G. F. Unger Western-Bestseller 2562 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2562 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist am 5. Juli 1868, als Jim Cassedy gegen Mittag die Arkansas-Furt erreicht und dort auf etwa zwei Dutzend Männer trifft - Trailbosse und Viehaufkäufer.
»Hallo«, sagt er heiser, während er zwischen sie reitet und seinen scharfen Blick über den Hochwasser führenden Fluss schweifen lässt.
»Na gut«, sagt er und blickt nach rechts und links in die bärtigen, bitteren und finsteren Gesichter, »ihr habt den Vortritt. Worauf wartet ihr noch? Dieser Fluss steigt gewiss jede Stunde um einen Fuß höher. Wollt ihr nicht oder könnt ihr nicht? Oder sind die Preise so schlecht?«
Sie betrachten ihn grimmig. Die Treibherdenbosse wollen den brüllenden Fluss nicht durchfurten. Und auf der anderen Seite beim Verladebahnhof der Stadt stehen endlose Reihen leerer Viehwaggons. Die Bereitstellung kostet Geld, viel Geld, Tag für Tag.
Die Viehaufkäufer sind in Druck. Jeder Tag bringt ihnen Verluste. Vielleicht müssen sie sogar mit hohen Vertragsstrafen rechnen, wenn sie nicht rechtzeitig liefern können.
So ist die Situation.


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Inhalt

Cover

Trailmen

Vorschau

Impressum

Trailmen

Es ist am 5. Juli 1868, als Jim Cassedy gegen Mittag die Arkansas-Furt erreicht und dort auf etwa zwei Dutzend Männer trifft – Trailbosse und Viehaufkäufer.

»Hallo«, sagt er heiser, während er zwischen sie reitet und seinen scharfen Blick über den Hochwasser führenden Fluss schweifen lässt.

»Na gut«, sagt er und blickt nach rechts und links in die bärtigen, bitteren und finsteren Gesichter, »ihr habt den Vortritt. Worauf wartet ihr noch? Dieser Fluss steigt gewiss jede Stunde um einen Fuß höher. Wollt ihr nicht oder könnt ihr nicht? Oder sind die Preise so schlecht?«

Sie betrachten ihn grimmig. Die Treibherdenbosse wollen den brüllenden Fluss nicht durchfurten. Und auf der anderen Seite beim Verladebahnhof der Stadt stehen endlose Reihen leerer Viehwaggons. Die Bereitstellung kostet Geld, viel Geld, Tag für Tag.

Die Viehaufkäufer sind in Druck. Jeder Tag bringt ihnen Verluste. Vielleicht müssen sie sogar mit hohen Vertragsstrafen rechnen, wenn sie nicht rechtzeitig liefern können.

So ist die Situation.

Jim Cassedys Frage bleibt nicht lange ohne Antwort. Einer der Viehaufkäufer schnappt auch schon: »Siebzehn Dollar zahlen wir!«

Das ist ein guter Preis. Im vergangenen Jahr erzielten die Longhorns aus Texas zwischen zwölf und vierzehn Dollar das Tier.

Dies ist also ein Preis, wie er noch nie geboten wurde.

Doch Jim Cassedy grinst nur schief. Er gibt nicht mal Antwort.

»Achtzehn Dollar zahle ich!«, stößt ein anderer Aufkäufer hervor.

Aber Jim Cassedys schiefes Grinsen weicht nicht.

»Zum Teufel, er will uns ausplündern!«, meldet sich ein dritter Aufkäufer. »Er will uns zu armen Pilgern machen und bedenkt nicht, dass wir Familien haben, die Hunger und Not leiden müssen, wenn wir hier das Fell abgezogen bekommen. Aber ich gehe noch einen Dollar höher! Neunzehn!«

»Jetzt wird es allmählich für mich interessant«, erwidert Jim Cassedy und betrachtet den Fluss. »Doch ihr müsst euch beeilen«, spricht er weiter. »Meine Herde befindet sich nur wenig mehr als eine Meile hinter mir. Ich muss sie anhalten lassen, damit sie sich nicht mit den anderen Herden rechts und links des Treibweges vermischt. Lass ich sie aber anhalten, so bekommen wir sie heute nicht mehr über den Fluss. Und morgen ist es ganz gewiss unmöglich, diesen Fluss zu durchfurten. Entscheidet euch schnell!«

Sie wissen das alles so gut wie er.

