G. F. Unger Western-Bestseller 2550 - G. F. Unger - E-Book

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G. F. Unger

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Beschreibung

Kirby Allan Campifer und das Mädchen Reva hören den trommelnden Hufschlag zweier Reiter. Bald darauf tauchen die beiden Reiter rechts und links neben dem Wagen auf. Einer der beiden sagt: »Reva, ihr wollt es wirklich wagen?«
»Es ist kein Wagnis«, sagt sie herb.
»Für dich nicht, Reva, denn du bist eine Frau. Aber für jeden Mann wird es schlimm. In diesem Land werden keine Stacheldrahtzäune errichtet. Wir Howells sind dagegen. Jeder Mann, der einen Stacheldraht anfasst, ist deshalb ein Dummkopf. Wussten Sie das, Fremder?«
Die Frage ist an Kirby Campifer gerichtet.
Er zögert unmerklich mit der Antwort. Doch dann sagt er sanft und ganz ruhig: »Ich weiß nichts über dieses Land hier. Ich bat diese Lady um Arbeit und erhielt sie. Dafür, dass ich den Stacheldraht auflud, bekomme ich zwei Hufeisen für mein Pferd und reite weiter. Das ist alles.«
»Es ist nicht alles«, sagt der Mann hart. »Mein Name ist Clyde Howell. Reva, fahr den Wagen zur Schlucht hinüber! Bis an den Rand der Schlucht! Verstanden?«
»Und wenn ich es nicht tue, Clyde Howell?«
»Du bist eine Frau, Reva, aber du hast dir einen Helfer angeworben, einen Mann! Wir Howells halten uns immer an die Männer und achten die Frauen. Wie willst du es haben, Mädel?«
»Du Schuft!«, sagt sie unnatürlich ruhig.


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Inhalt

Cover

Die bittere Stunde

Vorschau

Impressum

Die bittere Stunde

Kirby Allan Campifer und das Mädchen Reva hören den trommelnden Hufschlag zweier Reiter. Bald darauf tauchen die beiden Reiter rechts und links neben dem Wagen auf. Einer der beiden sagt: »Reva, ihr wollt es wirklich wagen?«

»Es ist kein Wagnis«, sagt sie herb.

»Für dich nicht, Reva, denn du bist eine Frau. Aber für jeden Mann wird es schlimm. In diesem Land werden keine Stacheldrahtzäune errichtet. Wir Howells sind dagegen. Jeder Mann, der einen Stacheldraht anfasst, ist deshalb ein Dummkopf. Wussten Sie das, Fremder?«

Die Frage ist an Kirby Campifer gerichtet.

Er zögert unmerklich mit der Antwort. Doch dann sagt er sanft und ganz ruhig: »Ich weiß nichts über dieses Land hier. Ich bat diese Lady um Arbeit und erhielt sie. Dafür, dass ich den Stacheldraht auflud, bekomme ich zwei Hufeisen für mein Pferd und reite weiter. Das ist alles.«

»Es ist nicht alles«, sagt der Mann hart. »Mein Name ist Clyde Howell. Reva, fahr den Wagen zur Schlucht hinüber! Bis an den Rand der Schlucht! Verstanden?«

»Und wenn ich es nicht tue, Clyde Howell?«

»Du bist eine Frau, Reva, aber du hast dir einen Helfer angeworben, einen Mann! Wir Howells halten uns immer an die Männer und achten die Frauen. Wie willst du es haben, Mädel?«

»Du Schuft!«, sagt sie unnatürlich ruhig.

Clyde Howell lacht nur leise. Sein Begleiter verhält sich vollkommen still und abwartend. Er ist ein großer, blonder und hartgesichtiger Bursche.

