G. F. Unger Western-Bestseller 2552 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2552 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als sie auf dem Hügelkamm sind, halten sie ihre müden Pferde an und blicken hinunter in die Ebene. Der rotköpfige Jesse Rio schiebt seinen alten Armeehut in den Nacken und spricht mit einem Klang von ehrfürchtiger Dankbarkeit in der Stimme: »Da ist er. Seht ihr ihn? Da ist der Brazos. Wir sind heimgekehrt. Ich hätte nie gedacht, dass wir den Brazos noch einmal sehen würden. Es war ein verdammt langes Reiten.«
Als Jesse Rio verstummt, nicken die drei anderen Reiter. Und sie wissen auch, was Jesse mit dem »langen Reiten« meint. Es ist nicht nur der lange Heimritt gemeint, nein, Jesse hat sich an den Tag vor fast sechs Jahren erinnert, da sie als noch recht junge Cowboys losritten, um sich freiwillig zur Texasbrigade zu melden.
Sie ritten dann fünf Jahre durch den Krieg und wurden zu Männern. Danach blieben sie noch lange in Gefangenschaft im fernen Kansas in einem üblen Lager der Union. Und jetzt haben sie einen Fünfzehnhundert-Meilen-Ritt hinter sich, auf dem sie einige Male fast zu Banditen geworden wären.
Nun aber sind sie auf der Heimatweide angekommen, abgerissen, fast schon zerlumpt, halb verhungert - und dennoch voller Hoffnung. Wird sich diese Hoffnung erfüllen?


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Inhalt

Cover

Longhorn-Trail- Ritter

Vorschau

Impressum

Longhorn-Trail-Ritter

Als sie auf dem Hügelkamm sind, halten sie ihre müden Pferde an und blicken hinunter in die Ebene. Der rotköpfige Jesse Rio schiebt seinen alten Armeehut in den Nacken und spricht mit einem Klang von ehrfürchtiger Dankbarkeit in der Stimme: »Da ist er. Seht ihr ihn? Da ist der Brazos. Wir sind heimgekehrt. Ich hätte nie gedacht, dass wir den Brazos noch einmal sehen würden. Es war ein verdammt langes Reiten.«

Als Jesse Rio verstummt, nicken die drei anderen Reiter. Und sie wissen auch, was Jesse mit dem »langen Reiten« meint. Es ist nicht nur der lange Heimritt gemeint, nein, Jesse hat sich an den Tag vor fast sechs Jahren erinnert, da sie als noch recht junge Cowboys losritten, um sich freiwillig zur Texasbrigade zu melden.

Sie ritten dann fünf Jahre durch den Krieg und wurden zu Männern. Danach blieben sie noch lange in Gefangenschaft im fernen Kansas in einem üblen Lager der Union. Und jetzt haben sie einen Fünfzehnhundert-Meilen-Ritt hinter sich, auf dem sie einige Male fast zu Banditen geworden wären.

Nun aber sind sie auf der Heimatweide angekommen, abgerissen, fast schon zerlumpt, halb verhungert – und dennoch voller Hoffnung. Wird sich diese Hoffnung erfüllen?

Sie halten eine Weile Steigbügel an Steigbügel auf dem Hügelkamm und starren auf den Fluss nieder.

Dann spricht Jesse Rio: »Also los, gehen wir baden. Waschen wir unsere Kleidung. Vielleicht sollten wir uns auch rasieren und uns gegenseitig die Haare schneiden. Dann sehen wir nicht mehr ganz so schlimm aus, wenn wir uns bei unserem alten Boss zurückmelden. Der wird uns ohnehin kaum wiedererkennen. Damals waren wir noch junge Burschen, heute sind wir Männer. Verdammt, wir wurden fast sechs Jahre älter, und jedes Jahr zählte für drei.«

»Ja, so ist es wohl, Großvater.« Sly Harthorn nickt.

