G. F. Unger Western-Bestseller 2539 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2539 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

John Cheshum sieht eine Weile zu, wie die Herde zu beiden Seiten des Baches zur Ruhe kommt - fünftausend Longhorns aus Texas, die er seit eineinhalb Jahren nach Norden treibt. Vor einem Jahr noch hatte er dieses Treiben für eine großartige Idee gehalten. Doch jetzt ist er nicht mehr so sicher. Jetzt ist überhaupt eine Menge anders als vor einem Jahr.
Er unterbricht seine Gedanken und blickt nach Osten. Dort, kaum mehr als eine Reitstunde entfernt, liegt Laramie. Und in Laramie kann er alles bekommen - Feuerwasser, Spiel und auch das Vergnügen mit ein paar leichtlebigen Frauen.
Damals, als er Jennifer heiratete, ihr versprach, die Herde nach Wyoming zu treiben und dort ein mächtiges Stück Weide zu besetzen, hatte er geglaubt, dass er dieses leichte Leben nie mehr vermissen würde.
Wyoming ist bis hinauf nach Montana frei. Die Indianer wurden bis auf wenige kleine Banden geschlagen. John Cheshum hat es fertiggebracht, eine der ersten Longhorn-Herden nach Wyoming zu treiben. Und er ist stolz darauf. Nun kann er sich die beste Weide aussuchen, und er weiß, wo sie zu finden ist.
Er war lange genug in diesem Land. Er kennt sich aus bis hinauf nach Montana, bis an die Nordgrenze. Damals ritt und kämpfte er noch mit Jim Quinncannon, und sie waren mehr als nur Partner. Sie waren Freunde. Aber dann ...


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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Quinncannon

Vorschau

Impressum

Quinncannon

John Cheshum sieht eine Weile zu, wie die Herde zu beiden Seiten des Baches zur Ruhe kommt – fünftausend Longhorns aus Texas, die er seit eineinhalb Jahren nach Norden treibt. Vor einem Jahr noch hatte er dieses Treiben für eine großartige Idee gehalten. Doch jetzt ist er nicht mehr so sicher. Jetzt ist überhaupt eine Menge anders als vor einem Jahr.

Er unterbricht seine Gedanken und blickt nach Osten. Dort, kaum mehr als eine Reitstunde entfernt, liegt Laramie. Und in Laramie kann er alles bekommen – Feuerwasser, Spiel und auch das Vergnügen mit ein paar leichtlebigen Frauen.

Damals, als er Jennifer heiratete, ihr versprach, die Herde nach Wyoming zu treiben und dort ein mächtiges Stück Weide zu besetzen, hatte er geglaubt, dass er dieses leichte Leben nie mehr vermissen würde.

Wyoming ist bis hinauf nach Montana frei. Die Indianer wurden bis auf wenige kleine Banden geschlagen. John Cheshum hat es fertiggebracht, eine der ersten Longhorn-Herden nach Wyoming zu treiben. Und er ist stolz darauf. Nun kann er sich die beste Weide aussuchen, und er weiß, wo sie zu finden ist.

Er war lange genug in diesem Land. Er kennt sich aus bis hinauf nach Montana, bis an die Nordgrenze. Damals ritt und kämpfte er noch mit Jim Quinncannon, und sie waren mehr als nur Partner. Sie waren Freunde. Aber dann ...

Die Erinnerung steigt plötzlich wieder heiß und mächtig in John Cheshum auf. Er will sich aber nicht mehr an Jim Quinncannon erinnern, nicht mehr an das, was damals war.

Er wendet den Kopf, als Rico Shalacko herangeritten kommt.

»Ein paar Jungs wollen Urlaub nach Laramie haben«, sagt Rico Shalacko. »Und unser Pfannenschwenker braucht ein paar Dinge. Soll ich auslosen lassen, wer nach Laramie darf? Es ist die letzte Stadt, nicht wahr?«

John Cheshum betrachtet Rico Shalacko. Er weiß, wie sehr dieser Vormann Jennifer ergeben ist. Shalacko war der Vormann und Freund von Jennifers Vater daheim in Texas. Für Jennifer war er stets eine Art Onkel.

