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Als sie die alte, verlassene Hütte erreichen, halten sie an und blicken wachsam in die Runde.
Nach einer Weile sagt James, der Älteste der Dee‑Brüder: »Hier kann Sally auf uns warten, bis wir mit dem Sack voller Dollars zurückkommen. Dieses winzige Tal wurde vor vielen Jahren schon verlassen.«
Kevin und Clint grinsen verwegen und nicken.
Sally Dee sieht die drei Brüder an. »Warum soll ich hier auf eure Rückkehr warten? Warum lasst ihr mich nicht mitreiten?«
Sie betrachten das Mädchen bewundernd. Man sieht ihnen an, wie stolz sie auf ihre Schwester sind.
Nach einer Welle spricht Kevin: »Sag es ihr, James, sag es ihr!«
James nickt und sagt: »Also hör gut zu, Schwesterchen! Es ist ganz leicht zu verstehen. Du reitest nicht mit, weil du ein Mädchen bist und eines Tages eine vornehme Lady sein sollst. Dafür tun wir das alles. Als wir im Krieg waren, musstest du verdammt bittere Wege gehen, um für Mom sorgen zu können. Das ist jetzt vorbei. Nur noch ein paar Tage, dann beginnt unser neuer Weg. Also wirst du hier brav und geduldig warten, bis deine drei großen Brüder mit einem Sack voller Dollars wieder bei dir sind. Basta!«
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Mit dem Teufel verbündet
Vorschau
Impressum
Mit dem Teufelverbündet
Als sie die alte, verlassene Hütte erreichen, halten sie an und blicken wachsam in die Runde.
Nach einer Weile sagt James, der Älteste der Dee-Brüder: »Hier kann Sally auf uns warten, bis wir mit dem Sack voller Dollars zurückkommen. Dieses winzige Tal wurde vor vielen Jahren schon verlassen.«
Kevin und Clint grinsen verwegen und nicken.
Sally Dee sieht die drei Brüder an. »Warum soll ich hier auf eure Rückkehr warten? Warum lasst ihr mich nicht mitreiten?«
Sie betrachten das Mädchen bewundernd. Man sieht ihnen an, wie stolz sie auf ihre Schwester sind.
Nach einer Welle spricht Kevin: »Sag es ihr, James, sag es ihr!«
James nickt und sagt: »Also hör gut zu, Schwesterchen! Es ist ganz leicht zu verstehen. Du reitest nicht mit, weil du ein Mädchen bist und eines Tages eine vornehme Lady sein sollst. Dafür tun wir das alles. Als wir im Krieg waren, musstest du verdammt bittere Wege gehen, um für Mom sorgen zu können. Das ist jetzt vorbei. Nur noch ein paar Tage, dann beginnt unser neuer Weg. Also wirst du hier brav und geduldig warten, bis deine drei großen Brüder mit einem Sack voller Dollars wieder bei dir sind. Basta!«
Er trägt noch die alte Uniform der Konföderiertenarmee. Es ist eine Offiziersuniform, an der die Rangabzeichen abgetrennt wurden.
Ja, er war einst einmal Captain. Kevin und Clint brachten es in den fünf Jahren, die sie als Texas-Freiwillige dienten, nur bis zum Sergeant.
Und dann kamen sie als Verlierer bettelarm und zerlumpt heim und fanden ihre Mutter sterbend in einer zerfallenen Hütte, die so war wie diese hier.
Denn die Dee Ranch war versteigert worden.
Ein Steuereintreiber der Yankees hatte dafür gesorgt. Sally hatte es nicht verhindern können.
Sie schweigt also zu James' Worten.
Und dann sitzen sie ab, um die alte Hütte zu besichtigen und eins der Wildrinder zu töten.
Denn sie haben Hunger – aber nicht nur nach Fleisch, nein, nach allem, was zu erobern ist auf dieser Erde. Sie wollen endlich mal wieder Gewinner und Sieger sein.
