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Ich wusste, dass der alte Falke mein Freund war, obwohl er mich nie anders behandelt hatte als all die anderen wilden Jungs. Doch ich spürte oft, dass er mich mit einem gewissen Wohlwollen betrachtete.
Ich fragte mich manchmal, wie lange er wohl noch Sheriff bleiben konnte in Angelgate. Ja, Angelgate hieß die kleine Stadt. Sie lag am Angelgate Creek - und all diese Angelgate-Benennungen hingen mit den beiden roten Felsen zusammen, die rechts und links des Canyoneingangs von Westen her standen.
Diese roten Felsen hatten die Formen zweier riesenhafter Engel, die sich gewissermaßen am Canyoneingang vor allen Ankömmlingen verneigten, sie also willkommen hießen am Eingangstor zum Paradies.
Deshalb hieß der Ort Angelgate - also Engelstor.
Aber der Name war ein Witz. Denn es gab keine Engel in diesem Land ...
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Eine Kugel für den Sheriff
Vorschau
Impressum
Eine Kugelfür den Sheriff
Ich wusste, dass der alte Falke mein Freund war, obwohl er mich nie anders behandelt hatte als all die anderen wilden Jungs. Doch ich spürte oft, dass er mich mit einem gewissen Wohlwollen betrachtete.
Ich fragte mich manchmal, wie lange er wohl noch Sheriff bleiben konnte in Angelgate. Ja, Angelgate hieß die kleine Stadt. Sie lag am Angelgate Creek – und all diese Angelgate-Benennungen hingen mit den beiden roten Felsen zusammen, die rechts und links des Canyoneingangs von Westen her standen.
Diese roten Felsen hatten die Formen zweier riesenhafter Engel, die sich gewissermaßen am Canyoneingang vor allen Ankömmlingen verneigten, sie also willkommen hießen am Eingangstor zum Paradies.
Deshalb hieß der Ort Angelgate – also Engelstor.
Aber der Name war ein Witz. Denn es gab keine Engel in diesem Land ...
Der alte Sheriff hatte es immer sehr schwer gehabt in all den Jahren. Er hatte sich den Ruf eines Revolverkämpfers verschaffen müssen und auch einige Narben bekommen. Und seit drei Jahren hinkte er leicht.
Ja, ich fragte mich manchmal, wie lange er noch seinen Job ausüben konnte.
Ich dachte oft über ihn nach. Denn ich mochte ihn. Aber auch ich hielt meine Gefühle verborgen und achtete darauf, dass sie nicht an die Oberfläche kommen konnten. Dennoch wusste ich, dass auch er über meine Gefühle für ihn Bescheid wusste, so wie ich über seine Gefühle mir gegenüber.
So vergingen also die Jahre.
In einer Nacht, als ich im Angelgate Saloon ein Fest feierte mit ein paar Partnern, die mir geholfen hatten, eine Wildpferdherde einzufangen, zuzureiten und zum Verkauf zu treiben, da kam zuletzt auch der alte Sheriff herein.
Er sagte, dass jetzt Schluss sein müsste. Denn er hätte wegen uns schon über eine Stunde ein Auge zugedrückt. Jetzt aber sollten wir die Stadt schlafen lassen, denn es gäbe ja immerhin noch ein paar Bürger in ihr, die als Handwerker ihren Lebensunterhalt verdienen und deshalb früh am Morgen aufstehen müssten.
Das sahen wir ein, obwohl wir eine ziemlich wilde Bande waren.
Wir gingen also. Meine vier Partner stolperten zum Hotel hinüber, wo sie sich Zimmer genommen hatten. Sie wollten singen, doch dann fiel es Pete ein, dass sie ruhig sein mussten.
Ich selbst überlegte noch, wohin ich gehen sollte.
Es mochte drei Uhr morgens sein.
Ob Dolores aufwachen würde, wenn ich Steinchen gegen ihr Fenster warf?
Oder sollte ich lieber zu Juanita gehen, bei der ich gewiss ebenfalls Einlass finden würde? Sie wussten beide, dass ich zurückgekommen war in die kleine Stadt.
