G. F. Unger Western-Bestseller 2565 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2565 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war im Spätherbst 1880, als ich nach Warlock kam. Mein Cheyenne-Wallach, den ich schon drei Jahre ritt, hatte ein Eisen verloren und lahmte. Aber er konnte mich noch eine Weile tragen, zumal er die Nähe eines Stalles spürte. Es war der zwölfte Oktober, mein Geburtstag. Dreißig Jahre hatte ich an dem Tag auf dem Buckel - ich, Jeremy Kerrigan.
Im Süden gab es zwei oder drei Steckbriefe, deren Beschreibung genau auf mich passte. Da stand zu lesen, dass es sich um einen dunkelhaarigen, grünäugigen Revolvermann handelte, etwa sechs Fuß groß und hundertachtzig Pfund schwer, der den Revolver links trug und links leicht hinkte. Meinen Namen wussten sie jedoch nicht. Deshalb war ich auch so weit in den Norden geritten.
Warlock lag zwischen dem Musselshell und dem Oberen Missouri in Montana. Der Mietstall befand sich gleich am Stadteingang. Als ich meinen Red in den Vorraum des Stalles führte, kam ein Mann zum Vorschein, den ich kannte. Der Mann war Paco Hernandes. Er hatte wie ich einen weiten Weg von seiner Heimatweide zurückgelegt. Seine Gründe waren den meinen ähnlich. Es gab nur einen Unterschied. Paco war alt geworden. Schon damals, als sie ihn in Texas wegen Pferdediebstahls hängen wollten, hatten sie ihn nur deshalb erwischt, weil er schon alt war und nicht mehr lange genug im Sattel bleiben konnte, um das Aufgebot abzuhängen.
Dass sie ihn damals nicht hängen konnten, verdankte er mir ...


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Inhalt

Cover

Kerrigan

Vorschau

Impressum

Kerrigan

Es war im Spätherbst 1880, als ich nach Warlock kam. Mein Cheyenne-Wallach, den ich schon drei Jahre ritt, hatte ein Eisen verloren und lahmte. Aber er konnte mich noch eine Weile tragen, zumal er die Nähe eines Stalles spürte. Es war der zwölfte Oktober, mein Geburtstag. Dreißig Jahre hatte ich an dem Tag auf dem Buckel – ich, Jeremy Kerrigan.

Im Süden gab es zwei oder drei Steckbriefe, deren Beschreibung genau auf mich passte. Da stand zu lesen, dass es sich um einen dunkelhaarigen, grünäugigen Revolvermann handelte, etwa sechs Fuß groß und hundertachtzig Pfund schwer, der den Revolver links trug und links leicht hinkte. Meinen Namen wussten sie jedoch nicht. Deshalb war ich auch so weit in den Norden geritten.

Warlock lag zwischen dem Musselshell und dem Oberen Missouri in Montana. Der Mietstall befand sich gleich am Stadteingang. Als ich meinen Red in den Vorraum des Stalles führte, kam ein Mann zum Vorschein, den ich kannte. Der Mann war Paco Hernandes. Er hatte wie ich einen weiten Weg von seiner Heimatweide zurückgelegt. Seine Gründe waren den meinen ähnlich. Es gab nur einen Unterschied. Paco war alt geworden. Schon damals, als sie ihn in Texas wegen Pferdediebstahls hängen wollten, hatten sie ihn nur deshalb erwischt, weil er schon zu alt war, um das Aufgebot abzuhängen.

Dass sie ihn damals nicht hängen konnten, verdankte er mir ...

Dieser Paco, der mir sein Leben verdankte, empfing mich also im Mietstall von Warlock.

Er erkannte mich sofort. Zuerst staunte er. Dann sagte er inbrünstig: »Señor, Sie schickt der Himmel! Meine Gebete zur Jungfrau Maria waren nicht vergebens. Señor, Sie schickt wahrhaftig der Himmel.«

Er sagte es in einem Ton, dass ich sofort eine Menge Verdruss witterte.

Ich grinste Paco an und gab ihm die Zügelenden.

