G. F. Unger Western-Bestseller 2559 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2559 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist eine Stunde nach Mitternacht, als Jack Locklear seine »Daisy« um den Arkansas Rock lenkt und das Dampfhorn tönen lässt, dass es sich in der klaren Nacht anhört, als wäre im Strom ein riesiges Untier aufgetaucht und brüllte warnend in die Welt.
Die kleine »Daisy« ist so mit Baumwollballen beladen, dass sie manchmal schwerfällig in der Strömung schwankt. So auch jetzt, als Jack Locklear sie scharf nach steuerbord zieht, um in die westliche Fahrrinne zu gelangen, die der talfahrenden Schifffahrt vorbehalten ist.
Mitten im Strom liegen die Seven Blackboys, sieben schwarze, lange Felsen, von denen nur die Rücken zu sehen sind, kieloben im Fluss liegenden Schiffen gleich.
Jack Locklears Augen werden schmal, als er um die untere Arkansas-Rock-Biegung ein großes Fahrgastschiff kommen sieht, das sich in voller Fahrt stromaufwärts befindet. Dieses Schiff müsste die östliche Fahrrinne benutzen, wie es nach dem Reglement auf dem Strom üblich ist. Doch aus irgendwelchen Gründen legt der Steuermann das Ruder zu spät nach steuerbord - und dann gibt er es auf, in die östliche Rinne zu fahren. Er lenkt nach backbord hinüber, um die Westrinne zu benutzen.
Jack Locklear beginnt grimmig zu fluchen ...


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Inhalt

Cover

Riverman-Poker

Vorschau

Impressum

Riverman-Poker

Es ist eine Stunde nach Mitternacht, als Jack Locklear seine »Daisy« um den Arkansas Rock lenkt und das Dampfhorn tönen lässt, dass es sich in der klaren Nacht anhört, als wäre im Strom ein riesiges Untier aufgetaucht und brüllte warnend in die Welt.

Die kleine »Daisy« ist so mit Baumwollballen beladen, dass sie manchmal schwerfällig in der Strömung schwankt. So auch jetzt, als Jack Locklear sie scharf nach steuerbord zieht, um in die westliche Fahrrinne zu gelangen, die der talfahrenden Schifffahrt vorbehalten ist.

Mitten im Strom liegen die Seven Blackboys, sieben schwarze, lange Felsen, von denen nur die Rücken zu sehen sind, kieloben im Fluss liegenden Schiffen gleich.

Jack Locklears Augen werden schmal, als er um die untere Arkansas-Rock-Biegung ein großes Fahrgastschiff kommen sieht, das sich in voller Fahrt stromaufwärts befindet. Dieses Schiff müsste die östliche Fahrrinne benutzen, wie es nach dem Reglement auf dem Strom üblich ist. Doch aus irgendwelchen Gründen legt der Steuermann das Ruder zu spät nach steuerbord – und dann gibt er es auf, in die östliche Rinne zu fahren. Er lenkt nach backbord hinüber, um die Westrinne zu benutzen.

Jack Locklear beginnt grimmig zu fluchen ...

Was das entgegenkommende Schiff macht, ist ein grober Verstoß gegen die Bestimmungen auf dem Strom, zumal man die Lichter der »Daisy« deutlich genug sehen kann.

Wahrscheinlich unterschätzt man auf dem Fahrgastschiff die Größe der »Daisy«, glaubt auch nicht an einen besonders starken Tiefgang bei diesem kleinen Schiff. Man traut ihr zu, dass sie in das flachere Wasser der westlichen Uferseite ausweichen kann.

Doch der Strom hat um diese Jahreszeit seinen niedrigsten Stand erreicht. Die Seven Blackboys ragen so weit heraus wie sonst nie im ganzen Jahr und lassen erkennen, wie mächtig sie sich unter der Oberfläche ausbreiten und den Strom der Länge nach halbieren.

Jack Locklear flucht noch lauter, als er erkennt, dass er sein kleines Schiff riskieren muss. Das große Fahrgastschiff beansprucht die Mitte der Fahrrinne. Es kann gar nicht anders, wenn es mit seinem Tiefgang nicht auflaufen will.