Und sie hatten gewiss beide auf mein Kommen gewartet.
Jawohl, ich war – was die Mädchen und Frauen betraf – ein ziemlich windiger Bursche. Ich musste immer wieder ausprobieren, welche Eva wohl die Richtige sein könnte für mich.
Ich stand also da und überlegte. Der Sheriff war noch drinnen im Saloon. Er redete wahrscheinlich noch mit dem Wirt ein paar Worte.
Da tauchten drei Reiter aus der Dunkelheit auf. Ich sah sie kommen und trat einen Schritt zurück, sodass ich an der Hauswand und außerhalb der herausfallenden Lichtbahnen gewiss nur schwer zu erkennen war in der Nacht.
Als die drei Reiter dann durch diese Lichtbarrieren ritten und an dem Haltebalken absaßen, da erkannte ich sie.
Es waren die drei Redblowers, und diese drei Pilger waren so ziemlich das Übelste, was hier im Südwesten des Territoriums umherritt.
»Der ist hier reingegangen und hat sie alle rausgeschmissen«, sagte Tage Redblower zu seinen beiden Brüdern, indes er absaß. »Und er muss noch drinnen sein, denke ich«, fügte er hinzu.
Sie gingen hinein, und sie trugen weiche Stiefel, keine Sporen, und bewegten sich so leicht wie Apachen.
Ich aber wusste, dass sie dem Sheriff ans Leder wollten. Das war logisch – und es hatte eine lange Vorgeschichte.
Sie hatten mich nicht bemerkt. Ich verharrte noch.
Verdammt, was sollte ich tun? Einfach weggehen und mich um nichts kümmern – oder dem alten Sheriff helfen?
Tat ich Letzteres, so handelte ich mir eine Menge Verdruss ein. Denn die Redblowers waren ein böser Clan. Wer sich mit einem von ihnen anlegte, bekam es mit der ganzen bösen Blase zu tun – wie zum Beispiel jetzt gleich der alte Sheriff.
Heiliger Rauch, was sollte ich tun?
Ich war dem alten, grauen Falken nicht verpflichtet – nur sein Wohlwollen hatte ich stets irgendwie gespürt. Und auch heute hatte er ein Auge zugedrückt, weil wir im Saloon feierten.
Ich bewegte mich vorwärts bis zur Schwingtür, hielt dann an, um zuzuhören.
Ich hörte Tage Redblower sagen: »Nun, du alter Hundesohn, jetzt bist du wohl von den Socken – oder?«
Sein Bruder Trige sagte: »Der trägt keine Socken. Der trägt Fußlappen. Ich wette, dass er Fußlappen trägt. Wollen wir ihn mal die Stiefel ausziehen lassen? Der trägt keine Socken.«
Ty, der Dritte der Redblower-Brüder, sagte: »Der würde sich nicht die Stiefel ausziehen, um uns zu zeigen, ob er Socken trägt oder sich Lappen um die Füße gewickelt hat. Der will lieber in den Stiefeln sterben.«
Ich begriff es sofort.
Sie waren hereingekommen, um den alten Sheriff zu töten. Und sie wollten zuvor noch auf geradezu bösartige Weise mit ihm ein wenig spielen. Sie mussten ihn sehr hassen, und ihr Charakter musste bösartig sein. Ja, ihr Verhalten sagte mir, dass sie nichts taugten und nie etwas taugen würden.
Ich sah den alten Sheriff am Schanktisch stehen. Etwas seitlich von ihm stand der Wirt Bill Boulder. Doch er zog sich schon aus der voraussichtlichen Schusslinie zurück.
Der alte Sheriff schwieg. Er stand da, wartete und schwieg. Und noch niemals war mir ein Mann so einsam vorgekommen wie dieser Sheriff Boots Henderson. Ja, er hieß Boots Henderson.