Einer der Treibherdenbosse aber sagt nun grimmig: »Cassedy, es ist schon jetzt unmöglich. Wir sind auch keine Milchknaben! Auch wir können eine Herde treiben und riskieren schon mal was. Doch es ist Wahnsinn, hier eine Herde hineinzujagen. Du verlierst mehr Rinder, als der höhere Preis ausgleichen kann. Lass es sein, Cassedy. Wir werden uns darüber zu einigen haben, dass unsere Herden den nötigen Abstand zueinander halten, sodass sie sich nicht vermischen. Es fehlte uns nur noch, dass eine Riesenstampede losbricht und wir mehr als dreißigtausend Rinder im Durcheinander haben wie braune, weiße und schwarze Bohnen in einem Topf. Reite zurück, halte deine Herde an, oder lass sie drei oder vier Meilen nach Westen in eine der großen Senken treiben.«

»Das werde ich tun«, sagt Cassedy, »wenn nicht jetzt sofort ein angemessenes Angebot kommt. Aber damit es keine Missverständnisse gibt, Gentlemen. Ich bin der einzige Mann von uns allen, der es wagen kann. Ihr alle habt euch von Texas herauf ein Wettrennen geliefert. Jeder von euch wollte zuerst am Ziel sein, weil die ersten Herden noch die besten Preise bringen. Eure Rinder sind erschöpft. Nach diesem langen, harten Treiben fehlt es ihnen an Kraft. Und ihr habt eure Herden erst einmal angehalten, um zu überlegen, ob ihr es wagen sollt oder nicht. Bei mir ist es anders! Ich komme mit einer kräftigen Herde, die langsam marschiert ist. Und ich würde sie nicht anhalten, sondern ihren Schwung ausnutzen. Und überdies habe ich ›General Bighorn‹ an der Spitze. Dieser Leitbulle fürchtet sich auch vor dem brüllenden Arkansas nicht. Er führt die Herde hinein wie durch einen kleinen Creek. Und sie folgt ihm. Also?«

Er sieht die Viehaufkäufer an. Diese ziehen sich mit ihren Pferden etwas zurück und beraten.

Dann fragt einer: »Wie viele Rinder sind es, Cassedy?«

»Dreitausendsiebenhundert etwa.«

»Wir kaufen die Herde und teilen sie unter uns auf. Wir zahlen fünfundzwanzig Dollar. Das ist unser äußerstes Angebot.«

»Das glaube ich«, nickt Jim Cassedy. »Und ich bringe die gehörnten Teufel noch heute hinüber.«

Er späht über den Fluss. Von der Furt ist nur an den Ufern etwas zu erkennen, weil hüben wie drüben die breite Fährte – der Trail – hinein- und hinausführt.

Aber im Fluss ist von einer Furt nichts mehr vorhanden.

Jim Cassedy späht flussaufwärts zur Biegung – und dann flussabwärts zur anderen Biegung. Er schätzt die Entfernung und die Strömung ab. Die Sicht ist schlecht. Eigentlich kann er die Biegungen kaum richtig erkennen, er ahnt ihr Vorhandensein mehr, weil er sich vom vergangenen Jahr auskennt.

Als er sein Pferd herumzieht, ist er entschlossen.

Die Reiterversammlung sieht ihm nach.

»Er wird die halbe Herde verlieren«, sagt einer grollend, und es ist etwas Neid in seiner Stimme.

»Ich habe mich schon gewundert, warum er mich mit meiner Herde vor einer Woche so glatt vorbeiziehen ließ und gar nicht scharf darauf war, um einen guten Platz zu kämpfen«, spricht ein anderer Treibboss. »Hat er vielleicht riechen können, dass wir die Sintflut bekommen?«

»Bei Cassedy ist alles möglich«, erklärt ein dritter Treibboss. »Der hat ganz einfach Glück bei seinen Wagnissen. Aber eines Tages wird es ihn und seine Herde mal grausam erwischen und ...«

✰✰✰

Jim Cassedy trifft eine halbe Meile weiter auf Curly John Holiday, der von der Herdenspitze herangaloppiert kommt.

»Was ist los, Jim?«, fragt der Vormann.

