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Die Mesa Station lag am Kreuzungspunkt zweier wichtiger Lebensadern des Landes, die immer wieder von Apachen oder Banditen gewissermaßen »zugedrückt« oder »abgebunden« wurden, sodass kein »Lebenssaft« mehr fließen konnte.
Ich hätte bequemer und einfacher mit einer Postkutsche zu dieser Station dort gelangen können. Doch ich wollte das Umland kennenlernen. Deshalb ritt ich hin und sah mich vorher schon einige Tage und Nächte in der Gegend um.
Vor dem Haupthaus, das ein lang gestreckter Bau aus roten Bruchsteinen war, die mit Lehm ausgefugt waren, standen zwei Pferde an der Haltestange. Es waren erstklassige Tiere, das sah ich, indes ich heranritt. Auch die Sättel waren erstklassig.
Doch wer mochten deren Besitzer sein?
Ich stellte mir die Frage scharf und prüfend, horchte tief in mich hinein. Und plötzlich verspürte ich den Atem von Gewalt, der mir drohend entgegenwehte ...
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Mesa Station
Vorschau
Impressum
Mesa Station
Die Mesa Station lag am Kreuzungspunkt zweier wichtiger Lebensadern des Landes, die immer wieder von Apachen oder Banditen gewissermaßen »zugedrückt« oder »abgebunden« wurden, sodass kein »Lebenssaft« mehr fließen konnte.
Ich hätte bequemer und einfacher mit einer Postkutsche zu dieser Station dort gelangen können. Doch ich wollte das Umland kennenlernen. Deshalb ritt ich hin und sah mich vorher schon einige Tage und Nächte in der Gegend um.
Vor dem Haupthaus, das ein lang gestreckter Bau aus roten Bruchsteinen war, die mit Lehm ausgefugt waren, standen zwei Pferde an der Haltestange. Es waren erstklassige Tiere, das sah ich, indes ich heranritt. Auch die Sättel waren erstklassig.
Doch wer mochten deren Besitzer sein?
Ich stellte mir die Frage scharf und prüfend, horchte tief in mich hinein. Und plötzlich verspürte ich den Atem von Gewalt, der mir drohend entgegenwehte ...
Ich stellte mein Tier neben die beiden Dreihundert-Dollar-Pferde. Im Wassertrog war noch genügend Wasser.
Mit dem Hut klopfte ich mir den rotgelben Staub ab und ging hinein.
Drinnen war Kühle. Die dicken Steinmauern hielten die flimmernde Hitze draußen. Aber wenn man aus dem hellen Sonnenlicht eintrat, kam es einem sehr dunkel vor im Raum. Es dauerte einige Atemzüge lang bis ich die Anwesenden erkennen und abschätzen konnte.
Hinter dem Schanktisch stand eine Frau. Ich hatte sie noch nie gesehen, doch ich kannte schon ihren Namen. Sie war rothaarig und grünäugig, und die beiden Hombres vor dem Schanktisch waren verrückt nach ihr.
Ich hörte einen sagen: »Also, wenn ich dir ein schönes Geschenk mache, Grünauge, gehst du dann mit mir nach oben? Ich kann dir ein wirklich nobles Geschenk machen, mein Engel.«
Er verstummte lockend.
Dann sah er zur Seite auf mich und sagte aus dem Mundwinkel: »Hau ab! Schleich dich, Amigo! Du störst jetzt. Hau ab!«
Die beiden letzten Worte sprach er wie ein Mann, der vor Ungeduld gleich explodieren würde.
Ich sah die Frau an.
»Gibt es hier Bier?« So fragte ich.
Sie nickte und wollte etwas erwidern.
Doch da explodierte der Hombre wahrhaftig. Er war ein Narr, ein überheblicher Narr, den seine wilden und ungestümen Wünsche überdies auch noch unvorsichtig machten.
Er hatte seine Unterarme auf der Schanktischkante liegen. Nun versuchte er es mit einem rechten Haken zu meinem Kopf, der mich auf Ohr und Kinnwinkel treffen sollte.
Aber ich nahm den Kopf weg und wich einen halben Schritt zurück. Deshalb riss ihn der Schwung ins Leere, und er stolperte zwischen mir und dem Schanktisch hindurch. Und weil ich ihm auch noch mit meiner Fußspitze die Füße wegriss, fiel er krachend zu Boden.
Sein Partner wollte nach dem Colt schnappen. Aber er war mir nahe genug, dass ich schneller bei ihm war, als er seinen Colt frei bekommen konnte. Und dann gab ich es ihm.
