich, dass er in seinen besten Jahren eine tolle Nummer war.
Aber jetzt ist Tate Brown ein alter Mann, ein Opa sozusagen. Er steht längst außerhalb jeder Konkurrenz und ist tabu.
Deshalb kann Wayne Adams gar nichts machen.
»Ich besitze nur noch einen Dollar und sechs Cents«, sagt er. »Vielleicht, wenn ich mal reich werde, schicke ich ...«
»Komm mit in die Zelle, mein Junge«, sagt Tate Brown grimmig. »Es ist kein guter Stil, wenn man eine ganze Salooneinrichtung zu Kleinholz macht und danach mit einem Dollar und sechs Cents bezahlen will. Ich bin enttäuscht von dir, Wayne. Und gerade auf dich hielt ich immer große Stücke.«
»Er ist betrunken, wenn es auch nicht so aussieht«, mischt sich Frank ein. »Wenn er nüchtern ist, werden wir sein Pferd und seinen Sattel verkaufen. Lass ihn erst einmal in der Zelle schmoren.«
»Sicher«, sagt Tate, und er zeigt dann zwei lückenlose braune Zahnreihen.
»Vorwärts, Wayne«, sagt er barsch, doch in seinen alten Falkenaugen funkelt ein Lächeln. Oh, er weiß genau, dass Wayne Adams ihm nichts tun kann – einfach nicht kann.
Ein Mann wie Wayne kann sich doch nicht an einem Opa vergreifen.
Nein! Also muss er gehorchen.
Er stolpert vor Tate zum Office, in dessen Hintergrund zwei Gitterkäfige sind. Er sucht sich einen aus, legt sich auf die Schlafpritsche und ist nach drei Atemzügen eingeschlafen.
Tate Brown schließt die Gittertür ab und hängt den Schlüssel an die gegenüberliegende Wand.
✰✰✰
Wayne Adams schläft lange, sehr lange – etwa zwölf Stunden. Als er erwacht, hat er einen mächtigen Brummschädel.
Ehe er mit dem Marshal ein Wort wechseln kann, kommt jemand ins Office. Es ist Todhunter McGinnes.
»Guten Morgen, Mister McGinnes«, sagt Tate. »Sind Sie gekommen, weil er Ihre Mannschaft verprügelt hat? Nun, ich habe ihn natürlich sofort eingesperrt und ...«
»Lass ihn raus, Tate – schnell!« Todhunter McGinnes ist ein alter Mann, fast so alt wie Tate. Doch er war sein ganzes Leben lang ein Boss, ein Kämpfer und Eroberer.
Deshalb wirkt er auch jetzt als alter Mann noch anders als Tate. Todhunter McGinnes wirkt ledern, hart und zäh, falkenäugig, entschlossen. Er ist ein König.
Tate Brown beeilt sich, die Zellentür zu öffnen.
Wayne Adams setzt sich auf und sagt plötzlich: »Wer glaubt denn eigentlich, dass ich überhaupt raus will?«
Todhunter McGinnes sagt nichts auf diese Frage. Doch er legt fünf Zwanzig-Dollar-Stücke auf Tate Browns Schreibtisch. Dann wendet er sich zur Tür und sagt von dort: »Hol dir dein Pferd und reite nach Süden aus der Stadt. Ich habe dort mein Pferd und warte auf dich, Wayne. Und du, Tate, hältst deinen Mund. Ich war gar nicht hier. Hast du das verstanden, Tate?«
»Genau, Mister McGinnes«, sagt Tate Brown. »Sie waren nicht hier. Wayne Adams hatte die hundert Dollar in Reserve. Ich habe Sie seit voriger Woche gar nicht gesehen, Mister McGinnes.«
Der sagt nichts mehr, sondern verschwindet wortlos.
Wayne Adams sitzt noch einige Augenblicke lang nachdenklich da.
Das muss eine besondere Sache sein, die den eisgrauen König dieses Landes dazu veranlasst hat, nach Radego zu kommen und Adams aus dem Loch zu holen.
Wayne Adams erhebt sich langsam. Seine Neugierde wird immer größer.
»Was mag der alte Pirat von mir wollen?«, fragt er sich.
✰✰✰
Als Wayne Adams aus der Stadt ist, ruft der alte Mann ihn aus einer Baumgruppe hervor an. Wayne Adams reitet hinüber und verschwindet bald ebenfalls in den tiefen Baumschatten.