Er hatte keine Chance, das war klar. Wahrscheinlich wäre ihm schon einer der Redblower-Brüder mit dem Colt gewachsen gewesen. Er war schon so gut wie erledigt. Und er wusste das.
Doch er blieb ganz ruhig. Man sah ihm allerdings an, dass er bereit war für seinen letzten Kampf. Er würde so gut kämpfen, wie er nur konnte.
Verdammt, wie einsam musste er sich jetzt fühlen!
Trige Redblower sagte: »Du weißt doch auch, warum wir deinen Skalp haben wollen, Boots Henderson?«
»Ich denke schon«, sagte dieser. »Es ist wegen der Kugel, die ich Crazy Cat Joe verpassen musste, nicht wahr?«
Sie nickten.
»Er starb neun Tage später an dieser Kugel«, sprach Tage Redblower dann langsam und schwer, ganz wie ein Mensch, der einen wirklich schlimmen Verlust zu beklagen hat.
»Crazy Cat Joe war uns ein lieber Freund«, sprach er weiter, »fast ein Bruder schon. Und er konnte so schön auf der Mundharmonika spielen. Er quälte sich neun Tage an deiner Kugel herum, bis er endlich starb. Und wir konnten ihm nicht helfen und mussten zusehen. Nie wieder wird er uns ein Lied vorspielen können.«
»Er hätte nicht versuchen sollen ...«, begann der Sheriff.
Doch Trige Redblower unterbrach ihn wild: »Was hätte er nicht versuchen sollen? Das Geld des Steuereinnehmers zu bekommen? Dieser Geldtransport war doch nichts anderes als die Beute eines Regierungsbeamten, der guten und arbeitsamen Leuten das schwer verdiente Geld abnahm. Es war eine gute Sache, solch einem Banditen das Geld – die Beute – wieder abzunehmen. Aber du hast das verhindert, Alter ...«
»... und bekam auch eine Kugel ab von Crazy Cat Joe«, unterbrach ihn der Sheriff. »Auch ich hätte daran sterben können. Also, jetzt hört auf und reitet heim. Das wäre mein Vorschlag, Jungs.«
Er sprach nicht bittend, nein, er sagte es ruhig, ganz wie ein erfahrener Mann, der drei wilde Jungs zum Nachdenken und damit auch zur Vernunft bringen wollte.
Aber sie schüttelten ihre langhaarigen Köpfe.
Ich hielt es nun nicht mehr länger aus.
Und so schob ich mich durch die Schwingtür.
Sie hörten mich, so leise ich auch war. Ihre Sinne waren so fein wie die von Apachen oder Wüstenwölfen. Sie schielten über ihre Schultern.
Ty Redblower sagte dann: »Das ist Chet Linnehart. Jungs, das ist nur Chet Linnehart, und der ergreift bestimmt keine Partei gegen uns. He, Chet, hau lieber wieder ab. Steck deine Indianernase lieber nicht länger hier herein.«
Es war eine Warnung.
Und nun hatte ich die Wahl. Ich konnte klein beigeben und kneifen – oder weitermachen.
Chet Linnehart, ja, das war mein Name. Und wer ihn kannte, der wusste auch, dass ich nicht mehr kniff, wenn ich erst mal in eine Sache hineingesprungen war.
Die Redblowers kannten mich gewiss gut genug. In diesem Territorium zu beiden Seiten der Sonora-Grenze waren wir uns dann und wann begegnet. Doch bisher hatten wir uns gegenseitig respektiert.
Jetzt aber ...
Mir wurde für einen Moment verdammt mulmig. Es war ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ich hatte ein paar hundert Dollar in der Tasche und wollte es mir in den nächsten Wochen recht angenehm machen. Ich dachte an Dolores und Juanita, zu denen ich hätte gehen können. Das alles konnte schnell für immer vorbei sein.
Doch ich konnte den alten Sheriff nicht in der Klemme sitzen lassen.
Und so sagte ich: »Amigos, er hat euch einen guten Rat gegeben. Reitet heim. Denn sonst macht ihr euch nass. Ja, dann saust und zischt es richtig in euren Hosen, Compadres.«
Sie staunten. Denn sie hätten nicht geglaubt, dass ich wegen eines alten Sheriffs meinen Skalp riskieren würde.