✰✰✰
Die Tage vergehen für Sally so langsam, als wären sie kriechende Schnecken. Sie zieht diesen Vergleich, sie einmal einer kriechenden Schnecke zusieht und ihn deshalb sehr treffend findet.
Immer wieder versucht sie auszurechnen, wann die Brüder zurück sein könnten. Aber sie weiß nicht genau, wie weit die kleine Stadt entfernt ist, zu der sie ritten, um dort die Bank auszurauben. Sie weiß auch nicht, ob sie dies sofort tun konnten oder aus irgendwelchen Gründen warten mussten.
Und schließlich weiß sie auch nicht, was für Umwege ihre Brüder machen müssen, bis sie die Verfolger abgeschüttelt haben und endlich zu ihr und dieser jämmerlichen Hütte zurückzureiten wagen.
Es ist dann an einem späten Abend, als sie einen Reiter kommen sieht. Sie kann ihn nicht sogleich erkennen, denn die Schatten der heranziehenden Nacht holen ihn ein. Doch es dauert nicht lange, dann ist er bei der Hütte und hält das schnaufende und schweißbedeckte Pferd an.
Sie sieht, dass James gekommen ist, der älteste ihrer drei Brüder. Ja, es ist James, der einst Captain in der Rebellenarmee des Südens war.
Er hockt zusammengesunken im Sattel, umklammert das Sattelhorn mit beiden Händen. Sein Atem geht schwer, stöhnend.
»James ...« Mehr bringt Sally nicht hervor. Und sie sieht, dass es nicht mehr der alte James ist, der stets so stolz und geschmeidig im Sattel saß.
Sie tritt an das Pferd heran, legt eine Hand auf den Oberschenkel des Bruders und fühlt das klebrige Blut.
In der nun fast vollkommenen Dunkelheit starrt sie zu ihm empor, versucht etwas zu erkennen. In diesem Moment hört sie James mühsam sagen: »Hilf mir vom Pferd, Schwester. Ich habe eine Kugel im Leib und reite schon einen Tag damit. Hilf mir, Sally.«
Sie tut es schweigend, aber in ihrem Kopf jagen sich die Gedanken. Die Angst um ihre zwei anderen Brüder steigt in ihr auf, doch noch will sie die Hoffnung nicht verlieren.
Und so fragt sie, indes der Bruder neben ihr steht und sie ihn festhält, weil er sonst wie ein Betrunkener schwanken würde: »Wann kommen Kevin und Clint? Habt ihr euch getrennt, um es den Verfolgern schwerer zu machen?«
Nein, sie fragt nicht nach der Beute. Die Sorge um ihre Brüder verdrängt alles andere.
James stöhnt schmerzvoll.
»Lass mich drinnen in der Hütte erst ausruhen. Du musst meine Wunde versorgen und die Kugel herausholen. Hilf mir Sally.«
Sie hilft ihm schweigend in die Hütte und auf das Lager und zündet die Kerze an. Bitter macht sie sich an die Arbeit.
✰✰✰
Eine halbe Stunde später wissen sie beide, dass sie die Kugel nicht herausholen kann. Sie sitzt zu tief in seiner Brust, irgendwo neben dem Herzen. Nur ein Chirurg, der den Bruder aufschneiden und dann wieder zunähen müsste, könnte dies bewältigen.
Überdies hat der Bruder schon so viel Blut verloren, dass er ausbluten würde, schnitte sie die Wunde tief auf oder versuchte sie die Kugel mit einer dünnen Klinge herauszuhebeln.
Sie begreift, dass James verloren ist.
Auch er weiß es nun sicher, als sie sagt: »James, ich kann es nicht. Es geht nicht.«
Er stöhnt schmerzvoll. Dann sagt er mühsam: »Das war's wohl. Es hat nicht geklappt. Wir haben verloren, wir Dee-Brüder. Du nicht, Sally, du aber nicht. Draußen am Pferd hängen zwei Satteltaschen voller Dollars. Nimm sie und verstecke sie gut. Sie sollen dir zu einem völlig neuen Leben verhelfen. Das haben deine Brüder und ich immer für dich gewollt. Geh hinaus und versteck die Beute! Los, sofort!«
Sie erhebt sich folgsam vom Rande seines Lagers, verharrt dann jedoch.