»Sie waren schon immer ein edler Menschenfreund, Mister McGinnes«, sagt er mit unverkennbarem Spott. »Selbst für einen Regenwurm, den Sie an einem Angelhaken ins Wasser hängen, erwarten Sie einen guten Tausch. Für einen Wurm eine fette Forelle – und was erwarten Sie für mich?«
»Eine ganze Menge«, erwidert der Cattle-King trocken. »Ich erwarte nicht mehr und nicht weniger, als dass du das Leben meines Sohnes rettest, Wayne Adams.«
Adams zuckt zusammen. »Nanu? Was ist los? Ist Gil in Lebensgefahr? Warum kann ihm nicht sein mächtiger Vater helfen? Wo ist der Haken, Mister?«
»Es handelt sich nicht um Gil«, murmelt Todhunter McGinnes gepresst. »Wie du weißt, habe ich noch einen zweiten Sohn. Früher, als junge Burschen, wart ihr einmal Freunde. Ich rede von meinem Sohn Louis.«
Der Zorn presst ihm die Zähne zusammen und lässt seine Worte kaum noch verständlich klingen. Doch Wayne Adams versteht ihn. Er erinnert sich an Louis, gut, sehr gut sogar.
Sie waren wirklich einmal Freunde.
Aber das ist lange her – fast zehn Jahre, und es war vor dem Krieg gegen den Norden.
Louis hat den Krieg nicht als Soldat mitgemacht. Er ist nicht – wie fast alle Texaner – zu den Fahnen der Konföderation geeilt und hat in der Texasbrigade von General Jackson gekämpft. Wahrscheinlich deshalb nicht, weil sein Vater das von ihm verlangt hatte. Louis hat stets versucht, das Gegenteil von dem zu tun, was sein Vater wollte. Sie waren sich sehr ähnlich in ihrem Willen, ihrem Stolz. Keiner von ihnen konnte nachgeben, sich unterordnen.
Louis war eines Tages verschwunden, hatte seinen Vater einfach verlassen. Dann und wann waren Nachrichten über ihn gekommen. Es waren niemals gute Nachrichten gewesen.
Jetzt scheint er in Schwierigkeiten zu stecken.
Wayne Adams ist einen Moment versucht, einfach zu sagen, dass Louis ihn nicht interessiere.
Doch dann erinnert er sich wieder an zwei Dinge: Louis war einmal sein Freund. Er selbst gab seine Stellung als Vormann bei Todhunter McGinnes auf, weil er ihn als Boss nicht mehr länger ertragen konnte. So ähnlich ist es auch Louis ergangen, der seinem harten und unnachsichtigen Vater niemals etwas recht machen konnte.
»Was ist mit Louis?«, fragt er plötzlich.
Todhunter McGinnes sagt leise: »Er ist in Mexiko im Gefängnis. Sie werden ihn hängen. Er hat drüben eine Menge Verdruss verursacht und diesmal keine Chance, davonzukommen. Ich erhielt die Nachricht vor wenigen Stunden und sorgte natürlich sofort dafür, dass er dort die besten Anwälte bekommt. Sie sollen mit allen Mitteln versuchen, die Vollstreckung hinauszuzögern. Länger als vier Wochen wird man das nicht können. Bis dahin musst du ihn rausgeholt haben, Wayne. Ich will nicht, dass einer meiner Söhne gehängt wird. Es darf nicht sein. Ich könnte selbst eine kleine Armee aufstellen und mit ihr über den Rio Grande reiten, die kleine Stadt besetzen und Louis aus dem Gefängnis holen. Doch das würde politische Verwicklungen mit Mexiko geben. Louis hat nämlich einen Angehörigen der mächtigen Connores-Sippe im Zweikampf getötet. Don Estobal Connores aber ist zurzeit Gouverneur dieses Gebietes. Er ist einer meiner alten Feinde. Ich tötete einmal einen seiner Brüder, als wir nach Alamo immer wieder die Mexikaner aus Texas jagen mussten. Wayne, ich bin zu alt, um es selbst mit einigen verwegenen Burschen zu wagen. Es gibt nur wenige Männer im Land, die es fertigbrächten und denen ich vertrauen könnte. Als ich darüber nachdachte, wen ich mit dieser Aufgabe betrauen soll, wurde mir klar, dass du der einzige Mann bist. Deshalb ...«
Er macht eine Pause, und er würgt sichtlich an etwas herum. Es sieht aus, als müsse er unzerkleinerte Nüsse samt ihrer harten Schale schlucken.
