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Ich war damals nur Deputy in Silver Lake City. Mein Name? Nun, ich heiße auch heute noch, da ich dies alles niederschreibe, Hogue Kilrain. Es gab Burschen meiner Sorte, die nahmen andere Namen an und ritten dreitausend und noch mehr Meilen weit. Aber ich konnte meinen Namen behalten, brauchte niemals unterzutauchen oder mich auch nur für eine Weile zu verstecken.
Doch es gab eine Zeit, da sah es anders aus. Und ich glaubte nicht daran, dass ich heil davonkommen würde.
Nun, ich will alles der Reihe nach erzählen. Ich war also Deputy Sheriff in Silver Lake City. Es war nur ein kleines Nest, und es lag dort, wo der Silver Creek auf seinem Weg zum Cimarron River einen See bildet, bevor er weiter zum Cimarron plätschert.
Silver Lake City lag am Wagenweg von Kansas City nach Santa Fe. Es lebte also hauptsächlich vom Durchgangsverkehr. Und der war nicht gering. Denn Kansas City war das große Ausfalltor zum Westen. Wagenzüge kamen reichlich. Auch Postlinien verkehrten. Und alle machten sie an unserem schönen Silbersee Rast. Da blieben eine Menge Dollars bei uns hängen. Aber dann geschah etwas Gewaltiges ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Jagt Kilrain!
Vorschau
Impressum
Jagt Kilrain!
Ich war damals nur Deputy in Silver Lake City. Mein Name? Nun, ich heiße auch heute noch, da ich dies alles niederschreibe, Hogue Kilrain. Es gab Burschen meiner Sorte, die nahmen andere Namen an und ritten dreitausend und noch mehr Meilen weit. Aber ich konnte meinen Namen behalten, brauchte niemals unterzutauchen oder mich auch nur für eine Weile zu verstecken.
Doch es gab eine Zeit, da sah es anders aus. Und ich glaubte nicht daran, dass ich heil davonkommen würde.
Nun, ich will alles der Reihe nach erzählen. Ich war also Deputy Sheriff in Silver Lake City. Es war nur ein kleines Nest, und es lag dort, wo der Silver Creek auf seinem Weg zum Cimarron River einen See bildet, bevor er weiter zum Cimarron plätschert.
Silver Lake City lag am Wagenweg von Kansas City nach Santa Fe. Es lebte also hauptsächlich vom Durchgangsverkehr. Und der war nicht gering. Denn Kansas City war das große Ausfalltor zum Westen. Wagenzüge kamen reichlich. Auch Postlinien verkehrten. Und alle machten sie an unserem schönen Silbersee Rast. Da blieben eine Menge Dollars bei uns hängen. Aber dann geschah etwas Gewaltiges ...
In Kansas waren Eisenbahnstädte mit Verladerampen für Rinderherden entstanden.
Und im vergangenen Jahr kamen die ersten Herden aus Texas herauf, brüllende Longhornherden, manchmal fünftausend Tiere stark. Sie hatten schon einen gewaltigen Treibweg hinter sich, und ihre Treiber waren von einer besonders hartbeinigen Sorte. Sie waren etwa vier Monate unterwegs mit ihren Biestern, wenn sie bei uns ankamen, und hatten auf dem Treibweg schon jede Menge Verdruss erlebt. Auch wussten sie fast schon nicht mehr, wie eine Frau aussah, wie man Karten spielte und wie Whisky schmeckte.
Schon die ersten drei Mannschaften richteten in Silver Lake City eine Menge Schaden an. Vor allen Dingen die Frauen und Mädchen der Stadt konnten sich nicht mehr auf die Straße wagen. Nun, es war also schlimm in vielerlei Hinsicht.
Und da sandten die Bürger eine Abordnung zu Sheriff Ben Henderson in die Countyhauptstadt.
Sie setzten ihm ziemlich hart zu. Schließlich gab er nach und betrat mit den drei Bürgerschaftsvertretern den Zellenraum seines Sheriff's Office.
Hier hockte ich in einer der Gitterzellen und kühlte meine Schrammen und Beulen mithilfe eines Handtuchs, welches ich immer wieder in einem mit Wasser gefüllten Tonkrug nass machte.