Weil der andere vom Boden aufspringend seine Waffe schnappte, stieß ich den Burschen gegen ihn. Und so fielen sie beide nochmals.
Ich wusste, dass dies erst der Anfang war, wenn ich sie nicht sofort klein machen konnte. Und so zog ich meine Waffe und gab ihnen mit dem Lauf was über die dummen Köpfe.
Und da war es vorbei.
Nein, sie hatten keine Chance gegen mich.
Dann sah ich die Frau an.
»Clementine Morgan?«
Sie nickte und sagte: »Ich habe gleich erkannt, dass du sein Bruder bist, Ben Clayton.«
Ja, das ist mein Name, Ben Clayton.
Und sie war die Witwe meines Bruders Johnny. Doch das Wort »Witwe« war mehr symbolisch anzusehen. Denn richtig verheiratet war mein Bruder nicht mit ihr. Sie waren Gefährten auf rauen Wegen, Glücksjäger, Abenteurer. Sie waren ein Pärchen. Und deshalb war sie irgendwie doch seine Witwe, auch wenn sie nicht Clayton hieß.
Sie kam hinter dem Schanktisch der Gaststube hervor, und beide betrachteten wir die Kerle am Boden. Es war festgestampfter Lehmboden.
Tina sagte: »Auch Johnny hätte sie so klein gemacht. Aber sie sind gefährlich. Sie gehören zu jener Sorte, die in verborgenen Camps lebt, verschwiegene Wege reitet und immer die Taschen voller Geld hat. Sie haben Freunde. Du musst jetzt auf dich aufpassen, Ben Clayton.«
»Ich weiß«, nickte ich.
Dann schwiegen wir eine Weile und beobachteten die beiden Kerle. Diese regten sich nun, begannen zu stöhnen und wenig später auch schon zu fluchen. Oh, sie begriffen schnell, dass sie an den falschen Mann geraten waren. Und deshalb sah es so aus, als würden sie an ihrem verletzten Stolz umso mehr ersticken, je klarer es in ihren Köpfen wurde.
Nach einer Weile standen sie schwankend da und starrten mich an.
Ja, es waren zwei böse, harte Nummern, richtige Arizonawölfe.
Als sie Luft holten, um etwas zu sagen, kam ich ihnen zuvor und sprach fast milde zu ihnen: »Am besten sagt ihr gar nichts. Zahlt eure Zeche und haut ab.«
Ihr verletzter Stolz ließ sie innerlich kochen. Und sie hatten auch noch ihre Colts in den Holstern. Nun tasteten sie mit den Fingerspitzen nach den Kolben.
Ich sagte: »Oha, ihr könnt auf einen besseren Tag warten. Und dann werde ich auch noch hier sein. Denn ich bin der neue Stationsmann. Mein Name ist Ben Clayton, und bevor ihr es noch mal mit mir versucht, hört euch erst ein wenig um über mich, ja, Jungs?«
Sie wirkten nun vorsichtiger. Nein, erschrocken waren sie nicht. Dazu waren sie von ihren Revolverkünsten zu sehr überzeugt. Aber sie waren nun sehr vorsichtig, etwa wie zwei Wölfe, die den Stahl einer Falle wittern und dennoch den Köder haben wollen.
Einer trat an den Schanktisch, warf einige Münzen darauf. Und dann gingen sie wortlos.
Ich folgte ihnen bis vor die Tür.
Als sie im Sattel saßen, sagte einer: »Na schön. Aber dein Vorgänger, welcher ebenfalls Clayton hieß, war auch nicht gerade ein Zwerg. Und wo ist er gelandet? Ha, wo liegt er jetzt? Dort!«
Er deutete auf den kleinen Friedhof, der zwei Steinwürfe weit von der Station entfernt lag.
Schon die Spanier, welche damals diese Station errichteten, hatten dort ihre Toten bestattet. Und ich wusste nun, dass auch mein Bruder dort lag.
Die beiden Kerle ritten davon.
Clementine trat neben mich.
Eine Weile blickten wir den beiden Reitern schweigend nach.
Dann sah ich die anderen Leute, welche hier auf der Station lebten. Es waren zwei Mexikaner. Einer war alt und klein. Der andere war noch sehr jung und prächtig gewachsen, geschmeidig wie ein Puma.
Dann war da noch eine Frau, und diese war gewiss zur Hälfte eine Apachin.
Clementine aber fragte: »Und du bist hergekommen, um an die Stelle deines Bruders zu treten?«
Ich blickte auf sie nieder und ich begriff, dass in ihrer Frage noch ein lauernder Hintersinn war.