Es ist ein mächtiges Dampfschiff, hell erleuchtet, wie es die noblen Amüsierschiffe sind, die zwischen New Orleans und Saint Louis nicht nur jeden Komfort, sondern auch jede Art von Vergnügungen und Unterhaltung bieten, die man sonst nur in den großen Städten bekommen kann.

Jack Locklear zieht seine »Daisy« nach steuerbord, so weit er das wagen kann. Dabei spürt er, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken läuft und wie sich ihm die Nackenhaare sträuben. In seinem Innern wächst ein ahnungsvolles Gefühl des Unheils.

Immer wieder betätigt er sein Dampfhorn, es brüllt wütend und warnend.

Doch das große Schiff reagiert nicht. Es brauchte nur die beiden mächtigen Schaufelräder anzuhalten und rückwärts drehen zu lassen, dann käme es stromabwärts von der »Daisy« aus der Fahrrinne heraus und könnte sich bei der unteren Arkansas-Rock-Biegung in die östliche Fahrrinne einfädeln.

Im Gegenteil, das große Schiff lässt nun gleichfalls laut und herrisch seine Stimme tönen. Es hört sich an, als brüllte es: »Hier komme ich, Kleiner! Geh aus dem Weg! Mach Platz, du lächerlicher Zwerg!«

Jack Locklear flucht nun nicht mehr, er ist von kaltem Zorn erfüllt und hat begriffen, dass ihm nur noch geschicktes Lenken helfen kann. Er kann jetzt nur noch sein Schiff so scharf wie möglich nach steuerbord lenken und beten.

Wenn doch der große Pott, der ihm da entgegenkommt, auch so weit wie möglich nach Steuerbord ziehen würde, dann kämen sie gewiss aneinander vorbei, ohne sich ein Leck zu reißen.

Diese Narren, denkt Jack Locklear.

Er kann jetzt erkennen, dass die beiden Schiffe immer noch nicht aneinander vorbeikommen. Er muss noch weiter in die Untiefen des flachen, felsigen Ufers. Gewiss, bis zum Land sind es gut hundert Schritte. Doch was nützt ihm diese hundert Schritt breite Wasserfläche, wenn sie voller Felsrücken ist?

Er betätigt wieder das Dampfhorn. Das andere Schiff ist schon ganz nahe. Er kann in der hellen Nacht alle Einzelheiten sehen. Drei Decks ragen auf wie ein dreistöckiges Haus, und aus den beiden Schornsteinen quillt Rauch. Er kann sogar die Menschen erkennen.

Er steuert noch etwas mehr nach rechts, und er weiß, dass jetzt geradezu ein Wunder geschehen muss. Einmal, zweimal – ja, zweimal hört er es leicht scharren und knirschen, und dann passiert es!

Diesmal ist es kein knirschendes Schaben. Nein, es ist jetzt ein lautes Reißen und Brechen unterhalb des Schiffes. Es hört sich an, als risse ein riesiger Zahn den Schiffsboden auf wie eine Nussschale. Plötzlich gibt es einen furchtbaren Ruck, und die »Daisy« sitzt fest. Da sie aber auf Steuerbordseite auframmt, wirft die Masse der Backbordseite sie etwas herum. Sie gerät noch weiter auf die felsige Untiefe. Diesen zweiten Anprall hält ihr Kessel nicht mehr aus. Er explodiert mit einem gewaltigen Krach, reißt das Deck über sich auf, lässt Dampf, kochendes Wasser und feurige Glut hochgehen, als wäre die Hölle aufgebrochen.

Locklear hat vier Mann Besatzung an Bord. Er weiß, dass die beiden Maschinisten ganz gewiss tot sind, denn auch der wachfreie Maschinist schläft unter Deck im Maschinenraum, um sofort zur Hand zu sein, wenn er gebraucht wird.

Und bei der alten Maschine der »Daisy« ist das oft genug der Fall, denn die »Daisy« ist ein uraltes Mädchen, fast so alt wie Noahs Arche.

Jack Locklear verlässt die Ruderkabine, springt die vier Stufen zum Deck hinunter, turnt über Baumwollballen und müht sich, durch Dampf und Rauch etwas zu erkennen.

Nach einer Weile wird es heller. Der Wind fegt den Dampf weg – und facht zugleich einen Brand an, der sich schnell vergrößert. Flammen schlagen hoch. Die »Daisy« ist verloren.

