G. F. Unger Western-Bestseller 2525 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2525 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Für Linnehard Kane ist es ein Tag wie jeder andere. Er steht früh auf, versorgt die Pferde im Corral und geht erst dann in die Küche, um das Frühstück zu machen. Er ist kaum fertig damit, als auch schon Bernie McClure auftaucht, ein rotköpfiger und sommersprossiger Bengel von dreizehn Jahren, der nicht schnell genug ein Mann werden kann und der deshalb ständig voll rastloser Ungeduld ist, so als könnte er auf diese Art die Jahre schneller hinter sich bringen.
»Was machen wir heute mit den Biestern, Boss?« So fragt Bernie wichtig. »Versuchen wir es heute, sie als Sechsergespann vor die alte Kutsche zu spannen?«
Lin Kane nickt kauend.
»Heute versuchen wir es«, erwidert er. »Heute müssen wir es versuchen. Denn wenn jetzt nach dem Krieg wieder die erste Postkutsche kommen sollte, dann muss ich ein frisches Gespann zur Verfügung haben. Das ist mein Job. Dies war mein Auftrag, als man mich hierher nach Hope schickte, damit ich die Posthalterei und Relaisstation wieder in Betrieb nehme. Ja, heute versuchen wir es mit den sechs Biestern als Sechsergespann ...«


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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Eine Kutsche voller Dollars

Vorschau

Impressum

Eine Kutschevoller Dollars

Für Linnehard Kane ist es ein Tag wie jeder andere. Er steht früh auf, versorgt die Pferde im Corral und geht erst dann in die Küche, um das Frühstück zu machen. Er ist kaum fertig damit, als auch schon Bernie McClure auftaucht, ein rotköpfiger und sommersprossiger Bengel von dreizehn Jahren, der nicht schnell genug ein Mann werden kann und der deshalb ständig voll rastloser Ungeduld ist, so als könnte er auf diese Art die Jahre schneller hinter sich bringen.

»Was machen wir heute mit den Biestern, Boss?« So fragt Bernie wichtig. »Versuchen wir es heute, sie als Sechsergespann vor die alte Kutsche zu spannen?«

Lin Kane nickt kauend.

»Heute versuchen wir es«, erwidert er. »Heute müssen wir es versuchen. Denn wenn jetzt nach dem Krieg wieder die erste Postkutsche kommen sollte, dann muss ich ein frisches Gespann zur Verfügung haben. Das ist mein Job. Dies war mein Auftrag, als man mich hierher nach Hope schickte, damit ich die Posthalterei und Relaisstation wieder in Betrieb nehme. Ja, heute versuchen wir es mit den sechs Biestern als Sechsergespann ...«

Er erhebt sich, kauend noch, trinkt stehend die Tasse leer und geht dann hinkend hinaus. Aber er hinkt nicht mehr so stark wie damals bei seiner Ankunft in Hope. Er nahm auch gewiss fast zwanzig Pfund an Gewicht zu. Seine Gesundung von den vielen Kriegswunden machte in den vergangenen Wochen gute Fortschritte. Vielleicht hätte ihn damals die Armee gar nicht entlassen, wäre zu erkennen gewesen, dass er wieder gesund werden würde.

Doch inzwischen ist der Krieg vorbei. Und er wurde Posthalter in Hope.

Das ist mehr, als ein Mann, den sogar die Konföderierten-Armee nicht mehr haben wollte, erwarten und erhoffen konnte.

Dass die Postlinie noch gar nicht wieder in Betrieb genommen wurde, ist für ihn unwichtig. Denn sein Gehalt läuft vom ersten Tag seines Eintreffens an.

Bernie folgt ihm bis zum Corral, in dem die Pferde sind.

Erst vor wenigen Wochen kaufte er diese Tiere für die Postlinie von einigen Wildpferdjägern. Sie halfen ihm beim Zureiten, Einbrechen und Abrichten, bis er selbst gesund genug war.

Und dann begann die schwierige Arbeit für Bernie und ihn, die Tiere an eine Postkutsche als Sechsergespann zu gewöhnen.

