G. F. Unger Western-Bestseller 2542 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2542 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Johnny Mahoun ist dabei, mit lässiger Fertigkeit die Karten neu zu mischen. Die Spieler an seinem Tisch verfolgen aufmerksam jede seiner Finger- und Handbewegungen.
Denn sein Glück in der letzten Stunde war zu unwahrscheinlich, so denken sie jedenfalls, und sie sind hartgesottene und erfahrene Pokerspieler.
Aber Johnny Mahoun kommt nicht mehr zum Kartenausteilen.
Der Mexikanerbursche aus Daisy Mullens Angels' House taucht plötzlich neben ihm auf, noch etwas atemlos vom raschen Laufen.
»Señor, Sie werden mir gewiss die Störung verzeihen«, sagte der Junge, »wenn ich Ihnen sage, dass die Patrona mich schickt und es wirklich eilig ist.«
Johnny Mahoun blickt zur Seite.
Er kennt den Jungen und natürlich auch seine Chefin, die Patrona des Angels' House zu Silver City ...


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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Johnny Mahouns Wandlung

Vorschau

Impressum

Johnny MahounsWandlung

Johnny Mahoun ist dabei, mit lässiger Fertigkeit die Karten neu zu mischen. Die Spieler an seinem Tisch verfolgen aufmerksam jede seiner Finger- und Handbewegungen.

Denn sein Glück in der letzten Stunde war zu unwahrscheinlich, so denken sie jedenfalls, und sie sind hartgesottene und erfahrene Pokerspieler.

Aber Johnny Mahoun kommt nicht mehr zum Kartenausteilen.

Der Mexikanerbursche aus Daisy Mullens Angels' House taucht plötzlich neben ihm auf, noch etwas atemlos vom raschen Laufen.

»Señor, Sie werden mir gewiss die Störung verzeihen«, sagte der Junge, »wenn ich Ihnen sage, dass die Patrona mich schickt und es wirklich eilig ist.«

Johnny Mahoun blickt zur Seite.

Er kennt den Jungen und natürlich auch seine Chefin, die Patrona des Angels' House zu Silver City ...

»Was sollst du mir sagen, Chico?« So fragt er sanft und freundlich, wie es seine Art ist. Johnny Mahoun ist ein großer, hagerer, indianerhafter Bursche – aber nicht wie ein Apache indianerhaft. Denn Apachen sind untersetzt, gedrungen. Nein, dieser Johnny Mahoun gleicht einem zu groß geratenen Comanchen. Nur seine hellen Augen lassen gleich auf den ersten Blick erkennen, dass er bestimmt kein Indianer ist.

»Señor, die Bohunkey-Brüder ...«, beginnt der Junge, schluckt etwas aufgeregt und fügt schlicht hinzu: »Sie sind keine Caballeros. Sie haben alle anderen Gäste aus dem Angels' House gejagt und benehmen sich unanständig. Nicht mal vor der Patrona haben sie Respekt.«

Besonders die letzten Worte spricht der Junge mit einem Klang in der Stimme, als wäre für ihn die ganze Welt in Unordnung geraten und hätte er jeden Glauben an die Richtigkeit der Dinge verloren.

Einer der Mitspieler sagt mit einem Klang von Ungeduld und fast schon Drohung in der Stimme: »He, Mahoun, Sie werden doch nicht aufhören, nachdem Sie die letzten Spiele gewannen?«

Aber Johnny Mahoun wirft die gemischten Karten auf den Tisch.

»Vielleicht hätte ich auch diese Runde wieder gewonnen«, sagt er lächelnd, sodass unter seinem sichelförmigen Schnurrbart seine starken, weißen Zähne scharf blinken. »Vielleicht bewahrt das Kommen dieses Jungen die Gentlemen vor weiteren Verlusten. Sie müssen mich jedenfalls für ein Weilchen entschuldigen. Daisy Mullen ist eine alte Freundin von mir. Wenn sie mich um Hilfe bittet, hat sie ganz gewiss einen triftigen Grund. Aber wenn die Gentlemen warten wollen, dann komme ich zurück, sobald die Sache im Angels' House geklärt ist.« Er erhebt sich.