»Wir jagen sie durch den Fluss«, erwidert Cassedy trocken. »Haltet sie schön in Schwung. Wir treiben sie dort im Westen bei der Biegung ins Wasser. Der Fluss ist so angestiegen, dass es kein Steilufer mehr gibt. Sie müssen sofort losschwimmen. Wenn der General sie richtig führt, werden sie vom Fluss an der unteren Biegung an Land geworfen. Eine Furt gibt es nicht für uns.«

Curly John starrt ihn einen Moment mit wilden Augen an.

Aber dann wendet er sein Pferd und reitet zur Herde zurück. In solchen Situationen stellt Curly John keine Fragen. Da kämpft und handelt er. Und es gibt sicherlich auf der ganzen Welt keinen zweiten Mann, auf den sich Jim Cassedy so verlassen könnte wie auf Curly John Holiday.

Jim Cassedy reitet zurück.

Prüfend betrachtet er den Fluss, und er sieht an einem Stein, dass der Wasserstand um gut einen Zoll höher ist als vorhin. So schnell schwillt der Fluss also an.

Die Reiter, die bei der Furt versammelt sind, beobachten ihn immer noch aufmerksam.

»Hoi, Cassedy, hast du es dir überlegt?«, ruft Hondo McLister zu ihm herüber.

Jim reitet zu ihnen hin. Er beobachtet Hondo McLister und die anderen Herdenführer nicht. Er sieht die sieben Viehaufkäufer an, die sich seine Herde teilen wollen, damit sie ihre Auftraggeber wenigstens mit ein paar hundert Tieren beliefern können.

»Schwimmt zurück«, sagt er zu ihnen. »Und postiert euch alle bei der großen Biegung flussabwärts. Die Rinder werden vom Fluss dort ausgespuckt. Nehmt sie in Empfang. Ihr versteht ja das Geschäft, habt es gewiss noch nicht verlernt.«

Sie grinsen. Nur George Banner, der wohl größte Viehaufkäufer, erwidert ärgerlich: »Aber wir sind keine Treiber! Wir ...«

»Ihr bekommt Treiberlohn von mir – zwei Dollar pro Tag und freie Verpflegung«, unterbricht ihn Jim Cassedy trocken. Da grinsen sie wieder. Denn sie wissen, dass George Banner allein für zehn Dollar Zigarren am Tag verpafft, richtige Keulen aus Havanna, ein Dollar das Stück.

Sie reiten wie auf ein stillschweigendes Kommando ins Wasser. Ihre Pferde wollen nicht. Sie müssen den Tieren die Sporen geben. Schon nach wenigen Schritten verlieren die Pferde den Grund unter den Hufen und beginnen, schräg gegen die Strömung zu schwimmen. Diese Viehaufkäufer sind echte Rindermänner. Dass sie sich über den Fluss wagen, ist allein schon der Beweis dafür.

Jim wendet sich an die Trailbosse.

»Nun, ich stelle Aushilfskräfte ein«, sagt er. »Habt ihr keine Lust, euch ein oder zwei Dollar zu verdienen?«

Sein Sarkasmus trifft sie schlimm. Einige sind darunter, deren Herde größer ist als seine. Er aber bietet ihnen einige Dollars an, als wären sie Satteltramps.

Hondo McLister grollt schließlich: »Schade um die Herde. Doch du tust doch alles wegen Peggy Brennan! Jeder weiß das, der euch kennt. Nun gut, wir werden ein Stück stromab reiten und all die Rinder herausfischen, die nicht ertrinken und hier auf unserer Seite an Land zurückgelangen.«

Damit hat er alles gesagt.

»Ihr seid nobel!« Jim Cassedy grinst, zieht sein Pferd herum und reitet am Ufer entlang stromauf. Er beobachtet den Fluss genau, prüft die Strudel und die Unterschiede in der Strömung.

Als er sich der oberen Biegung nähert, steigt seine Zuversicht. Denn die Biegung ist so scharf, dass sie wie eine Landzunge in die Strömung ragt. Es gibt einen starken Rückstau. Wenn General Bighorn dann draußen, wo sich Rückstau und Strömung treffen, nicht abdreht, sind die Rinder schon, sobald sie den Schutz der Biegung verlassen, mitten im Strom.