Es war eine höllische Arbeit – und sie ist auch jetzt noch schwer, obwohl sie die Tiere inzwischen schon so weit haben, dass sie als Zweier- und Vierergespann vor einer Kutsche auf Befehl traben, trotten und galoppieren.

Postkutschengespanne müssen zuverlässig sein und den sechs Zügeln gehorchen, auf Zuruf reagieren und sich vor nichts fürchten.

Sie schaffen es ziemlich schnell und betrachten dann das angeschirrte Sechsergespann vor der alten Kutsche, die sie nur zu Übungszwecken verwenden können, weil sie auf einer richtigen Überlandfahrt bald schon zusammenbrechen würde.

Bernie beobachtet kritisch, wie Lin Kane wenig später auf den hohen Fahrersitz klettert, die sechs Zügel ordnet, immerfort ruhig zu dem Gespann spricht und schließlich die Bremse löst.

Dann fährt er langsam an.

Das Sechsergespann reagiert noch sehr ungleichmäßig. Es ist noch keine Einheit, und dennoch ist es schon ein fast bewundernswerter Fortschritt, den die sechs Tiere machten auf dem Weg zu einem richtigen Sechsergespann für Überland-Expresspostkutschen.

Lin Kane fährt nun mit der alten, ächzenden Kutsche aus dem Hof und biegt nach links ab, also nach Norden. Denn er will nicht mit der Kutsche durch die kleine Stadt Hope.

Hope – nun, dies heißt so viel wie Hoffnung.

Und Hoffnung haben nicht nur die Leute in Hope. Der ganze Südwesten hat jetzt nach dem Krieg Hoffnung, dass sich Stillstand und Rückschritt bald endlich wieder in Fortschritt wandeln werden.

Bernie McClure sieht der Kutsche nach. Er ist etwas enttäuscht, dass Lin Kane ihn nicht mitgenommen hat. Doch er weiß, dass dies zu den Abmachungen zwischen seiner Mutter und Lin Kane gehört.

Er darf die Stadt nicht verlassen.

Denn dort draußen – schon wenige Steinwurfweiten von der Stadtgrenze entfernt – beginnt in diesem Land die Gefahr.

Apachen!

Die Apachen beherrschen noch weite Teile des Landes.

Das kam ganz zwangsläufig, als sich im Verlaufe des Krieges die Schutztruppen dieses Territoriums zurückzogen, um auf den Kriegsschauplätzen zu kämpfen.

Die Zivilbevölkerung dieses Landes wurde nicht nur auf sich selbst gestellt und musste sich aus eigener Kraft behaupten – nein, es war sogar noch schlimmer, denn viele Männer sind ja zur Armee gegangen und deshalb nicht daheim bei ihren Familien.

Jene, die den Krieg überlebten, kehren in diesen Wochen nach und nach heim.

Hope ist zurzeit noch fast ohne Männer. Einige fielen im Krieg. Andere sind noch verschollen oder in Gefangenschaft. Und nicht wenige wurden von den Apachen umgebracht.

So stehen die Dinge derzeit im Land.

Doch jetzt muss sich bald alles ändern. Die Schutztruppen werden bald die Apachen befrieden. Die Straßen und Wege müssen dann wieder zu echten Lebensadern des Landes werden. Frachtwagen- und Auswandererzüge werden bald wieder auf diesen Wegen rollen. Postkutschen werden kommen und Menschen, Postgut und eiliges Wertgut transportieren, zum Beispiel Geld.

Denn Geld muss ins Land kommen, Bargeld. Man kann nicht immerzu von Tauschgeschäften leben.

Bernie McClure, der dreizehnjährige Junge, weiß das alles schon und begreift es voll. Und deshalb versteht er, warum ihn Lin Kane nicht mit hinausnimmt auf der ersten Probefahrt mit dem neuen Sechsergespann.

Er wartet also geduldig und denkt dabei über Linnehard Kane nach.

Kane hat keine Furcht, allein hinauszufahren. Kane war ein Kriegsheld der Konföderierten. Gewiss, er schien ein kranker Mann zu sein, fast ein Invalide, als er hier ankam und die Station wieder in Betrieb nahm. Doch jetzt – oh, jetzt ist Kane schon wieder ein Mann, der allein mit sechs erstklassigen Pferden vor einer alten Kutsche dorthin fährt, wo vielleicht Apachen lauern könnten.