Rico Shalackos Alter ist unbestimmbar. Wahrscheinlich ist er um die vierzig, aber er ist noch immer geschmeidig. Sein Vater ist Mexikaner, doch von seiner irischen Mutter erbte er die roten Haare. Er trägt zwei Revolver, und John Cheshum fragt sich manchmal, ob dieser Rico sein Freund oder sein Feind ist.

Auf jeden Fall wird er mein Feind sein, wenn Jennifer durch mich Kummer bekommen sollte, denkt John Cheshum.

Er sagt: »Laramie ist nicht die letzte Stadt. Weiter im Norden, am Fuße der Medicine-Bow-Kette, ist Medicine Bow. Dort gibt es noch einmal Urlaub für die Männer. Nach Laramie reite ich allein. Ich bringe mit, was dem Koch fehlt.«

Rico Shalackos dunkle Augen, die zu seinem roten Haar einen unerwarteten Kontrast bilden, werden schmal.

»Du bist zu hart zu deinen Reitern, John«, murmelt er.

John Cheshum grinst. »Hart? Ich weiß nur, was für uns alle gut ist. Rinder sind in Wyoming so knapp wie Engel in der Hölle. Mit Rindern kann man Weide besetzen, Land in Besitz nehmen. Und es ist leicht, eine Herde so in Stampede zu versetzen, dass sie sich in viele kleine Rudel teilt. Nein, niemand außer mir geht nach Laramie. Basta!«

Nach diesen Worten reitet er davon.

Er blickt nur kurz zu den Wagen, bei denen auch Jennifer zu erkennen ist. Sie späht zu ihm her. Er winkt nur einmal lässig. Dann reitet er über die nächste Bodenwelle und ist verschwunden. Er lässt seine Frau, die Herde und Rico mitsamt der Mannschaft hinter sich.

Und er ist unterwegs nach Laramie. Vor etwa zwei Jahren war er zum letzten Mal dort.

Damals entkam er mit knapper Not den Indianern, er, sechs Wagen mit Büffelhäuten und die sechs Abhäuter und Fahrer.

Jim Quinncannon war nicht mehr bei ihnen gewesen. Er war draußen auf der Laramie-Prärie geblieben.

✰✰✰

Es ist längst Nacht, als er Laramie erreicht. Er kannte es schon, als es nur ein Handelsposten war, später dann ein Fort der Armee.

Man sieht auch immer noch, dass Laramie ein Fort im Büffel- und Indianerland war, ein Vorposten, und später eine wichtige Station für den Bahnbau wurde. Damals, als der Schienenstrang sich von Cheyenne her näherte, war Laramie höllisch wild und turbulent.

Aber jetzt ist es nicht viel anders.

Auch jetzt ist Laramie voll von Abenteurern, die aus den verschiedensten Gründen hier sind.

Als John Cheshum den Medicine Road Saloon erreicht, hält er an und betrachtet die lange Straßenfront.

Heiliger Rauch, hat sich diese Bude herausgemacht, denkt er, lenkt sein Pferd an die Haltestange und schiebt sich bald durch eine der Schwingtüren.

Einen Moment denkt er an seine Frau Jennifer, die draußen im Herdencamp bei der Mannschaft blieb. Er spürt ein bitteres Bedauern, und er fühlt, wie Scham in ihm aufsteigen will.

Er kommt sich wie ein gemeiner Verräter vor. Plötzlich denkt er auch wieder an Jim Quinncannon.

Nun wird ihm heiß.

Er drängt zur Bar. Hier stehen die durstigen Gäste in drei Reihen. Aber John Cheshum ist ein Mann, der Beachtung findet. Er drängt sich rücksichtslos durch die Menge und schafft sich Platz mit seinen Schultern.

Er schlägt die brettharte Hand auf den Schanktisch, und einer der viel beschäftigten Barmänner sieht ihn an.

»Komm her, Charly«, sagt er, »ich bin wieder da! Komm her, und gieß mir meine Sorte ein!«

Der Barmann kommt sofort. Er lässt alles andere stehen und liegen!