»Wirst du lange um ihn trauern?« So fragte ich schlicht.
Sie lächelte ernst. »Ziemlich lange«, erwiderte sie. »Und vielleicht sogar bis an das Ende meiner Jahre, wenn kein Besserer kommt als er.«
»Sicher, das ist in Ordnung so«, sagte ich und winkte den beiden Männern und der Frau zu, die aus den Nebengebäuden getreten waren.
Sie kamen nun herüber zu uns.
Der alte Mexikaner hinkte und hielt sich schief. Er hatte so krumme Beine, dass gewiss ein Javelinaseber hindurchspringen konnte, ohne die engen Hosen auch nur zu streifen.
Ich sah ihn an und wusste, dass er ein alter, erfahrener Wildpferdjäger und Zureiter gewesen war, der sich dabei schon fast alle Knochen brach – nur noch nicht den Hals oder das Rückgrat.
Ich glaubte nicht, dass die Frau zu ihm gehörte. Dazu war sie zu jung. Und sie war auch mehr als hübsch. Sie war rassig. Als der junge Mexikaner neben sie trat, legte er seinen Arm um ihre Schultern, so als wollte er von Anfang an klarmachen, dass sie ihm gehörte – ganz allein ihm.
Clementine sagte: »Das sind Paco Sanchez, Hilario Gonzales und seine Frau Juana. Die Apachen sind ihre Freunde. Und das ist gut für die Station hier. Denn sonst gäbe es sie gewiss schon lange nicht mehr.«
Ich nickte.
»Mein Vorgänger hier war mein Bruder«, sagte ich. »Wahrscheinlich unterscheide ich mich nicht sehr von ihm. Wenn ihr also mit ihm ausgekommen seid, wird es mit mir nicht anders sein.«
Sie nickten und sahen mich prüfend an.
Dann gingen sie wieder. Irgendwo und irgendwie hatte jeder von ihnen hier seine Arbeit zu erledigen.
Ich folgte Clementine mit meinem wenigen Gepäck ins Haupthaus. Es gab neben dem Gastraum und der Küche noch ein Office mit einem Geldschrank. Ich blickte durch die offene Tür hinein und folgte Clementine in den privaten Wohnteil.
Clementine hielt inne und sah mich an.
»Wir kamen hierher«, sagte sie, »um den großen Coup zu machen. Es war leicht, vom Generalagenten in Nogales diesen Posten hier zu bekommen. Denn niemand sonst wollte ihn haben. Wir sitzen hier zwischen Apachen und Banditen.«
Ich nickte. »Ja, als ich deinen Brief bekam«, sagte ich, »und den Agenten bat, Nachfolger meines Bruders werden zu können, war der Mann froh, einen Narren gefunden zu haben, der diese Station in Betrieb hält. Du hast mir geschrieben, dass es sich lohnen würde, herzukommen. Nun gut, wie starb mein Bruder und warum lohnt es sich, herzukommen und hier Stationsmann zu sein?«
Ich wanderte nach dieser Frage langsam im niedrigen Raum umher, und ich musste daran denken, dass dieser Bau ja einst von den Spaniern errichtet worden war, als diese noch hier mit ihren eisengepanzerten Soldaten umherzogen, um nach den sieben goldenen Städten zu suchen, von denen die Sage von Cibola erzählte.
Die Spanier waren ja damals nicht besonders groß. Dies war leicht beweisbar durch ihre erhalten gebliebenen Ritterrüstungen und Eisenpanzer.
Ich aber stieß fast mit dem Kopf an die Decke.
Alles war rustikal eingerichtet, zwar primitiv und einfach, aber doch irgendwie wohnlich.
Ich fand einen Krug mit rotem Wein und schenkte mir daraus ein. Es war guter Wein. Ich trank ihn bedächtig.
Und die ganze Zeit spürte ich, wie Clementine mich beobachtete, wie ihr Instinkt an mir herumtastete und in mich einzudringen versuchte.
Ich wandte mich ihr zu und sah sie an.
Sie war eine Augenweide von Frau. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals ein Weib gesehen zu haben, welches mir auf Anhieb so gefiel. Und ihre Ausstrahlung gab ihren Reizen erst die richtige Lebendigkeit. Sie war eine Frau, die das Leben kannte. Oha, ich konnte meinen Bruder gut verstehen. Sie war etwas, was einem im ganzen Leben vielleicht nur einmal begegnete.
Doch ein Mann, der sie besitzen wollte, musste Format haben. Sonst würde er sich ihr stets unterlegen fühlen.