Campifer weiß, dass dieser schweigsame Mann nichts anderes als ein Revolvermann ist. Und Kirby Campifer kennt sich aus. Er ist schon durch viele raue Weidefehden geritten und war in wilden Städten und Camps. Er kennt sich aus mit Männern und jeder Art von Verdruss. Und dass es hier im Land eine Menge Verdruss gibt, darüber ist er sich schon eine ganze Weile klar.

Er sagt ruhig zu dem Mädchen neben sich: »Nehmen Sie nur auf mich keine Rücksicht, Lady. Ich habe schon oft Prügel erhalten. Es macht mir nicht viel aus.«

Das Mädchen seufzt leise. Dann hebt sie die Zügel wieder an und fährt vom Weg. Es sind nur wenig mehr als hundert Yards. Dann erreichen sie den Rand einer Schlucht. Kirby kann nicht viel erkennen, aber er glaubt, dass der tiefe Bodenriss wohl entstanden ist, weil unter der Erde ein riesiger Hohlraum zusammenbrach. Denn dieses Loch hier hat gewiss keinen Aus- und Eingang. Es ist ein tiefes, langes und schmales Loch.

»So ist es gut«, sagt Clyde Howells Stimme mit böser Freude. »Und nun, Sattelstrolch, nun bekommst du von mir einen Job! Du kannst dir zwei Dollar verdienen! Wirf den verdammten Draht in das Loch! Und mach es schnell!«

Kirby Campifer bewegt sich nicht. Er atmet nur tief. Wieder einmal erlebt er jenen bitteren Moment, da Gewalttat und Unrecht droht und ein Mann wie er sich entscheiden muss, ob er sich beugen oder kämpfen soll. Es ist jener bittere Moment, der am Stolz eines Mannes frisst und der in einem Mann wie Kirby den Wunsch nach Rebellion entfacht, nach Rebellion gegen Gewalt, Unrecht und Terror.

»Zum Teufel«, sagt er endlich, »zum Teufel, ich ...«

»Tun Sie es, Fremder!«, unterbricht ihn das Mädchen fest. »Es kommt mir nicht auf einige Drahtrollen an. Führen Sie die Befehle dieser Männer aus, oder Sie werden übel zurechtgestutzt. In diesem Land sind schon eine ganze Anzahl Männer von der Howell-Bande so schlimm verprügelt worden, dass sie die Zeichen ihr ganzes Leben lang behalten werden. In diesem Land herrscht nämlich Terror, Fremder. Die Howells haben eine riesengroße Ranch, geben die Befehle und halten sich für Halbgötter. Der nächste Sheriff aber ist hundert Meilen von hier entfernt. Hier gibt es vom Gesetz keinen Schutz. Hier gibt es nur die nackte Gewalt der Howells. Jetzt wissen Sie wohl Bescheid, Fremder?«

»Genau«, murmelt Kirby Campifer.

»Vorwärts, Sattelstrolch!«, sagt Clyde Howell scharf.

Kirby zögert noch drei Sekunden. Dann erhebt er sich vom Wagenbock, klettert nach hinten in den Wagen und beginnt mit der Arbeit. Er stemmt Drahtrolle nach Drahtrolle hoch und stößt sie vom Wagen über den Rand des tiefen Bodenrisses.

Nach jeder fünften Rolle macht er eine kleine Pause. Sein Atem keucht. Er schwitzt am ganzen Körper, obwohl die Nachtluft nun immer frischer wird. Er spürt auch seine Schwäche, denn er hat zu viele Tage keine richtige Mahlzeit bekommen. Sein Ritt war tausend Meilen lang.

Irgendwie schafft er es trotzdem, nicht vor Schwäche zu versagen. Er wirft alle dreißig Rollen in den Abgrund und setzt sich dann keuchend auf den Rand des Wagenkastens.

Clyde Howell lacht wieder leise und spöttisch. Er kommt dicht an den Wagen geritten und greift in seine Westentasche.