Und Bill Weaver stößt ein bitteres Lachen aus und spricht: »Der wird gewiss in weniger als zwanzig Jahren mehrfacher Großvater sein, ohne es zu wissen. He, Jesse, wie viele Mädchen hast du eigentlich geschwängert in den vergangenen Jahren? Und warum fallen die immer wieder auf dich herein? Und ob deine Kinder und Enkel auch alle rote Haare haben werden, dies zu wissen wäre ebenfalls interessant.«

Der vierte Reiter – sein Name ist John Kelly und er ist ihr Anführer und war zuletzt im Krieg ihr Lieutenant – schweigt immer noch. Doch er setzt sein Pferd in Bewegung und reitet den Hügelhang hinab. Sie folgen ihm, wie sie ihm schon immer gefolgt sind. Er war schon damals, als sie noch junge Cowboys waren, ihr Anführer. Und dabei blieb es auch in der Konföderiertenarmee.

So reiten sie hinunter zum Fluss. Wenig später tun sie wahrhaftig das, was sie sich auf dem Hügelkamm vorgenommen haben. Sie baden, waschen ihre Kleidung so gut es möglich ist. Und als ihre zerschlissenen alten Uniformen auf den Felsen trocknen, da rasieren sie sich mit ihren scharfen Messern und schneiden sich auch die Haare kürzer.

Am Fluss führt ein Uferweg entlang, auf dem nun ein Wagen herangefahren kommt, den einige Blaubäuche begleiten.

Texas ist ja von den Truppen der Union besetzt, die sich ganz und gar als Sieger fühlen und dies die Besiegten immer wieder gnadenlos spüren lassen.

Der leichte Wagen mit der Eskorte nähert sich also auf dem Uferweg der Badestelle und hält schließlich an.

Im Wagen sitzt ein Sergeant als Fahrer, neben ihm ein Zivilist, welcher aber offensichtlich das Kommando über die Soldaten hat. Denn er schickt den Lieutenant zu den Badenden hinunter. Die hocken nackt neben ihren trocknenden Kleidern auf den warmen Felsen oder wieder im Wasser, um sich die abgeschnittenen Haare abzuwaschen, welche da und dort noch an ihrer nackten Haut kitzeln.

Der Unionsoffizier fragt barsch: »He, wer seid ihr?«

»Dreimal darfst du raten, Blaubauch!«, ruft Jesse Rio zurück. »Auf jeden Fall sind wir Texaner.«

Der grauhaarige Lieutenant grinst grimmig. Dann spricht er trocken: »Ich kann euch ja gut verstehen, ihr Verlierer. Aber ihr solltet nicht so dumm sein, euch mit mir anzulegen. Also frage ich noch mal: Wer seid ihr?«

Jesse Rio holt schon Luft, um wieder etwas loszulassen, da mischt sich John Kelly ein und spricht ruhig: »Halt dein Maul, Jesse.«

Dann winkt er dem eisgrauen Lieutenant zu und erwidert auf dessen Frage: »Wir sind Heimkehrer und haben ordnungsgemäße Entlassungspapiere. Unser Ziel ist die C-im-Kreis-Ranch von Tabhunter Cassedy. Sonst noch Fragen, Lieutenant?«

John Kellys Stimme klingt kühl.

Der Unionsoffizier betrachtet ihn hart und fragt: »Rebell, waren Sie vielleicht sogar ein Rebellenoffizier?«

»Und wenn?«, fragt John Kelly zurück.

Der Lieutenant grinst wieder unter seinem grauen Sichelbart und fragt: »Und was sind Sie jetzt? Am Ende vielleicht nur ein Cowboy, den sein Boss nicht mehr bezahlen können wird? Wie weit ist es noch bis zur Cassedy Ranch?«

»Etwa drei Meilen«, erwidert John Kelly. »Wollen Sie dorthin?«

Der Lieutenant nickt.

»Der Gentleman im Wagen ist Steuereintreiber«, spricht er dann mit Behagen. »Es sieht so aus, als würde dieser Cassedy, zu dem ihr wollt, bald keine Ranch mehr besitzen und keine Cowboys mehr brauchen.«

Nach diesen Worten zieht er sein Pferd herum, reitet wieder den Hang hinauf zum Wagen zurück und meldet dort: »Drei Meilen weiter, Sir. Wir sind auf dem richtigen Weg. Das da unten sind entlassene Rebellen.«

Der Fahrer des Wagens fährt wieder an. Die Kavalleristen folgen. Sie grinsen zu den vier nackten Männern am Fluss hinunter und rufen ihnen spöttische Worte zu.