Bernies Achtung vor Kane könnte nicht größer sein.

Und nur sein Vater, an den er sich noch gut erinnern kann, nimmt in dieser Erinnerung einen mit Kane ebenbürtigen Platz ein. Denn auch sein Vater war ein besonderer Mann.

Damals vor dem Krieg war er hier Sheriff.

✰✰✰

Linnehard Kane braucht etwa drei Meilen, bis er das Sechsergespann eingewöhnt und unter Kontrolle hat, so wie es sich für ein Postkutschengespann gehört und es jeder Fahrer erwartet.

Er wendet die alte Kutsche auf einem günstigen Platz. Ganz vorsichtig fährt er aus den Radfurchen. Vielleicht ist er mit der alten Kutsche schon zu weit gefahren und bringt sie gar nicht mehr heil zur Stadt zurück.

Aber ihren Zweck hat sie erfüllt. Er hat nun ein Sechsergespann für eine durchkommende Kutsche bereit. Dies war unter anderem sein Auftrag. Nun muss er warten auf diesen Tag, auf diese Stunde, da die erste Kutsche kommen wird und Hope nicht länger eine einsame Insel inmitten eines von Apachen beherrschten Landes ist.

Als er die Kutsche fast schon gewendet hat und wieder auf dem Wagenweg ist, da sieht er die Reiter.

Es sind sechs, und er sieht gleich auf den ersten Blick, zu welcher Sorte sie gehören. Es gibt da keinen Zweifel. Er kennt sich mit Hartgesottenen aus.

Die da, die aus einer Hügellücke geritten kommen und der Wagenstraße zustreben, sind Sattelwölfe, Raubfalken, die von ihren Revolvern leben.

Sie reiten erstklassige Pferde, sitzen in guten Sätteln, und sie haben außer ihren Colts auch noch Gewehre in den Scabbards. Sie sind dunkel gekleidet und strömen eine hungrige, rücksichtslose, schlaue und selbstbewusste Gnadenlosigkeit aus.

Linnehard Kane muss trocken schlucken. Er möchte sein Sechsergespann jetzt zu einem wilden Galopp antreiben, um vor diesen sechs Reitern in Hope ankommen zu können. Doch er kann mit der alten Kutsche jetzt nicht schneller als im Schritt fahren. Sie fällt immer mehr auseinander. Er hört es am Knarren, und er spürt unter sich, wie schief sie hängt. Wenn er jetzt nicht ganz vorsichtig heimfährt, wird die Kutsche in Stücke fallen.

Die sechs Reiter erwarten ihn am Rand des Wagenweges. Einer hebt die Hand, gibt ihm das Zeichen zum Anhalten. Er tut es und blickt in sechs hagere, kühne und hungrig wirkende Gesichter, in scharfe, glitzernde, harte und mitleidlos wirkende Augenpaare.

Ja, es sind Sattelwölfe, denkt er. Sie waren Banditen und tarnten sich wahrscheinlich während des Krieges als Guerillas. Nun kehren sie vielleicht in ihr altes Revier zurück. Wenn sie durch Hope reiten, dann ...

Er bricht seine Gedanken ab.

Denn die Vorstellung, was in Hope sein wird – in dieser Stadt fast ohne Männer, dafür aber mehr als einem Dutzend hübscher Frauen –, lässt ihn innerlich erzittern.

»Das ist doch keine reguläre Postkutsche?« So fragt der Mann, der ihn durch ein lässiges Handzeichen anhielt.

Kane schüttelt den Kopf.

»Ich gewöhne ein Gespann an eine Kutsche«, erwidert er. »Irgendwann – vielleicht heute, morgen oder in vielen Wochen – wird die erste Kutsche kommen. Dann muss ich ein frisches Sechsergespann für sie bereit haben. Das ist mein Job. Wohin wollt ihr denn?«

Er fragt es scheinbar lässig und beiläufig, ganz so wie ein Mann, der sich freundlich, doch nicht sonderlich interessiert verhält.

Sie grinsen stärker, mitleidloser.

