G. F. Unger Western-Bestseller 2560 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2560 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist schon Nacht, als John Bannister die kleine Stadt am Santa Fe Trail erreicht und seinen grauen Wallach in den Mietstall bringt.
»Versorgen Sie Ihn gut«, sagt er zu dem alten Stallmann.
Dieser nickt zu dem großen Mann empor und sagt dabei: »Sie können sich darauf verlassen, Sir, denn ich mag Pferde lieber als Menschen.«
John Bannister antwortet nicht. Er nimmt nur sein Gepäck herunter und das Gewehr aus dem Sattelschuh und macht sich wortlos auf den Weg zum Hotel.
Als er wenig später im Hotel seinen Namen in das Gästebuch einträgt, fragt der Nachtportier: »Bleiben Sie länger, Sir?«
»Vielleicht«, erwidert Bannister und geht hinauf, nachdem er einen kurzen Blick auf den Schlüsselanhänger warf.
»Es ist unser bestes Zimmer«, sagt der Portier hinter ihm her.
Der alte Mann, dem das Hotel zur Hälfte gehört, ist ein erfahrener Bursche. Er kennt sich aus mit Männern. Und so denkt er, indes er die Sporen des Mannes oben noch klingeln hört: Oho, es kam ein Wolf nach Trail City, ein zweibeiniger Wolf. Auf wessen Fährte mag er wohl sein?


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Inhalt

Cover

Bannisters letz‍te Jagd

Vorschau

Impressum

Bannisters letz‍te Jagd

Es ist schon Nacht, als John Bannister die kleine Stadt am Santa Fé Trail erreicht und seinen grauen Wallach in den Mietstall bringt.

»Versorgen Sie ihn gut«, sagt er zu dem alten Stallmann.

Dieser nickt zu dem großen Mann empor und sagt dabei: »Sie können sich darauf verlassen, Sir, denn ich mag Pferde lieber als Menschen.«

John Bannister antwortet nicht. Er nimmt nur sein Gepäck herunter und das Gewehr aus dem Sattelschuh und macht sich wortlos auf den Weg zum Hotel.

Als er wenig später im Hotel seinen Namen in das Gästebuch einträgt, fragt der Nachtportier: »Bleiben Sie länger, Sir?«

»Vielleicht«, erwidert Bannister und geht hinauf, nachdem er einen kur‍zen Blick auf den Schlüsselanhänger warf.

»Es ist unser bestes Zimmer«, sagt der Portier hinter ihm her.

Der alte Mann, dem das Hotel zur Hälfte gehört, ist ein erfahrener Bursche. Er kennt sich aus mit Männern. Und so denkt er, indes er die Sporen des Mannes oben noch klingeln hört: Oho, es kam ein Wolf nach Trail City, ein zweibeiniger Wolf. Auf wessen Fährte mag er wohl sein?

Im Trail City Saloon ist noch eine Menge Betrieb. Es wird überall Karten gespielt, aber auch gewürfelt. An der langen Bar stehen die durstigen Kehlen. Mädchen streichen umher wie schmeichelnde Katzen. Am Klavier sitzt ein langhaariger Bursche, der wahrscheinlich wirklich mal ein erstklassiger Künstler war – bis er zum Säufer wurde.

John Bannister findet am Ende der Bar einen freien Platz, und er wirkt sehr bescheiden, friedlich, abwartend, ganz wie ein Fremder in einem fremden Revier.

Links neben ihm öffnet sich eine Tür, an der ein Schild angebracht ist, auf dem zu lesen ist: Privat.

Eine Frau tritt aus diesen Privaträumen, hält inne und starrt auf Bannister, der jäh den Kopf wendet, so als hätte ihn jemand berührt oder seinen Namen gerufen.

In seinen Augen ist nur einen kurzen Moment lang der Ausdruck von Überraschung. Dann lächelt er und zeigt unter seinem dunklen Sichelbart blinkende Zahnreihen.

»Hey, Molly«, sagt er, »das ist aber eine Überraschung. Ich freue mich sehr, dich zu sehen. Und du bist noch schöner geworden.«

Sie tritt langsam aus dem Türrechteck und zieht die Tür hinter sich zu, verharrt noch einmal zwei Atemzüge lang und bekommt sich unter Kontrolle.