Einer ruft sogar: »He, ihr Nacktärsche, einem Rebell habe ich mal bei Vicksburg mit meinem Säbel den Hintern versohlt. War das vielleicht einer von euch?«

Wieder will Jesse Rio zurückrufen. Doch abermals zischt John Kelly: »Halt dein Maul, Jesse.« Und abermals gehorcht dieser.

Er murmelt dann nur entschuldigend: »Du hast ja recht, John. Ja, du hast recht. Es ist nur mein Temperament, welches die Frauen so lieben ...«

Aber sie geben ihm keine Antwort. Sie haben sich alle erhoben. Bill Weaver und Sly Harthorn kamen aus dem Fluss. Nun verharren sie am Ufer und starren dem Wagen und den Reitern nach.

»Habt ihr es gehört?«, fragt Weaver. »Ein Steuereintreiber ist mit Soldaten zu unserem Boss unterwegs. Das wird eine traurige Heimkehr.«

Die anderen Männer nicken stumm.

Und dann ziehen sie sich die erst halb trockene Kleidung wieder an. Noch bevor sie aufsitzen, sehen sie noch einen anderen Wagen kommen. Auch dieser ist eine noble Kutsche mit guter Federung, ledergepolsterten Sitzen und einem klappbaren Lederdach.

Ein dicker Mann sitzt im Wagen und lenkt die beiden prächtigen Rappen. Rechts und links neben dem Wagen reiten zwei Begleiter, die man unschwer als Leibwächter erkennen kann. Wahrscheinlich sind es Revolvermänner.

Auch dieser Wagen hält an. Einer der Reiter fragt: »He, wie weit ist es zur Cassedy Ranch?«

»Drei Meilen«, ruft John Kelly zurück. Dann aber stellt er die Frage: »Wer seid ihr denn? Und warum wollt ihr zu Tabhunter Cassedy?«

Zuerst sieht es so aus, als würde er keine Antwort bekommen. Dann aber ruft der dicke Mann vom Wagen zu ihnen hinunter: »Da wird eine Versteigerung stattfinden.«

Der Dicke hebt die Zügel, schnalzt mit der Zunge und fährt weiter. Seine beiden Beschützer folgen ihm.

Die vier Texaner sehen ihnen nach. Dann murmelt Bill Weaver: »Wenn der Dicke bei einer Versteigerung mitbieten will, muss er eine Menge Bargeld bei sich haben. Denn bei Versteigerungen muss bar bezahlt werden. Habt ihr an seiner Aussprache gehört wie ich, dass er ein Yankee ist?«

»Yes, Sir, ein dicker, fetter Yankee mit einem Sack voller neuer Yankeedollars, der sich ein Stück Texas kaufen will – vielleicht für sich oder für seine Auftraggeber«, murmelt John Kelly. »Wir sollten unseren alten Boss jetzt wohl nicht allein lassen. Er hat wahrscheinlich nur Lizzy und ein paar Mexikaner bei sich. Alle anderen Reiter ritten damals wie wir in den Krieg.«

Sie beeilen sich nun und reiten dem Wagen und den beiden Reitern nach. Letztere bleiben ein Stück hinter dem Wagen zurück und sehen sich immer wieder um. Schließlich halten sie an und warten auf die vier Heimkehrer.

Einer der beiden Revolvermänner fragt: »Warum reitet ihr uns nach?« Seine Stimme klingt hart.

Wieder ist es John Kelly, der für alle spricht: »Ach, mein Freund, wir sind nur Cowboys der C-im-Kreis-Ranch. Und deshalb haben wir den gleichen Weg. Wer ist denn der dicke Yankee im Wagen? Hat der einen Sack voll Geld in seinem Gepäck? Müsst ihr ihn deshalb beschützen?«

Die beiden Revolvermänner bekommen schmale Augen. Man sieht ihnen an, dass sie nur scheinbar locker und lässig auf ihren Pferden sitzen, in Wirklichkeit aber bereit sind für schnelle Reflexe.

Die vier Heimkehrer lachen leise durcheinander. Sie reiten um die beiden Revolvermänner oder Leibwächter herum und lassen ihre Pferde galoppieren, so schwer es diesen müden Tieren auch fällt.

Aber sie wollen vor dem Dicken auf der Ranch sein.