»Geh!« Er befiehlt es ihr mit letzter Kraft.
Und sie gehorcht.
Als sie nach einer Weile wieder in die Hütte tritt, liegt er still da, doch er ist wach. Im Schein der Kerzen sieht sie seine funkelnden Augen. Es ist immer noch eine wilde Energie in ihm. Sein eiserner Wille beherrscht ihn noch.
Sie setzt sich wieder zu ihm und gibt ihm stumm einige Schlucke Wasser zu trinken.
»Und nun?« So fragt sie schließlich. »Willst du mir nicht endlich alles berichten, Bruder?«
Wieder stöhnt er bitter.
Dann beginnt er heiser flüsternd: »Der Überfall klappte gut. Die Bank hatte eine Menge Geld im Tresor. Wir holten es heraus. Doch dann kamen wir nicht mehr heil aus der Stadt. Irgendwie hatten sie mitbekommen, was in der Bank geschah. Wir ritten von der Hauptstraße in eine Gasse, um nicht von rechts und links heißes Blei zu bekommen. Auch sollten sie nicht hinter uns herschießen können. Doch am Ende der Gasse war plötzlich ein Heuwagen. Jemand wollte von den Wiesen mit einer Fuhre Heu in die Stadt herein. Der Wagen verstopfte die enge Gasse. Und da bekamen wir es. Ich entkam allein, und bald waren sie hinter mir her. Kevin und Clint sind tot.«
Er verstummt erschöpft.
Sally begreift in diesem Moment, dass sie bald allein sein wird.
James beginnt wieder zu flüstern: »Sie haben bei Nachtanbruch meine Fährte verloren und mussten anhalten. Sie kennen dieses kleine Tal mit der Hütte gewiss nicht. Also kommen sie erst morgen gegen Mittag. Ich will ausruhen bis zum Morgengrauen. Dann reite ich weiter. Sie werden meiner Fährte folgen. Du kannst unbesorgt hier in der Hütte bleiben. Sie können und werden dir nichts tun. Denn du warst ja nicht mit uns in Hope City. Sie können dir nichts anhaben. Dass du die Schwester von Banditen bist, ist nicht strafbar. Geh hinaus und versorge mein Pferd gut. Es muss morgen wieder frisch sein. Also, Sally ...«
Er spricht nicht weiter, sondern fällt in einen Schlaf, der wahrscheinlich zugleich eine Bewusstlosigkeit ist.
Sally verharrt noch einige Atemzüge lang. Sie möchte weinen, doch sie kann es nicht. Alles, was sie fühlt, ist ein maßloser Hass gegen die ganze Welt.
Ihre drei Brüder waren wieder einmal die Verlierer. Zwei sind bereits tot. Und bald wird es auch James nicht mehr geben.
Sie geht hinaus, um das Pferd des Bruders zu versorgen. Ja, sie wird es abreiben, durchmassieren und auch füttern. In den vergangenen Tagen machte sie Heu mit einer alten Sense.
✰✰✰
Im Morgengrauen hilft sie James in den Sattel. Sie möchte immerzu etwas sagen, doch es ist ihr, als drückte eine unsichtbare Hand ihr die Kehle zu.
Auch James sagt lange nichts.
Erst als er im Sattel sitzt und nicht mehr vor Schmerz stöhnen muss, da spricht er auf Sally nieder: »Jetzt mach etwas aus deinem jungen Leben, Sally. Du bist schön und klug. Du hast viel Geld zur Verfügung für einen guten Start. Trau keinem Menschen. Es wird welche geben, die an dein Geld wollen. Und verliebe dich niemals in einen Kerl, bevor du ihn nicht mehrmals auf die Probe gestellt hast. Die Welt ist viel gemeiner und gnadenloser, als du es dir vorstellen kannst. Denn noch bist du ein dummes Ding aus den Antelope-Hügeln, eine Hinterwäldlerin. Viele werden dich fressen wollen mit Haut und Haaren. Mach's gut, Schwester!«
Er reitet plötzlich an. Sie aber läuft noch einige Schritte hinter ihm und dem Pferd her und verspürt den Wunsch, ihn zurückzuhalten – oder ihm zu sagen, er möge noch warten, bis auch sie ihr Pferd gesattelt hat. Doch sie bekommt kein einziges Wort heraus – nicht mal einen Ton.