Ja, sie ist mehr als überrascht. Es traf sie mitten ins Herz, ihn so unerwartet in ihrem Saloon zu sehen.

Langsam tritt sie zu ihm. Da er am Schanktischende verharrt, nimmt sie den Platz hinter dem Schanktisch ein. Als einer der Barkeeper kommt, sagt sie: »Schon gut, Charley. Dies ist mein persönlicher Gast, schon gut.« Sie holt eine Flasche unter der Bar hervor und füllt wortlos zwei Gläser.

Und erst als sie sich zutrinken, sagt sie: »Nun, hinter wem bist du denn jetzt wieder her, John Bannister, du verdammter Kopfgeldjäger?«

Die beiden letzten Worte spricht sie nicht böse, sondern mit einem Klang von bitterer Resignation.

Er lächelt immer noch blinkend und sagt: »Ich trinke auf deine Schönheit, Molly, auf deine grünen Augen und dein goldenes Haar, auf deinen wunderbaren Körper, an den ich mich in vielen Nächten erinnert habe – in einsamen Nächten.«

»Auf rauchigen Fährten«, spricht sie kehlig und leert das Glas mit einem Ruck.

Als sie ihre leeren Gläser hinstellen, werden Mollys Augen einen Moment schmal und zu richtigen Katzenaugen.

»O verdammt«, murmelt sie, »warum kommst du hierher und wieder in mein Leben? Warum bist du nicht zumindest tausend Meilen weit weg von hier?«

Und weil er nichts erwidert, nur blinkend lächelt, da fügt sie hinzu: »Oder hast du etwa gewusst, dass ich jetzt hier lebe und diesen Saloon besitze?«

Er schüttelt den Kopf und fragt zurück: »Hätte ich sonst mein Gepäck ins Hotel gebracht und nicht gleich zu dir, Grünauge?«

Nun nagt sie an ihrer Unterlippe. Ihre Augen funkeln vor Zorn. Ja, sie stampft sogar hinter der Bar mit dem Fuß auf.

In ihr jagen sich jetzt viele Gefühle und Gedanken. Die Erinnerungen sind nun wieder in ihr – gute und schlechte. Und die ganze Zeit starrt sie in seine dunklen Augen.

»O verdammt«, knirscht sie, »du wirst wieder eine Weile bei mir im Bett liegen, meine Zärtlichkeiten bekommen und bald wieder verschwinden. Und ich werde wieder die dumme Gans sein, die ...«

»Du wirst nie eine dumme Gans sein«, unterbricht er sie. »Du wirst stets eine unabhängige Katze sein, der man ihre Freiheit lassen muss. Wie kommt es, dass kein anderer Mann bei dir im Bett liegt an meiner Stelle?«

Nun funkelt der Zorn stärker in ihren Augen. Und ihre Antwort klingt fauchend.

»Weil ich immer wieder herausfinde, dass keiner so ist wie du, John Bannister, keiner. Und manchmal verspüre ich so etwas wie Hass gegen dich. Ich werde meinen Hausburschen zum Hotel schicken, damit er dort deine Siebensachen holt. Und dann soll er dir meine Badewanne mit Wasser füllen. Ich glaube, du stinkst nach Pferd, nach Schweiß, Staub, Feuerrauch und ...«

✰✰✰

Es ist drei Tage später und bereits Nachmittag, als der Marshal von Trail City Besuch von John Bannister bekommt, den man hier für einen durchreisenden Berufsspieler hält, einen alten Freund von Molly McLaine, der bei ihr wohnt und offenbar auch ihr derzeitiger Liebhaber ist.

Town Marshal Al Johnstone ist ein hagerer Mann mit einem langen Pferdegesicht, ein Mann mit einer rauchigen Vergangenheit, den sich die Bürger der Stadt anwarben, damit er sie vor dem Bösen beschützt.

Er hockt hinter einem narbigen Schreibtisch, hat sich im Sessel weit zurückgelehnt und seine Füße auf der Tischplatte liegen.