Als sie den Wagen überholen, ruft der Dicke ihnen zu: »He, gehört ihr zur C-im-Kreis-Ranch?«

Aber sie geben ihm keine Antwort.

Und als sie wenig später die Ranch in Sicht bekommen – sie mussten dazu den Uferweg verlassen und etwas in östlicher Richtung landeinwärts reiten –‍, da haben sie fast schon den Steuereintreiber und die Soldaten eingeholt.

Sie kommen dann noch rechtzeitig auf den Ranchhof, um die Dinge beeinflussen zu können. Denn sie sehen, dass die Soldaten abgesessen sind und sich um das Ranchhaus verteilt haben. Die Stimme des Lieutenants aber schallt über die Ranch: »Hoiii, Mister Cassedy, ich bin sicher, dass Sie mich hören können! Kommen Sie heraus! Wenn Sie heute die Steuern nicht bezahlen können, muss die Versteigerung stattfinden. Ich muss dafür Sorge tragen, will aber keine Gewalt anwenden. Also fügen Sie sich dem Gesetz. Kommen Sie heraus!«

Er erhält keine Antwort mit Worten. Doch aus einem der Fenster fällt ein Schuss. Die Kugel fährt etwa einen Yard vor den Stiefelspitzen des Lieutenants in den Boden und lässt den Staub aufspritzen.

Der Lieutenant tritt unwillkürlich einen Schritt zurück. Dann aber ruft er böse: »Wenn Sie nochmals schießen, lasse ich das Haus stürmen! Geben Sie doch auf, Sie verdammter Narr!«

Indes dies alles passiert, sitzt der Steuereintreiber immer noch neben seinem Fahrer im Wagen. Und auch der zweite Wagen, der vom Dicken gefahren wird, kam mit den beiden Revolvermännern inzwischen auf den Hof.

Einige Atemzüge lang ist es still. Man hört nur das Schnauben der Pferde.

Dann hören die vier Heimgekehrten die Stimme ihres alten Ranchers, an die sie sich auch nach so langer Zeit noch gut erinnern können.

»Ihr verdammten Blutsauger, ihr bekommt meine Ranch nicht! Ihr müsst mit den Steuern warten, bis ich Rinder verkaufen kann. Ich habe Rinder genug, um eines Tages die fälligen Steuern zehnmal bezahlen zu können. Ihr werdet meine Ranch nicht für einen Yankee-Aufkäufer zur Versteigerung bringen können. Erst müsst ihr mich niederkämpfen. Und das kostet euch einige Verluste! Haut wieder ab oder fangt mit mir einen Krieg an. Ihr könnt mir nicht so leicht meine Ranch wegnehmen!«

Die Stimme von Tabhunter Cassedy verstummt hart. Dieser Stimme hört man an, dass er wirklich zu allem entschlossen ist.

Bei den Unterkünften – dem sogenannten Bunkhouse und bei den Werkstätten –‍, da zeigen sich nun einige Leute. Es sind zumeist Männer mexikanischer Abstammung.

Sie verharren, warten scheinbar teilnahmslos. Aber es sind auch zwei Exsoldaten zu sehen, wahrscheinlich Heimkehrer wie John Kelly und dessen Freunde und Partner. Auch die beiden tragen noch Reste einer Konföderierten-Uniform. Doch einer ist ein Krüppel mit zwei Krücken, der andere hat nur noch einen Arm. Sie sind unbewaffnet und verharren wie die anderen. Man sieht besonders diesen beiden Männern an, wie hilflos sie sich fühlen, wie machtlos.

John Kelly begreift indes, dass etwas geschehen muss, bevor alles noch mehr eskaliert und in einem Gewaltausbruch endet.

Und so reitet er nach vorn neben den Wagen des Steuereintreibers und spricht ganz ruhig: »Sir, vielleicht lassen Sie mich mal mit Mister Cassedy reden. Er ist jetzt ein alter, störrischer Mann geworden, dem man eine gewisse Narrenfreiheit zubilligen sollte. Vielleicht kann ich ihn zur Vernunft bringen. Wir waren mal seine Reiter. Er wird vielleicht auf mich hören. Darf ich also zu ihm hinein, Sir?«

Der Steuereintreiber ist ein hartäugiger, dürrer und deshalb asketisch wirkender Mann. Seine Augen sind kieselhart und lassen nichts erkennen. Nach einer Weile bewegt er den hartlippigen Mund und spricht: »Ich bin ja kein Unmensch. Also gut, versuchen Sie Ihr Glück, Cowboy. Aber lange warte ich nicht. Dann gebe ich dem Offizier den Befehl zum Angriff. Dann holen wir ihn heraus.«

John Kelly nickt wortlos. Er blickt auf den Lieutenant, welcher sich in der Nähe aufhält und jedes Wort verstehen konnte.