Als Sheriff Henderson an die Gitterstäbe trat und mich kritisch betrachtete, versuchte ich ein Grinsen.
Durch die offene Tür hatte ich die ziemlich einseitige Unterhaltung im Office gehört. Deshalb war mein Grinsen schadenfroh.
Ich sagte: »Sie sind mir ein schöner Gesetzesmann, Ben Henderson. Da weint eine ganze Stadt nach Schutz und Sicherheit, und Sie, was machen Sie? Oooh, Sie sperren redliche Menschen wie mich in Ihr Gefängnis und schlagen ihnen vorher noch von hinten einen Flintenlauf über den Kopf. Das war nicht nobel, Ben Henderson.«
»Nein«, sagte er. »Und ich bin auch kein nobler Mensch. Wenn ich dich hier rauslasse, willst du dann mein Deputy in Silver Lake City sein?«
Seine Frage traf mich wie ein Wasserguss.
Ich staunte. Dann steckte ich meinen kleinen Finger ins Ohr, rüttelte es und zog ihn wieder heraus.
»Jetzt kann ich sicher wieder besser hören«, sagte ich. »Denn vorhin kam es mir so vor, als sollte ich Deputy in Silver Lake City werden.«
Nun grinste er, und dabei sah er aus wie ein Maultier, welches seine Oberlippe hebt, ehe es zubeißt.
Aber bevor er etwas sagen konnte, meldete sich einer der drei Bürgerschaftsvertreter aus Silver Lake City empört: »He, Sheriff, Sie wollen doch wohl nicht einen Strolch zum Deputy ernennen?«
»Das ist kein Strolch«, erwiderte der Sheriff trocken. »Das ist Hogue Kilrain. Der ist nur etwas verwildert, aber sonst ein brauchbarer Bursche. Und dass ich ihn hier in der Zelle habe, geschieht nur, um die Polarsky-Brüder vor ihm zu beschützen. Die wollen ihn dazu zwingen, ihre Schwester zu heiraten, weil diese sich das so wünscht. Sie erfüllen ihr jeden Wunsch. Und so fingen sie gestern drüben im Saloon damit an, ihn klein zu machen, damit er nachgibt. Aber dann machte er sie klein, obwohl sie zu dritt waren. Es war dann einfacher, ihn aus dem Verkehr zu ziehen als drei brüllende Affen. Verstehen Sie, Gentlemen?«
Der Sheriff sah zu mir in die Zelle.
»Du brauchst einen verantwortungsvollen Job«, sagte er. »Du bist jetzt alt genug, um nicht länger ein Wild Bill zu sein, der sich verschwendet. Jetzt zeig mal, was wirklich in dir steckt. Ich werde dich vereidigen. Und dann bekommst du vierzig Dollar im Monat und wirst deine Pflicht tun. Verstanden?«
Ich staunte immer noch.
Der alte Ben Henderson hielt also doch eine ganze Menge von mir.
Aber wen hätte er sonst schicken können?
»Von was hat er denn vorher gelebt, Sheriff?« Dies fragte einer der Bürgerschaftsvertreter.
»Aaah, der hat schon alles gemacht«, grinste der Sheriff. »Ihr müsst nur auf eure Frauen und Mädchen aufpassen. Der sieht zwar fast wie ein Indianer aus – aber wenn er ein weibliches Wesen auch nur ansieht ...«
Seine weiteren Worte gingen unter im Klirren des Schlüsselbundes und den Geräuschen des Aufschließens. Vielleicht wollte er seine Worte auch gar nicht hören lassen. Aber ich hörte sie.
Er sagte noch: »... dann ist es hin und wird zu einer heißen Katze.«
Ja, das sagte er wirklich. Ich wollte protestieren, aber dann ließ ich es und trat grinsend aus der Zelle.
»Wo sind denn die Polarsky-Brüder?« So fragte ich.