Dann sagt der Sprecher: »Na, dann viel Glück. Wie weit ist es denn bis Hope? Schafft es der alte Kasten noch zurück?«

Lin Kane gibt sich Mühe, nicht wieder so hart und würgend schlucken zu müssen. Denn er möchte seine Beklommenheit nicht erkennen lassen.

Er sagt: »Etwa drei Meilen sind es. Habt ihr Apachen gesehen? Wir erwarten auch die regelmäßige Armeepatrouille. Woher kommt ihr? Habt ihr die Soldaten gesehen?«

Er fragt nach den Soldaten, um sie unsicher zu machen. Denn wenn sie mit Armeepatrouillen rechnen müssen, werden sie sich vielleicht nicht lange in Hope aufhalten und sich dort manierlich benehmen.

Doch sie grinsen nur verächtlich, schief und fast tückisch. Sie erwidern nichts. Es ist, als hätte er ihnen keine Fragen gestellt.

Sie reiten einfach weiter. Nach wenigen Schritten beginnen ihre Pferde zu traben. Sie kommen schnell und stetig vorwärts.

Mit seiner alten Kutsche kann er ihnen nicht folgen. Sie werden lange vor ihm in Hope ankommen.

Ja, er macht sich Sorgen.

Es ist ein hoffnungsloses Gefühl in ihm.

Einige Male sieht er sich um, so, als hoffte er wirklich, dass eine Armeepatrouille auf dem Wagenweg daherkäme.

Doch er sieht nur ein paar Apachen.

Jawohl, Apachen! Er kann sie mit seinem scharfen und geschulten Blick sofort erkennen. Da er langsam fährt, wirbeln Gespann und Kutsche nur wenig Staub auf. Er sitzt überdies hoch genug, um über diesen Staub hinwegsehen zu können.

Dort auf dem Hügelhang im Sonnenschatten der roten Felsen, da sieht er ein halbes Dutzend Apachen.

Waren sie hinter den sechs Revolvermännern her? Haben sie diese verfolgt?

Oder hatte Lin Kanes Zusammentreffen mit den sechs Sattelwölfen die Apachen davon abgehalten, sich die sechs Pferde der alten Kutsche zu holen und Lin Kane umzubringen?

Er fährt weiter. Der Weg zurück nach Hope kommt ihm so lang wie tausend Meilen vor.

✰✰✰

Auf der letzten Bodenwelle halten sie an und sehen zur Stadt hinüber.

Sie wirkt nicht sehr lebendig. Es herrscht wenig Leben in Hope. Nur in einigen Gärten wird gearbeitet. Es gibt dicht bei der Stadtgrenze ein paar Maisfelder.

Aus nur wenigen Schornsteinen quillt etwas Rauch.

»So habe ich es mir gedacht«, sagt John Pardee zu seinen Männern. »Dies ist Hope, und es ist schon fast gestorben, ausgetrocknet, verlassen, vergessen. Ja, so habe ich es mir vorgestellt. Die, welche noch hier sind, leben nur durch ihre Hoffnung. Sonst könnten sie es gewiss nicht mehr aushalten. Vor fünf Jahren wollte mich hier ein kleiner Deputy Sheriff verhaften. Bernie McClure hieß er, einfach nur Bernie McClure. Er hatte von mir gehört. Als ich im Saloon beim Poker saß, kam er durch die Hintertür. Aber er war ein Narr. Er ließ mich aufstehen und verlangte, dass ich mich ihm zuwandte. Dabei hielt er seinen Colt schussbereit und fühlte sich der Situation völlig gewachsen. Aber ich schoss dann doch noch einen winzigen Sekundenbruchteil schneller als er. Schon damals ritt ich ungehindert aus der Stadt. Niemand wollte den Sheriff rächen. Niemand wollte mich aufhalten. Jetzt ist die Stadt gewiss noch mieser geworden. Benehmt euch anständig. Wir sind nicht gekommen, um eine miese Stadt klein zu machen. Denkt daran, dass es um sehr viel mehr geht. Und benehmt euch anständig zu den Frauen. Hört ihr? Ihr werdet euch später die schönsten Weiber der Welt kaufen können. Doch so lange müsst ihr warten. Aaah, ich habe euch das ja alles schon lang und breit erklärt. Ihr wisst Bescheid. Los, reiten wir weiter!«

Sie tun es, und sie nähern sich Hope wie ein unaufhaltsames Unheil.