»Gute und schnelle Arbeit, Satteltramp«, sagt er. »Hier ist der versprochene Lohn.«

Zwei Dollarstücke klingeln vor Kirby Campifers Füße auf den Wagenboden. Clyde Howell wendet sich jetzt an Reva, die steif und unbeweglich auf dem Fahrersitz sitzt.

»Das ist es, Reva«, sagt er. »In dieser Schlucht ist noch viel Platz. Und nicht nur für Stacheldraht!«

»Eines Tages wirst du an den falschen Mann geraten und schnell tot sein, Clyde Howell«, sagt das Mädchen. »Eines Tages wird ein Mann kommen, der dich und deinen großen Bruder von dieser Erde tilgt.«

»Mädchenwünsche und Mädchenträume.« Clyde Howells Stimme lacht. Sein schwerer Körper bewegt sich im Sattel. »Setz dich doch als Preis aus, Reva«, kichert er. »Du bist prächtig! Es wäre dann wie in einem Märchen. Eine wunderschöne Prinzessin schenkt sich ihrem Befreier aus der Not. Und die Kunde eilt durch das ganze Land. Alle mutigen Burschen kommen. Aber dieser Sattelstrolch da ist nicht mutig.«

Wieder lacht er leise auf. Dann sagt er zu seinem Begleiter: »Komm, Harry, reiten wir!«

»Einen Moment«, brummt der Mann und kommt nun ebenfalls näher an den Wagen heran. Er beugt sich im Sattel vor, sodass er Kirby im ersten Licht der immer zahlreicher aufblinkenden Sterne besser betrachten kann.

»Wie ist dein Name, Fremder?«, fragt er ruhig.

»Kirby Allan«, sagt dieser, und er nennt nur seine beiden Vornamen.

»Ich bin Harry Vaughn. Schon gehört von mir?«

»Yeah«, murmelt Kirby. »Ich hörte vor zwei Jahren von einem Harry Vaughn. Er hatte in Dodge City drei Männer getötet. Sie hatten ihn eingekeilt und wollten ihn töten. Aber sie schafften es nicht. Es waren die berüchtigten Tamerlan-Brüder. Doch sie waren selbst zu dritt nicht gut genug, um diesen Harry Vaughn töten zu können.«

»Dieser Harry Vaughn bin ich, Kirby Allan. Und weil ich Harry Vaughn bin, kenne ich mich mit Männern aus. Du trägst keinen Revolver, Kirby, und du bist einen weiten Weg geritten. Ich kenne mich aus. Ich wette, du hast deine Waffe in dem Bündel hinter dem Sattel. Ist es so?«

»Ich habe dort einen alten Colt«, murmelt Kirby. »Doch ich besitze keine Patronen. Außerdem bin ich ein friedlicher Mann, der lieber ohne Waffe seinen Weg reitet.«

»Du kannst mich nicht täuschen, Bruder«, erwidert Harry Vaughn ganz langsam. »Ich weiß genau, zu welcher Sorte du gehörst. Ich kann das riechen, verstehst du? Und Kirby Allan ist bestimmt nicht dein richtiger Name. Nun, ich habe dich soeben bewundert. Du hast Clyde Howell gehorcht. Das hat dich viel Überwindung gekostet. Nun, reite ganz schnell aus diesem Land. Es ist besser für dich, für mich und für viele andere Männer. Du weißt genau, was ich meine, nicht wahr?«

Kirby erwidert nichts.

Aber Clyde Howell sagt böse: »Harry, du siehst in ihm etwas, was ich nicht sehe. Für mich ist er einer von diesen Sattelstrolchen. Und ich werde dir das beweisen. Pass auf!«

Er wendet sich an Kirby. »Gib mir deine Stiefel«, sagt er. »Zieh die Stiefel aus und wirf sie in das Loch! Los!«

»Es sind gute Stiefel«, murmelt Kirby.