Er verschwindet mit den letzten Schatten der nach Westen fliehenden Nacht.
Sie lauscht, bis der Hufschlag seines Pferdes verklungen ist.
Sie begreift, dass sie nun allein ist auf der Welt. Und bald wird das Aufgebot kommen, um der Fährte des Bruders zu folgen.
Wenn er sich zum Kampf stellt – und das wird er gewiss tun, wenn er noch dazu körperlich in der Lage ist –, werden sie ihn töten.
Nun endlich rinnen ihr die Tränen über die Wangen.
Aber tief in ihrem Kern verhärtet sich etwas. Und so wischt sie sich mit den Handrücken die Tränen weg und murmelt: »Verdammt, mag kommen, was da kommen mag, ich werde es ihnen allen zeigen. Der ganzen Welt will ich es zeigen, selbst wenn ich mich mit dem Teufel verbünden muss.«
✰✰✰
Es ist gegen Mittag, als sie das Aufgebot von Hope City kommen sieht. An der Spitze reitet ein Halbblutmann als Scout, aber während der langen Nacht hat auch er der Fährte nicht folgen können. Dies verhalf James zu einer langen Ruhepause.
Hinter dem Scout folgen ein Sheriff und neun weitere Reiter.
Sally steht vor der Hütte, als sie heranreiten und die Pferde verhalten. Sie bilden einen Halbkreis und halten ihre Waffen bereit.
Der Sheriff fragt barsch: »Ist er in der Hütte? Wir wissen dass er angeschossen ist und viel Blut verloren hat. Liegt er dort in der Hütte, weil er nicht mehr weiter konnte?«
»Dann müssten Sie sein Pferd sehen – oder?« Sallys Stimme klingt ganz ruhig und sachlich. Sie hält alle Gefühle tief in sich verborgen. Auch der Blick ihrer grünen Katzenaugen verrät nichts.
Die Reiter starren auf das schöne Mädchen, und sie alle wundern sich, hier in der Einsamkeit bei einer so armseligen Hütte solch ein Mädchen vorzufinden.
Sally blickt in die flintsteinharten Augen des Sheriffs und verspürt in ihrer Magengegend ein ungutes Gefühl.
Sie hört ihn heiser sagen: »Hank! Joe! Seht drinnen nach!«
Zwei der Reiter schwingen sich aus den Sätteln und gehen mit gezogenen Colts in die Hütte.
Der Sheriff aber starrt von seinem Pferd auf Sally nieder.
»Wer sind Sie? Was tun Sie hier?«
Sie gibt noch keine Antwort. Ihr Blick beobachtet nun den Scout, der ebenfalls absaß, die Hütte umkreiste und auch drüben bei den Corrals nach Spuren suchte. Nun kommt er zurück und sieht zum Sheriff hoch.
»Ich sah die Spuren von drei Männern außer ihren Spuren«, sagt er und deutet bei seinen beiden letzten Worten auf Sally. »Hier waren außer ihr noch drei Männer. Und zurück kam nur einer. Ich denke, sie kamen von hier nach Hope City. Sie aber hat hier gewartet. Die Spuren sind zumeist alt, aber noch gut erhalten. Ich kann mich nicht irren.«
Nun starren sie alle noch intensiver auf Sally.
»Stimmt das?« Der Sheriff fragt es hart.
Sally hebt ihre Schultern und lässt sie wieder sinken.
»Es sind meine Brüder«, erwidert sie. »Ist es strafbar, wenn eine Schwester drei Brüder hat, die sich von ihr nichts sagen lassen?«
Sie alle schweigen.
