G. F. Unger Western-Bestseller 2558 - G. F. Unger - E-Book

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G. F. Unger

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Beschreibung

Als Ben Adams mit seinem Gefangenen aus der Hügellücke reitet, hält er zwischen einigen Bäumen an und späht zur Station am Old Squaw Creek nieder.
Die beiden Pferde stehen breitbeinig und mit gesenkten Köpfen keuchend da. Sie sind mit einer Schicht aus Schweiß und Staub bedeckt und bieten einen erbärmlichen Anblick.
Doch die hundert Yards bis zur Station werden sie sicherlich noch schaffen. Der Pferdewärter dort wird sich dann ihrer annehmen.
Ben Adams zögert noch.
Und sein Gefangener weiß dieses Zögern genau zu deuten.
Er sagt heiser und ganz erfüllt von einem heißen Hass: »Adams, Sie schaffen es nicht! Ich wette mit Ihnen um alles in der Welt, dass Sie es nicht schaffen, mich nach Warbluff zu bringen!«


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Inhalt

Cover

Der Marshal

Vorschau

Impressum

Der Marshal

Als Ben Adams mit seinem Gefangenen aus der Hügellü‍cke reitet, hält er zwischen einigen Bäumen an und späht zur Station am Old Squaw Creek nieder.

Die beiden Pferde stehen breitbeinig und mit gesenkten Köpfen keuchend da. Sie sind mit einer Schicht aus Schweiß und Staub bedeckt und bieten einen erbärmlichen Anblick.

Doch die hundert Yards bis zur Station werden sie sicherlich noch schaffen. Der Pferdewärter dort wird sich dann ihrer annehmen.

Ben Adams zögert noch.

Und sein Gefangener weiß dieses Zögern genau zu deuten.

Er sagt heiser und ganz erfüllt von einem heißen Hass: »Adams, Sie schaffen es nicht! Ich wette mit Ihnen um al‍l‍es in der Welt, dass Sie es nicht schaffen, mich nach W‍a‍r‍b‍l‍u‍f‍f zu bringen!«

Er lacht kehlig, bevor er fortfährt: »Meine Brüder und meine Freunde warten vielleicht schon dort in der Station auf uns. Sie können sich ausrechnen, dass wir nur dort frische Pferde bekommen würden – nirgendwo sonst in diesem Teil des Landes. Adams, vielleicht werden Sie gleich in eine Gewehrkugel reiten, wenn Sie den Schutz und den Schatten dieser Bäume verlassen und sich der Station nähern.«

In seiner Stimme schwingt zuletzt eine wilde Freude. Seine rachsüchtigen Wünsche sind so stark, dass er fast völlig von den Dingen, die er vermutet, überzeugt ist.

Auch Ben Adams ist fast davon überzeugt, dass es so ist. Und wenn Blinky Clayburnes große Brüder und deren Anhang noch nicht dort unten bei der Pferdestation der Postlinie sein sollten, dann wird es gewiss nicht mehr lange dauern, bis sie kommen.

Es kann sich vielleicht nur noch um Minuten handeln.

Er erwidert nichts auf die Worte seines Gefangenen. Er sitzt regungslos und schweigend im Sattel seines »Colonel« und hat seine Hände über dem Sattelhorn liegen. Es sind lange, geschmeidige Hände, und die Handgelenke sind breit.

Ben Adams ist genauso mit Staub bedeckt wie sein Gefangener. Er mag etwa dreißig Jahre alt sein, und er wirkt sehr hart und verschlossen. Es ist keine böse Härte, doch sie ist von jener ruhigen und beharrlichen Art, die manchmal bis zur letzten und schrecklichsten Konsequenz zu gehen bereit ist.

Und wer dieses wilde und gesetzlose Land kennt, der weiß auch, wie zumeist jene letzte Konsequenz aussieht.

Über einem durchschwitzten grünen Hemd trägt Ben Adams eine schwarze, ärmellose Weste. Sie ist vorn offen, und man kann darunter auf der Hemdtasche einen Stern erkennen. Es ist ein einfacher Blechstern, gewiss vom Schmied aus dem Boden einer Konservendose geschnitten. Und mit Schlagbuchstaben ist das Wort MARSHAL eingeschlagen.