»Los!«, gebietet Clyde Howell. »Sonst komme ich zu dir und ziehe dir auch noch die Hose aus.«

Kirby zögert wieder nur drei Sekunden. Dann gehorcht er. Er entledigt sich seiner Stiefel und wirft sie in den Abgrund.

»Was sonst noch, Sir?«, fragt er dann ruhig.

Clyde Howell erwidert nichts. Er reitet zu Kirbys Pferd und zerrt das Bündel hinter dem Sattel auseinander. Er findet dort bald Kirbys Colt, untersucht ihn und brummt: »Tatsächlich, er ist nicht geladen. Doch das ändere ich schnell.«

Nach diesen Worten nimmt er Patronen aus den Gürtelschlaufen und füllt die Trommel.

Dann wirft er den geladenen Colt in den Wagen hinein und genauso wie vorhin die beiden Dollarstücke vor Kirbys Füße.

Nun zieht er seine eigene Waffe und sagt: »Nimm deinen Colt, Kirby Allan! Wirf ihn den Stiefeln hinterher! Los!«

Kirby Campifer zögert nun länger als drei Sekunden. Sein Atem geht einige Male sehr gepresst und fast pfeifend. Vor seinen Augen erscheinen plötzlich Bilder. Er erblickt im Geiste noch einmal die verzerrten Gesichter von Männern, die ihn töten wollten und in den Staub sanken.

Seine Fußspitze berührt die Waffe, und plötzlich weiß er, dass er diese beiden Männer töten würde, wenn er erst die Waffe in der Hand spürt. Eine heiße Furcht steigt in ihm auf. Nein, er will die Waffe nicht berühren, nicht einmal mit dem kleinen Finger!

An der Außenwand des Wagenkastens ist eine Schaufel befestigt. Kirby beugt sich vor, nimmt die Schaufel ab und schippt den Colt wie einen Stein auf das Blatt. Dann wirft er die Waffe mit einem Schwung von der Schaufel in den Abgrund.

»Noch etwas?«, fragt er dann sanft.

Clyde Howell lacht leise und sagt zu Harry Vaughn: »Dieser stolze Bursche würde einen Kuhfladen essen, wenn ich es haben will. Du hast dich getäuscht, Harry!«

Nach diesen Worten reitet er in die Nacht.

Harry Vaughn zögert einen Moment. »Vielleicht«, murmelt er. Dann reitet auch er davon.

Kirby atmet seufzend aus. Und das Mädchen sagt: »Wenn ich ein Mann wäre, dann hätte ich den Revolver genommen und die beiden Schufte aus den Sätteln geschossen.«

»Und dann?«, fragt Kirby bitter.

Er kann erkennen, wie sie schnell den Kopf zu ihm wendet.

»Und dann?«, fragt sie zurück. Sie macht einen schnellen Atemzug und stellt dann die harte Frage: »Kann denn ein Mann wie ein Hund leben? Kann ein Mann sich von anderen Männern wie ein Hund behandeln lassen?«

Kirby Campifer lässt die Zeit einiger Atemzüge verstreichen. Dann murmelt er bitter: »So dachte ich früher auch, Miss. Aber dann ...«

Er bricht ab. Sie aber fragt schnell: »Was war dann?«

»Ich musste einige Männer töten«, sagt er rau. »Was dann kam, war stets eine bittere Stunde. Ich fürchte mich davor. Die Welt ist voller Narren. Immer wieder stoße ich auf Narren, die beweisen wollen, wie groß sie sind. Das ist mein Schicksal. Irgendwie wittern diese Narren etwas an mir, was sie erregt und was sie dazu zwingt, es mit mir zu versuchen. Und das Ende ist dann immer bitter. Ich habe herausgefunden, dass es sich nicht lohnt, jede Herausforderung anzunehmen. Ich bin nicht tausend Meilen weit geritten, um auch hier Männer töten zu müssen. Ich will nicht mehr kämpfen.«

Als er verstummt, ist es lange zwischen ihnen still. Das Mädchen bewegt sich nicht und starrt in die Nacht.