Dann sagte ich: »Paco, ich freue mich, dich zu sehen. Wenn du aber damit rechnest, dass ich mich wieder einmal in einen Verdruss einkaufe, um deine schwarze Seele zu retten, dann verlierst du all deine Chips. Ich musste damals aus Texas fort, weil ...«

Ich sprach nicht weiter, sondern winkte nur müde ab, denn ich wollte keine Klagelieder singen. Was ging es Paco schon an, welche Menge Verdruss ich damals mit der Sippe bekommen hatte, die ich darum brachte, einen kleinen, alten, schäbigen Pferdedieb zu hängen. Für diese stolzen Burschen dort in Texas war es eine Herausforderung gewesen. Sie vergaßen den Pferdedieb und bemühten sich, mich zu fangen und mir die Haut abzuziehen. Ich bekam alle Hände voll zu tun, um ihnen zu entwischen. Dabei wurde ihre Sippe um einige Köpfe weniger.

Nun, da ich glaubte, alles hinter mir zu haben, traf ich auf Paco.

Wenn mein Pferd kein neues Eisen gebraucht hätte, wäre ich auf der Stelle weitergeritten.

»Sorg für das Tier wie für deinen Augenstern«, sagte ich. »Und morgen in aller Frühe bringst du es zum Schmied. Wenn ich nicht wüsste, dass du von Pferden mehr verstehst als ich, würde ich dir das Tier nicht anvertrauen. Hast du verstanden, Paco?«

Er nickte und biss mit seinen braunen Zähnen auf seine Unterlippe.

Als ich mich abwandte, sagte er: »Sie wollen wieder einen Menschen hängen – einen Unschuldigen. Ich weiß, wie es ist, wenn man gehängt werden soll, ich weiß es genau. Aber es muss noch viel schlimmer sein, wenn man unschuldig ist und noch dazu – eine Frau.«

Das saß.

Die letzten beiden Wörter wirkten auf mich wie ein Hammerschlag.

Ich konnte das Gehörte einfach nicht glauben. Ich blieb stehen, sah Paco an und sagte: »Du willst mir doch wohl nicht einreden, dass man in dieser Stadt eine Frau hängen will? Das gibt es doch nicht! Das kann es nicht geben, alter Pferdedieb!«

»Doch«, sagte er heiser. »Hier gibt es solche Dinge – hier ja! Sie klagten sie an, Big Morgan Harpers Sohn Ollie ermordet zu haben. Das ist etwa so, als hätte das Mädel einen Gott getötet. Big Morgan ist hier der Herr. Señor, Sie sind in Big Morgans Reich gekommen, in sein Land, in seine Stadt, in seinen Machtbereich, in dem allein sein Wille Gesetz ist – sonst nichts.«

Ich sah Paco an und wusste, dass er nicht bluffte. Hier im Norden gab es noch viel freies Land, in dem sich große, mächtige und rücksichtslose Burschen ihre eigenen Königreiche schufen.

Und nun war ich also in das Gebiet eines solchen Burschen geraten. Er hatte seinen Sohn verloren, den eine Frau umbrachte. Und nun sollte sie hängen.

Je länger ich nachdachte, umso mehr glaubte ich, dass solch eine Sache hier im Montana-Territorium möglich war. Aber was ging mich das an?

Ich sagte: »Paco, wenn sie ihn umgebracht hat, wird sie nur die gerechte Strafe bekommen. Was geht mich das alles an?«

»Sie ist unschuldig«, flüsterte Paco und kam mir dabei so nahe, dass niemand, der weiter als zwei Schritte entfernt war, uns zuhören konnte.

»Das arme Mädel ist unschuldig«, wiederholte er. »Ich weiß es, denn es geschah hier im Stall ...«

»Nun, dann kannst du das Mädel ja mit deiner Aussage entlasten«, sagte ich. »Dann kommt ja alles schnell wieder in die richtige Reihe. Also ...«

Ich wollte gehen. Doch nun trat er noch dichter an mich heran und ließ sogar die Zügelenden meines Pferdes los. Er hielt mich am Ärmel meiner Lederjacke fest und er war ein zitternder, alter und gepeinigter Mann.