Zur Station dort unten am Creek gehört ein Gasthaus. Auch ein Store befindet sich in einem Anbau. Es stehen einige Sattelpferde an den Haltestangen. Ein leichter Wagen, mit zwei hageren Pferden bespannt, steht im Schatten des Gasthauses. Und einige zahme Indianer sitzen auf der Veranda.

Aus dem Corral und um das Stationshaus herum bringen nun der Stationsagent und dessen Gehilfe das frische Sechsergespann für die Postkutsche.

Als Ben Adams das sieht, bewegen sich seine Mundwinkel etwas, aber es ist nur der kaum merkliche Anflug eines Lächelns.

Aber Blinky Clayburne begreift natürlich sofort die Chance, die der Marshal von Warbluff hat. Die Postkutsche nach Warbluff ist noch nicht durch. Wenn sie bei der Station ist, bevor Blinky Clayburnes Brüder und Freunde eintreffen, hat der Marshal gewonnen. Denn niemand kann dann die sechsspännig fahrende Post einholen, die überdies noch besonders schnell fahren wird, weil sie Verspätung aufholen muss.

Blinky Clayburne beginnt sofort heiser zu fluchen, als der Marshal sein Pferd wieder in Bewegung setzt und ihn an der langen Leine auf dem anderen Pferd mit sich zieht.

Blinky Clayburne ist ein hübscher Bursche. Dies erkennt man sogar trotz der Staub- und Dreckschicht. Er ist einer von der Sorte, die wie aus Milch und Blut gemacht wirken und die man auf den ersten Blick sofort gernhat.

Und dennoch wird man ihn wahrscheinlich in Warbluff wegen Mordes für schuldig befinden und aufknüpfen, wenn es dem Marshal gelingt, ihn in die Stadt zu bringen.

Da die Postkutsche einige Verspätung zu haben scheint, sind die Chancen des Marshals gestiegen.

Als er mit seinem Gefangenen bis auf zwanzig Yards heran ist, haben sich ihm und Blinky Clayburne nicht nur der Stationsmann und dessen Gehilfe zugewandt, nein, es traten noch einige Männer aus dem Store und dem Gastraum. Es sind Männer, die irgendwo und irgendwie in diesem Land leben – von unbestimmbaren Einkünften und zumeist in verborgenen Camps. Er kennt zwei oder drei der Männer mit Namen, andere jedoch nur vom Sehen. Und er weiß genau, dass sie das Gesetz nicht lieben und mehr oder weniger mit den Clayburnes befreundet sind oder zumindest mit diesen die gleichen Interessen haben.

Ben Adams kennt die Strömungen im Land – und die Parteien. Er weiß, dass Blinky Clayburne schon jetzt Freunde und Hilfe bekommen könnte. Es ist vielleicht nur ein kleiner Anlass nötig, dass einige der Männer dort für ihn Partei ergreifen.

Ben Adams bleibt äußerlich sehr ruhig und wirkt trotz seiner offensichtlichen Müdigkeit ganz wie ein Mann, der in Sekundenbruchteilen reagieren kann.

Man kennt ihn auch gut genug, weiß Bescheid darüber, dass er der Marshal von Warbluff ist. Man weiß von seinen Kämpfen und davon, wie er innerhalb der Stadtgrenzen den Stadtgesetzen Geltung verschafft.

Er nickt dem Stationsmann zu und sagt: »Griffit, wir nehmen die Postkutsche nach Warbluff. Sie werden unsere müden Pferde versorgen. Ich lasse die Tiere morgen oder übermorgen abholen.«

Griffit gibt nicht sofort eine Antwort. Er starrt erst auf Blinky Clayburne, und dieser sagt nun heiser: »Er hat dir keine Befehle zu geben, Griffit! Er ist kein Sheriff. Er ist nur ein Town Marshal, und außerhalb der Stadtgrenze ist sein Blechstern nichts wert, gar nichts! Du brauchst ihn nicht einsteigen zu lassen, Griffit.«

Dieser blickt von Blinky Clayburne auf Ben Adams und dann von diesem auf die Männer vor dem Store und dem Gastraum. Die Männer erwidern schweigend seinen fragenden Blick, und es ist, als würde ein stilles Einverständnis geschlossen.

Griffit blickt wieder auf Ben Adams und wirkt nun sehr störrisch und unfreundlich.