»Weg«, knurrte er. »Mit ihrer Schwester. Die sind weg, heim zu ihrer Ranch. Und in Silver Lake City bist du hundert Meilen weit von ihnen entfernt. Also hebe die Hand und schwöre, dass ...«
✰✰✰
So war ich also als Deputy nach Silver Lake City gekommen und hatte mich eingerichtet. Es war Frühling, fast schon Sommer. Bald mussten die ersten Herden kommen.
Die Stadt bereitete sich mit Volldampf darauf vor.
Es war dann an einem schönen Morgen, als man uns die erste Treibherde meldete. Sie würde am späten Nachmittag den See erreichen und ganz gewiss zwei Tage rasten. Denn hier bei uns gab es reichlich Wasser und gute Weide.
Ich ging in den Saloon zu Curly Johnstone. Sein Vorname war ein Witz, denn seine Glatze wies nicht ein einziges Haar auf. Trotz seines Vollmondgesichts, welches ihn gemütlich wirken ließ, war er ein harter Bursche, der einmal im Osten Preiskämpfer gewesen sein musste.
Er hatte einige Flaschen vor sich stehen, in die er aus einem großen Krug ein braunes Getränk goss. Als ich zu ihm an den Schanktisch trat, nickte er mir zu und füllte für mich ein wenig in ein Glas.
»Probieren Sie mal, Hog«, sagte er. »Aber vorsichtig! Das Zeug haut den stärksten Bullen um. Die wilden Jungs aus Texas können dann nicht mehr allzu viel anstellen. Die wird man dann quer über ihre Pferde legen müssen, wenn sie zurück zu ihrer Herde sollen, um die anderen Treiber abzulösen.«
Ich probierte das Zeug.
Heiliger Rauch, was war das für ein Gesöff! Es war so stark wie ein Büffel und so scharf wie ein Wolfsfang. Und dabei schmeckte es auch noch.
»Ich nenne es Spezial-Silverwater«, sagte Curly Johnstone, »und biete es als Begrüßungsdrink an. Das wird die wilden Texasaffen besänftigen. Das Rezept habe ich von einem Hafenwirt in New Orleans. Der versorgte die Walfänger mit Matrosen. Hog, du wirst mit den brüllenden Texanern nicht viel Ärger haben.«
Ich überlegte. Doch eigentlich war mir alles recht. Wenn die wilden Jungs bald müde wurden und nicht mehr so unternehmungslustig waren, konnte mir das nur recht sein.
Denn mit meinem Blechstern an der Weste würde ich bald verdammt allein sein, etwa so allein wie ein Dompteur in einer Menagerie voller Affen und anderer wilder Lebewesen, die gebändigt werden mussten.
Ich ging wieder, um meine Runde durch die Stadt zu machen. Die Postkutsche kam dann bald und brachte Post. Einige Zeitungen und ein paar Steckbriefe waren dabei.
Ich setzte mich vor meinem Office auf die Veranda und las die Zeitungen.
Manchmal blickte ich zum Hotel hinüber. Was mochte Stella Sloane heute wohl gekocht haben? Und wann endlich würde ich die schöne Stella vernaschen können? Sie war eine Frau, wie ich sie mochte. Aber dann war da auch noch diese Nancy Bogarde, die hier den Schneider- und Modeladen führte, aber hauptsächlich Kinderkleidung nähte.
Auch Nancy Bogarde hätte ich gerne erobert.
Welche von den beiden Frauen konnte wohl zärtlicher sein?
Dies fragte ich mich immer wieder. Und ich wusste, es gab nur eine Möglichkeit, dies herauszufinden und sie miteinander zu vergleichen.
Ich ging erst hinüber zum Essen, als ich sicher war, der einzige Gast zu sein. Denn ich wollte mit Stella allein sein.
Sie hatte auch schon den Tisch in der Ecke gedeckt und kam dann mit dem beladenen Tablett aus der Küche.
Stella war goldhaarig, braunäugig und prächtig gewachsen.
Aber das war noch nicht alles. Sie besaß für mich jene besondere Ausstrahlung, die mich bis in meinen innersten Kern berührte. Sie war gewiss jünger als ich, kaum älter als fünfundzwanzig. Doch sie war eine erfahrene Frau, die das Leben kannte.