Und noch bevor er geht, sagt ein anderer der Pokerspieler warnend: »He, Mahoun, wir wissen ja alle, dass Sie ein harter Bursche sind – aber die drei Bohunkey-Brüder sind Ihnen zu dritt jedenfalls über. Wenn Sie sich mit denen reiben, werden Sie gewiss eine lange Zeit nicht mehr Poker spielen, wenn überhaupt jemals wieder. Gehen Sie lieber nicht ins Angels' House. Immerhin hat die Stadt einen Marshal, nicht wahr, Mahoun?«

Aber der erwidert nichts mehr, sondern verlässt den Silverlode Saloon, und der Mexikanerjunge läuft ihm voraus, um seiner Patrona zu melden, dass Johnny Mahoun kommt.

Als Johnny Mahoun aus dem Silverlode Saloon ins Freie tritt, hält er einen Moment inne. Er hat seine Jacke aufgeschlagen und seine Daumen in die Ärmellöcher seiner Weste gehängt. Es ist eine wunderbare Brokatweste, unter der er ein gefaltetes Rüschenhemd trägt. Sein dunkler Anzug ist gute Schneiderarbeit, und die Stiefel hat er sich einst in Alabama machen lassen.

Nur der große Colt an seiner linken Seite passt nicht so recht zu seiner eleganten Erscheinung.

In Silver City brennen schon die Lampen und Laternen. Aus fast allen Häusern fällt das Licht in Bahnen quer über die Gehsteige und die Fahrbahn. Diese Lichtbarrieren wirken wie Schranken aus wirbelndem Goldstaub.

Reiter und Fahrzeuge durchqueren diese Barrieren. Und Fußgänger schieben sich da und dort, denn alle Geschäfte und Lokale sind noch geöffnet und werden es bleiben bis lange nach Mitternacht.

Noch ist Silver City klein und kaum mehr als ein Camp. Doch in der Umgebung wird immer mehr Silber gefunden. Und jeden Tag kommen neue Glücksjäger herbei. Sie rüsten sich aus und verschwinden in den Hügeln, suchen dort nach neuen Adern. Und jene, welche »abgebrannt« hier ankommen, sodass ihnen das Geld fehlt, um sich ausrüsten zu können mit Werkzeugen und Proviant, die verdingen sich erst einmal in den Minen als Arbeiter, um etwas ansparen zu können.

Johnny Mahoun weiß, dass die Stadt bald ein Babylon werden – oder aber auch schnell sterben wird. Es wird auf die Größe der Funde ankommen.

Er setzt sich in Bewegung. Und er denkt an Daisy Mullen, welche hier das Angels' House eröffnete. Ja, er kennt sie aus früheren Zeiten, und er ist ihr tatsächlich etwas schuldig.

Das Angels' House liegt etwas außerhalb von Silver City. Doch wenn die Funde anhalten und die Stadt sich weiter entlang des Silver Creeks ausdehnen sollte, wird es bald einer der Mittelpunkte sein.

Vor dem zweistöckigen Haus stehen einige Wagen. Da und dort sind Sattelpferde angebunden an den Haltebalken bei den Wassertrögen.

Eine Männergruppe hockt beim Brunnen. Einige der Gestalten versuchen mithilfe des kühlen Wassers nüchtern zu werden, andere kühlen mit nassen Halstüchern irgendwelche Beulen und Blessuren, wie man sie sich bei einer handfesten Prügelei leicht holt.

Als Johnny Mahoun auftaucht und zum Eingang will, sagt einer der missgelaunten Männer heiser: »He, sind Sie dieser Johnny Mahoun?«

Dieser hält inne. »Und wenn?« So fragt er freundlich.