Das andere Schiff ist jetzt auf gleicher Höhe und rauscht langsam an der brennenden »Daisy« vorbei. Dort, wo das Backbord-Schaufelrad das ohnehin schon breite Schiff noch um zweieinhalb Yards verbreitert, ist der Abstand zur »Daisy« sehr gering.

Jack Locklear macht einen Schritt, steht auf der Schaufelradverkleidung und geht auf deren Laufkante entlang auf das Hauptdeck.

An der Schaufelradverkleidung konnte er den Namen des Schiffes lesen: CAROLINA.

Jack Locklear trifft auf einige Männer der Besatzung, und einer sagt laut: »Pech gehabt, nicht wahr?«

Jack gibt ihm keine Antwort. Er drängt sich durch die Männergruppe bis zum Aufgang. Mit drei Sätzen ist er oben.

Hier auf dem Texasdeck stehen viele Passagiere, für die dieses Unglück eine mehr oder weniger spannende Unterbrechung ihrer Reise bedeutet. Jack Locklear drängt sich auch hier auf raue Art durch. Er stößt alles rechts und links zur Seite, was ihm in den Weg gerät.

Den nächsten Aufgang zum Deck der Luxuskabinen nimmt er gleichfalls mit drei Sprüngen. Er sieht sich kaum um, erreicht den Aufgang zum Sturmdeck und hat damit sozusagen das Dach des dreistöckigen Hauses erreicht.

Hier oben stellen sich ihm zwei Männer der Besatzung entgegen.

Er fegt sie nach rechts und links, als wären sie halbwüchsige Burschen und keine harten Männer vom Fluss. Nun erst wird richtig klar, wie schnell dieser Jack Locklear sein kann, schnell und gefährlich wie ein Tiger.

Der Aufgang zum Steuerhaus ist steiler als die anderen Treppen. Als er fast oben ist, taucht ein Mann in der Tür auf und tritt nach seinem Kopf. Dabei brüllt er etwas. Doch Jack Locklear duckt sich und packt mit blitzschnellem Griff den Fuß des anderen. Er zieht den brüllenden Burschen über sich hinweg und lässt ihn auf das Sturmdeck krachen, wo er bewegungslos liegen bleibt.

Jack Locklear aber achtet nicht darauf. Er ist mit zwei geschmeidigen Sprüngen im Steuerhaus. Es ist groß, mit Wandschränken, einem Kartentisch und einem Ledersofa.

Jack Locklear will den Mann, der da am Ruder steht, mit einem Schwinger in die nächste Ecke fegen, denn diesem Burschen hat er den Verlust der »Daisy« zu verdanken.

Doch im allerletzten Moment erkennt er, dass der Rudergänger oder Steuermann kein Mann ist.

Dort an dem großen Rad steht eine Frau.

Ihr Haar ist zwar unter einer Yachtmütze verborgen, und sie trägt einen dunkelblauen Anzug wie die Schiffsoffiziere, doch es ist eine Frau. Jack Locklear kann es einwandfrei erkennen.

Sie starrt unentwegt stromauf und wendet ihren Kopf nicht um einen einzigen Zoll, als sie mit kehliger Stimme fragt: »Jenkins, was ist mit diesem verrückten Kerl von dem anderen Schiff? Was sollen wir tun, Jenkins? Ich glaube, wir müssen außerhalb der Enge anhalten und ein Boot aussetzen, nicht wahr?«

Als sie keine Antwort erhält, wagt sie es endlich, einmal ihren Blick vom Fluss zu nehmen und zur Seite zu sehen. Sie erkennt den großen, hageren fremden Mann neben sich und sagt: »Oh, was haben Sie denn mit Jenkins gemacht?«

»Wenn Sie ein Mann wären, Sie dumme, verantwortungslose Gans«, sagt er zu ihr, »dann würde ich Ihnen jetzt den Hals umdrehen. Aber ich sehe schon, dass Sie eines von diesen unzurechnungsfähigen Frauenzimmern sind, denen es Spaß macht, verrückte Dinge zu tun. Sie haben dafür gesorgt, dass ich mein Schiff verlor. Wahrscheinlich sind meine beiden Maschinisten tot und ...«

Er bricht ab und macht eine heftige Handbewegung.