Als John Bannister eintritt, wird der Town Marshal sofort wachsam. Und deshalb nimmt er die Füße vom Tisch – nicht aus Höflichkeit, sondern um rasch aufspringen zu können.

Denn er spürt von Anfang an, dass dieser Spieler aus Mollys Saloon nicht als freundlicher Besucher kommt. Es geht von diesem John Bannister etwas aus, was den Marshal trifft wie ein kalter Hauch.

Alles in Al Johnstone ist plötzlich alarmiert. Das ungute Gefühl entsteht in seiner Magengegend.

Aber er knurrt: »Was wollen Sie, Spieler?«

John Bannister tritt an die Wand seitlich des Schreibtisches, an der einige alte und schon vergilbte Steckbriefe angeschlagen sind. Er studiert sie sorgfältig, und der Town Marshal fragt noch einmal, diesmal mit einem drohenden Klang in der Stimme: »He, was wollen Sie, Spieler? Und ich frage bestimmt nicht noch mal.«

John Bannister wendet sich ihm wieder zu, tritt näher und holt aus der Innentasche seiner Cordjacke einige zusammengefaltete Papiere heraus, die er dem Marshal auf den Tisch wirft.

»Das sind Steckbriefe«, sagt er, »die auch Sie mit der Bundespost erhalten haben. Warum wurden sie dort an der Wand nicht angeschlagen? Und warum können sich die Payne-Brüder in dieser Stadt frei bewegen wie unbescholtene Bürger? Sie tragen hier den Stern, Johnstone.«

Dieser erhebt sich nun grollend hinter dem Schreibtisch.

»He«, sagt er, »ich kenne keine Payne-Brüder. Und selbst wenn sie sich in meiner Stadt aufhalten sollten, hier liegt nichts gegen sie vor. Wenn sie sich irgendwo gegen das Bundesgesetz vergangen haben sollten, was geht mich das an? Ich bin kein US Marshal, auch kein Sheriff, nur ein kleiner Town Marshal, dessen Befugnisse ausschließlich innerhalb der Stadtgrenzen gelten. Was wollen Sie, Spieler?«

»Heften Sie diese Steckbriefe neben die alten da an die Wand«, erwidert Bannister ruhig.

»Den Teufel werde ich tun«, grollt der Town Marshal. »Und nun raus hier! Am besten verlassen Sie noch heute meine Stadt. Oder ich finde verdammt schnell einen Grund, Sie hinauszujagen.«

John Bannister nickt langsam. Er beugt sich über den Schreibtisch und nimmt von diesem wieder die zusammengefalteten Steckbriefe an sich, die der Town Marshal noch nicht entfaltet hat.

Er entfaltet sie und tritt an die Wand, spießt sie dort auf einige noch freie Nägel.

Als der Town Marshal bei ihm ist und ihn grollend an der Schulter herumreißen will, da gibt er nach – nein, er wirbelt herum und trifft ihn mit der Rechten genau auf den Gurgelknoten.

Es ist ein gnadenloser Schlag, der den Marshal fast umbringt.

Al Johnstone taumelt bis zur Wand, bekommt keine Luft mehr und greift sich ächzend mit beiden Händen an den Hals, als könnte er so seine Not lindern. Doch es wird nicht besser. Er glaubt, dass er erstickt oder sterben wird – und er vergisst den Revolver in seinem Holster.

Er rutscht mit dem Rücken an der Wand nieder, bis er hinter seinen angezogenen Knien hockt. Nur langsam wird es besser.

»Pass auf, du Hurensohn«, spricht Bannister zu ihm, »ich verstehe keinen Spaß, wenn sich jemand einen Stern anstecken lässt und gesuchten Mördern für schmutzige Dollars ein Asyl bietet. Wenn du etwas machst, was mir nicht gefällt, dann schicke ich dich mit den Payne-Brüdern in die Hölle.«

Al Johnstone ist ein harter Mann, und es geht ihm jetzt wieder etwas besser. Er kann sich sogar wieder erheben.

Doch er vergisst seinen Colt, obwohl Bannister ihm nun den Rücken zukehrt und das Marshal's Office verlässt.

Nein, Johnstone versucht nichts.