Nur die Pferde stampfen und schnauben. Sporen und Zaumzeug klirren ein wenig. Doch sonst ist eine unheilvolle Stille.
Der Scout aber deutet nach Westen.
»Seine Fährte führt nach Westen«, sagt er. »Sein Pferd ist noch dasselbe. Ich erkenne es an den unverwechselbaren Hufabdrücken. Ja, er ist weiter. Aber er konnte sich eine lange Nacht ausruhen, er und sein Pferd. Wenn wir ihn einholen wollen, müssen wir sofort weiter. Das wird noch ein hartes Reiten. Er ist zäher, als ich dachte. Dabei verlor er viel Blut. Es tropfte am Anfang sogar von seinem Pferd. Der ist sehr zäh. Und sie wird ihm die Wunde gut versorgt haben.«
Wieder deutet er bei seinen letzten Worten auf Sally.
»Ihr werdet ihn nicht einholen«, spricht diese. »Ja, ich habe ihm die Wunde gut versorgt. Das war als Schwester ja wohl meine Pflicht – oder? Habe ich mich dadurch strafbar gemacht?«
Nun ist in ihrer spröde klingenden Stimme ein kaum spürbarer Spott.
Der eisgraue Sheriff verzieht keine Miene.
Er nickt jenen beiden Männern zu, die er in die Hütte schickte und die inzwischen noch nicht wieder aufsaßen, sondern noch bei ihren Pferden stehen.
»Hank! Joe! Ihr bleibt hier. Versucht herauszufinden, ob der Bursche die Beute hier bei seiner Schwester ließ. Das könnte sein. Passt gut auf sie auf.«
Nach diesen Worten nickt er dem Scout zu. »Weiter, Whip-Pete, weiter!«
Der Scout, der an seinem Hut eine wippende Feder stecken hat, schwingt sich in den Sattel und reitet an.
Der Sheriff und sieben Reiter folgen ihm.
Hank und Joe bleiben bei Sally zurück.
Sie erwidert ihre Blicke und weiß sofort, dass die beiden zu der miesen Sorte gehören, vor der kein Mädchen sicher ist, weil sie stets alles versuchen und sich nicht so einfach abweisen lassen.
Sie aber, Sally, wird mit ihnen vielleicht sogar mehrere Tage und Nächte allein sein. Und für diese Kerle ist sie nichts anderes als die Schwester von Banditen, also kein ehrenwertes Mädchen.
Als der Hufschlag der Pferde verklingt, sagt einer von ihnen grinsend: »He, Süße, da hast du aber Glück gehabt, dass der Sheriff uns bei dir ließ. Denn von uns kann eine Süße deiner Sorte eine ganze Menge erwarten, wenn sie nur entgegenkommend genug ist. Es wird also alles an dir liegen. Aber zuerst möchten wir was essen. Na los, bewirte uns wie liebe Gäste. Wir haben auch jede Menge Proviant mitgebracht, wenn du damit zu knapp sein solltest.«
»Nein«, erwidert sie kühl. »Wir haben hier vor einigen Tagen ein Rind geschlachtet. Ich kann euch riesengroße Steaks machen.«
Nach diesen Worten verschwindet sie in der Hütte.
Drinnen verharrt sie und versucht, ihre sich jagenden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen.
Sie weiß schon jetzt genau, was kommen wird.
Die Kerle werden nicht nur nach der Beute suchen, weil damit zu rechnen ist, dass James sie hier vielleicht zurückgelassen hat. Nein, die beiden Burschen werden sie bedrängen und bald schon ihre letzten Hemmungen überwinden.
Sie muss mehrmals hart würgend schlucken, doch sie weint nicht.
Als sie wenig später die Steaks in den Pfannen zischen lässt, da überlegt sie, ob die beiden Kerle die versteckte Beute finden könnten. Doch das glaubt sie nicht. Sie hat die beiden Satteltaschen voller Dollars gut versteckt. Sie liegen im sandigen Bett des nahen Creek. Nur sie kennt die Stelle. Es gibt keine Spuren. Nein, sie werden die Beute nicht von selbst finden können.