Dann nimmt sie wieder die Zügel auf und fährt weiter.

Sie legen die letzten Meilen schweigend zurück. Es ist schon späte Nacht, als sie die Ranch erreichen.

»Mein Name ist Reva O'Shannon«, sagt das Mädchen. »Dies hier ist unsere Ranch. Zurzeit bin ich hier allein, denn mein Bruder ist fort, um Rinder zu holen. Hereford-Rinder, verstehen Sie, Kirby Allan?«

»Yeah«, sagt er. »Ich verstehe. Es sind Rinder von einer besonderen Fleischrasse, und sie stammen ursprünglich aus der englischen Grafschaft Hereford. Man beginnt sie jetzt hier im Westen zu züchten. Doch das ist schwer. Sie sind nicht so zäh, ausdauernd und genügsam wie Longhornrinder. Sie sind auf der freien Weide sehr schwer zu züchten.«

»Doch sie bringen den doppelten Preis«, sagt das Mädchen fest. Nach diesen Worten klettert sie vom Wagen. »Versorgen Sie die Pferde, Mister Allan«, sagt sie. »Ihr Lager können Sie sich dort drüben in der Schlafhütte richten. Früher gab es auf dieser Ranch mal einige Cowboys. Ich bereite das Abendessen. Morgen können Sie Ihr Pferd beschlagen.«

Sie nimmt die Pakete unter dem Fahrersitz hervor und geht auf das Ranchhaus zu. Es ist kein großes Haus und besteht sicherlich nur aus drei Räumen.

Kirby Allan Campifer steht noch eine Weile unbeweglich da. Er bewegt sich erst wieder, als drinnen die Lampe angezündet wird.

✰✰✰

Am anderen Morgen ist er früh auf den Beinen, bringt die kleine Feldschmiede in Gang und sucht sich aus einer Kiste zwei Hufeisen-Rohlinge heraus. Er bearbeitet sie, gibt ihnen die letzte Form und nimmt dabei nur zweimal an den Hufen seines Pferdes Maß. Er ist ein sehr geschickter Schmied. Doch das ist jeder Spitzencowboy, denn der Cowboyberuf ist so vielseitig wie selten ein Beruf.

Als Reva zum Frühstück ruft, hat Kirby sein Pferd schon beschlagen.

Sie hat auf der kleinen Veranda gedeckt, und sie trägt ein blaues Leinenkleid. Dadurch wirkt sie fraulicher. Kirby ertappt sich dabei, dass er sie immer wieder unauffällig betrachtet. Er spürt ein tiefes Bedauern in seinem innersten Kern, und er verdrängt dieses Bedauern.

Sie essen schweigend. Dann aber sagt Kirby: »Ich habe gestern Ihren Stacheldraht in die Schlucht werfen müssen. Wenn ich nicht bei Ihnen gewesen wäre, dann hätten Sie den Draht wahrscheinlich heimbringen können. Ich bin deshalb in Ihrer Schuld, Miss O'Shannon. Ich möchte diese Schuld abarbeiten.«

Sie rührt mit ihrem Löffel in der Kaffeetasse und betrachtet den hageren und sehnigen Mann. Sie erkennt die tiefen und dunklen Linien in seinem Gesicht. Obwohl sie ihn für nicht älter als dreißig Jahre hält, bemerkt sie das erste Grau an seinen Schläfen. Er hat dunkles und dicht gekräuseltes Haar. Der Blick seiner rauchgrauen Augen ist sehr ruhig.

Mit einem Mal glaubt sie, dass dieser Mann auch kämpfen kann. Irgendwie glaubt sie plötzlich fest daran, dass es diesen Mann eine große Selbstüberwindung gekostet hat, zu kneifen und eine Herausforderung auszuschlagen. Sie erinnert sich wieder daran, dass er seine Stiefel in den Abgrund warf. Dies muss für ihn eine sehr bittere Demütigung gewesen sein.