Wir aßen eine Weile wortlos.
Es gab Hammelbraten, und es schmeckte mir.
Plötzlich sagte sie: »Wenn du kaust, dann wackeln deine Ohren, Mister Deputy.«
Ich grinste. »Elefanten«, sagte ich, »können mit ihren Ohren wedeln. Vielleicht schaffe ich das mit der Zeit auch noch. Nur Geduld, Tante.«
»Warum nennst du mich immer wieder Tante?« So fragte sie etwas böse.
»Ich könnte dich auch Schwester nennen«, erwiderte ich. »Tante oder Schwester. Das sind neutrale Wesen. Wenn ich dich Honey nennen soll, dann müsstest du mich erst herausfinden lassen, ob du eine Honey bist.«
Ihre Augen funkelten.
»Deine Gedanken und Wünsche«, sagte sie, »kenne ich schon lange.«
»Und?« So fragte ich knapp.
Da lächelte sie ein wenig kritisch und zugleich herausfordernd.
»Ich weiß nicht mal«, sagte sie, »ob du morgen noch hier sein wirst. Und nun wird es Zeit, dass ich dir von Hogjaw Peckinpah erzähle. Er wird bald hier sein und mir keine Chance mehr lassen. Er hat mir im vergangenen Herbst ein Ultimatum gesetzt. Wenn ich mich ihm diesmal nicht freiwillig ergebe, wird er mich zwingen. Verstehst du? Er ist der Trailboss der kommenden Herde. Und er wird über deinen Stern lachen. Vielleicht wird morgen schon die ganze Stadt über dich lachen. Oder nicht? Wie hart und wie groß bist du wirklich, Hogue Kilrain?«
»Mal sehen«, erwiderte ich. »Vielleicht laufe ich fort, vielleicht aber auch nicht. Weißt du, ich lasse mich selbst von mir überraschen. Willst du mich nicht wenigstens mal küssen, sodass ich ahnen kann, was du alles in dir verborgen hältst?«
Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht werde ich mich mit Hogjaw Peckinpah einlassen«, sagte sie, »um es für uns alle erträglicher zu machen. Er würde mich dann auf der Rückreise mit nach Texas nehmen und ...«
»Er hat noch drei Brüder«, unterbrach ich sie. »Und sie alle gehorchen Old Man Joshua Peckinpah. Die kennt man in ganz Texas. Die sind eine schlimme, selbstherrliche und mächtige Sippe. Aber um bei denen reinkommen zu können, Schwester, musst du dem Alten gefallen.«
Nach diesen Worten erhob ich mich und ging hinaus.
✰✰✰
Am späten Nachmittag dann kam die Herde. Wir konnten sie von der Stadt her herankommen sehen – ein langer Strom von gehörnten Schädeln und knochigen Rücken. Seit dem Cimarron hatten sie kein Wasser bekommen und das waren fast vierzig Meilen, also drei Tage etwa. Nun witterten sie den See und den Creek.
Es mussten an die fünftausend Rinder sein, dazu kam noch eine Pferderemuda von gewiss vierhundert Tieren. Außer dem Chuckwagen hatten sie noch zwei andere Wagen, in denen sie das Bettzeug, also die Deckenrollen der Mannschaft, Werkzeug und Proviant transportierten, wahrscheinlich auch eine Feldschmiede.
Die Mannschaft war gewiss mehr als fünf Dutzend Reiter stark. Dazu hatten sie noch den Koch, dessen Gehilfen und einige andere Helfer, auch die Fahrer.
Ich sah auf den Mann, der an der Spitze ritt. Dieser Mann musste also Hogjaw Peckinpah sein, der Sohn von Old Man Joshua Peckinpah, dem Patriarchen einer Sippe, die man in ganz Texas kannte.
Oha, er wirkte mehr als imposant. Er war einer dieser gelbhaarigen Texaner, und obwohl ihn das Treiben schon um einige Pfunde hagerer gemacht haben dürfte, wirkte er immer noch löwenhaft.
Ja, da kam der Sohn eines Cattle Kings aus Texas, dem der King eine Riesenherde anvertraut hatte.