Dann müssten sie es bis zur unteren Biegung schaffen können, die andere Seite zu erreichen. Außerdem ist es eine Rechtsbiegung. Der Strom prallt drüben gegen das Land und muss die Tiere gewissermaßen »ausspucken«.

Dennoch gehört Mut zu einem solchen Wagnis.

Drei Reiter kommen herangaloppiert. Jim Cassedy sieht sich nach ihnen um. Es sind Ace, Tate und Reb. Als sie anhalten, sagt Ace Brown trocken: »Curly John ist der Meinung, dass du uns hier gebrauchen könntest, Boss.«

Jim nickt.

»Reite stromauf, Ace«, sagt er. »Etwa zwei Meilen weit. Es kommen große Bäume den Fluss herunter. Wenn so ein Baum in die Herde stößt, dann drückt er Dutzende von Tieren hinunter. Es würde eine Panik geben. Wenn die Rinder im Fluss zu kreisen beginnen, verliere ich sie zu Hunderten. Ace, wir müssen hier rechtzeitig erfahren, wenn so ein Baum herunterkommt. Dann halten wir hier die Rinder an und schaffen eine Lücke für den Baum.«

»He!«, ruft Ace und gibt seinem Pferd die Sporen.

Inzwischen kommt auch Smoky Meatbone mit dem Küchenwagen angefahren, hält dicht beim Wasser und fragt laut: »Soll ich da hinüber?«

»Wenn du dich traust, Doc«, grinst Jim Cassedy, der den Koch wie alle Reiter einfach Doc ruft, obwohl so ein Treiberkoch gewiss kein Arzt ist.

Meatbone nimmt seinen alten Hut ab, und der Regen trommelt auf seine spiegelblanke Glatze wie auf einen Topfdeckel.

»Ich wollte das Bad erst drüben in der Stadt nehmen«, sagt er. »Und es sollte höllisch heiß sein. Der Mensch bekommt doch nie, was er sich wünscht.«

»Das stimmt«, pflichtet ihm Tate Hammond bei. »Ich wünsche mir schon viele Jahre ein gutes Essen. Doch dort, wo es gute Köche gibt, habe ich keine Zeit für solche Dinge. Und wenn ich dann Zeit habe, fehlt mir das Geld oder ich bin zu betrunken. Doch vielleicht würde ich von einem guten Essen sterben, weil ich gewöhnt bin, Schuhsohlen, Stacheldraht und Hufnägel zu vertilgen.«

Meatbone droht ihm mit der Faust. »Ich bin der beste Koch, den ihr bekommen könnt«, behauptet er. »Nur mir habt ihr es zu verdanken, dass ihr bei Kräften geblieben seid und morgen die Stadt auseinandernehmen könnt. Los, helft mir endlich!«

Er hat vier Wasserfässer an den Seiten des Wagens. Sie sind leer, weil es seit Tagen regnet. Nun dienen die leeren Fässer dazu, den Wagen mit zusätzlichem Auftrieb zu versehen.

Die Männer helfen dem Koch, die Fässer an allen vier Ecken des Wagenkastens zu befestigen.

Dann klettert Smoky Meatbone auf seinen Fahrersitz und brüllt: »Brah! Hoiiiya! Brah!«

Doch das Maultiergespann bewegt sich nicht.

Tate Hammond hebt ein paar Steine auf und wirft sie von hinten gegen die Rückwand des Wagens.

Da gehen die Maultiere auch schon los, laufen wie verrückt ins Wasser, ziehen den Wagen mit und schwimmen eifrig.

»Oha, was war das?«, fragt Reb Jackson. Selbst Jim Cassedy blickt interessiert und wartet auf eine Erklärung.

Tate Hammond kichert und grinst. Er ist krummbeinig und verwittert.

»Das sind alte Armeemaultiere«, sagt er. »Die waren im Krieg. Wir hatten damals auch welche. Sie liefen, wenn irgendwo Granaten einschlugen und der Dreck gegen die Wagen knallte. Deshalb warfen wir dann stets Steine gegen die Wagen, wenn es mal pressierte und keine Granaten einschlugen. Diese Maultiere sind sich alle ähnlich wie alte Tanten beim Anblick einer Maus oder eines nackten Mannes in der Badewanne!«

Sie grinsen. Tate und Reb werfen sich wieder auf die Pferde. Denn nun geht es richtig los.