»Aber der Bursche«, fährt er wütend fort, »der dafür verantwortlich ist, dass Sie an diesem Ruder stehen und die ›Carolina‹ steuern – dieser Bursche und sein Boss werden es ...«

Vom offenen Eingang her unterbricht ihn eine eiskalte Stimme: »Wenn du zur Hölle fahren möchtest, dann spiel nur weiter den Verrückten. Komm her, du Flussaffe! Komm her – langsam die Treppe herunter! Ich ziele mit meinem Colt auf dich und würde genau mitten in deine linke Hemdtasche treffen. Komm!«

Jack Locklear wendet sich schon beim ersten Wort um und duckt sich leicht.

Es sieht aus, als würde er gehorchen. Jeder Mann würde brav gehorchen, wenn ein Revolvermann aus wenig mehr als zwei Yards Entfernung mit einem Colt auf ihn zielt.

Aber dann – oha, wie unheimlich schnell ist dieser Jack Locklear! – springt er, sich dabei duckend, vorwärts und hechtet gegen den Mann, der auf der obersten Treppenstufe in der offenen Tür des Ruderhauses steht.

Der Schuss kracht, und es ist nicht zu erkennen, ob die Kugel trifft.

Locklears vorgestreckte Hände krallen sich in die Jacke des Gegners. Dieser stürzt rückwärts die Treppe hinunter, kracht schwer auf das Sturmdeck wie vorher der andere Mann, und Jack Locklear landet auf ihm.

Als er aufspringt, sind sechs Mann um ihn. Es sind sechs harte Burschen, die auf diesem Amüsierschiff schon so manchen wilden Gast zur Ruhe brachten – oder über Bord warfen.

Sie fallen über ihn her. Er gibt es ihnen wie ein Büffelwolf inmitten einer Hundemeute. Er schlägt zwei, drei – und sogar vier von den Beinen. Sie aber richten ihn mit Schlagringen und bleigefüllten Schlagstöcken schlimm zu. Als er zwischen ihren Füßen liegt und sich nicht mehr bewegt, keuchen sie alle. Einer sagt stöhnend: »Heiliger Rauch! War das ein schweres Stück Arbeit!«

»Ich glaube, er ist der Kapitän des kleinen Dampfbootes«, sagt ein anderer schnaufend.

»Wer kann ihm verdenken, dass er so verrückt wurde und an Bord ...«

Jack Locklear hört das alles nicht. Er ist bewusstlos.

✰✰✰

Als er erwacht, spürt er überall Schmerzen. Erst nach und nach erinnert er sich an alles, was geschehen ist.

Langsam und vorsichtig bewegt er seine Glieder. Er kann nur aus einem Auge sehen. Das andere ist zugeschwollen. Er hat das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Doch allmählich geht es ihm besser. Er bekommt sich wieder unter Kontrolle. Nur die Schmerzen bleiben. Je klarer sein Kopf wird, umso bewusster muss er die Schmerzen ertragen.

Sie haben mich fast in Stücke geschlagen, denkt er. Ich war ein Narr, weil ich mich auf diese wilde Art rächen wollte.

Er kann nun etwas besser sehen und begreift, dass er sich in einer großen Kabine befindet, wahrscheinlich der Kapitänskabine. Er liegt auf einem weichen Teppich.

Als er sich aufsetzt, sieht er die Frau zum zweiten Mal.

Sie ist schön. Ihr blauer Anzug ist maßgeschneidert und verbirgt nichts von ihren weiblichen Formen.

Sie hat grüne Augen und kupferfarbenes Haar, das im Lampenschein glänzt und funkelt.

Ja, diese Frau ist schön, sehr schön. Ihr Gesichtsausdruck ist jetzt zerknirscht und um Verzeihung bittend. Ganz gewiss ist sie gewöhnt, dass Männer ihr alles verzeihen.

Auf der Ecke des Schreibtisches sitzt ein Mann, hat einen Fuß auf dem Teppich und schlenkert mit dem anderen. Er ist ein großer Mann, elegant in seiner Kapitänsuniform, dunkel und schlank.

Er lächelt Jack Locklear an.

»Es tut mir leid«, sagt er, und sein Akzent ist englisch, als wäre er erst wenige Jahre in den Staaten und könnte seine Oxford-Erziehung einfach nicht vergessen. Hier im Süden spricht man so breit, dass es einen Engländer graust.