»Wer hier in die Kutsche steigt und mitfahren kann, das bestimme ich«, sagt er kehlig. »Und wenn in der Kutsche kein Platz mehr sein sollte, dann werden Sie nicht zusteigen, Mister. Warum haben Sie Blinky Clayburne überhaupt als Gefangenen bei sich?«

Ben Adams gibt keine Antwort auf diese Frage. Denn es ist hier ganz bestimmt bekannt, dass Blinky Clayburne vor vier Tagen in Warbluff einen Mann getötet hat und aus der Stadt entkommen konnte.

Ben Adams sitzt ab. Sein müdes Pferd schwankt leicht. Es ist ein großer, grauer und knochiger Wallach, hager und zäh wirkend wie sein Herr.

Die Männer vor der Station sehen bewegungslos und schweigend zu, wie Ben Adams an das Pferd seines Gefangenen tritt und diesem die Leine abnimmt, mit der er ihm die Fußknöchel unter dem Pferdebauch zusammengebunden hat.

Als Blinky Clayburne seinen rechten Fuß frei hat, tritt er bösartig nach dem Kopf des Marshals, der sich gerade aufrichtet.

Doch er trifft mit dem gemeinen Tritt nicht. Ben Adams reagiert so schnell wie eine Katze, und er tut es gewiss instinktiv. Die Zuschauer begreifen einmal mehr, dass dieser Mann dort mit einem ganz außergewöhnlichen Reaktionsvermögen ausgestattet ist. Sie erinnern sich, wie er die wilde Stadt Warbluff unter Kontrolle hält, wie er jede Nacht die wilde Horde bändigt und die gut gearteten Bürger vor den böse gearteten Elementen schützt.

Er greift blitzschnell zu, bevor Blinky Clayburne den Fuß zurückziehen kann. Er packt diesen Fuß, der ihn treffen sollte, und reißt den wilden Jungen mit einem harten Ruck vom Pferd.

Als Blinky stöhnend am Boden liegt, atmet Ben Adams langsam aus und blickt die Männer an. Zuletzt sieht er Griffit, den Stationsmann, an und sagt: »Ihr Gehilfe soll jetzt gleich für die beiden Pferde sorgen – jetzt gleich!«

»Sie können mir hier keine Vorschriften machen«, erwidert Griffit störrisch.

»Ihnen vielleicht nicht, Griffit«, murmelt Adams. »Aber diese Postlinie endet nicht hier, sondern in Warbluff.«

Dies ist seine einzige Drohung. Griffit denkt nach. Und er weiß, dass dieser Marshal dem Büro der Postlinie in Warbluff eine ganze Menge Schwierigkeiten bereiten kann. Der Agent in Warbluff wird ihn, Griffit, sicherlich zum Teufel jagen, wenn ihn der Marshal dafür büßen lässt, dass man ihm hier keine Hilfe gab.

Griffit senkt bei dieser Erkenntnis grollend den Kopf. Dann sagt er widerwillig zu seinem Gehilfen: »Also los, Sol! Nimm dich der Tiere an. Es ist schlimm genug, dass sie von einem Mann, der ein Christenmensch sein will, so zu Schanden geritten wurden.«

Der Helfer gehorcht.

Und dann vergeht eine lange Minute. Der Marshal steht groß und hager bei dem Gefangenen, der am Boden hockt.

Ihnen gegenüber, mit dem Rücken zu den Gebäuden der Station, da stehen sieben oder acht Männer. Man sieht ihnen an, dass sie unschlüssig sind, ob sie Blinky Clayburne dem Marshal abnehmen sollen. Einer von ihnen müsste die Sache in die Hand nehmen. Aber wer?

Und wer es auch sein mag, er wird dann der erste Mann sein, auf den der Marshal schießt.

Bevor jemand einen Entschluss fassen kann, hört man aus der Ferne das Räderrollen der Kutsche und den weithin hallenden Hufschlag des trabenden Sechsergespanns.

Ben Adams sagt plötzlich ruhig: »Nun, Männer ...?«

Er dehnt die Worte, und sie sind deutlich eine Herausforderung an die Männer, sich endlich zu entscheiden.