Während sie die leeren Wasserfässer am Wagen festmachten, kam die Herde den sanften Uferhang herunter, angeführt von »General Bighorn«, der beim Anblick des Flusses gewaltig zu brüllen begann, als wäre der Fluss ein Bulle, der ihn zum Kampf um die Herde herausfordert.

»General Bighorn« ist ein Riese von mehr als einer Tonne Gewicht. Er fürchtet selbst die Büffelbullen nicht, und mehr als einem schlitzte er mit seinen mächtigen Hörnern den Leib auf, bevor sie an ihn herankommen konnten.

Er sieht den Küchenwagen im Wasser, und er weiß aus alter Erfahrung, dass er diesem grünen Wagen folgen muss – sei es durch wasserlose Ebenen, über Gebirge oder durch reißende Ströme.

Brüllend marschiert er zum Wasser hinunter, wittert hinüber, und er ahnt eine Menge von der gefährlichen Sache.

Doch er zögert nicht. Er ist der beste Leitbulle, den sich ein Trailboss wünschen kann. »General Bighorn« ist bestimmt zehntausend Dollar wert. Er verhindert Stampeden, führt die Herde überall dorthin, wohin die Reiter es wollen. Er ist unbezahlbar.

Deshalb wird er auch nicht verkauft, sondern stets mit viel Mühe in einem Wagen nach Texas zurücktransportiert. Das ist ungewöhnlich, sehr selten. Doch zuverlässige Leitbullen sind oft mehr wert als viele Reiter.

Das stellt er auch jetzt wieder unter Beweis. Denn er geht in den angeschwollenen Fluss. Wohl brüllt er drohend, doch in seinem Brüllen liegt ganz und gar sieghafte Kraft. Dieses Brüllen sagt der Herde, dass ihr Anführer voller Zuversicht ist und gewiss ist, sie durch den Strom zu führen.

Die ersten Rinder – ebenfalls alles Leittiere, darunter einige erfahrene Kühe – zögern etwas. Doch da greifen die Treiber ein. Wie wilde Teufel fahren sie auf die ersten Reihen der Rinder los, brüllen wie Indianer, schlagen mit Bullpeitschen und Lassoenden.

Denn es darf hier keinen großen Stau geben. Die Herden muss flüssig in Bewegung bleiben.

Sie schaffen den schweren Anfang. Die ersten Reihen folgen »General Bighorn«, der ruhig hinaus zur Stromkante schwimmt und sich dann nach links wendet und schräg gegen die Strömung angeht, sodass sie ihn von der Seite erfasst und ihm hilft, dem jenseitigen Ufer näher zu kommen.

Der Herdeninstinkt lässt alle anderen Rinder genau wie den Leitbullen handeln. Tier auf Tier folgt in breiter Reihe. Natürlich brüllen sie alle mächtig, ist Unruhe und Bewegung, gibt es Gedränge und Durcheinander, steigen die hinteren Tiere auf die Rücken der vorderen, klappern die Hörner aneinander, verletzen sich etliche Tiere.

Doch das alles gehört dazu. Die Longhornherde ist wie etwas Elementares, das von den Treibern gar nicht vollständig gebändigt werden kann.

Jim Cassedy ist überall. Er greift oft genug selbst ein, erteilt Befehle und behält den ganzen Ablauf ständig bis in alle Einzelheiten unter Beobachtung.

Bald schon schickt er die ersten Reiter hinüber. Mit »General Bighorn« gingen ohnehin schon zwei Treiber ins Wasser, um ihn hinüber zu begleiten.

Die Herdenspitze wird natürlich von der Strömung abgetrieben. So sehr die Tiere auch schräg gegen die Strömung ankämpfen, das Wasser ist stärker. Wie eine Riesenschlange, die aus gehörnten Köpfen und knochigen Rücken besteht, kämpft die brüllende Herde mit dem Fluss.

Einige Tiere sacken plötzlich ab, tauchen unter und kommen mit den Bäuchen nach oben gekehrt weiter unterhalb wieder zum Vorschein. Doch es sind nicht viele, kaum ein Dutzend.

Jim Cassedys Aufmerksamkeit gilt vor allen Dingen einer wichtigen Sache.