»Wir werden Ihnen natürlich den Schaden voll ersetzen. Mein Name ist Whitaker, Raymond Whitaker. Ich bin noch nie einem anderen Mann etwas schuldig geblieben. Als Eigner und Kapitän dieses Schiffes bin ich für alles verantwortlich. Warum sind Sie eigentlich so wild geworden und haben sich wie ein Amokläufer benommen? Das alles hätten wir doch friedlich regeln können. Natürlich habe ich das Schiff stoppen und ein Boot aussetzen lassen, sobald ich an Deck war und die Dinge unter meine Kontrolle bekam. Ihre Besatzung wurde gerettet. Die beiden Maschinisten erlitten nur mittelschwere Verbrennungen. Wir haben einen guten Arzt an Bord. Sie werden – solange sie krank sind – von mir jeden Tag doppelten Lohn erhalten und zum Schluss ein Schmerzensgeld bekommen. Sie sehen, Mister, dass es gar keinen Grund zur besonderen Erregung gibt. Ich bin auf diesem Fluss als Fair Play Ray Whitaker bekannt, und diesen Namen möchte ich behalten. Natürlich wird sich auch Carolina bei Ihnen entschuldigen. Wissen Sie, Miss Carolina Price hatte es sich in den Kopf gesetzt, das Schiff, das ihren Namen trägt, allein bei Nacht durch die gefährlichen Passagen beim Arkansas Rock zu steuern. Natürlich hätte mein Zweiter Steuermann sie nicht ans Ruder lassen dürfen. Doch wer kann schon den Wünschen Carolinas widerstehen? Trotzdem habe ich meinen Zweiten gefeuert und ihn mit einer spärlichen Ausrüstung an Land setzen lassen. Sie sehen, Mister, ich tat alles, um Sie zufriedenzustellen. Und nun brauchen Sie mir nur noch den Preis für Ihr altes Dampfboot zu nennen, einen fairen Preis für beide Seiten. Also?«

Jack Locklear erhebt sich. Er schwankt zu einem Sessel und entdeckt auf dem kleinen Tisch eine Flasche Whisky und Gläser.

Als er die Flasche greifen will, kommt Carolina Price ihm zuvor. Sie schenkt drei Gläser voll. Ihre Bewegungen sind harmonisch und geschickt.

»Bitte trinken Sie mit uns, Mister!«, sagt sie kehlig. »Sie hatten völlig recht, mich eine dumme Gans zu nennen, ein unzurechnungsfähiges Frauenzimmer, dem es Spaß bereitet, verrückte Dinge zu tun. Oh, was bin ich froh, dass dabei kein Mensch sein Leben verlor! Bitte, trinken Sie mit uns und verzeihen Sie mir, Mister!«

Er nimmt wortlos das Glas und leert es mit einem Ruck, denn er braucht diesen scharfen Stoff, um seine Lebensgeister anzufachen. Er möchte gerne wissen, ob er träumt. Und er möchte seine Schmerzen nicht mehr ganz so schlimm spüren.

Dann hält er ihr das leere Glas hin.

»Mein Name ist Locklear, Jack Locklear«, murmelt er, »und ich weiß jetzt, dass Sie zu jener Sorte gehören, Madam, derentwegen Männer, die sonst ganz vernünftig sind, zu Narren werden. Na gut, ich werde Mr. Whitaker meine Rechnung machen und ...«

»Aber erst werden Sie in einer Luxuskabine unser Gast sein, ein heißes Bad nehmen und lange schlafen«, unterbricht ihn Whitaker. »Ich werde mir erlauben, Ihnen von meinen Kleidern etwas herauszusuchen. Wir haben wohl die gleichen Körpermaße. Ich glaube bestimmt, Mr. Locklear, dass wir als Freunde scheiden.«

Er trinkt sein Glas leer, das Carolina ihm reichte. Auch sie leert ihr Glas. Dabei blickt sie Jack Locklear an. In ihren grünen Augen ist ein rätselhafter, undeutbarer Ausdruck.