Denn er hat etwas gespürt, was er bisher noch niemals spürte, wenn er einem harten Mann gegenüberstand – nein, noch niemals. Es ist die absolute Gewissheit, dass er verlieren würde. Sein Instinkt sagt es ihm. Er spürte zu deutlich den Anprall einer gnadenlosen Härte.

Als Bannister verschwunden ist, keucht Johnstone immer noch. Und er denkt: Wer war das? Wer ist das? Warum verspürte ich plötzlich den Hauch von Todesgefahr? Verdammt, ich bin doch kein Feigling. Warum verspürte ich Furcht, nicht einfach nur Vorsicht, sondern kalte Furcht?

✰✰✰

Noch vor Nachtanbruch kommen die Payne-Brüder in die Stadt wie fast jeden Tag. Man kennt sie hier nur als die Baker-Brüder, die außerhalb von Trail City auf einer Siedlerstätte leben, die sie vor einiger Zeit für zweihundert Dollar kauften.

Man erzählt sich in der Stadt, dass bei ihnen noch einige andere Reiter leben und dass sie die Siedlerstätte in eine Ranch umwandeln wollen, sobald die Büffel vernichtet sind.

Als die Baker- oder Payne-Brüder vor dem Saloon anhalten und absitzen, sehen sie auf der anderen Straßenseite den Spieler am Rande des Plankengehsteigs stehen. Ja, auch sie halten ihn für einen berufsmäßigen Spieler und alten Freund von Molly McLaine und hatten bisher keinen Anlass, in ihm etwas anderes zu vermuten.

Als sie im Saloon verschwinden wollen, ruft er ihnen zu: »He, wartet mal, ich will euch etwas sagen!«

Und er setzt sich in Bewegung und nähert sich ihnen durch den knöcheltiefen Staub der Fahrbahn. Sie erwarten ihn wachsam. Ja, sie wittern bereits die Gefahr, können aber nichts erkennen, was sie beunruhigen könnte. Und vor einem einzigen Mann haben sie sich noch nie gefürchtet.

»Was willst du, Spieler?« So fragt Joe Payne.

Und sein Bruder Jeff fügt hinzu: »Vielleicht will er uns zum Poker einladen.«

»Nein«, erwidert Bannister. »Dies wird jetzt ein anderes Spiel. Ihr seid nicht weit genug geritten. Für euch bekomme ich tausend Dollar, tot oder lebend.«

Er hat nun alles gesagt.

Sie wissen in diesen Sekunden, dass sie eingeholt wurden und es nur noch eine einzige Chance für sie gibt.

Doch sie können nicht glauben, dass er allein ist.

Und so blicken sie erst einmal nach allen Seiten. Aber außer ihm sehen sie nichts, was ihnen gefährlich werden könnte. Gewiss, es blieben da und dort einige Passanten stehen, weil sie irgendwie begriffen, dass hier etwas in Gang ist, was für sie noch nicht völlig klar ist.

Doch in der nächsten Sekunde wird es für alle klar, auch für John Bannister.

Denn die Payne-Brüder schnappen nach ihren Colts. Sie tun es auf die Zehntelsekunde gleichmäßig, so wie es wahrscheinlich nur Zwillinge zu tun vermögen. Und Zwillinge sind sie.

Sie lassen ein heiseres Fauchen hören, wild und böse. Denn sie wissen, es geht um ihr Leben. Dieser große, dunkle Bursche da mitten auf der Fahrbahn, der es allein mit ihnen aufnehmen will, dieser Bursche ist gewiss einer dieser zweibeinigen Tiger, von denen es nur wenige zwischen Mexiko und Kanada gibt. Sie wissen sofort, dass ein Großer sie gestellt hat.

Noch niemals zogen sie so schnell wie jetzt in dieser schwarzen Sekunde.

Und als sie die Läufe ihrer Waffen hochschwingen und die Mündungen auf den Mann richten, der sie hier so unerwartet stellte, da blicken sie schon in das erste Mündungsfeuer. Zwischen diesem und dem zweiten Aufleuchten gibt es kaum eine Pause. Bannisters Waffe funktioniert mit einer schrecklichen Präzision. Nur aus diesem Grunde ist die schnelle Schussfolge möglich.