Er reitet jetzt sehr langsam mit seinem Rudel.

Sein Name ist John Pardee, und vor dem Krieg wurde er in vielen Städten zu beiden Seiten der Grenze steckbrieflich gesucht.

Hinter John Pardee reiten Monk Shippoway, Curly Bob Slater, Benito Bacatete, San Saba Bucko King und Juan Hermolito.

Das sind sie.

✰✰✰

Bernie McClure sieht sie zuerst, und er weiß nicht, dass der Reiter an der Spitze des Rudels jener Bandit ist, der vor fünf Jahren seinen Vater erschoss. Er kann es nicht wissen. Auch John Pardee weiß in diesem Moment nicht, dass der rotköpfige Bursche dort am Pfosten der Hofeinfahrt der Sohn jenes Deputy Sheriffs ist, der ihn damals verhaften wollte.

Er hält an und betrachtet den rotköpfigen Jungen.

»Gibt es hier einen Mietstall, Reddy?« So fragt er.

Bernie schüttelt den Kopf. »Früher einmal«, sagt er. »Doch es lohnte sich nicht mehr. Und überdies starb der alte Shorty im vergangenen Jahr, weil er in einen rostigen Nagel trat und die Blutvergiftung unterschätzte. Für drei Dollar mache ich diese Pferde wie neu und füttere sie wie im Paradies. Wir haben hier bestes Futter, wie es die Postkutschengespanne bekommen.«

»Du scheinst ein tüchtiger Bursche zu sein«, murmelt John Pardee. »Wie heißt du denn?«

»Bernie«, sagt dieser, »Bernie McClure, Sir. Wollen Sie also die Pferde versorgt haben? Ich werde sie abreiben, striegeln, ihnen die ...«

»Schon gut, Bernie«, nickt John Pardee. Man sieht ihm nicht an, dass er sofort über den Jungen Bescheid weiß. Denn der Name Bernie McClure kann nicht zufällig der gleiche sein wie der des Deputys von damals.

Pardee sitzt ab.

Und auch seine fünf Begleiter, die den Jungen jetzt noch schärfer und interessierter betrachten als zuvor, lassen sich nichts anmerken.

Sie bringen die Pferde in den Corral dicht neben Sattelschuppen und Stall. Dann klopfen sie sich den Staub aus der Kleidung und waschen sich am Wassertrog den Schweiß aus den Gesichtern, kühlen ihren Nacken.

Und immerzu sehen sie sich dabei wie witternd um.

Selbst dem Jungen wird es unheimlich. Er spürt etwas Drohendes.

Und wie um sich Mut zu machen, versucht er ein Gespräch mit den Fremden. Er fragt: »Sir, Sie kommen von sehr weit, nicht wahr? Sahen Sie Apachen unterwegs? Wir alle hier warten auf die Ankunft der ersten Postkutsche. Dies wäre ein Zeichen, dass die Wagenstraße wieder frei ist, offen für jeden Verkehr, und dass die Armee alle Apachen zum Teufel gejagt hat.«

John Pardee betrachtet den Jungen, dessen Vater er tötete. Er wirft ihm einen Dollar zu. »Das ist Vorschuss, Bernie. Ja, Apachen sahen wir unterwegs. Sie streifen in kleinen Gruppen durch das Land wie immer und suchen Beute. Und wenn sie eine Beute aufgespürt haben, dann finden sich all diese kleinen Gruppen wie auf ein geheimes Zeichen zusammen. Dann sammeln sie sich zu einer Kriegsmacht, so als könnten sie über hundert und noch mehr Meilen geheime Signale empfangen. Haben sie noch nicht versucht, eure kleine Stadt anzugreifen? Hier wohnen doch gewiss nicht mehr als zwei Dutzend Menschen – oder?«

»Etwas mehr«, erwidert Bernie.