Dann sagte Tage, der Älteste von ihnen: »Nehmt ihn an, Brüder!«
Er sagte es scharf und böse, und er war nun entschlossen und fertig mit allen Überlegungen.
Trige und Ty wandten sich mir zu.
Als sie sahen, dass ich die Waffe noch nicht gezogen hatte, rechneten sie sich gute Chancen aus und schnappten nach ihren Colts.
O ja, sie waren schnell wie Wildkater beim Mäusefang. Die Revolver erschienen wie durch Zauberei in ihren Händen, und sie schwangen die Läufe hoch und richteten die Mündungen auf mich. Dies alles geschah so schnell, als wenn jemand mit einem Zeigefinger blitzschnell auf ein Ziel deutet.
Aber ich konnte es noch schneller.
Mein Colt krachte zuerst, und ich traf Ty mit meiner Kugel, während er selbst abdrückte. Deshalb verfehlte er mich.
Dafür traf mich Trige Redblower. Denn er hatte ja Zeit genug, indes ich auf seinen Bruder schoss.
Seine Kugel traf mich, aber ich stand fest und schoss nun auf ihn. Ich traf ihn besser, denn er schwankte zurück. Sein Colt war ihm plötzlich zu schwer. Er schoss nur noch vor sich in die Dielen.
Der Raum war immer noch erfüllt vom Krachen der Colts. Denn auch der alte Sheriff und Tage Redblower schossen es miteinander aus.
Als Tage Redblower fiel, trat der Sheriff langsam zurück, damit er sich gegen den Schanktisch lehnen und daran einen Halt finden konnte.
Denn auch er hatte eine Kugel abbekommen. Die drei Redblowers aber lagen am Boden. Wir hatten sie niedergekämpft.
Der Raum war voller Pulverdampf.
Und Bill Boulder, der Wirt, rief heiser: »Ich hole den Doc!«
Das hörte ich noch. Dann wurden mir die Knie weich. Aber ich fiel nicht um. Ich schaffte es noch bis zu einem Stuhl, auf den ich mich setzen konnte.
Meine Seite schmerzte. Es war mir, als hätte ich eine Lanzenspitze zwischen den Rippen. Doch so schlimm konnte es eigentlich nicht sein, denn dann wäre ich gewiss umgefallen wie die Redblower-Brüder.
Für eine Weile jedoch wurde mir schwarz vor Augen.
Ich legte mich nach vorn auf den Tisch und legte den Kopf auf meine Arme ...
✰✰✰
Als ich erwachte, hörte ich rechts und links von mir zwei sich streitende Frauenstimmen. Und ich erinnerte mich wieder daran, dass man mich vom Saloon ins Hotel gebracht und dort ins Bett gelegt hatte, nachdem der Doc meine Wunde versorgt hatte.
Ich kannte die beiden Frauenstimmen rechts und links von mir genau. Deshalb hielt ich meine Augen weiterhin geschlossen und ließ mir nicht anmerken, wie wach ich inzwischen geworden war.
Hellwach war ich!
Denn an meinem Bett stritten Dolores und Juanita. Und sie mussten sich schon eine Weile gestritten haben.