Sie sagte: »Irgendwo hier auf der Station liegt Gold – viel Gold. Und dein Bruder wurde in einer dunklen Nacht von einem Pferdedieb mit einem Pfeil getötet. Es waren Apachen, welche die Pferde der Station stehlen wollten. Dein Bruder tötete drei mit seinem Colt, nachdem er aus dem Haus hinausgeschlichen war. Aber einer erwischte ihn mit einem Pfeil.«
Was sie mir über den Tod meines Bruders sagte, war mir nicht neu. Denn sie hatte es mir geschrieben. Was neu für mich war, betraf das Gold, welches hier irgendwo zu finden sein sollte.
Ich trank noch einen Schluck vom Wein und sagte dann: »Erzähl mir mehr über das Gold, welches hier irgendwo verborgen sein soll. Wer behauptet das? Und warum wisst nur ihr davon? Und wenn es so ist, warum konntet ihr es nicht finden bisher?«
Sie ging zu einem der rustikalen Holzsessel und ließ sich darin nieder. Als sie ein Bein über das andere warf, konnte ich mehr als nur ihre Füße sehen. Ich sah ihre Beine bis zu den Knien hinauf.
Heiliger Rauch, was war sie prächtig gewachsen!
»Das ist eine lange Geschichte«, murmelte sie.
»Dann erzähl sie mir«, verlangte ich und setzte mich ihr gegenüber.
✰
»Dein Bruder Johnny«, begann sie, »war ein Spieler mit wechselndem Erfolg. Und immer dann, wenn er eine Pechsträhne hatte, hörte er auf, ein Spieler zu sein, und tat etwas anderes. In El Paso hatte er vor einigen Monaten eine Glückssträhne, und einer seiner Mitspieler bot ihm ein Stück altes Pergament an, welches beschrieben war mit kaum noch leserlichen Worten in spanischer Sprache. Dein Bruder konnte es dennoch lesen, obwohl es damals von den Konquistadoren geschrieben wurde. Dein Bruder akzeptierte das alte Schriftstück als Tausend-Dollar-Einsatz. Und er gewann. Der Mann, der es an ihn verlor, wollte es dann später mit dem Colt zurückbekommen, als dein Bruder im Morgengrauen auf dem Weg zum Hotel war, in dem wir damals wohnten. Aber er schaffte es nicht. Denn Johnny war nicht nur schnell mit dem Colt – nein, er besaß auch jenen Instinkt, der lauernde Gefahren meldet. Bist du auch so schnell mit dem Colt wie dein Bruder Johnny?«
Ihre Frage kam nüchtern und sachlich.
»Bisher reichte es aus«, erwiderte ich, und dann sagte ich: »Nun, zeig mir das alte Pergament. Zeig es mir einfach. Denn auch ich werde es lesen können wie mein Bruder. Na?«
Sie zögerte noch.
Dann aber trat sie an die Wand, wo ein altes Zweihandschwert hing, ein sogenannter »Flammberger«. Sie konnte den Griff des Schwertes abnehmen, ohne dieses selbst von der Wand nehmen zu müssen. Der Griff war hohl. Sie zog eine gelbbraune Rolle heraus, die sich als das eng zusammengerollte Pergament erwies, und reichte sie mir.
Dann trat ich mit dem Pergament zurück und wandte mich zum Fenster, weil dort mehr Licht war.
Die alte Schrift war nur schwer zu entziffern. Ich musste alles erst mehrmals lesen, um den Sinn begreifen zu können. Und dann übersetzte ich es mir in unsere heutige Umgangssprache.
Clementine sagte hinter mir: »Lies es mir vor, ja? Ich möchte wissen, ob du es dem Sinne nach ebenso übersetzen kannst wie Johnny. Lies es mir vor.«
Ich nickte und begann zu lesen:
»17. Mai 1565. Wir verloren heute unsere letzten Tiere. Die Apachen griffen an, jagten uns in unseren aus Steinen gemauerten Stützpunkt und stahlen die letzten Tiere. Nun müssen wir den Weg nach Mexiko zu Fuß antreten und unsere sichere Station inmitten der vier Mesas verlassen. Wir können auch nur wenig von dem Gold mitschleppen, welches wir aus den Minen im Nordwesten von unseren Sklaven herausholen ließen. Wir müssen und werden das Gold gut verstecken, damit es noch vorhanden ist, wenn wir wiederkommen.