Seine Kugeln stoßen sie wie Huftritte im Moment ihres eigenen Abdrückens.

Und dann fallen sie.

Ihre Kugeln verfehlten ihn.

Das Krachen der Colts verhallt zwischen den Häusern von Trail City. Leute laufen aus Häusern und Läden, kommen auch aus dem Saloon. Die Straße rechts und links des Saloons füllt sich.

Aus seinem Office kommt der Town Marshal Al Johnstone, drängt sich durch die Menge. Als er vor Bannister verhält, schließt sich um beide ein Kreis. Denn sie alle wollen hören, was der Town Marshal zu sagen hat und was der vermeintliche Spieler erwidern wird.

Und sie hören es.

»Sie konnten es wohl nicht erwarten, Kopfgeldjäger?« So fragt Al Johnstone böse.

»Die Steckbriefe dieser beiden Mörder und Frauenschänder hängen in Ihrem Office, Marshal«, erwidert Bannister kühl. »Darüber, dass ich Ihnen die Arbeit abnahm, sollten Sie nicht ärgerlich sein. Oder waren die beiden Verbrecher sogar Ihre Freunde?«

Zum Schluss ist ein Klang von Hohn und Verachtung in Bannisters Stimme. Er hält immer noch seinen Revolver in der Hand. Nun schiebt er die Waffe ins Holster und setzt sich in Bewegung. Sein Ziel ist der Eingang zum City Saloon.

Und sie alle machen ihm Platz. Eine Gasse bildet sich.

Jemand sagt hinter ihm: »Wenn das Mörder und Frauenschänder waren, die steckbrieflich gesucht wurden ...«

Der Mann spricht nicht weiter.

Und überdies klingt Marshal Johnstones harte Stimme: »Los, schafft sie von der Straße! Bringt sie zum Leichenbestatter. Die Leichenschau findet in einer Stunde statt. Ich möchte alle Augenzeugen dabeihaben. Leute, ihr habt einen Kopfgeldjäger bei der Arbeit gesehen, der sich soeben tausend Dollar verdient hat.«

✰✰✰

Als Molly McLaine zu ihm tritt, steht er am Ende der langen Bar und trinkt den Whisky, welchen ihm einer der Barkeeper hingestellt hat.

Der Saloon füllt sich, diesmal früher als an anderen späten Nachmittagen. Denn alle wollen sie den Revolvermann und Kopfgeldjäger sehen, der es soeben mit zwei schnellen Revolverschwingern aufnahm und sie besiegte.

Sie wollen diesen Mann beobachten, ihn gierig aus einiger Entfernung betrachten, so wie ein wildes Tier im Käfig.

Doch Molly tritt zu ihm und zerrt ihn am Ärmel.

»Komm, John, komm«, sagt sie sanft. »Verdammt, lass dich nicht anstarren wie ein Ungeheuer mit zwei Köpfen, komm!«

Er blickt auf das leere Glas, so als hätte er den Wunsch, es sich nochmals vom Barkeeper füllen zu lassen. Doch dann folgt er ihr.

Sie verschwinden durch jene Tür, auf der Privat zu lesen ist.

Drinnen tritt sie an ein Wandschränkchen und holt eine Flasche und zwei Gläser heraus. Er steht am Fenster und starrt in den sterbenden Tag hinaus. Von Osten her kriecht die Dämmerung über die Stadt. Molly tritt mit den gefüllten Gläsern zu ihm und reicht ihm eines.

»Jetzt weiß ich endlich, warum du nach Trail City gekommen bist«, murmelt sie. »Es hat sich nichts geändert mit dir. Du jagst immer noch die Bösen und machst dich mit deinem schnellen Colt zu ihrem Henker oder Scharfrichter – oder wie man es sonst nennen mag. Warum führst du immer noch dieses Leben? Bedeutet dir das Töten mehr als alles andere auf dieser Erde? John, was ist mit dir los? Was treibt dich zu diesem Tun? Glaubst du, dass du die Welt verändern kannst, indem du die Bösen jagst? John, diese Welt ist voller Böser. Vielleicht solltest du dich einmal aussprechen, mit mir darüber reden, was dich zu einem Menschenjäger machte. John, ich mag dich so sehr, dass ich mit dir durch alle sieben Höllen und zurück gehen würde. Mit mir kannst du reden, mich in deinen Kern sehen lassen und ...«

Sie schweigt wie erschöpft und wirkt ratlos. Denn sie möchte ihm helfen, spürt mit dem feinen Instinkt einer Frau, dass es in ihm ein Geheimnis geben muss, das ihn beherrscht.