Ich konnte schon spüren, wittern, ahnen, dass ich mit diesem Burschen zu tun bekommen würde. Mein untrüglicher Instinkt sagte es mir.
Und unwillkürlich seufzte ich.
Heiliger Rauch, hatte ich das nötig für vierzig Dollar im Monat?
Ich trat in mein Office, nahm die Schrotflinte aus dem Ständer, sah nach der Ladung und ließ den Kipplauf wieder einrasten. Dann stellte ich das Ding hinter den Anschlagpfosten der offenen Tür und setzte mich davor in den Schaukelstuhl. Ich konnte sie greifen, wenn ich meine Hand ausstreckte.
Oh, ich war recht schnell mit dem Colt. Bisher war ich auf keinen Mann getroffen, welcher schneller ziehen und besser schießen konnte als ich. Normalerweise musste ich all diese Texas-Tiger schlagen können. Doch sie würden es mir nicht vorher schon glauben, erst nachher, wenn es zu spät war. Aber vor einer doppelläufigen Schrotflinte würden sie mehr Respekt haben.
Und so wartete ich.
Oh, ich machte mir Sorgen.
Und auch die Bürger der Stadt machten sich Sorgen. Zugleich hofften sie jedoch auf gute Geschäfte.
Und dann kam die wilde Horde herangebraust, johlend, kreischend, um die Wette reitend. Sie kamen wie eine angreifende Comanchen-Bande. Und einige schossen mit ihren Revolvern in die Luft.
Ich konnte diese Kuhtreiber ja gut verstehen. Die hatten schon seit Monaten nur ihre Kühe und sich selbst gesehen. Die stanken sich gegenseitig an.
Es waren etwa dreißig Reiter, also die halbe Mannschaft. Sicherlich hatte das Los entschieden, wer von ihnen in die Stadt durfte und wer noch bis morgen bei der Herde bleiben musste.
Der Staub wirbelte zwischen den Häusern.
Und dann sahen sie mich im Schaukelstuhl. Ich hatte mich bequem zurückgelehnt, und mein Stern funkelte in der Abendsonne.
Sie hielten ihre Gäule an, und der Staub holte sie ein, füllte die Straße zwischen den Häusern und wurde dann vom leichten Wind weggeblasen.
Sie verharrten auf ihren Pferden und starrten zu mir herüber.
Jener Hogjaw Peckinpah war nicht dabei. Nein, der weilte noch im Camp. Aber ein anderer Bursche, wahrscheinlich der Vormann, hob die Hand und deutete auf mich.
»Seht ihn euch an! Da sitzt das Gesetz! Seht ihr seinen Stern blinken? Seht euch nur vor, Jungs. Wenn er böse wird, geht es uns schlecht, hahaha!«
Dann wurden sie plötzlich still, bis ihr Sprecher sagte: »Seht ihr, diese Stadt hat wahr gemacht, was sie uns im vergangenen Jahr androhte. Wenn wir dieses Jahr wiederkommen, würde das Gesetz da sein. Und dort sitzt es im Schaukelstuhl, oha!«
Und wieder begannen sie zu lachen und zu johlen.
Auch ich grinste. Oha, ich war kein Narr. Wenn ich jetzt als harter Bursche auftrat und ihnen Befehle erteilen würde, dann wäre das für sie eine Herausforderung gewesen. Das war mir klar.
Und so vergaß ich die Schrotflinte, obwohl sie sich in meiner Reichweite befand, erhob mich langsam und trat an den Rand des Plankengehsteigs.
»Hallo, ihr lieben Jungs aus Texas«, sagte ich. »Das ist aber fein, wieder von euch besucht zu werden. Die Stadt hat sich schon seit dem Christfest darauf gefreut. Und weil ich damals noch nicht hier war, hat man mir von all den lieben Texasboys erzählt. Seid willkommen!«
Sie staunten.
Denn sie hatten erwartet, dass ich den harten und eisernen Gesetzeshüter spielen und ihnen genaue Verhaltensregeln erklären würde.