Sie alle wenden sich ihm nun zu. Selbst jene, denen es offensichtlich nicht gut geht, weil sie zu schlimm verprügelt wurden oder zu sehr betrunken sind, betrachten ihn aufmerksam.

»Daisy Mullen versprach uns, dass wir bald wieder reinkommen könnten, wenn Sie erst da wären und die Sache in die Hand genommen hätten. Aber wie sollen Sie erreichen, was nicht mal wir alle zusammen schafften? Da drinnen sind die drei Bohunkey-Brüder. Und die wollen den ganzen Laden für sich allein haben. Die hauen alles wieder durch die Tür, was auch hereinkommen möge. Ich glaube, Daisy Mullen versprach uns zu viel. Seht, Freunde, dieser Johnny Mahoun sieht auch nicht anders aus als wir.«

»Natürlich nicht.« Johnny Mahoun grinst und setzt sich wieder in Bewegung. Als er an die Tür klopfen will – was man mit einem Messingklopfer besorgen kann, welcher einem Pferdehuf gleicht –, wird die Tür auch schon geöffnet.

Mac Bohunkey wird sichtbar. Er ist rothaarig und nur deshalb als Macholm Bohunkey erkennbar. Er lacht und macht eine einladende Bewegung.

»Wir wissen schon, dass Daisy nach dir schickte, Mahoun. Wenn du gerne rückwärts Purzelbäume bis in den Silverlode Saloon schlagen möchtest, dann versuch nur, durch diese Tür zu kommen. Na komm!«

Johnny Mahoun erwidert nichts, doch er tritt vorsichtig näher.

Er versucht an Mac Bohunkey vorbei ins Haus zu blicken.

Doch er kann nicht viel sehen. Dafür hört er das Kreischen der Mädchen und Daisy Mullens keifende Stimme, die böse ruft: »Ihr Barbaren! Ihr verdammten Schufte! Dass es auf dieser Welt so etwas gibt wie euch, kann doch nur ein Irrtum des Schöpfers sein. Ich ...«

Johnny Mahoun kann nicht mehr hören, denn das wilde Lachen zweier Männer übertönt ihre Worte. Und auch Mac Bohunkey an der Tür lacht dröhnend, so, als wäre sein Oberkörper ein hohles Fass.

Er ist nur wenig mehr als mittelgroß, dieser Mac Bohunkey, doch unwahrscheinlich breit und starkknochig. Er steht fest mit seinen mehr als zweihundert Pfund auf leicht gekrümmten Beinen.

»Na komm schon, Langer«, sagt er zu Johnny Mahoun. »Oder schleich dich wieder dorthin, von wo du gekommen bist. Na?«

Da springt Johnny Mahoun auf ihn zu und trifft ihn wahrhaftig mit einer Geraden am Kinn. Doch Mac Bohunkey zeigt keinerlei Wirkung. Er brüllt auf und stürmt vorwärts.

Es ist der wilde Ansturm eines zweibeinigen Toros. Dabei schlägt er immer wieder nach Johnny Mahoun, versucht ihn mit einem einzigen Schlag von den Beinen zu bekommen. Aber er schafft es nicht. Johnny Mahoun ist unwahrscheinlich leichtfüßig, obwohl auch er ein Schwergewicht von wenigstens hundertachtzig Pfund ist.

Und dann geschieht etwas, womit keiner rechnete.

Johnny Mahoun springt plötzlich an Mac Bohunkey heran, taucht unter dessen gewaltigen Schwingern durch, packt ihn an der Lederjacke vor der Brust und wirft sich nach hinten. Er bekommt seine angewinkelten Füße unter den Leib des Gegners und indes er selbst auf dem Rücken landet, stößt er den brüllenden Mac Bohunkey über sich hinweg.

Der brüllende Mann landet auf dem Brunnen, fällt schon fast hinein, kann sich jedoch auf dem Brunnenrand halten.

Aber bevor er sich auf festen Boden wälzen kann, ist Johnny Mahoun auf den Beinen und schlägt ihm von oben mit einem sogenannten Holzfällerschlag die verschränkten Fäuste auf die Magenpartie.