»Buffalo-John«, sagt er. »Wir alle hier in Laramie fragten uns oft, was aus Ihnen wurde. Natürlich haben wir noch die Sorte, die Sie und Jim Quinncannon immer tranken. Echter Bourbon-Whiskey aus Kentucky! Da ist es, dieses Göttergetränk!«

Er holt eine Flasche hervor und schenkt ein, während er redet. Er ist ein erfahrener Barmann, ein Menschenkenner, und seine klugen Augen betrachten John Cheshum genau.

Wahrscheinlich erkennt er etwas von der Unruhe in John Cheshum und begreift instinktiv, dass dieser nach Laramie kam, um sich zu betrinken und etwas zu vergessen.

Und weil er ihm vielleicht helfen will, sagt er, sich dabei weit über den Schanktisch beugend: »Jim Quinncannon soll damals davongekommen sein. Man erzählt sich, dass er am Leben blieb. Manchmal kamen Männer nach Laramie, die ihm begegnet sind – oben in Montana und drüben in Oregon. Ruhelos soll er herumgezogen sein. Hat er vielleicht nach Ihnen, seinem alten Freund und Partner, gesucht? Hat er Sie vielleicht nicht finden können?«

Der Barmann Charly beobachtet John Cheshum genau.

Doch er kann nichts in Cheshums Gesicht erkennen.

Cheshum trinkt, verlangt ein zweites Glas und trinkt es abermals in einem Zug aus.

Als Charly ihm zum dritten Male das Glas füllt, sagt John Cheshum schwer: »Ich glaube nicht daran, dass Jim Quinncannon noch lebt. Ich sah ihn mit eigenen Augen in der Büffelstampede umkommen. Es muss ein Doppelgänger sein, den man gesehen hat.«

Dann trinkt er das dritte Glas, wirft ein Geldstück auf den Tisch und drängt sich wieder durch die Reihen.

Er will nicht immerzu an Jim Quinncannon denken.

Er glaubt wirklich nicht, dass Jim noch lebt.

Niemals! Wenn hunderttausend Büffel in Stampede geraten, dann gibt es draußen auf der freien Prärie für einen Mann ohne Pferd einfach keine Chance.

Jim Quinncannon kann nicht mehr am Leben sein.

John Cheshum drängt sich durch das Durcheinander der Gäste und gelangt bald schon in die ruhigeren Spielräume.

Er kauft für zwanzig Dollar Spielchips, isst dann kaltes Bratfleisch, Brot, Eier, Gurken und allerlei andere Dinge durcheinander, füllt seinen hungrigen Magen und spült mit ein paar weiteren Whiskeys nach.

Nun fühlt er sich schon besser.

Er tritt an einen Roulette-Tisch und setzt zehn Dollar auf die Nummer Sieben. Er tut es auf eine herausfordernde Art und weiß, dass ihn Gewinn oder Verlust innerlich unberührt lassen würden.

Seine Nummer gewinnt jedoch, und er bekommt den fünfunddreißigfachen Einsatz.

Da grinst er nur und steigert seine Herausforderung um genau diesen fünfunddreißigfachen Betrag. Er lässt die dreihundertfünfzig Dollar auf der Nummer Sieben stehen.

Er wartet lässig und denkt: Zum Teufel, was macht es schon aus, ob ich gewinne oder verliere? Was ändert das schon an mir?

Wahrhaftig, es ist ihm völlig gleich. Aber die Sieben kommt nochmals. Das bedeutet, dass er zwölftausendzweihundertfünfzig Dollar gewonnen hat.

Er grinst wieder, lässt sich zwölf Tausender-Chips geben und schenkt den Rest dem Spielpersonal.

Dann drängt er aus dem Spielraum hinüber in die Tanzhalle.

»Kommt her, Honeys! Kommt zu mir, Honeybees! Ich bin der goldene Bulle in diesem Corral!«, ruft er den Mädchen zu.

Es sind fünfzehn Tanzmädchen, und er kauft fünfzehn Zehnerkarten, sodass er alle Mädchen zehn Tänze lang für sich hat.

Den männlichen Gästen, die darüber maulen, ruft er zu, dass sie auf seine Kosten an der Bar trinken sollen.

Er knallt die zwölf Tausend-Dollar-Chips auf den Tisch.

»Diese Dinger machen wir klein, richtig klein!«

Dann beginnt das wilde Fest.