Eine Stimme sagte: »He, der scheint ja ganz vernünftig zu sein, ihr alten Sauerteigfresser. Oder?«
Und eine andere Stimme fragte: »Mister Sheriff, Sir, keine Befehle? Keine Verbote? Wollen Sie uns nicht sagen, was wir tun dürfen und was nicht?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Oh, ihr seid doch liebe Jungs. Ihr hattet daheim sicherlich alle ehrenwerte Eltern, die euch Anstand beibrachten. Ihr habt also Sitte und Anstand bei eurer Geburt mitbekommen. Und überdies seid ihr noch Texaner, deren Vorfahren bei Alamo kämpften. Was wäre die Union ohne Texas? Nein, ich glaube nicht, dass ich euch etwas verbieten müsste.«
Nun machten einige von ihnen ihre Mäuler weit auf, so sehr staunten sie. Und in ihren Augen erschien der Ausdruck, den man auch bei wiederkäuenden Kühen auf der Weide erkennen konnte.
Aber ihr Vormann begriff nun endlich.
Er richtete sich im Sattel auf und sagte: »Jungs, dieser Bursche ist ein Schlitzohr. Merkt ihr, wie er uns verarscht? Das ist ein ganz gerissener Pilger. Aber was kann er schon machen? Dem ziehen wir sonst die Hosen aus und brennen ihm unser Brandzeichen auf beide Backen. Kommt, Jungs! Es geht los!«
Und sie ritten wieder los, verteilten sich überall auf der Mainstreet und stürmten bald schon in Curly Johnstones Saloon. Und aus diesem Saloon klangen wenig später die Stimmen der Mädchen kreischend. Auch in Pete Clums Spelunke gingen welche, aber nur wenige.
Ich stellte mir vor, wie ihnen Curly Johnstone jetzt sein Teufelsgesöff als Freidrinks spendierte. Wahrscheinlich würden sich bald die Ersten wie die Kreisel drehen.
Viel Geld in der Tasche hatten die Kerle auch nicht. Das konnte nicht sein, denn wer ein paar Dollar besaß, der trieb keine Rinder von Texas nach Kansas. Das machten nur völlig abgebrannte Sattelquetscher. Selbst wenn sie von ihrem Herdenboss einen Vorschuss bekommen hatten, so war das höchstens ein oder zwei Dollar pro Kopf, mehr nicht.
Sie konnten also in dieser Stadt höchstens hundert Dollar lassen. Aber sie konnten für tausend Dollar und noch mehr Schaden anrichten.
Ich wurde allmählich wütend.
Verdammt, was hatte ich mir da eingehandelt!
Ich sah, dass zwei von ihnen in Nancy Bogardes Schneiderladen verschwanden. Ich war mit Nancy Bogarde nicht so gut bekannt wie mit Stella Sloane. Zu Stella ging ich dreimal am Tag zum Essen. Aber bei Nancy hatte ich bis jetzt nur ein einziges Hemd und ein paar Socken gekauft. Aber sie gefiel mir nicht weniger gut als Stella.
Und vielleicht – wenn ich sie so gut gekannt hätte wie Stella – hätte sie mir sogar noch besser gefallen.
Ich machte mir also einige Sorgen, als zwei der Texaner in Nancy Bogardes Laden verschwanden.
Und so machte ich mich auf den Weg.
Nun, ich kam gerade noch rechtzeitig. Denn die Kerle drinnen lachten wie verrückt. Und einen hörte ich rufen: »Oha, Honey, auf dich haben wir schon im vergangenen Jahr ein Auge geworfen. Du erinnerst dich doch gewiss, nicht wahr? Freust du dich nicht, uns so gesund wieder zu sehen? Na komm, dann fall mir um den Hals und küss mich! Ich bin doch der liebe Jim aus San Antonio. Komm, Honeybee!«
Sie waren verrückt. Und es hatte sie wohl seit dem vergangenen Jahr gewurmt, dass sie damals Körbe bekamen.
Ich machte die Tür auf und trat ein. Sie hatten Nancy Bogarde zwischen sich. Und sie ließen sie nicht aus dem engen Kreis, den sie mit ihren Armen und Körpern bildeten.