Und da fällt er in die Tiefe, klatscht unten ins Wasser und beginnt dann in der Tiefe schaurig zu brüllen.

Johnny Mahoun wendet sich schnaufend an die Zuschauer.

»Holt ihn nur nicht heraus«, sagt er.

Sie staunen noch und sie begreifen, dass Mahoun den Gegner absichtlich zum Brunnen lockte, um ihn dort hineinwerfen zu können. Ja, sie staunen fassungslos.

Dann sagt einer: »Den Teufel werden wir tun! Der soll dort im Wasser stehen, bis er einschrumpft und verfault. He, wollen Sie das mit den beiden anderen auch so machen?«

»Mal sehen«, erwidert Johnny Mahoun und setzt sich in Bewegung. Er geht genau auf den Eingang zu, und als er ihn erreicht, ist niemand mehr da, der ihn am Eintreten hindern könnte. Die beiden anderen Bohunkey-Brüder verlassen sich sehr auf ihren Mac.

Im Empfangsraum ist niemand, doch die Tür zum Saloon ist offen. Er kann bald sehen, was dort drinnen vor sich geht.

Bac Bohunkey – er ist braunhaarig und daran als Bacchus Bohunkey von seinen Brüdern zu unterscheiden, denn Mac ist rothaarig und Race schwarz gelockt –, dieser Bacchus Bohunkey steht also hinter der Bar und schenkt immer wieder die Gläser voll.

An der Bar stehen Daisy Mullen und ihre zwölf Mädchen.

Und hinter ihnen steht Race Bohunkey. Er lacht und ruft wieder einmal: »Nun, dann sauft mal schön, ihr Honeys! Sauft! Ihr dürft erst aufhören, wenn ihr so richtig lustig seid! Denn heute geht's andersrum! Heute machen wir euch betrunken und nicht ihr uns. Heute wissen wir, was gemacht wird, und nicht ihr! Aaah, ihr Goldelstern, wir möchten heute mal die Übersicht behalten, und ihr sollt sie verlieren. Das wird ein Spaß! Los, macht die Tassen leer!«

Nun begreift Johnny, was die drei Bohunkey-Brüder im Sinn haben. Wahrscheinlich wurden sie bei ihrem letzten Besuch hier zu schnell betrunken gemacht und dann ausgenommen. Und jetzt kamen sie wieder aus den Silberhügeln ins Camp und machen sich einen Spaß.

Daisy Mullen – obwohl sicherlich schon ziemlich trunken – entdeckt den Ankömmling zuerst im Spiegel hinter der Bar. Und sie wendet sich mit dem halb vollen Glas in der Hand zu Race Bohunkey und gießt ihm den Inhalt ins Gesicht.

Race flucht böse, wischt sich mit dem Ärmel das Gesicht ab und holt dann mit der Hand aus. Aber sein Bruder Bac sagt hinter der Theke: »Warte, Race, da ist einer gekommen, den Mac gewiss nicht freiwillig reingelassen hat. He, wo ist Mac? Und wer bist du?«

Die beiden Fragen sind an Johnny Mahoun gerichtet.

»Mac steht im Brunnen und brüllt«, erwidert Johnny Mahoun. »Und ich bin Johnny Mahoun, Freunde.«

»Und du bist auf der Seite dieser Bienen? Bist du ihr Zuhälter?« Bac Bohunkey fragt es verächtlich.

Aber Johnny Mahoun grinst nur und ist gar nicht beleidigt wegen der letzten Frage. »Ach«, sagt er, »die gute Daisy Mullen ist eine Freundin von mir aus alten Zeiten. Wollt ihr jetzt aufhören mit eurem Spaß und lieber wieder in den Silberhügeln heulen? Oder möchtet ihr auch in den Brunnen?«

Sie staunen. Dann kommt Bac hinter der langen Theke hervor.