Aber dann fährt er fort: »Deshalb bitte ich dich, Louis zu retten. Du kannst den Preis dafür selbst bestimmen. Und du kannst dir zur Hilfe nehmen, wen du willst und was du brauchst. Doch du musst dich beeilen! Er sitzt in Gonzales im Gefängnis.«
McGinnes verstummt. Dann beugt er sich zur Seite und öffnet seine Satteltasche. Er holt einen Geldgürtel hervor.
»Es sind fünftausend Dollar«, sagt er. »Wenn du mehr nötig hast, bekommst du es. Hier!«
Er wirft Wayne Adams das Geld zu. Dieser fängt den schweren Gürtel auf, wirft ihn aber sofort wieder zurück, und Todhunter McGinnes fängt ihn instinktiv.
»Ich bin doch nicht verrückt«, sagt Wayne Adams. »Zwar bin ich jetzt ein armer Hund, der sich gern einige Dollars verdienen würde. Doch nach Mexiko reiten und dort einen Mann aus dem Jail holen, den die Greaser hängen wollen, das ist nicht der Job, den ich suche.«
»Du kannst den Preis selbst bestimmen, Wayne. Natürlich bekommst du deine Ranch schuldenfrei zurück und einen neuen Herefordbullen. Ich bin ein alter Mann, der um Hilfe bitten muss. Ich habe mit Louis eine Menge falsch gemacht.«
»Jetzt fühlen Sie sich mitschuldig daran, dass er Ihnen fortlief, ein verlorener Reiter wurde und nun hängen soll«, murmelt Wayne Adams grimmig. »Jetzt juckt es Sie mächtig, nachdem das Kind längst in den Brunnen fiel. Aber letztlich ist jeder sein eigener Hüter. Das gilt für Louis, für Sie und auch für mich. Die Connores-Sippe jenseits des Rio Grande ist mir zu mächtig. Warum soll ich mich mit ihr anlegen? Nein, Mister!«
Nach diesen Worten reitet er davon.
Und Todhunter McGinnes hält ihn nicht zurück. Sein Stolz ist ihm im Weg, denn er ist ein Mann, der zum ersten Mal in seinem Leben um etwas bat.
Er lässt Wayne Adams reiten.
✰✰✰
Zwölf Stunden später befindet sich Wayne Adams in Santa Rosa, also etwa dreißig Meilen von Radego entfernt, an der Mündung des Pecos Creek in den Rio Grande.
Am Fluss brennt ein Feuer, über dessen Glut an einem Spieß ein prächtiges Ferkel hängt. Die beiden Männer, die gerade mit dem Festessen beginnen wollen, sehen Wayne Adams an.
Dann sagt Cliff Everett: »Der sieht verhungert aus, meinst du nicht auch, Luke?«
Luke Jones kaut schon mit vollen Backen. »Sehr verhungert«, sagt er. »Wenn wir den richtig hier ranlassen, putzt er uns alles weg.«
Sie schweigen nach diesem Dialog und betrachten Wayne Adams kauend.
Cliff Everett sagt nach einer Weile zu seinem Partner: »Er starrt uns an wie ein hungriger Wolf. Ich denke, wir müssen ihn einladen.«
Luke Jones nickt, wobei er mit den Ohren wackelt und sehr betrübt aussieht. »Ich glaube, er hat uns auch schon zwei- oder dreimal eingeladen«, sagt er. »Also setz dich, Satteltramp. Wir hörten schon, dass du restlos pleite bist und aufgegeben hast. Wir werden dich laben mit Speise und Trank wie barmherzige Hirten ein armes Schaf, das aus der Wüste in einen schönen Garten kommt. Steig ab, Amigo, und genieße diesen köstlichen Braten, den nur Könner und Feinschmecker so einmalig zubereiten, dass er wie ein Gedicht ist. Er zergeht auf der Zunge, lässt den Gaumen jubeln und füllt den Magen. Er lässt das Leben und alle Sünden vergessen!«
Nach diesen Worten beißt Luke Jones ein großes Stück ab, als müsste er die durch Reden verlorene Zeit wieder aufholen.
Wayne Adams sitzt ab. Er lässt seinen grauen Wallach zum Wasser laufen, hockt sich selbst zu den beiden Männern und greift ohne Zögern zu.
Er ist nicht weniger hungrig als die beiden Satteltramps.