Es wird so wie damals, wenn Quinncannon und er von der Büffeljagd heimkehrten, mit einer durstigen Abhäutemannschaft und einem Wagenzug, der unter der schweren Last von Büffelhäuten ächzte und stöhnte.

Ja, dann feierten sie ein Fest wie dieses hier.

Sie waren wilde Burschen, die von erfolgreicher Büffeljagd heimkehrten und noch ihre Skalps besaßen.

John Cheshum feiert ein wildes Fest wie damals.

Nur Quinncannon ist nicht mehr dabei.

Doch John Cheshum ist bald viel zu betrunken, um an den einstigen Freund und Partner zu denken.

Er findet endlich das Vergessen, nach dem er sich monatelang sehnte.

✰✰✰

Wäre John Cheshum ein namenloser Fremder, so hätte man ihn am nächsten Morgen gewiss irgendwo in einer Seitengasse gefunden – ausgenommen und gerupft wie ein Huhn.

Doch man konnte sich noch gut an Buffalo-John erinnern.

So kommt es, dass er am nächsten Morgen nicht ausgenommen in einer Gasse, sondern auf dem Tisch eines Hinterzimmers erwacht.

Seit etwa zehn Minuten ist er auch nicht mehr allein.

Ein Mann kam herein.

Dieser Mann betrachtet ihn lange. Er ist ein großer Mann, nicht kleiner als John Cheshum, nur dunkler, viel dunkler, mit merkwürdig hellgrauen Augen.

Dieser Mann wendet sich nach einer Weile an den schwarzen Saloonaufseher, der zu dieser frühen Tageszeit mit einem Gehilfen allein in diesem Reich der Sünden herrscht.

Er wirft ihm ein Goldstück zu und sagt: »Verschaffe uns ein gutes Frühstück mit zwei Litern schwarzen Kaffee. Wenn du schnell machst, kannst du den Rest behalten.«

Er hat noch nicht ausgesprochen, als der Schwarze schon fort ist.

Der Mann wendet sich wieder dem schnarchenden John Cheshum zu und betrachtet ihn abermals.

So betäubt Cheshum nach seiner wilden Nacht auch sein mag, irgendwie muss er die Blicke des anderen spüren. Sein Schlaf wird unruhiger, und er wirft sich so auf dem Tisch herum, dass er seinem Betrachter den Rücken zuwendet.

Aber John Cheshum unterbricht nur sein Schnarchen für einen Moment und lässt einen drohenden Fluch hören, der wohl bedeuten soll, dass er nicht gestört werden möchte.

Da ruft der Fremde scharf: »Indianer! Stampede! Büffelstampede!«

John Cheshum fährt hoch wie von einem Skorpion gestochen. Dabei stößt er einen heiseren Schrei aus, tastet um sich – und hält dann inne, jäh erkennend, dass er sich nicht irgendwo draußen in der Wildnis in einem Camp, sondern im Hinterzimmer des Medicine Road Saloons befindet.

Er rutscht vom Tisch, wendet sich dem Fremden zu – und da erschrickt er so sehr, dass es ihn zurückstößt wie von einem Pferdehuf getreten. Er rammt mit den breiten Schultern gegen die Wand. Nun kann er nicht mehr weiter zurückweichen.

John Cheshum hebt abwehrend beide Hände.

»Nein – nein! Du bist es doch nicht!«, ruft er heiser.

Der Fremde sagt nichts, steht nur ruhig da und betrachtet ihn.

John Cheshum bekommt sich unter Kontrolle. Sein Schrecken schwindet schnell. Er holt schnaufend Luft und sagt mit heiserer Stimme: »Wie bist du damals davongekommen, Jim?«

Jim Quinncannon lässt ihn noch eine Weile auf Antwort warten. Dann beginnt er leise zu sprechen.

»Wir waren auf Büffeljagd. Im Schutz einer Bodenwelle näherten wir uns der Westflanke einer Herde. Es war die letzte große Büffelherde – die allerletzte. Im Schutz der Bodenwelle banden wir unsere Pferde an. Wir nahmen unsere Sharps-Büffelflinten und krochen hinauf zum Rand der Bodenwelle.