Sie erhebt sich und fragt: »Haben Sie große Füße? Vielleicht passen Ihnen Stiefel von meinem Bruder.«

Schnell verschwindet sie im Haus und kommt bald darauf wieder mit Stiefeln und ein Paar Strümpfen heraus.

»Ich kann das nicht annehmen«, murmelt er.

Sie betrachtet ihn ernst. »Sie können«, sagt sie. »Denn Sie müssen dafür arbeiten. Reiten Sie nach Westen. Irgendwo im Westen werden Sie auf meinen Bruder stoßen, der ein Rudel Hereford-Rinder treibt. Helfen Sie ihm, die Rinder auf diese Weide zu bringen.«

Sie blickt ihn fest an nach diesen Worten, und sie kann erkennen, wie er zögert.

»Einen anderen Job habe ich nicht für Sie«, sagt sie hart. »Und Sie müssen mehr als hundert Meilen reiten, um irgendwo eine Arbeit zu bekommen. Dieses Land hier ist voller Viehdiebe. Niemand stellt einen Satteltramp ein. Jeder Rancher fürchtet sich davor, dass ihm die Viehdiebe auf diese Art einen Spion in die Mannschaft schmuggeln, der ihnen gute Tipps geben kann. Das ist schon mehrfach geschehen. Selbst unter die große Howell-Mannschaft konnten die Viehdiebe ihre Vertrauensleute schmuggeln. Sie wussten dadurch immer wieder gut Bescheid, welcher Teil der Weide unbewacht war und was die Howell-Mannschaft plante. Jeder Satteltramp wird hier für einen Spion der Viehdiebe gehalten. Kirby Allan, Sie können den angebotenen Job annehmen oder ablehnen.«

Dann murmelt er: »Ich habe kaum eine andere Wahl. Ich bin restlos abgebrannt. Ich besaß nicht einmal mehr Patronen, um mir ein Kaninchen schießen zu können. Und ich bin kein Indianer, der mit Pfeil und Bogen jagen und von der Jagd leben kann. Ich werde zu Ihrem Bruder reiten, Lady.«

Sie nickt, und sie wirkt jetzt sehr kühl, hart und nüchtern.

»Dann reiten Sie sofort«, sagt sie.

Er zieht die Strümpfe und die Stiefel an und erhebt sich. Er hat sein Pferd schnell gesattelt. Auch das fast leere Bündel ist wieder hinter seinem Sattel festgeschnallt.

Als er noch einmal vor das Haus reitet, kommt Reva mit einem Leinenbeutel heraus.

»Hier ist Proviant«, sagt sie ruhig. »Wollen Sie eine Waffe haben? Ich kann Ihnen einen Colt und ein Gewehr überlassen.«

Er betrachtet sie und schüttelt den Kopf.

»Keine Waffe«, sagt er. »Überdies hatte ich zwei Revolver in meinem Bündel. Dieser Clyde Howell fand nur einen. Der andere ist noch da.«

»Dann brauchen Sie Munition«, sagt sie schnell und will wieder ins Haus hinein.

Doch er winkt ab. »Ich nehme die Arbeit an«, sagt er. »Aber ich werde nicht schießen. Miss O'Shannon, Sie haben sich einen Cowboy und keinen Revolvermann angeworben.«

Nach diesen Worten setzt er sein Pferd in Bewegung und entfernt sich schnell nach Westen.

Ein schmaler Reit- und Fahrweg führt in diese Richtung.

Reva O'Shannon blickt ihm lange nach.