Hat er Strömung und Schwimmkraft der Herde richtig berechnet? Wird die Herdenspitze vom Fluss bei der unteren Biegung an Land geworfen?

Das ist die große Frage, auf die er unbedingt eine Antwort haben möchte. Er jagt am Ufer entlang, bis er gute Sicht bekommt.

Und da sieht er es auch schon. Drüben, weiter unterhalb, steigt »General Bighorn« an Land, schüttelt sich wie ein gehörnter Wolf und brüllt seinen Sieg in die Runde. Ihm folgen die ersten Reihen der Herde. Sie alle kamen gut an Land.

Jim Cassedy spürt noch kein Gefühl des Triumphes – noch nicht! Denn es braucht nur mal wieder einer der großen Bäume herunterzutreiben, und die Ordnung der schwimmenden Herde wird sich in Panik auflösen.

Dass die Herde so diszipliniert den reißenden Strom durchschwimmt, ist eigentlich kein so großes Wunder. Am Anfang des Trails wäre das gewiss nicht möglich gewesen. Doch auf ihrem über tausend Meilen langen Treibweg haben diese Texas-Longhorns ein Dutzend Ströme durchfurtet oder durchschwommen. Sie sind einigermaßen erfahren. Dieser besonders wilde und brüllende Fluss erschreckt sie nicht so sehr, wie das am Anfang des Trails der Fall gewesen wäre.

Jim Cassedy reitet zur oberen Flussbiegung zurück, als dort das Ende der Herde ins Wasser geht. Hier sind die schwächsten Tiere. Die Treiber haben nun mehr Mühe, alle Rinder ins Wasser zu jagen.

Jim reitet auf die Landzunge hinaus und späht flussaufwärts.

Noch immer kommt keiner der großen Bäume, die mit ihren Laubkronen und Wurzeln so gefährlich sind. Kleinere Bäume, Astwerk und Treibholz kamen dauernd. Aber all dieses Zeug ist nicht groß genug, um die Rinder ernsthaft zu bedrohen und in Verwirrung zu bringen.

Jim Cassedy blickt den letzten Tieren nach. Als er wieder stromauf späht, sieht er, dass Ace Brown angaloppiert kommt.

Ace Brown winkt schon von Weitem und brüllt, als er nahe genug ist: »Ein Riese! Eine mächtige Burreiche! Sie hat sich im Grund festgehakt und hält alles auf, was herunterkommt. Dadurch entstand eine Art riesiger Biberdamm. Doch jeden Moment kann der Wasserdruck mit dem Gewicht der angetriebenen Dinger stärker werden. Dann kann die Burreiche nicht länger in ihrer Verankerung bleiben. Dann kommt alles auf einmal herunter, als wenn ein Eisstau losbricht!«

Er verhält neben Jim Cassedy und späht auf die Herde im Fluss.

»Noch einige Minuten«, sagt Cassedy heiser, »dann haben wir gewonnen! Ace, wenn deine Burreiche noch einige Minuten im Flussgrund festgehakt bleibt und uns das Übel vom Leibe hält, dann ...«

»... dann haben wir Glück gehabt, Boss«, ächzt Ace Brown.

Jim Cassedy schließt einen Moment seine Augen.

Glück gehabt?, fragt er sich. War es Glück, nur Glück? Oder habe ich die Sachlage richtig abschätzen können?

Dann denkt er an die Burreiche, und mit einem Male weiß er, dass er zumindest zu sechzig oder siebzig Prozent Glück hatte.

Schon oft hatte er solches Glück.

Wann wird es zu Ende sein?

Er späht über den Fluss. Dort drüben, hinter den Uferhügeln, liegt die Stadt Signal City.

Und dort drüben in der Stadt gibt es Peggy Brennan ...

✰✰✰

Sie zählen 3743 Rinder, die sie durch die Gassen treiben, drei lange Viehzüge voller brüllender Rinder, die im Verlauf der Nacht nach Osten fahren, in Richtung Chicago, wo die großen Konservenfabriken auf Nachschub warten.

Die Männer sind erschöpft bis ins Mark, als sie sich bei Cassedy im Schuppen einfinden und er ihnen pro Kopf zehn Dollar Vorschuss aus der Reisekasse gibt.