»Sie haben es gehört, Lieutenant, nicht wahr? Also sorgen Sie dafür, dass Ihre Männer mir nicht in den Rücken schießen. Ich reite jetzt hinüber und vor das Ranchhaus.«

Nach diesen Worten reitet er im Schritt vorwärts, lenkt das Pferd nur mit den Schenkeln und hält die Hände in Schulterhöhe hoch.

Als er einige Yards geritten ist, ruft er: »Hoi, Mister Cassedy, ich bin es, John Kelly! Mit mir kommen Weaver, Harthorn und Rio. Ich möchte zu Ihnen hinein, Boss. Darf ich?«

»Sicher, mein Junge«, tönt es zurück. »Ich habe euch gleich erkannt, obwohl ihr euch etwas verändert habt. Komm nur herein, John Kelly. Es tut gut, euch wiederzusehen nach all den Jahren. Komm nur, mein Junge. Dich werde ich gewiss nicht erschießen.«

Die Stimme des alten Ranchers verstummt mit einem heiseren Lachen in der Kehle.

Und so reitet Kelly weiter bis vor die Veranda, sitzt ab und tritt vor die Tür. Diese öffnet sich, und nun sieht er den alten Rancher nach sechs langen Jahren wieder.

✰✰✰

Ja, Tabhunter Cassedy ist alt geworden. Bei seinem Anblick denkt John Kelly an einen alten zerzausten Adler, der bald nicht mehr jagen können wird. Das zerfurchte Gesicht mit der scharfen Nase und den Adleraugen zeigt nun doch ein wenig von den Gefühlen des alten Mannes.

»Komm herein, mein Junge«, murmelt er. »Ich weiß, dass dich diese Banditen gewiss nicht zu mir geschickt haben. Du bist wahrscheinlich gekommen, um mich vor dem Untergang zu retten. Doch ich will untergehen. Ich konnte nicht mehr in den Krieg gegen die Yankees ziehen, weil ich schon zu alt war und ich auch glaubte, die Ranch für Texas erhalten zu müssen. Die Rinder vermehrten sich in den vergangenen Jahren wie Karnickel. Eigentlich bin ich reich. Aber es gibt noch keine Absatzmärkte. Und so ...«

»Es gibt bald Absatzmärkte, Mister Cassedy«, unterbricht ihn John Kelly ruhig und tritt dabei ein, schließt die Tür hinter sich. »Es gibt sie in Kansas. Wir kommen aus Kansas, wo man uns in einem schlimmen Lager gefangen hielt. In Kansas entstehen an den Eisenbahnlinien Verladebahnhöfe mit Corrals für Tausende von Rindern. Und aus diesen großen Corrals jagt man die Rinder direkt in die Viehwaggons. Im Osten entstanden große Fleisch- und Konservenfabriken. Man erfand Kühlsysteme. Und man wird nicht nur Konserven, sondern auch gefrorene Rinderhälften nach Europa schicken. Wir haben das alles in Kansas erfahren. Man konnte es in den Zeitungen lesen.«

Als er verstummt, schüttelt Tabhunter Cassedy den grauhaarigen Kopf.

»Das alles ist für mich zu spät, mein Junge. Die Geier dort draußen geben mir keine Chance. Ich hatte einen Monat Zeit, Geld aufzutreiben. Doch wer hat hier in Texas schon die neuen Yankeedollars? Unser Südstaatengeld war ja plötzlich nichts mehr wert. Junge, ich habe nicht im Krieg gegen die Yanks kämpfen können. Doch das werde ich jetzt tun. Ich weiß, ihr seid heimgekommen, weil ihr sicher wart, dass ihr wieder für mich reiten könntet, so als würdet ihr meine Söhne sein. Doch ich würde nicht dulden, dass ihr jetzt noch kämpft. Geh also wieder hinaus zu den anderen Jungs. Und dann reitet fort – weit weg von Texas. Hier herrschen jetzt die Yankees. Es war schön für mich, euch zu sehen und zu wissen, dass ihr den Krieg überstanden habt. Habt ihr Hank und Ringo draußen gesehen? Auch sie kamen heim, aber ich konnte ihnen nur einen Platz im Schlafhaus und Nahrung geben. Auch sie werden von hier fortmüssen. Und dabei sind sie Krüppel. Geh endlich, mein Junge, und grüße die anderen Jungs von mir.«

Er will an John vorbei zur Tür, um diese wieder für ihn zu öffnen.