»Vielleicht bin ich nicht fair zu diesem Kirby Allan«, sagt sie dann laut zu sich selbst. »Aber Bill wird Hilfe nötig haben. Ich weiß jetzt, dass Kirby Allan ein Revolvermann ist, der sich davor fürchtet, töten zu müssen und deshalb jedem Kampf ausweicht. Nun, ein Mann kann nicht immer wieder kneifen. Eines Tages steht er mit dem Rücken an der Wand und muss kämpfen. Nun gut, Kirby Allan! Wenn dich die Howells nochmals so zurechtstutzen wie gestern, dann wirst du für meinen Bruder Bill kämpfen. Und du hast die Wahl gehabt. Du brauchtest den Job nicht anzunehmen.«

Nach diesen Worten wischt sie sich über die Augen.

Und sie weiß genau, dass sie unfair zu Kirby ist. Ein tiefes Bedauern wird in ihr wirksam. Doch sie schüttelt den Kopf und sagt wieder laut: »Bill ist mein Bruder, und er braucht Hilfe. Kirby Allan aber ist nur ein Revolvermann, der vor seinem eigenen Schatten flüchtet.«

Nach diesen Worten geht sie ins Haus.

✰✰✰

Kirby kann sich gut denken, warum die Geschwister O'Shannon es mit Hereford-Rindern versuchen wollen. Die freie Weide im Land, also die Regierungsweide oder das Regierungsland, wird gewiss von der großen Howell Ranch beansprucht. Die kleinen Nachbarn sind deshalb auf ihr rancheigenes Weideland angewiesen. Sie wagen es nicht, ihre Rinder auf dem Regierungsland weiden zu lassen. Deshalb sind ihre Weideflächen klein und können nur wenige Rinder ernähren. Die Geschwister O'Shannon aber sind auf die Idee gekommen, Herefords zu züchten. Diese Fleischrasse bringt den doppelten Preis eines Longhorn-Stiers. Mit Herefords kann ein Rancher mit wenig Weideland gegen einen großen Rancher mit viel Weideland und Longhorns durchaus bestehen. Er braucht keine großen Herden, sondern kann sich mit bedeutend weniger Rindern gute Erträge verschaffen.

Und gerade dies ist hier wohl das Problem.

Die Geschwister O'Shannon könnten für alle die kleinen Nachbarn der großen Howell Ranch ein Beispiel sein. Diese kleinen Nachbarn könnten durch Herefords wieder lebensfähig werden. Es würde der großen Ranch bedeutend schwerer fallen, die kleinen Nachbarn aufzukaufen oder zu vertreiben. Überdies aber würden überall Drahtzäune errichtet werden müssen, weil sich die Herefords nicht mit den Longhorns vermischen dürften.

Dies sind die Probleme auf dieser Weide. Für Kirby Campifer ist das so klar wie die Schrift in einem aufgeschlagenen Buch.

Und nun ist er unterwegs, um Bill O'Shannon dabei zu helfen, das erste Rudel Herefords auf die Weide zu schaffen.

Das kann gefährlich sein.

Aber Kirby hat keine andere Wahl. Er brauchte eine Job. Er hat seinen letzten Dollar, seine letzte Patrone, das letzte Körnchen Salz und den letzten Proviant verbraucht. Er muss eine Arbeit annehmen, um sich wieder ausrüsten zu können.

Überdies aber fühlt er sich daran schuldig, dass Reva O'Shannon eine Wagenladung Stacheldraht verlor. Weil er nicht kämpfen wollte, warf er die Drahtrollen in die Schlucht.

Nun aber ist er unterwegs zu Bill O'Shannon.

✰✰✰

Kirby entdeckt in einer tiefen Hügelfalte ein Feuer.

Er hält an und lauscht. Bald darauf hört er das Brüllen einer Kuh. Es ist keine Longhorn-Kuh. Dieses Muhen klingt anders.

Kirby atmet langsam aus. Er weiß, dass er Bill O'Shannon und die Hereford-Rinder gefunden hat.

Langsam reitet er auf das Feuer zu, hält dann an und ruft ruhig: »Hallo, ist dort Bill O'Shannon?«

»Yeah«, tönt es etwas heiser zurück.