»Das geht nicht«, sagte er. »Ich bin nur ein alter, räudiger Greaser, ein schäbiger Mex, dessen Mutter eine Yaqui-Indianerin war. Meine Stimme zählt hier nicht mehr als die eines Niggers oder Chinesen. Außerdem war ich betrunken. Jemand hat mich vorher im Saloon gezwungen, eine Flasche von diesem Zeug zu trinken, das sie dort als Whisky verkaufen. Aber ich war nicht sinnlos betrunken, ich konnte noch alles genau begreifen. Ich stellte mich nur so betrunken, damit man mir nicht noch eine zweite Flasche eintrichterte. Das hätte dieser Crazy Charly bestimmt getan. Ich taumelte aus dem Saloon zum Mietstall zurück und verkroch mich dort oben. Es war ungefähr zu dieser Stunde. Die Laterne brannte wie jetzt. Sagen Sie selbst, Señor, kann man von dort oben nicht alles genau beobachten, was hier unten geschieht?«

Ich sah zum Heuboden hinauf, der die hintere Hälfte des Stalles überspannte und von dem man das Heu und Stroh in die Boxen fallen lassen konnte. Nur über dem Vorraum war kein Heuboden.

»Lass mich in Ruhe, Paco!«, sagte ich und schüttelte seine Hand von meinem Arm. Aber er lief mir nach und blieb an meiner Seite. Seine Worte kamen schnell und beschwörend.

»Ich weiß, wie das ist, wenn man hängen soll. Wie schlimm muss das für ein Mädel sein, das unschuldig ist! Aber meine Aussage würde ihr nicht helfen. Im Gegenteil, der Mörder würde auch mich erledigen. Ich wäre schneller tot als eine Fliege. Ich habe hier in diesem Nest nur einen einzigen Wunsch, nämlich den, meinen Job zu behalten. Señor, das Mädel soll bei Sonnenaufgang gehängt werden. Die Geschworenen waren Big Morgan Harpers Männer. Auch der ständig betrunkene Richter ist sein Mann. Big Morgan Harper hasst das Mädel, weil er glaubt, dass sie ihm den Sohn nehmen wollte. Er hasst jeden Menschen, der ihm etwas nehmen will. Oh, sie wird morgen hängen müssen wie ein Grenzstrolch, wenn ihr niemand aus der Klemme hilft. Ich könnte zwei erstklassige Pferde, ein schnelles Packtier und genügend Ausrüstung und Proviant besorgen. Dann könnten Sie mit ihr in die Wildnis flüchten, wo man Ihre Spur verliert. Sie könnten das Mädel nach Oregon oder Kalifornien bringen. Oh, sie ist so schön, so schön und jung. Big Morgan Harper muss sich regelrecht vor dieser Schönheit gefürchtet haben, denn er hätte seinen Sohn Ollie verloren, hätte das Mädel nur gewollt. Und ...«

»Ich will nichts mehr hören«, sagte ich und ging mit schnellen Schritten aus dem Hof des Mietstalles.

Paco folgte mir nicht. Er gab wohl auf.

Zuerst ging ich schnell, weil ich fürchtete, von ihm eingeholt zu werden. Dann aber, als er mir nicht folgte, ging ich langsamer und verhielt sogar, um mir eine Zigarette anzuzünden, die ich mit einer Hand in der Hosentasche gedreht hatte.

Die Stadt war still – unwirklich und unheimlich still.

Aber ich wusste die Stille nun zu deuten.

Mir war klar, dass sich die paar Leute hier, die im Schatten eines Großen und Mächtigen lebten, schämten und sich verkrochen. Wahrscheinlich konnten sie sich nicht mehr in die Augen sehen. Oder sie schämten sich vor sich selbst.

Denn in einigen Stunden sollte hier eine Frau gehängt werden.

Mochte sie schuldig sein oder nicht, sie hatte gewiss Anspruch auf eine Verhandlung mit einem Bundesrichter und auf Geschworene, die nicht unter Big Morgan Harpers Druck standen. Vielleicht hatte sie auch Anspruch auf Milderungsgründe und Verständnis. Vor einem fairen Gericht unter einem Bundes-Territoriums-Richter würde auch Pacos Aussage Gewicht haben.

Paco hatte erklärt, dass sie unschuldig sei.

Ich hatte nicht danach gefragt, weshalb und warum. Auch nicht, wer der wirkliche Täter war. Ich wollte es gar nicht wissen. Denn ich spürte, dass ich schon wieder bereit war, Partei zu ergreifen und Dinge zu tun, die mir nichts weiter als Verdruss und Feindschaft einbringen würden.