Er sieht den sechs Männern nach, die nun sporenklirrend davongehen. Er ist es gewöhnt, dass die wenigen durchreitenden Fremden bald schon zum Store gehen, in dessen Anbau ein großer Gastraum ist, der einen Saloon ersetzt. Man bekommt auch dort zu fast jeder Tageszeit ein Essen. Mae Hibbs, die mithilfe ihres Schwiegervaters den Store, den Saloon und das kleine Hotel bewirtschaftet, ist eine gute Köchin. Oldman Hibbs aber ist ein alter Mann mit einem Holzbein, der sich Mühe gibt, seiner Schwiegertochter möglichst viel Arbeit abzunehmen.

Oldman Hibbs sitzt vor dem Store auf der Veranda, als sich die sechs Sattelwölfe mit klimpernden Sporen nähern. Er wirft nur einen einzigen Blick auf sie, erhebt sich aus dem Schaukelstuhl und geht hinein.

»Mae«, sagt er, »geh nach oben. Schnell, geh nach oben. Da kommen ein paar Hombres, für die du zu hübsch bist. Also geh!«

Doch sie schüttelt den Kopf. »Ich habe hier eine Menge Arbeit«, sagt sie.

Oldman Hibbs sagt nichts mehr. Er tritt hinter den Ladentisch und überzeugt sich mit einem Blick, ob dort noch die geladene Schrotflinte liegt, deren Läufe er einmal selbst absägte, damit sie handlicher wurde.

Schon in der nächsten Sekunde treten die sechs Fremden langsam und wie witternde Wölfe wirkend ein. Monk Shippoway, bei dessen Anblick man an einen schwarzen Toro denkt, also an einen spanischen Kampfstier, stößt einen zufriedenen Grunzer aus und tritt sofort an das Fass mit den eingelegten Gurken. Er greift mit seinen schmutzigen Fingern in die Salzlauge hinein, fischt sich eine der Gurken heraus und beißt gierig hinein.

»Die sind gut«, knurrt er kauend. Er betrachtet Mae Hibbs, grinst lauernd. Alle betrachten Mae Hibbs, und sie sind Männer, die schon recht lange keine hübsche Frau mehr sahen. Sie erhebt sich von dem kleinen Hocker.

»Was wünschen die Gentlemen?« So fragt sie. Ihre Stimme klingt kühl und herb.

Aber sie grinsen stärker. San Saba Bucko King sagt trocken: »Schwester, wenn wir dich wünschen würden – wäre das möglich?«

Sie blickt ihn kühl an, obwohl tief in ihrem Kern schon die Furcht zu hämmern beginnt.

»Wenn das ein Scherz sein soll, dann war es kein guter«, erwidert sie.

»Und wenn es kein Scherz war?« So fragt Bucko King zurück, und er strömt die Gnadenlosigkeit eines Wolfes aus, der seine Beute gestellt hat und nicht mehr entkommen lassen will.

Oldman Hibbs räuspert sich hinter dem Verkaufstisch.

»Sicher war es ein Scherz, sicher«, sagt er dann und zwingt sich zu einem Lachen. »Denn wenn es kein Scherz gewesen sein sollte, dann würdet ihr keine Gentlemen sein. Aber ihr seid doch Gentlemen, nicht wahr? Das kann gar nicht anders sein, weil ihr alle eine Mutter hattet.«

In seiner Stimme ist zuletzt der versöhnliche und beruhigende Ton eines alten Mannes, der eine goldene Brücke bauen will.

Aber der glatzköpfige Curly Bob Slater, dessen Spitzname also ein Witz ist, sagt trocken: »Opa, wir sind keine Gentlemen – bestimmt nicht.«

Es wird still.

Und Monk Shippoway, der seine Gurke gegessen hat, greift nochmals in das Salzlaugenfass, um sich eine neue Gurke herauszuholen.

»Du bist aber wirklich kein feiner Mann«, sagt Benito Bacatete zu ihm. »Mit deinen Dreckfingern kannst du doch nicht da hineingreifen. Das ist wirklich nicht fein, Mister.«

John Pardee, der sich inzwischen im Saloon gründlich umsah, greift nun ein. Er sagt: »Wir möchten ein gutes Essen. Und das schnell! Ist der Gastraum dort drüben? Dann werden wir dort Platz nehmen und warten. Alter Mann, schaff uns was für die Kehlen herbei. Es war ein staubiger Ritt. Habt ihr hier noch den roten spanischen Wein?«