Aber Race hebt die Hand. »Halt, Bac, den nehme ich mir zur Brust!«

»Pass nur auf, Race«, warnt Bac. »Denn unser Mac ist gewiss nicht freiwillig in den Brunnen gehüpft. Dieser Hombre hat irgendeinen gemeinen Trick im Ärmel. Pass gut auf, Race.«

»Das werde ich«, grollt dieser und beginnt Johnny Mahoun zu umkreisen.

Als er plötzlich wie ein Stier angreift, weicht Johnny Mahoun wie ein Torero aus, stellt ihm aber rasch noch ein Bein.

Race fällt brüllend, rollt unter den Tisch, reißt diesen um und verliert wertvolle Zeit, bis er aufschnellen kann. Er bekommt einen großen Messingspucknapf mit gewaltiger Wucht über den Kopf gestülpt, in dem er nicht weniger laut zu brüllen beginnt als sein Bruder Mac im tiefen Brunnen.

Auf den zur Decke weisenden Boden dieses Messingkübels schlägt Johnny Mahoun nun mit ziemlicher Wucht einen Stuhl, so wird es sicher, dass Race seinen »Hut« gewiss nicht mehr ohne fremde Hilfe vom Kopf bekommen wird. Man wird eine Blechschere benötigen.

Johnny Mahoun wendet sich Bac zu.

»Willst du es auch probieren?« So fragt er fast freundlich.

»Sicher«, grollt Bac. »Ich halte es für meine Pflicht. Wo kämen wir denn hin, wenn wir Bohunkey-Brüder nicht mehr füreinander einstünden? Natürlich muss ich dich jetzt in Klumpen hauen.«

»Nein, das musst du nicht«, widerspricht Johnny Mahoun. »Ich würde lieber mit dir Frieden schließen, nachdem ich schon zwei von euch geschlagen habe. Was hast du davon, wenn ich euch klein mache?«

Aber da gibt ihm Bac keine Antwort mehr, sondern greift an.

Er hält dabei zwei volle Flaschen Whisky in den Händen, so, als wollte er sie als Keulen benutzen. Aber dann wirft er sie wie Kriegskeulen. Sie verfehlen Johnnys Kopf.

Doch eine greift er und wirft sie schon mit der nächsten Bewegung zurück.

Sie trifft Bac Bohunkey mitten gegen die Stirn, und so hart sein Schädel auch sein mag, er geht zu Boden. Es wirkt lächerlich einfach – doch wer kann schon eine geschleuderte volle Flasche mitten im Flug richtig greifen und sofort zurückwerfen?

Bac Bohunkey kracht schwer auf den Teppich.

Und Johnny Mahoun wendet sich an Daisy Mullen. »War's das?«

Daisy Mullen ist eine mollige Schönheit in den allerbesten Jahren. Sie lacht etwas hektisch. Auch ihre Mädchen lachen wie verrückt. Sie alle sind ja schon ziemlich betrunken, aber noch nicht so sehr, dass sie schon nichts mehr begreifen könnten.

Sie umringen Johnny Mahoun kreischend, küssen ihn ab, drücken ihn, sind begeistert und lieb zu ihm. Er kann sich ihrer nicht erwehren.

Und Daisy Mullens Stimme ruft schrill: »Wenn wir die beiden Barbaren rausgeworfen haben, ist das Haus geschlossen! Und Johnny Mahoun bleibt noch zu unserem Schutz hier, bis die Bohunkeys nicht mehr in der Stadt sind.«

✰✰✰

Als er erwacht und seine Augen öffnet, sticht das Sonnenlicht, welches durch eines der Fenster fällt, in seine Augen. Deshalb schließt er diese schnell wieder und stöhnt leise. Die Erinnerung an alles, was in der Nacht geschah, kommt nach und nach zurück.

Und dann weiß er bald alles.

Ja, er war der einzige Mann im Haus, als Daisy Mullen und deren zwölf Mädchen mit ihm das Fest feierten. Er war ihr Retter, der große Bruder, der Held, der sie beschützt hatte vor den schrecklichen Bohunkey-Brüdern.