Ich stand am Rande der Fahrbahn auf dem etwas erhöhten Plankengehsteig, der zur Regenzeit den Leuten ermöglichte, von Haus zu Haus zu gehen, ohne im Morast zu waten.

Dies hier war eine kleine Stadt, kaum mehr als eine Siedlung von etwa einem Dutzend Häusern. Sie war noch jung und primitiv und lebte doch schon im Schatten eines unduldsamen, mächtigen Mannes.

Ich sah mich nach einem Hotel um, nach einer Möglichkeit, den Hunger zu stillen und ein paar Stunden in einem Bett zu schlafen. Ich wollte mal wieder an einem Tisch essen. Mir war auch nach einem Drink zu Mute. Und ich wollte endlich wieder Stimmen hören und das Lachen einer Frau.

Als ich den Saloon erreichte, sah ich sofort, dass in diesem lang gestreckten Bau alles enthalten war: Saloon, Restaurant, Hotel. Es gab drei Eingänge.

Ich wählte den in den Saloon, um erst einmal mit einem Schluck Feuerwasser den Staub des langen Weges aus der Kehle zu spülen.

An der Haltestange standen ein paar Sattelpferde mit den verschiedensten Brandzeichen. Wenigstens drei Tiere hatten den gleichen Brand.

Es konnte ein verschnörkeltes »H« sein, das kaum in ein anderes Brandzeichen zu verändern war. Dieses Brandzeichen war einer spanischen Kandare ähnlich.

Und plötzlich wusste ich es genau: Spanisch Bit! Dies war der Brand.

Jetzt fiel mir auch ein, wer Big Morgan Harper war.

Vor Jahren hatte er Texas fluchtartig verlassen müssen, sonst hätte es einen Bürgerkrieg gegeben, bei dem sogar Staatenmiliz eingesetzt worden wäre – und zwar gegen Harper.

In Texas ließ man sich seine selbstherrliche Unduldsamkeit nicht bieten. Dort hatte er den Bogen überspannt.

So war er mit all seinen Reitern und zehntausend Rindern nach Norden gezogen.

Jetzt erinnerte ich mich an all die Geschichten, die schon fast Legende waren. Ich wusste nun, wo sich dieser Morgan Harper mit einem Spanish-Bit-Brand niedergelassen hatte.

Hier!

Ich ging in den Saloon.

Ein Dutzend Gäste waren da. Sie sahen mich an, denn ich war ein Fremder und trug meinen Revolver tief unter der linken Hüfte. Ich bemühte mich, möglichst wenig zu hinken, konnte es jedoch nicht ganz vermeiden. Seit ich eine Kugel ins Bein bekommen hatte, hinkte ich leicht. Doch es behinderte mich sonst nicht.

Ich ging zum Schanktisch. Der Mann dahinter hatte das narbige Gesicht eines ehemaligen Preisboxers, Blumenkohlohren und Hände, deren Mittelhandknochen mehrmals gebrochen und wieder schief zusammengewachsen waren, was man an den Höckern erkennen konnte.

Doch die Augen des Mannes gefielen mir.

»Es gibt nur eine Sorte«, sagte er, und ich wusste, dass er sein Feuerwasser meinte, das er in der Flasche zum Einschenken bereithielt.

Ich nickte, bekam das Glas gefüllt, nahm es und trank.

Alle Anwesenden beobachteten mich.

Es schmeckte nach totem Hund, nach rotem Pfeffer und geriebenem Kautabak, nach Petroleum und irgendwelchen anderen scharfen Sachen. Es war Handelswhisky, wie man ihn Indianern verkaufte.

Während ich trank, sahen mich alle an. Ich bekam kaum Luft. Hätte ich Hosenträger getragen, so wären sie mir gewiss geplatzt.

Der Wirt grinste und fragte: »Noch einen, Fremder?«

»Nein«, sagte ich, »lieber ein gutes Steak. Oder bin ich schon zu spät?«

Er sah mich an.

»Ich hätte auch gern für diese Nacht ein Zimmer mit einem guten Bett«, fügte ich hinzu.

Sein Blick wich von mir, ging durch den Raum, streifte die anderen Gäste und richtete sich wieder auf mich.