Doch John Kelly bewegt sich nicht. Er blickt an ihm vorbei zu einer anderen offenen Tür. Dort erschien vor einigen Sekunden eine junge Frau mit einem Gewehr in den Händen. Er staunt die junge Frau an und erinnert sich an ein dünnes Mädchen vor sechs Jahren.

»He, bist du das, Lizzy?«

Sie schenkt ihm ein ernstes Lächeln und erwidert: »Früher habt ihr mich Rotkopf oder Grünauge genannt. He, ich war stolz auf dich, als ich aus euren Briefen erfuhr, dass du Offizier wurdest.«

»Ein Rebellenoffizier.« Er grinst bitter. »Und das zählt nicht mehr, wenn man zu den Verlierern gehört. Was machst du da mit dem Gewehr?«

»Ich bewache die Hinterseite. Und ich werde auf jeden Yankee schießen, der von der Hinterseite in unser Ranchhaus eindringen will.«

Sie verstummt mit einem herben und sehr entschlossenen Klang in der Stimme. Und er glaubt ihr, dass sie es ernst meint.

Dabei ist sie so wunderschön. Einst war sie ein dünnes, rothaariges Mädchen mit Sommersprossen.

Und jetzt kann er über sie nur noch staunen wie über ein Weltwunder.

Er schüttelt entschlossen den Kopf. »So geht das nicht«, spricht er. »Nein, so könnt ihr es nicht machen. Da gibt es andere Wege.«

Er wendet sich an Tabhunter Cassedy. »Wie können Sie zulassen, dass Lizzy wie ein Rebell gegen die Yankees kämpft und erschossen wird? Wie können Sie zulassen, dass sich ein so wunderschönes Mädchen, welches noch sein ganzes Leben vor sich hat, in solche Gefahr begibt? Die Kerle dort draußen bluffen nicht. Und der Dicke, der mit dem zweiten Wagen kam, ist der einzige Aufkäufer. Er hat zwei Revolvermänner bei sich und wahrscheinlich einen Sack voll Geld. Diese Ranch mit all ihren Rindern wird er gewiss für den Betrag Ihrer Steuerschuld bekommen. Wie hoch ist diese Schuld eigentlich?«

»Dreihundertsiebenundfünfzig Dollar«, erwidert Tabhunter Cassedy. »Es ist nur die Grundsteuer seit Kriegsende. Eigentlich ist das ein lächerlicher Betrag. Aber jeder neue Yankeedollar ist für uns Texaner so groß wie ein Wagenrad. Und dafür wird der dicke Yankee diese Ranch ersteigern. Denn es ist ja sonst niemand da, der ihn überbieten könnte. So läuft das überall in Texas. Und deshalb will ich kämpfen. Lizzy aber lässt sich von mir nichts mehr sagen.«

»So ist es«, sagt Lizzy Cassedy spröde. »Meine Mom, die bei meiner Geburt starb, konnte meinem Vater keine Söhne mehr schenken. Ihr wurdet so etwas wie seine Söhne. Und als ihr in den Krieg rittet, war nur ich noch da. Jetzt will ich ihm ein Sohn sein und werde an seiner Seite kämpfen. Basta!«

Sie verstummt mit klirrender Stimme.

John Kelly sieht, dass sie Hosen wie ein Mann trägt, auch einen Waffengurt mit einem Colt im Holster. Und das Gewehr hält sie in den Händen wie jemand, der damit umgehen kann.

Abermals schüttelt er entschlossen den Kopf.

»Ihr werdet euch ergeben«, spricht er. »Denn sonst erschießen sie euch. Warum wollt ihr denn Selbstmord begehen, indem ihr ...«