Vielleicht hätten sie sich gegen den Marshal entschieden und es gewagt. Doch kurz vor dem Eintreffen der Kutsche begeht Blinky Clayburne einen entscheidenden Fehler. In seiner Not und Furcht verliert er nämlich jetzt die Nerven und kreischt: »So helft mir doch! Oh, ihr Feiglinge, meine großen Brüder werden euch die Haut abziehen, wenn sie erfahren, dass ihr mir nicht geholfen habt!«

Er verstummt heulend. Und er hätte diese Worte nicht kreischen sollen. Denn auf Drohungen reagieren diese Männer stets empfindlich, und weil das so ist, betrachten sie Blinky plötzlich auf eine missmutige und ärgerliche Art.

»Junge, ich habe mir längst abgewöhnt, etwas aus lauter Furcht zu tun«, sagt einer der Männer, wendet sich ab und geht in die Gaststube zurück.

Ein anderer Satteltramp spuckt in den Staub und murmelt: »Kleiner, ich glaube, du musst noch eine Menge lernen.«

Mehr wird nicht gesprochen, doch Ben Adams kann erkennen, dass die Männer dort für Blinky Clayburne nichts mehr riskieren werden. Sie haben sich gegen Blinky entschieden.

Die Kutsche rollt heran. Ben Adams tritt zu Blinky, packt diesen am Kragen und stellt ihn mit einem Ruck auf die Beine.

Die Kutsche hält bei ihnen. Der Fahrer und dessen Begleitmann blicken auf Ben Adams nieder, und der Fahrer sagt trocken: »Du hast ihn also erwischt, Ben?«

»Wir fahren mit«, sagt dieser und öffnet die Tür der Kutsche. Er wirft einen Blick hinein und erkennt, dass jeder Platz belegt ist. Es handelt sich um eine große Abbot-Downing-Kutsche mit neun Plätzen.

Gleich beim Fenster sitzen eine junge Frau und ein Mädchen. Alle anderen Gäste sind Männer jeder Sorte. Ben Adams beugt sich über den Schoß der Frau hinweg in die Kutsche hinein und mustert die anderen Fahrgäste.

Dann fragt er trocken einen Mann: »Was wollen Sie in Warbluff?«

»Ich bin Reisender in Handfeuerwaffen. Ich bringe eine Musterkollektion der neuesten Modelle nach ...«

»Sie steigen aus«, unterbricht ihn Ben Adams. »Auf eine Musterkollektion von Handfeuerwaffen kann Warbluff noch etwas warten. Die Leute dort sind recht gut bewaffnet und schießen ohnehin mehr, als mir lieb ist. Steigen Sie aus!«

Der Mann bekommt ein dunkelrotes Gesicht. Doch er sah bereits den Stern unter Ben Adams' Weste, und er sieht auch, dass dieser Marshal nicht herumtändeln wird. Nein, bestimmt nicht! Man kann unschwer von Ben Adams' hartem Gesicht ablesen, dass er am Ende seiner Geduld ist. Und das ist kein Wunder. Er ist schon einige Tage und Nächte hinter einem Mörder her, bekam keinen Schlaf und weiß, dass er nicht sehr viele Chancen hat, mit seinem Gefangenen dessen Brüdern und Freunden zu entkommen.

Der Reisende, der in Warbluff Waffen verkaufen möchte, verspürt plötzlich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend. Aber er fragt, wenn auch gepresst und heiser: »He, wer sind Sie, dass Sie hier unbescholtene Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Kutsche holen?«

»Ich bin der Marshal von Warbluff«, sagt Adams knapp. »Und ich kann keine einzige Sekunde mehr verschwenden. Haben Sie verstanden?«

»Gehorchen Sie lieber«, sagt die junge Frau, über deren Schoß sich Ben Adams in die Kutsche beugt. »Dies ist ein Marshal mit einem Revolver, und er kann nichts anderes tun, als immerzu nur anderen Leuten Befehle zu erteilen. Steigen Sie lieber aus, Mister, bevor er rau und damit auch tätlich wird.«

Sie hat dunkelrote Haare und grüne Augen. Der Marshal blickt sie einen Moment an, und er erkennt einige feine Linien in ihrem Gesicht, die ihm verraten, dass sie kein junges Ding mehr ist und die Wege in ihrem Leben bestimmt nicht glatt und erfreulich verliefen. Auch in ihrer Stimme liegt ein Klang, der ahnen lässt, dass sie auf dieser Erde längst ihre Illusionen verloren hat.