Sie füllt erneut Jack Locklears Glas, während Raymond Whitaker sagt: »Ich muss mich endlich wieder in den Spielräumen sehen lassen. Da war vorhin ein Fahrgast mit unwahrscheinlich viel Glück. Wenn dieses Glück anhielt, wird er inzwischen unsere Bank gesprengt haben. Ich werde ihn dann zu einer Pokerpartie einladen und zu retten versuchen, was gerettet werden kann. Wissen Sie, Jack, ich kann jeden Mann im Poker schlagen – jeden.«

Nach diesen Worten geht er hinaus. Jack Locklear liegt mehr im Sessel, als er sitzt. Nachdem er das erste Glas mit einem Ruck geleert hatte, nippt er jetzt nur noch an dem Whisky.

Jack sieht die Frau an, in deren Augen immer noch der rätselhafte Ausdruck ist. Sie wirkt jetzt sehr nachdenklich, auch etwas verloren und einsam.

»Und was machen Sie sonst noch hier an Bord?«, fragt er.

Da lächelt sie und antwortet: »Dies ist ein Amüsierdampfer zwischen New Orleans und Saint Louis. Wir haben alles an Bord, was man in einer lasterhaften Stadt sonst nur in verschiedenen Häusern bekommen kann. Ich singe im großen Vergnügungssaal auf der Bühne und halte im Spielsaal beim Faro die Bank. Außerdem studiere ich den Tanzmädchen die Tänze ein und tanze auch selbst manchmal mit.«

»Aber das alles füllt Sie nicht aus«, sagt er hart. »Sie fühlen sich bei allem Trubel etwas verloren und müssen sich deshalb immer wieder beweisen, dass Sie was Besonderes sind. Darum machen Sie dann und wann so verrückte Dinge, wie dieses Schiff durch eine gefährliche Passage zu steuern. Sie probieren immer etwas Verrücktes und Eigenwilliges aus, und wenn man es Ihnen durchgehen lässt, dann fühlen Sie sich geliebt, begehrt und auf Händen getragen – ganz und gar als der große Stern. Und die Leere, das Gefühl der Verlorenheit und Nutzlosigkeit sind nicht mehr ganz so schlimm.«

Er deutet auf sie mit einer Bewegung, die von Kopf bis Fuß reicht.

»So ein Schiffsoffiziersanzug ist ein feiner Spaß, nicht wahr? Treten Sie damit auch auf der Bühne auf?«

Sie will zornig werden. Jack erkennt es am Aufblitzen ihrer Augen. Er wird sich darüber klar, dass sie gewiss auch hassen kann.

Doch dann lächelt sie schon wieder und sagt: »Schimpfen Sie ruhig mit mir, Jack. Vielleicht sehen Sie mich richtig und schätzen mich besser oder vielmehr genauer ein, als ich es selbst kann. Darf ich Ihnen Ihre Kabine zeigen? Gestern wohnte noch ein ehemaliger Senator drin. Doch er schoss sich eine Kugel in den Kopf, weil er sein ganzes Geld am Spieltisch verlor. Es macht Ihnen doch nichts aus, Jack, seine Kabine ...«

»Nein«, unterbricht er sie, »mir ist jede Kabine recht. Und eure Schläger verstehen ihre Arbeit. Ich glaube, ihr alle auf der ›Carolina‹ seid eine lausige Bande von Halsabschneidern.«

Jetzt wird sie zornig und stampft mit dem Fuß auf den dicken Teppich.

»Ray Whitaker ist ein Ehrenmann«, sagt sie. »Man nennt ihn Fair Play Ray. Ist das nichts?«

»Wir werden sehen«, brummt er und folgt ihr hinaus.

Draußen wartet schon ein chinesischer Steward, der lispelnd fragt: »Wollen Mistel heißes Wassel – viel heißes Wassel?«

✰✰✰

Zehn Stunden später fühlt sich Jack Locklear besser, doch als er sich rasiert, kann er es nur mühsam, weil sein Gesicht zerschlagen und geschwollen ist.

Sein linkes Auge gleicht einer gelbgrünen Tomate.

Raymond Whitakers eleganter Tuchanzug passt ihm wie nach Maß. Sie sind wirklich von gleicher Statur. In der weißen Wäsche und der bestickten Weste sieht Jack Locklear fast wie einer der berufsmäßigen Spieler aus, die diese Art von Kleidung bevorzugen.

Sein heil gebliebenes Auge funkelt, als er sich im Spiegel betrachtet.