Oha, es war ein schönes Fest, voller netter Ausgelassenheit, gutem Essen und erstklassigen Getränken.

Nach einer Weile bewegt er den Kopf dann doch. Rechts von ihm liegt ein Mädchen. Es ist Dolly. Und links von ihm liegt ebenfalls eins, welches sogar zeitweilig zu schnarchen beginnt. Dieses Mädchen heißt Lily, wie er sich erinnern kann. Er fragt sich, was er mit diesen beiden Mädchen gemacht haben könnte. Doch er stellt fest, dass sie beide und auch er angekleidet sind. Mit welchen Absichten sie auch in dieses Zimmer gegangen sein mögen, sie taten letztlich nichts anderes als ihren Rausch ausschlafen. Ja, es wird ihm klar, dass er wie ein Bruder mit dreizehn Schwestern ein Fest feierte.

Aber dann wird ihm klar, dass er nicht ewig hier herumliegen kann. Gestern ist er von einer Pokerrunde fortgegangen und hat gesagt, dass er zurückkommen würde, sobald die Sache im Angels' House geklärt wäre.

Er will sich nicht über eine der beiden Schläferinnen hinwegrollen. Deshalb rutscht er zum Fußende des mächtigen, nobel wirkenden Messingbettes und klettert über das Gitter des Fußendes weg. Drüben in der Ecke steht ein großer Waschtisch. In der Schüssel ist genügend Wasser. Er steckt den Kopf hinein, prustet, nimmt ihn heraus, um Luft zu holen, und wiederholt das alles mehrere Male.

Als er sich dann im Spiegel betrachtet beim Abtrocknen, grinst er sich zu und sagt heiser: »O du blöder Hund, mit dir wird es noch ein böses Ende nehmen, wenn du dich nicht endlich änderst. Spielen, Trinken und immer nur Spaß haben, das bringt einen Mann zu nichts, zu gar nichts. Verdammt, wann endlich wirst du seriös?«

Er reibt sich die Bartstoppeln an den Wangen, überlegt, ob er hier in diesem Zimmer ein Rasiermesser finden würde – aber dann lässt er es bleiben. Er entdeckt seine Alabama-Stiefel halb unter dem Bett. Auch seinen Waffengürtel mit dem Colt entdeckt er über einer Stuhllehne hängend.

Seufzend macht er sich auf den Weg nach unten.

Aus der Küche riecht es nach starkem Kaffee.

Als er eintritt, sieht er Daisy Mullen am Tisch sitzen und hört sie den heißen Kaffee schlürfen. Er setzt sich ihr gegenüber an den Tisch. Sie schenkt ihm wortlos aus der großen Kanne eine Tasse voll und sagt: »Auf dem würde eine Bleikugel schwimmen, da kannst du drauf wetten. Wie geht's dir denn, mein Freund?«

»Gar nicht gut«, erwidert er. »He, wir haben uns betrunken wie ein ganzer Indianerstamm. Freiwillig! Doch als die Bohunkeys euch zum Trinken zwangen, da passte euch das nicht. Aber es wäre auf das Gleiche hinausgekommen, nicht wahr?«

»Nein«, erwidert Daisy Mullen. »Die Bohunkeys wollten uns betrunken machen und dann dieses Haus für die ganze Meute öffnen. Wir aber hatten hier eine geschlossene Feier mit einem einzigen Freund. Wir wollten mal lustig sein, ohne es sein zu müssen für Geld. Verdammt noch mal, verstehst du das nicht? Und wenn du bei uns bliebest, dann ...«

»Nein«, sagt er, »das wäre nichts für mich.«

»Aber wir brauchen einen Beschützer«, spricht Daisy Mullen. »Wir hatten bis vor Kurzem noch Jeff Travetter. Aber dem stach ein Mexikaner ein Messer in den Bauch.«

Johnny Mahoun nickt.