Ich hörte Juanita sagen: »Na gut, wenn du so sicher bist, dass er lieber zu dir ziehen und sich von dir gesund pflegen lassen will, dann lass ihn doch selbst entscheiden. Dann fragen wir ihn einfach, sobald er die Augen aufmacht und ja oder nein sagen kann. Basta?«
»Nein, es ist noch längst nicht Schluss. Denn ich kenne ihn besser als du, Juanita. Der würde sich in unserer Anwesenheit für keine entscheiden, weil er keiner von uns wehtun will. Denn er hat ein zartes Herz. Der möchte uns nicht wehtun, obwohl er bei uns beiden nascht, was er nur bekommen kann – abwechselnd. Caramba, ich weiß nicht, warum ich ihn immer wieder reinlasse in der Nacht, sobald er auch nur ein kleines Steinchen gegen mein Fenster wirft. Und dir wird es auch so gehen, Juanita. Du bist in dieser Hinsicht genauso dämlich wie ich. Bei ihm sind wir weich wie Wachs und machen uns Hoffnungen, jagen alle anderen Hombres zum Teufel. Ich will dir etwas sagen, Juanita. Spielen wir um ihn. Spielen wir darum, wer hier verschwinden wird. Denn die Gewinnerin wird ihn dann mit zu sich heim nehmen. Na, willst du?«
Ich bewegte mich nicht, lag da wie ein Toter, der nur noch ein wenig atmen konnte. Und ich hörte Juanita sagen: »Um ihn spielen? Mit dir? Ja, bin ich denn loco? Der wirft doch nur in der Nacht kleine Steinchen gegen dein Fenster, weil er dich in der Dunkelheit nicht sieht. Wenn er sehen kann, entscheidet er sich für mich. Verstehst du?«
Da ließ Dolores das Fauchen einer Wildkatze hören.
Sie ging erst gar nicht um mein Bett herum, um Juanita in Reichweite zu bekommen, sondern gleich über mein Bett hinweg. Sie stießen nun beide das Fauchen von Katzen aus, und sie wären sich schlimm in die Haare geraten, wenn ich nicht meine Augen aufgemacht und »Huh!« gemacht hätte.
Sie hielten sofort inne.
»Ihr Honeys«, sagte ich, »tut mir das nicht an. Ich bin es nicht wert, dass sich zwei so reizende Engel meinetwegen in die Haare geraten. Ihr seid zu gut, zu lieb und zu prächtig, um dies wegen eines solchen Schlurches zu tun. Vertragt euch wie Schwestern. Dann bin auch ich sehr froh und werde schnell wieder gesund. Gut so?«
Sie starrten mich an.
Dann murmelte Juanita: »Der spricht zu uns, als wären wir dämliche Tanten. Ay, Dolores, könntest du dich mit mir wie eine Schwester vertragen?«
»Nein«, erwiderte Dolores. »Nicht, wenn es um einen Mann geht. Chet, du musst dich entscheiden, zu wem du gehen willst und wer dich gesund pflegen darf. Du musst dich jetzt entscheiden. Sofort!«
Es war ihr ernst. Und Juanita nickte so heftig, dass ihre Haare nur so flogen und wallten. Oh, sie hatte prächtiges Haar. Es fiel ihr lose über die Schultern. Nur wenn sie in ihrem kleinen Schneiderladen arbeitete, band sie es hinter dem Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammen.
Ich saß in der Klemme. Und das Schlimme war, dass ich sie beide mochte, jede auf ihre Art. Ich musste nach Worten suchen, und das fiel mir schwer. Aber ich versuchte es. Und so sagte ich: »Ich habe euch beide gern. Glaubt es mir. Ich habe euch wirklich gern, weil ihr euch so gut ergänzt. Jede von euch hat besondere Vorzüge, und wenn ihr beide zusammen eine wäret – versteht ihr? –, dann wäre sie die ideale Frau fürs ganze Leben. Ich müsste Mormone werden, dann könnte ich euch zwei heiraten, und dann ...«
Ich kam nicht weiter.
Denn plötzlich waren sie sich einig und richtige Schwestern.
Sie begannen wie auf Kommando bitter zu lachen.
Dann fragte Dolores: »Begreifst du, Juanita, was für ein windiger Bursche er ist? Eine von uns ist ihm nicht genug. Mormone will er werden. Der ist ja loco, richtig loco. Aaah, jetzt kann ich ihn endlich richtig sehen! Er muss uns beide zusammen haben – abwechselnd. Weil jede von uns irgendeinen Mangel an besonderen Eigenschaften hat. Dieser krumme Hund beleidigt uns. Hast du begriffen, Juanita?«
»Si, si«, fauchte diese. »Ich glaube, dass er bei dir das bessere Essen bekommt, bei mir aber ...«
Sie hielt inne, verschluckte sich fast dabei.