Die Büffel standen gut für uns. Wir begannen zu schießen. Erst nachdem wir schon ein gutes Dutzend Tiere abgeschossen hatten, wurde die Herde unruhig. Doch nicht wegen uns. Im Osten war etwas, was sie erschreckte und in immer größere Unruhe versetzte. Es war ein Feuer, ein Präriefeuer. Mit einem Mal brach die Riesenherde aus. Stampede! Der Boden bebte. Und sie raste auf uns los! Nur auf dem Rücken unserer Pferde gab es ein Entkommen. Ohne Pferd hatte ein Mensch nicht mehr Chancen als ein Schneeball in der Hölle. War es so, Johnny? War es so?«

Die Frage kommt nicht scharf, aber es scheint die Verachtung der ganzen Welt darin zu liegen.

John Cheshum lehnt noch an der Wand. Er kann nicht sprechen, nur nicken.

Jim Quinncannon grinst freudlos. In seinen Augen leuchtet eine unversöhnliche Härte.

»Wir rannten los«, sagt er. »Bis zu unseren Pferden waren es etwa dreißig Sprünge. Ich hatte es etwas weiter als du, denn ich war auf dem Kamm der Bodenwelle nach rechts ausgewichen. Ich hatte es also weiter zu den Pferden als du. Überdies trat ich bald in das Loch eines Präriehundes und fiel der Länge nach hin. Inzwischen waren auch unsere Pferde halb verrückt geworden. Sie hatten längst gespürt, dass da – nur noch durch eine Bodenwelle verdeckt – eine Büffelstampede auf sie losgestürmt kam. Dein Pferd riss sich los und sauste davon. Wir hatten nur noch mein Pferd. Vielleicht hätte das Tier uns beide in Sicherheit bringen können, obwohl wir zusammen vier Zentner wiegen. Doch du wolltest dieses Risiko nicht eingehen und nahmst mein Pferd. Du warfst dich mit einem Comanchen-Sprung in den Sattel, nachdem du zuvor mit einem Messer die Zügelenden vom Busch geschnitten hattest. Und dann jagtest du auf meinem Pferd davon, ohne dich noch einmal umzusehen – und überließest mich meinem Schicksal.

Als ich mich umblickte, kamen die Büffel über den Kamm der Bodenwelle, einer donnernden, schnaubenden, alles zerstampfenden Lawine gleich. Mein Freund und Partner hatte mir mein Pferd gestohlen, war fortgeritten, ließ mich in der Not allein. Johnny, das war vor zwei Jahren, nicht wahr? Wie hast du dich die ganze Zeit danach gefühlt? Konntest du überhaupt schlafen? Konntest du in einen Spiegel sehen? Wie konntest du leben? Hast du die Texasherde den langen Weg heraufgetrieben, um endlich mal etwas zu tun, was einen Mann mit Stolz erfüllen kann? Wolltest du etwas vollbringen, was nicht erbärmlich ist?

Oha, ich weiß schon seit einigen Wochen, dass du mit einer Treibherde unterwegs nach Norden bist. Ich habe dich vorher überall gesucht und suchen lassen. Sogar in Montana und Oregon war ich. Dass du nach Süden gegangen warst, bekam ich erst viel später heraus. Ich habe dich hier erwartet. Als man mir meldete, dass du im Medicine Road Saloon ein wildes Fest feiern würdest, da wusste ich, dass du hergekommen warst, um dich zu betäuben, um vergessen zu können. Und ich machte mich auf den Weg zu dir.

Nun werden wir abrechnen, nicht wahr? Abrechnen – nicht nur über den Verrat an deinem Freund und Partner. Du schuldest mir außerdem noch einige materielle Dinge – Geld, viel Geld! Und du musst reich sein. Wie ich hörte, sollst du in dieser wilden Nacht hier zehn-tausend Dollar verjubelt haben. Du hast sämtliche Gäste des Saloons freigehalten und ...«

Er verstummt, denn der Schwarze bringt auf einem Tablett das Frühstück. Er setzt es auf den Tisch und fragt hoffnungsvoll: »War es schnell genug, Sir?«

Jim Quinncannon nickt.