Aber er schüttelt den Kopf und leert dann das Glas mit einem einzigen Ruck. Sie nimmt ihm das Glas ab, um es ihm neu zu füllen.

Er verharrt am Fenster und starrt nach Osten in die heranziehende Nacht. Denn das Fenster führt nach hinten hinaus, wo man über einige Gärten und den Creek blicken kann.

Er denkt: Dieser Creek stinkt von den Abwässern dieser Stadt. Und so ist es auf der ganzen Welt. Überall stinkt es.

Sie reicht ihm das volle Glas. »Jetzt wirst du wohl nicht mehr lange bei mir bleiben«, spricht sie, und es ist keine Frage, sondern eine nüchterne Feststellung.

»Nein, nicht mehr lange«, murmelt er. »Ich muss gleich zur Leichenschau hinüber, damit der Town Marshal sein Protokoll anfertigen kann. Ich weiß nicht, ob die Stadt mir die ausgesetzte Belohnung auszahlen wird oder mir nur eine Bescheinigung gibt, mit der ich bis nach Kansas City zum Bundesmarshal muss. Denn die Steckbriefe wurden von einem Bundesrichter erlassen. Nein, Molly, ich werde nicht mehr lange bleiben. Nur diese Nacht noch.«

»Dann lass uns keine Zeit verschwenden«, flüstert sie und öffnet die Tür zum Schlafzimmer nebenan. »Dann lass mich dir noch etwas mitgeben auf deinen verdammten Weg. Lass mich versuchen, deinen harten Kern aufzubrechen. Und vielleicht erzählst du mir in dieser Nacht, was dich zum Menschenjäger machte. Auch damals warst du das schon.«

Es ist am späten Vormittag, als sie in ihren Privaträumen das Frühstück einnehmen. Er hat all ihre Zärtlichkeiten bekommen und dabei vergessen können, dass er wieder einmal mehr getötet hat. Ja, sie half ihm über die ersten Stunden hinweg. Dafür ist er ihr dankbar.

»Bleib bei mir«, verlangt sie nun schlicht. »Oder geh mit mir irgendwohin und lass uns gemeinsam ein neues Leben anfangen. Ich könnte meinen Saloon schnell verkaufen.«

Aber er schüttelt den Kopf.

Und noch einmal versucht sie es und spricht: »Du musst nicht nach Kansas City. Du könntest dir das Kopfgeld von dort schicken lassen, wenn du die Bescheinigung der Stadt mit der Post zum US Marshal sendest. Das alles dauert kaum mehr als eine Woche. Die Postkutschen verkehren täglich. Bleib so lange bei mir. Lass mich weiter versuchen, dich fühlen zu lassen, dass es sich immer lohnt, einen neuen Anfang zu machen, und dass unser Leben irgendwo sehr, sehr schön werden könnte. Auch ich wanderte auf rauen Wegen und möchte gerne einige Dinge vergessen wie böse Träume. Aber lass es uns gemeinsam ...«

»Nein, Molly«, unterbricht er sie ruhig und fast flüsternd. »Nein, mein Engel. Ich bin verdorben für solch ein Leben. Ich werde sie immer wieder jagen, diese Mistkerle, immer wieder und wieder, sobald ich von Verbrechern höre, die gemordet und geschändet haben.«

Er verstummt hart.

Sie aber flüstert fast tonlos: »Oh, jetzt weiß ich es ziemlich sicher. Solche Kerle haben dir irgendwann einmal sehr weh getan, dir gewissermaßen das Herz aus dem Leib gerissen. Nun lebst du nur noch mit deinem Hass gegen alle, die so sind wie jene, die dir einmal Schlimmes antaten. Was war damals? Haben sie ...«

Sie kommt nicht weiter, denn nun bricht es aus ihm heraus.