Ich war sicher, dass sie sagen wollte: »... die heißere Liebe.« Aber sie sagte es nicht. Sie besann sich, dass Dolores jetzt ihre liebe Schwester war und sie sich wegen mir nicht zanken sollten.
Und so sagte sie nach einem kurzen Schlucken und Atemholen: »Komm, Dolores, lassen wir ihn. Der sucht einen makellosen Engel aus dem Paradies. Und wir sind nur hübsche Katzen, die mal gestreichelt werden möchten von einem Burschen, der ein richtiger Mann ist. Gehen wir! Streiten wir nicht länger um ihn.«
Dolores nickte.
»Aber du kannst immer zu mir kommen – wenn du willst«, sagte sie, und sie meinte mich.
»Zu mir auch«, sprach Juanita sofort trotzig. »Aaah, was sind wir doch für dämliche Eulen, dass wir ihn mögen. Dabei sieht er nicht mal hübsch aus. Komm, Dolores! Ich werde dir dein Kleid ein wenig ändern. Dann sieht man deine etwas zu breiten Hüften nicht mehr so. Ich ...«
Sie gingen hinaus.
Und ich lag da und staunte. Verdammt, was ein Mann so alles mit Frauen erleben konnte! Ich verspürte Hunger, und ich fühlte nach meinem Verband an der Seite.
Die Wunde schmerzte. Doch sie schien gut versorgt worden zu sein. Ich durfte nicht zu tief atmen. Dann blieb der Schmerz erträglich. Wundfieber schien ich nur wenig zu haben. Mein Durst hielt sich in Grenzen. Doch der Hunger wurde stärker. Und das alles war ein gutes Zeichen.
Ich wurde ein wenig wütend auf Dolores und Juanita. Sie hätten mir wenigstens etwas zu trinken und auch zu essen geben können.
Ich griff neben mich und bekam den Stuhl neben dem Bett zu fassen. Ich stieß ihn mehrmals auf den Fußboden des Zimmers. Dann wartete ich.
Nach einer Weile kam jemand herein.
Ich staunte. Denn es war wieder ein Mädchen.
Und sie konnte sich mit Dolores und Juanita messen, ja, sie war sogar völlig anders als diese beiden schwarzhaarigen Wildkatzen. Dieses Mädchen da hatte rote Haare, grüne Augen und Sommersprossen.
»Der Doc«, sagte sie, »musste hinaus zu den Wesslys. Aber ...«
»He, wer sind Sie denn?« So unterbrach ich sie. »Träume ich? Kommen Sie mal näher und kneifen Sie mich, ja, bitte!«
Sie tat es wirklich, kam ans Bett und kniff mich in den Arm.
»Und jetzt küssen Sie mich«, verlangte ich.
Da legte sie mir ihre Hand auf die Stirn.
»Das Wundfieber kann doch noch gar nicht mehr so schlimm sein«, sagte sie. »Aber es soll Leute geben, die haben Fieber und werden gar nicht heiß. Wenn Sie aufwachen, soll ich Ihnen etwas zu essen geben, sagte der Doc. Was war denn mit den beiden Tanten soeben? Sind Sie wirklich ein Mormone, der sie beide heiraten will?«
Sie sprach ziemlich sarkastisch, fast schnippisch – und ich ließ mich nicht täuschen durch ihre Worte. Sie war nicht dumm, eher das Gegenteil.
»Ich weiß immer noch nicht, wer Sie sind«, brummte ich. »Oder soll ich Sie einfach nur Red nennen? Oder Grünauge?«
»Vielleicht Sommersprosse«, lächelte sie und ging zur Tür. »Ich hole jetzt was aus der Küche herauf«, sprach sie von dort. »Und ich möchte wirklich wissen, was die beiden Paradieshühner an Ihnen zu haben glauben, dass sie sich deshalb in die Haare gerieten.«