»Schnell genug. Jetzt lass uns allein! Und mach die Tür zu!«

Er setzt sich an den Tisch und beginnt den Kaffee zu probieren. Zufrieden nickt er und sagt: »Das ist stark genug, um einen Toten zu erwecken. Komm, Johnny, mein Freund, und schütte dir was davon in den Hals. Dann wirst du dich vielleicht etwas besser fühlen und darüber nachdenken können, wie du dir unsere Abrechnung vorstellst.«

Er beachtet John Cheshum scheinbar gar nicht mehr, sondern beschäftigt sich mit dem Frühstück. Außer dem Kaffee gibt es Brot und reichlich Schinken mit Eiern. Es ist genug für zwei hungrige Männer.

Doch John Cheshum hat nicht den geringsten Appetit. Er stößt sich nach einer Weile von der Wand ab, schlurft zum Tisch und lässt sich Jim Quinncannon gegenüber nieder. Er vermeidet es, ihn anzusehen, trinkt jedoch gierig den starken Kaffee.

Er spürt eine tiefe Resignation.

Schon jetzt weiß er, dass alles umsonst war, was er tat, um vergessen zu können. Und so wird es immer sein.

Jim Quinncannon fragt kauend, wobei er ihn scharf betrachtet: »Du bist inzwischen verheiratet, wie ich hörte? Deine Frau soll eine Schönheit sein. Einer meiner Spione, der zu euch ans Feuer kam, sich als Tramp ausgab und um eine Mahlzeit bat, hat sie mir genau beschrieben. Für sie bist du bestimmt ein mächtig großer, beachtenswerter Bursche. Eine Herde von Texas bis nach Wyoming treiben, ho, das ist schon etwas! Das kann nur ein besonderer Mann. Und das wolltest du ihr wohl beweisen, nicht wahr? Weiß deine Frau eigentlich, was für ein besonderer Schuft du bist?«

In dieser letzten Frage liegt nur Verachtung.

John Cheshum zuckt zusammen. Unter seiner braunen Haut ist er bleich, und diese Blässe kommt nicht nur von seinem Kater nach der wilden Nacht im Saloon.

Seine Lippen zittern. Einen Moment hat es den Anschein, als wollte er aufspringen, den Tisch zur Seite fegen und den einstigen Freund angreifen.

Er weiß jedoch schon seit vielen, vielen Monaten – und seit der vergangenen Nacht –, dass er sein Schuldgefühl nicht durch Wutausbrüche und nicht durch Ausschweifungen loswerden kann.

Der starke Kaffee tut seine Wirkung und hilft ihm, die Nachwehen der vergangenen Nacht und den Schock zu überwinden.

Er hebt seine Hände, zeigt Jim Quinncannon die Handflächen, als hielte dieser einen Revolver auf ihn gerichtet.

Heiser sagt er: »Na schön, ich bin ein Schuft. Ich versagte, verlor die Nerven, bekam Angst. Und wenn du mich einen Schuft nennst, kann ich dir das nicht verdenken. Es gibt einfach keine Entschuldigung für das, was ich tat. Ich weiß es genau. Tausend Mal sagte ich mir das alles selbst. Die beiden letzten Jahre waren die Hölle für mich. Als ich damals Jennifer kennenlernte, als wir herausfanden, dass wir uns liebten, und dann schnell heirateten, da glaubte ich, alles vergessen zu können. Ich besaß die Liebe einer Frau, der keine andere das Wasser reichen konnte. Aber ...«

Er verstummt müde.

»Es hielt nicht lange an«, murmelt er. »Das Glück mit Jennifer konnte nur für kurze Zeit die Hölle in mir betäuben. Auch die Aufgabe, die ich mir stellte, konnte mir nicht dabei helfen, mein Selbst wiederzufinden. Jim, ich habe es tausend Mal zutiefst bereut und abgebüßt. Meine Frau glaubt, ich liebe sie nicht mehr. Meine Tat von damals steht zwischen ihr und mir wie eine unsichtbare Wand. Nach einem kurzen Glück und Vergessen durch sie und ihre Liebe wurde alles nur noch schlimmer. Ich kann ihr doch nicht sagen, was auf mir lastet und mich einsam macht, einsam, verschlossen und ...«

Er verstummt hilflos. Sein flackernder Blick richtet sich auf Jim Quinncannon.