Sie muss etwas gegen Gesetzesmänner haben, denkt Ben Adams. Und er hört den Fahrer der Kutsche sagen: »Also los, Ben! Ich kann nicht länger warten! Wir haben fast eine halbe Stunde Verspätung!«

»Raus!« Ben Adams sagt es knapp. Und der Vertreter der Colt-Patentfeuerwaffen-Company in Hartford gehorcht.

»Ich protestiere!«, ruft er aber schrill. »Dies ist Nötigung! Es ist fast Wegelagerei! Ich protestiere und werde mich bei den zuständigen Stellen über Sie ...«

Weiter spricht er nicht. Denn es fällt ihm ein, dass es besser wäre, wenn er sich um sein Gepäck kümmern würde.

Er bekommt es, und dann starren er und all die anderen Männer der davonfahrenden Kutsche nach.

Aber noch bevor diese weiter als hundert Yards entfernt ist, hören alle Männer, die hier vor der Station stehen, den Hufschlag einer Mannschaft. Sie wenden sich um und sehen die Reiter auf der Fährte des Marshals und seines Gefangenen aus dem Schatten der Bäume kommen.

Jemand sagt: »Da kommen Blinky Clayburnes Brüder, und sie kommen wahrhaftig eine halbe Minute zu spät. Sie werden die Kutsche nicht einholen können. Wenn sie nicht wollen, dass Blinky in Warbluff aufgehängt wird, dann müssen sie ihn dort aus dem Gefängnis holen.«

Der Waffenreisende hört es, und nun erst begreift er, um was es für den Marshal ging.

Und er blickt die Reiter an, die auf restlos erschöpften und immer wieder stolpernden Pferden langsam heranreiten. Er sieht neun hartgesottene Burschen. Sie werden von zwei pockennarbigen und pferdegesichtigen Männern angeführt, von denen eine verwegene Härte ausgeht. Man sieht auf den ersten Blick, dass dies Zwillingsbrüder sind.

Und einer dieser beiden Burschen fragt nun den Stationsmann hart: »Griffit, wie viel frische Tiere hast du zur Verfügung?«

»Sattelpferde nur drei«, sagt Griffit. »Doch die Post hat eine halbe Stunde Verspätung. Charly wird sein Gespann die ganzen zwanzig Meilen bis Warbluff jagen wie der Teufel sechs arme Seelen. Es tut mir leid, Lefty Clayburne.«

Dieser und sein Zwillingsbruder Brack blicken sich nun um. Sie sind wie ihre Begleiter voller Staub und Schweiß und sehr erschöpft von einer langen Jagd.

»Warum habt ihr Blinky nicht geholfen?«, fragt Brack Clayburne heftig. »Wie konntet ihr dulden, dass dieser Revolvermarshal sich über die Stadtgrenze hinaus in unser Land wagen und unseren Blinky an den Ohren nach Warbluff zurückschleifen kann? Hattet ihr denn nicht begriffen, um was es hier ging? Doch nicht nur darum, unseren Bruder zu retten! Ihr Dummköpfe, jetzt wird das Prestige dieses Revolvermarshals in Warbluff noch größer sein. Er hat aus unserem Land einen Mann herausgeholt und in die Stadt zurückbringen können. Warum habt ihr ihm nicht einige Steine in den Weg gelegt?«

Die Männer, die wieder sämtlich aus dem Store und dem Gastraum kamen und nun eine geschlossene Gruppe bildeten, schweigen noch einige Sekunden. Dann sagt einer ruhig: »Dieser Blinky drohte uns. Er sagte, dass seine Brüder uns die Haut abziehen würden, kämen wir ihm nicht zu Hilfe. Wir waren ja schon fast bereit dazu. Wir überlegten nur noch, wie wir es machen sollten. Wir warteten auf einen geringfügigen Anlass. Doch da begann Blinky wie ein Rabe zu kreischen und sagte, dass ihr, seine Brüder, uns die Haut abziehen würdet, wenn wir ihm nicht helfen. Nun, da war natürlich alles vorbei. Niemand von uns verspürte noch große Lust, diesem Narren zu helfen, denn Ben Adams hätte geschossen. Wer riskiert schon für einen kreischenden Narren seine Haut? Und dann kam auch die Postkutsche. Sie war voller Fahrgäste und damit voller Augenzeugen. Es gab keine Möglichkeit mehr.«

Die beiden Clayburnes starren den Sprecher böse an. Doch sie begreifen, dass er nicht nur für sich, sondern auch für die anderen Männer gesprochen hatte.