Wenig später kommen sie herein und hocken sich an den Tisch.
Sally bedient sie schweigend und sieht dann an der Wand lehnend zu, wie sie die Steaks zu essen beginnen. Beide holen sie ihre scharfen Messer aus den Stiefelschäften. Und beide tragen sie ihre Revolver auch jetzt noch.
Immer wieder starren die beiden Burschen sie gierig an, indes sie kauen. Sally kann unschwer ihre Gedanken erraten.
Einer, der mit der Messerspitze ein Stück Fleisch in den Mund schob, kaut einige Male und deutet dann mit der Messerspitze auf Sally. Kauend grinst er und sagt schließlich langsam: »Ich bin Hank – und der da ist Joe. Wenn du uns sagst, wo die Beute versteckt ist, dann reiten wir sofort wieder weg. Sieh, dort draußen stehen immer noch unsere Pferde. Wir haben sie noch gar nicht abgesattelt. Du kannst uns verdammt schnell wieder loswerden, Süße. Na?«
Das »Na?« klingt gierig, und in seinen Augen erkennt sie alles.
Diese beiden Kerle ritten gewiss mit dem Aufgebot, weil die Bank eine Belohnung ausgesetzt hat. Doch sie würden lieber die gesamte Beute an sich bringen.
Sie schüttelt den Kopf.
»Mein Bruder ließ nichts bei mir zurück«, spricht sie ruhig. »Ich musste nur seine Wunde versorgen. Dann ritt er weiter. Er ließ mir nicht einen einzigen Dollar hier. Ihr könnt nachsehen, wenn ihr mir nicht glaubt.« Die letzten Worte spricht sie schnippisch. »Verdammt«, fügt sie hinzu, »er hat selbst mir keinen einzigen Dollar zurückgelassen, obwohl ich seine Schwester bin.« Als sie verstummt, grinsen die Kerle böse und gierig zugleich.
»Nun«, sagt jener, den Hank Joe nannte, »wenn du kein Geld zu bieten hast, wirst du uns auf andere Weise entschädigen müssen. Denn etwas muss für uns bei der Geschichte schon herausspringen. Du bist eine verdammt hübsche grünäugige Katze, ganz anders als die Flittchen, die man sich in jeder Stadt für ein paar Dollars kaufen kann. Hank und ich, wir werden darum würfeln, wer von uns zuerst mit dir das Paradies erleben soll. Na, immer noch nicht bereit, uns die Beute zu überlassen?«
Seine Stimme höhnt nun gnadenlos.
Ja, sie wollen sie zerbrechen, in Panik versetzen. Sie haben sofort dieses gnadenlose Spiel begonnen und werden nicht mehr aufhören damit.
Sie möchte zur offenen Tür laufen und die Flucht ergreifen. Aber ihr Verstand sagt ihr, dass sie nicht weit kommen würde.
Die Brüder ließen sie vor Tagen auch nicht waffenlos zurück. Neben der Tür lehnt ein Spencer-Karabiner an der Wand. Sie kann gut damit umgehen. Doch sie bekäme ihn nicht schnell genug in die Hände und schussbereit.
»Und was wird der Sheriff sagen, wenn ihr euch mir gegenüber wie verdammte Mistkerle benehmt?« So fragt sie spröde und hart.
Nun lachen sie beide so heftig, dass sie sich an ihren Fleischbissen fast verschlucken. Dann aber sagt Hank trocken: »Süße, deine Brüder haben sich in Hope City den Weg freigeschossen und einige Tote zurückgelassen, darunter auch den Bruder des Sheriffs. Und deshalb wird der Sheriff alles billigen, was wir mit dir anstellen. Und überdies können wir auch alles abstreiten. Du hast keine Chance, Süße. Du gehörst uns. Und nur, wenn die Beute hier versteckt ist und du sie uns übergibst, kannst du dich freikaufen. Ja, freikaufen! Denn dann hast du unser Wort, dass wir dich nicht anrühren.«
»Euer Wort ...«, faucht sie verächtlich.