»Sicher«, sagte er. »Ich sage meiner Frau Bescheid. Wir haben im Speiseraum schon die Lampen aus. Setzen Sie sich dort an den Ecktisch.«

Damit ging er.

Ich wandte mich um, lehnte mich mit dem Rücken gegen den Schanktisch und stemmte meine Ellbogen darauf. Die Gäste betrachteten mich immer noch. Ich erwiderte ihre Blicke.

Ich wusste, wie das war, wenn man in eine kleine Town kam in einem wilden Land, wenn man fremd war und erst beschnuppert wurde.

Die meisten dieser Männer waren Reiter. Nur wenige sahen wie Bürger aus der Stadt aus.

Einer, der bisher am Billardtisch spielte, kam nun herüber. Er hielt den Stock noch in der Hand und tippte mir damit vor die Brust.

»Wer bist du? Woher kommst du? Und was willst du hier?«

Diese drei Fragen stellte er mir mit einer barschen Stimme, die etwas heiser und zugleich befehlend klang.

Ich sah ihn an. Er war bullig, braunhaarig, mit gelben Augen. Und er war hart, rücksichtslos und ganz von seiner Unüberwindlichkeit überzeugt.

Er war in diesem Corral der Bulle, das begriff ich in diesem Moment. Ich aber war ein Mann, bei dessen Anblick es solche Bullen stets zu jucken begann. Auch hier war es so.

»Ich reite durch«, sagte ich. »Mein Pferd braucht ein Eisen. Deshalb bin ich hier.«

Dann wollte ich mich an den Tisch in der Ecke begeben, den mir der Wirt zugewiesen hatte. Ich hatte mächtigen Hunger.

Doch der Bursche, der sich seiner Zuschauer bewusst war, hielt mir den Billardstock als Schranke vor die Brust. Er musste erst seine Schau abziehen, selbstgefällig und eitel. Er musste seinen Zuschauern zeigen, wie wichtig und großartig er war.

»Langsam«, sagte er. »Ich stellte drei Fragen. Und erst eine wurde beantwortet. Ich warte und höre. Also?«

Ich wollte keinen Ärger. Ich wollte nur ein gutes Essen, ein Bett und morgen ein Eisen für mein Pferd.

Deshalb sagte ich: »Ich bin Jim Smith und will meinen Onkel in Last Chance City besuchen. Ist es nun gut?«

Er grinste. »Sicher«, sagte er. »Ich bin Crazy Charly. So nennt man mich hier. Ich spendiere einen Drink. Das Zeug scheint dir nicht geschmeckt zu haben. Aber ich sage dir, dass sich das nach dem dritten, vierten oder fünften Glas gibt. Dann schmeckt diese Pumaspucke köstlich, und du hörst die Englein im Himmel singen. Schenk dir nur ein. Das Glas und die Flasche stehen ja noch da. Ich will mal sehen, was du zu erzählen hast, wenn dich das Feuerwasser lustig macht.«

Ich wusste genau, was er wollte. Er glaubte, dass er mich betrunken machen und dann aushorchen könnte. Ich wusste nun auch, wer er war. Paco hatte mir schon seinen Namen genannt. Dieser Bursche hatte offenbar eine besondere Freude daran, andere Männer betrunken zu machen.

Der Verdruss war unvermeidlich, ich wusste es genau. Er wollte mich so oder so betrunken machen. Wahrscheinlich nannte man ihn wegen seines Ticks »Verrückter Charly«.

Was sollte ich tun? Es gab in diesem Land und bei solchen Burschen nur eine einzige Möglichkeit. Solche Bullen erkannten nur den Stärkeren an.

Ich wollte keine Schlägerei, und ich wollte auch nicht zum Revolver greifen.

So nahm ich die Flasche, tat so, als wollte ich mir wahrhaftig das Glas vollgießen und warf sie ihm dann mit einer raschen Bewegung an den Kopf.

Oh, ich konnte schnell sein! Und die Flasche war noch fast voll und deshalb schwer wie eine Kriegskeule. Er bekam sie auch richtig vor die Stirn geknallt, verdrehte die Augen und legte sich auf die mit Sägespänen bestreuten Bretter des Saloons.

Ich sah blitzschnell in die Runde.