Sie kennen sich recht gut, denn sie waren zusammen im Krieg, ritten einst einmal für Todhunter McGinnes und machten sich später selbstständig.
Cliff Everett versuchte sich als Rodeo-Kämpfer, und er zog zwei Jahre lang überall herum. Doch jetzt sitzt er hier am Rio Grande.
Und Luke Jones ist bei ihm. Von Luke weiß Wayne, dass er mit einer der ersten Treibherden von Texas nach Kansas zog und über ein Jahr unterwegs war.
Doch auch er kam zurück auf die Heimatweide.
»Was hockt ihr hier herum und verschluckt ein Schwein?«, fragt er nach einer Weile.
Sie grinsen, aber es ist ein Grinsen der Bitterkeit, gemischt mit Galgenhumor.
»Wir waren in Corpus Pablo«, erklärt Luke Jones. »Wir hatten unser Geld zusammengelegt, weil Cliff sich zutraute, mit dem Spieler, der dort den Saloon führt, zurechtzukommen. Nun, es fing recht gut an. Cliff hatte in drei Stunden schon unsere hundertfünfzig Dollar verdreifacht. Da versuchte der Spieler einen schmutzigen Trick, den Cliff sofort durchschaute. Es gab natürlich Ärger. Die erste Kugel bekam der Spieler. Seine Leute mochten das nicht, und so gaben wir es auch einigen von ihnen. Zum Schluss war vom Saloon nicht mehr viel übrig. Wir mussten sehr eilig verschwinden, weil sich der ganze Ort auf die Seite unserer Gegner stellte. Die Leute von Corpus Pablo waren wohl wütend, weil sie nun keinen Saloon mehr hatten. Jemand hatte eine Lampe zerschlagen, und das herauslaufende Öl brannte. Als der Saloon in Flammen aufging, zersprangen die vielen Flaschen und Fässchen. Der hochprozentige Schnaps machte ein Feuerchen wie in der Hölle. Sie waren mit mehr als fünfzig Reitern hinter uns her. Vor zwei Tagen konnten wir sie abschütteln, doch wir trauen der Sache nicht richtig. Deshalb sitzen wir hier am Fluss. Dort drüben ist Mexiko. Man braucht nur hinüberzureiten.«
Nach dieser langen Rede hat Luke Jones wieder Hunger. Schon bald muss er seinen Gürtel um ein Loch weiterschnallen.
Wayne Adams grinst und nickt verständnisvoll. Die beiden Burschen haben aus ähnlichen Gründen wie er einen Kampf gesucht und eine Menge Spaß dabei erlebt. Spaß ist vielleicht nicht das richtige Wort, es sei denn, man hielte es für einen Spaß, wenn man vom Teufel geritten wird.
»Was werdet ihr tun?«, fragt Wayne Adams nach einer Weile.
Sie haben nun endlich genug gegessen. Von dem Ferkel ist nicht mehr viel übrig. Sie hocken satt und etwas schläfrig am Feuer und trinken den starken Kaffee.
Schließlich sagt Cliff Everett: »Oooh, wenn wir erst wissen, dass uns niemand mehr auf der Fährte sitzt, werden wir hinüber nach San Antonio reiten. Dort werden dauernd neue Treibherden nach Kansas in Marsch gesetzt. Man sucht Treiber, die unterwegs auch kämpfen können. Das wäre der Job, der uns vor dem Verhungern schützt. Man könnte aber auch eine Postkutsche anhalten oder eine Bank erleichtern. Wir wissen noch nicht so genau, in welche Richtung wir ...«
Er verstummt, denn in der Ferne – im Norden – zeigt sich eine Staubwolke, die sich schnell nähert. Das Land ist flach, man kann es hier vom Flussufer aus meilenweit übersehen.
»Es ist ein einzelner Reiter«, sagt Wayne Adams ruhig, aber schon nach einer Minute fügt er hinzu: »Hinter diesem Reiter kommen noch andere. Die zweite Staubwolke ist sehr viel größer. Ich würde sagen, dass es fast ein halbes Dutzend Verfolger sind.«
Luke Jones und Cliff Everett spähen noch mit schmalen Augen. Dann nicken sie beipflichtend.
Der Reiter, der offensichtlich auf der Flucht ist, kommt immer näher.
Luke Jones sagt plötzlich: »Wenn mich nicht alles täuscht, ist das Burl Ives. Der hat einen Pinto und sitzt auch so im Sattel. Er könnte es sein.«
Sie warten schweigend.