Es gibt für die Clayburnes mehr als einen Grund, jetzt keinen Streit zu beginnen, aber ihre Müdigkeit und die Tatsache, dass sie in diesem Lande jetzt besonders viele Freunde nötig haben, sind wohl die beiden wichtigsten Beweggründe, die sie zum Einlenken veranlassen.

Lefty Clayburne, den man von seinem Bruder Brack nur unterscheiden kann, wenn man auf seine Narbe unter dem linken Mundwinkel achtet, die nicht von den Pocken, sondern von einem Messer oder Säbel stammt, sagt nun einlenkend: »Nun gut! Wir sehen ein, dass ihr Blinky nicht beistehen konntet. Und sicherlich ist er auch ein verrückter Narr, der noch eine Menge zu lernen hat. Doch wir müssen ihn natürlich befreien. Denn wenn es den Leuten in Warbluff gelingt, ihn zu hängen – nun, dann könnte dies auch noch anderen Burschen eines Tages zustoßen, nicht wahr?«

Sein wilder und auch zwingender Blick umfasst sie alle.

Und sie begreifen, wie sehr er die Wahrheit spricht. Sie alle sind Hartgesottene in diesem wilden Land, in dem die Stadt Warbluff wie eine Insel inmitten eines von Piraten beherrschten Meeres liegt.

✰✰✰

Blinky Clayburne musste sich zwischen den Füßen der Fahrgäste auf den Boden der Kutsche legen. Ben Adams ließ den Mann, der mit dem Rücken zur Fahrtrichtung und der Frau gegenüber am Fenster saß, den frei gewordenen Platz des Waffenvertreters einnehmen und nahm selbst den Fensterplatz ein. Als er sich aus dem noch heruntergelassenen Fenster beugt, da sieht er die beiden Clayburnes mit ihrem Anhang aus dem Schatten der Bäume reiten.

Er weiß, dass er gewonnen hat. Denn die Kutsche fährt schnell. Die sechs zähen und ausdauernden Pferde galoppieren und werden diesen langen Galopp einige Meilen beibehalten.

Ben Adams lehnt sich zurück, zieht das Fenster hoch und entspannt sich. Die Fahrgäste und die Frau betrachten ihn stumm. Und dann senken sie wie auf ein stilles Kommando die Blicke und sehen auf Blinky Clayburne nieder.

»Was hat er getan?«, fragt einer der Männer, die neben der Frau sitzen.

Doch Ben Adams gibt keine Antwort.

Die Frau – oder ist es noch ein Mädchen – sagt plötzlich angriffslustig: »Was wird er schon getan haben! Dies ist doch noch ein halber Junge. Vielleicht hat er gerauft oder einige Fensterscheiben zerschossen. Sicherlich ist er dem Marshal nur etwas zu nahegetreten. Nun, Marshal, wie lange sperren Sie ihn ein?«

Ben Adams öffnet seine graugrünen Augen und blickt ruhig in die grünen Augen dieser so erfreulich anzusehenden und dabei so deutlich gegen ihn eingenommenen Frau.

»Als Stadtmarshal darf ich nur Strafen bis zu einundzwanzig Tagen Haft verhängen«, sagt er sanft. »Und bis zu fünfundzwanzig Dollar Geldstrafe. Für höhere Strafen ist der Stadtrichter zuständig. Und Sie vermuten richtig, Madam. Dieser wilde Junge zerschoss Fensterscheiben. Er kam betrunken aus einem Saloon und begann aus wilder Freude auf alle Fenster zu schießen, die er mit seinen beiden Revolvern treffen konnte.«

Als er dies gesagt hat, lächelt die Frau seltsam.

»Ich dachte mir das doch! Oh, es kommt überall einmal vor, dass ein Cowboy auf eine Fensterscheibe schießt. Mich wundert nur, dass Sie ihm offensichtlich mit größter Erbitterung gefolgt sind und nach einer langen Jagd einbringen wie einen Mörder.«

Bei ihren letzten Worten wird ihr Lächeln irgendwie verächtlich.

Auch Ben Adams lächelt, doch es ist keine Freude darin.