Als ich erkannte, dass seine Freunde nach den Revolvern griffen, holte ich meinen heraus.

Ich schlug sie im Ziehen. Sie erschraken und hielten die Luft an.

In die Stille hinein sage ich: »Amigos, ich bin ein friedlicher Mann und will keinen Ärger. Ihr kennt ihn gewiss besser als ich. Gab es eine andere Möglichkeit, ihn von der Idee abzubringen, mich mit diesem Indianergift betrunken zu machen? Seid ehrlich!«

Sie überdachten die Sache.

Es hatte sie beeindruckt, wie schnell ich meinen Colt in der Hand hielt. Jetzt wussten sie über mich Bescheid. Es juckte sie nicht nach einem Verdruss.

Sie entspannten sich und vergaßen ihre Colts. Sie knieten dann neben Crazy Charly nieder und untersuchten seinen Kopf. Ihm wuchs ein prächtiges Horn. Einige Glassplitter der Flasche hatten ihn verletzt. Es sah schlimmer aus, als es tatsächlich war.

»Bringt ihn lieber fort«, sagte ich. »Oder glaubt ihr, dass es mir Spaß macht, ihm auch noch eine Kugel verpassen zu müssen?«

Sie dachten nach und starrten mich an. Ihre Feindschaft war wie ein heißer Atem. Doch sie sagten nichts. Sie hoben ihren Amigo auf, und weil er so schwer war, trugen sie ihn nicht richtig. Seine Füße schleiften über den Boden, als sie den Saloon verließen.

Ich ging zu meinem Tisch und setzte mich. Nach einer Weile klang draußen Hufschlag auf, der sich langsam entfernte.

Jemand sagte: »Fremder, ich würde hier nicht länger mehr herumsitzen. Ich würde mir ein frisches Pferd beschaffen und wie der Teufel reiten. Man mag über Crazy Charly denken, wie man will, die Tatsache bleibt, dass er einer von Big Morgans Vormännern ist und damit ein Stück der Spanish Bit. Fremder, dass Sie ihn mit der Flasche niederschlugen, nimmt die Spanish Bit nicht hin. Verstehen Sie?«

Ich verstand ihn genau. Er brauchte es mir nicht genauer zu erklären. Ich kannte die Art, in der Männer wie Big Morgan Harper über ein Land herrschten. Jeder ihrer Reiter war unantastbar. Das ganze Prestige und die Macht des großen Mannes standen dahinter.

Ich wusste Bescheid. Wahrscheinlich war es wirklich besser, ein schnelles Pferd zu nehmen und zu verschwinden.

Während ich noch darüber nachdachte, leerte sich der Saloon. Die paar Reiter, die von irgendwoher gekommen waren und offenbar von Harpers Leuten geduldet wurden, ritten bald davon. Der Hufschlag ihrer Pferde verklang.

Auch die Bürger der Stadt verließen den Saloon. Alle sahen mich mehr oder weniger neugierig und mitleidig an.

Der Wirt kam und sagte: »Fremder, wenn ich Ihnen jetzt noch eine Mahlzeit und ein Bett gebe, bin ich erledigt. Tut mir leid, aber wer hier nicht völlig auf Big Morgans Seite steht, ist nach seiner Auffassung gegen ihn. Reiten Sie lieber. Bis zur Ranch ist es eine Stunde hin und eine Stunde zurück. In weniger als drei Stunden werden Harpers Männer Jagd auf Ihren Skalp machen. Und er hat ein paar Burschen in seiner Mannschaft, gegen die Crazy Charly nur ein Bulle ist, dem jeder erfahrene Büffelwolf die Kehle aufreißen kann. Verstehen Sie?«

»Ja«, sagte ich, »doch ich bin hungrig. Dies ist ein Lokal. Ich will etwas essen, oder ich mache Ihnen Beine. Ich kann nicht weniger rau werden als Big Morgans Burschen. Und so groß kann dieser Big Morgan auch nicht sein, denn vor Jahren musste er Texas fluchtartig verlassen. Ich weiß es, denn ich bin in der Gegend aufgewachsen. Es hat schon mal Leute gegeben, die hielten gegen ihn zusammen und jagten ihn mitsamt seiner Mannschaft und seinen Rindern zum Teufel. Ich will essen!«