In dieser Nacht wollen wir unsere Toten bestatten und danach sofort aufbrechen. Gott stehe uns bei, damit die Höllenhunde von Apachen uns nicht doch noch töten. Vielleicht aber lassen sie uns kampflos abziehen. Gott sei uns gnädig.
Francisco de Armado, Hauptmann
Ich verstummte, wandte mich um und sah wieder in Clementines grüne Augen.
Sie nickte zu mir empor und sagte: »Ja, so hat es auch Johnny gelesen. Und Johnny wusste damals am Spieltisch auch sofort, wo die vier Mesas liegen und dass es hier eine alte aus Steinen gemauerte Station der Spanier gab, welche sie an der Kreuzung ihrer Wagenwege errichteten und die dann immer wieder von den nachfolgenden Generationen renoviert und in gutem Stand gehalten wurde. Jener Spieler, der dieses Pergament an ihn verlor, wusste es nicht. Überdies ist er tot. Johnny musste ihn damals erschießen.«
Ich nickte langsam.
Und alles war so klar und einfach.
Solche alten Pläne von verborgenen Schätzen aus der Spanierzeit gab es nicht gerade wenige. Die meisten taugten nichts, waren Hirngespinste. Oder jemand hatte die Schätze längst weggeholt, die Goldadern ausgebeutet. Manche dieser Pläne waren sogar absichtlich nur deshalb hergestellt, um sie jemandem zu verkaufen. Es waren auf alt gemachte Fälschungen.
Das Ding da in meinen Händen konnten ebenfalls eine Fälschung sein, die dem Spieler zu einem Tausend-Dollar-Einsatz verhalf und damit zu einer Chance, den Pokertopf zu gewinnen und nicht aus dem Spiel geblufft zu werden.
Aber warum wollte der Bursche dann das Ding wiederhaben, so sehr wiederhaben, dass er Johnny in einer dunklen Gasse überfiel?
Ich glaubte nun doch, dass etwas an der Sache dran war.
Aber konnte es wirklich sein, dass hier dreihundert Jahre lang ein Goldschatz unauffindbar blieb? War das möglich? Diese Station hier war gewiss oftmals zumindest zum Teil zerstört und dann wieder aufgebaut worden. Hier lebten immer wieder Menschen, kamen und gingen.
Ich sah auf das große Beidhandschwert an der Wand, aus dessen abnehmbarem Griff Clementine die Pergamentrolle geholt hatte.
Sie folgte meinem Blick.
»Jener Bursche damals«, sagte sie, »hatte Johnny gesagt, dass er das Pergament aus einem Schwertgriff geholt hätte, als er irgendwo das Schwert von der Wand nahm und damit herumhantierte. Als wir dann hierher kamen und die Gräber drüben beim Friedhof untersuchten, fanden wir alte Waffen und auch dieses mächtige Schwert. Es war wie viele andere Dinge luftdicht in Lehm gepackt. Auch bei diesem Ding ließ sich der Griff abschrauben, nachdem er lange genug in Öl stand. Für Johnny war das ein Beweis mehr, dass es damals solche Schwerter gab.«
Ich nickte.
Denn nun hatte ich für fast alles eine gute Erklärung bekommen.
Nur das Gold musste ich finden.
Ja, ich wollte es haben. Ich war auch nur ein Glücksjäger und Abenteurer, ein zweibeiniger Grenzwolf, welcher stets nach fetter Beute Ausschau hielt.
Überdies war hier Clementine.
Und so sagte ich: »Na gut, versuchen wir es mal.«
Sie nickte und deutete auf eine schmale Tür. »Dort ist eine kleine Kammer«, sagte sie. »Mit einem Bett. Dort kannst du schlafen.«
Ich sah sie an – und ich wusste, dass sie meine Gedanken so ziemlich genau erraten konnte. In ihren Augen funkelte es ein wenig spöttisch. Und so grinste ich und sagte: »Es ist ganz klar, dass ich dich haben möchte. Denn selbst wenn ich fünftausend Meilen ritte, würde ich keine finden, die so ist wie du. Doch ich frage mich, wie die Farbe deiner Seele ist. Schwarz? Dunkel? Etwas heller? Oder gar weiß? He, wie sieht deine Seele aus?«
Sie lächelte stärker.
»Vielleicht ist sie so schwarz wie das tiefste Loch in der Hölle«, entgegnete sie. »Vielleicht solltest du dich vor mir hüten.«
Auch ich grinste stärker, breiter – und es war eine Strömung zwischen uns, die wir deutlich spürten wie den Anprall eines Atems.
Ich reichte ihr das Pergament.
Dann trat ich mit meinem wenigen Gepäck in die kleine Kammer.