G. F. Unger Western-Bestseller 2577 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2577 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Sycamore Kennan den Rauch wittert, hält er in guter Deckung an und verharrt eine Weile. Wer ihn da so auf seinem narbigen Wallach verharren und wittern sieht, der wird sich schnell darüber klar, wie sehr dieser Mann mit dem Land hier vertraut ist und in ihm zu leben versteht.
Es ist später Nachmittag, fast schon Abend. Aber die sengende Hitze des Tages ist noch überall.
Sycamore Kennan ist ein Weißer, und dennoch könnte man ihn auf den ersten Blick für einen etwas zu groß geratenen Comanchen halten. Erst die hellgrauen Augen machen klar, dass er mit Sicherheit kein Indianer ist. Als er absitzt, fällt auf, dass er keine Sporen trägt.
Er zieht das Gewehr aus dem Sattelfutteral und lockert den Colt im Holster. Dann macht er sich auf den Weg.
Er nimmt sich Zeit - und er bleibt nicht auf der Fährte, der er bisher folgte. Er schlägt einen Viertelkreis und nähert sich dem Feuer von Süden her, nicht mehr von Osten. Als er den Rand der Senke erreicht, verharrt er.
Rings um die Wasserstelle sind die Pferde versammelt, drei Dutzend erstklassige Tiere, ausgesucht aus mehr als hundert anderen. Sie sind auch schon halbwegs zugeritten und bedeuten einen Wert von gewiss mehr als zweieinhalbtausend Dollar, wahrscheinlich dreitausend. Denn es sind wirklich alles ausgesuchte Tiere.
Sycamore Kennan und seine beiden Partner haben fast ein halbes Jahr gebraucht, um die Pferde so weit zu bekommen, dass sie zum Verkauf gebracht werden konnten.
Nun sind die beiden Partner tot.
Und ihre Mörder sitzen dort unten am Feuer, ruhen sich aus und lassen auch die geraubten Pferde ausruhen ...


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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Der Wildpferdjäger

Vorschau

Impressum

Der Wildpferdjäger

Als Sycamore Kennan den Rauch wittert, hält er in guter Deckung an und verharrt eine Weile. Wer ihn da so auf seinem narbigen Wallach verharren und wittern sieht, der wird sich schnell darüber klar, wie sehr dieser Mann mit dem Land hier vertraut ist und in ihm zu leben versteht.

Es ist später Nachmittag, fast schon Abend. Aber die sengende Hitze des Tages ist noch überall.

Sycamore Kennan ist ein Weißer, und dennoch könnte man ihn auf den ersten Blick für einen etwas zu groß geratenen Comanchen halten. Erst die hellgrauen Augen machen klar, dass er mit Sicherheit kein Indianer ist. Als er absitzt, fällt auf, dass er keine Sporen trägt.

Er zieht das Gewehr aus dem Sattelfutteral und lockert den Colt im Holster. Dann macht er sich auf den Weg.

Er nimmt sich Zeit – und er bleibt nicht auf der Fährte, der er bisher folgte. Er schlägt einen Viertelkreis und nähert sich dem Feuer von Süden her, nicht mehr von Osten. Als er den Rand der Senke erreicht, verharrt er.

Rings um die Wasserstelle sind die Pferde versammelt, drei Dutzend erstklassige Tiere, ausgesucht aus mehr als hundert anderen. Sie sind auch schon halbwegs zugeritten und bedeuten einen Wert von gewiss mehr als zweieinhalbtausend Dollar, wahrscheinlich dreitausend. Denn es sind wirklich alles ausgesuchte Tiere.

Sycamore Kennan und seine beiden Partner haben fast ein halbes Jahr gebraucht, um die Pferde so weit zu bekommen, dass sie zum Verkauf gebracht werden konnten.

Nun sind die beiden Partner tot.

Und ihre Mörder sitzen dort unten am Feuer, ruhen sich aus und lassen auch die geraubten Pferde ausruhen ...

Es sind fünf Mann, ja, fünf!

Und Sycamore Kennan ist allein.

Eine Weile verharrt er. Und er weiß, was sein wird, wenn er gleich loslegt.

Aber kann er die Mörder mit ihrer Beute laufen lassen?

In einer zivilisierten Welt könnte er die Hilfe des Gesetzes in Anspruch nehmen.

Hier aber gibt es kein Gesetz.

Hier ist Apachen- und Banditenland.

Hier ist jeder Mensch sein eigener Hüter. Und wenn er nicht kämpfen kann, dann geht er unter, weil es keine Gnade gibt unter allen Lebewesen.

Als Sycamore Kennan sich erhebt am Rand der Senke, da hat er das durchgeladene Gewehr in der Rechten. Er hält es wie einen Revolver um den Kolbenhals gepackt und hat den Finger am Abzug.

Mit der Linken zieht er den Colt.

Einer der Kerle sieht vom Feuer aus die Bewegung am Rand der Senke.

Er brüllt auf, spuckt dabei prustend aus, was er an Speise im Mund kaute, und springt hoch. Er zieht den Colt und will schießen.

Doch da trifft ihn die Gewehrkugel.

Sycamore Kennan lässt das Gewehr sinken, schießt weiter mit dem Colt.

Die vier noch lebenden Kerle werfen sich nach den Seiten, rollen vom Feuer weg. Einer tritt die Kaffeekanne dabei ins Feuer, und der Inhalt der Kanne verwandelt sich zischend in Dampf, der die Sicht verschlechtert.

Die vier Banditen schießen nun, erwidern das Feuer ihres Verfolgers.

Sie sind überzeugt, dass sie um ihr Leben kämpfen. Obwohl sie nur einen einzigen Mann sehen, glauben sie sich umstellt.

Es wird ein schrecklicher Kampf.

Von den Kugeln wird auch eines der Pferde getroffen.

Und die ganze Herde rast davon und lässt Staubwirbel zurück.

Sycamore Kennan lässt den leer geschossenen Colt fallen. Nun feuert er wieder mit seinem Spencer-Karabiner, den er immer wieder durchlädt.

Als er den letzten Schuss heraushat, rührt sich dort unten nichts mehr.

Aber auch er wurde getroffen.

Aus seiner zuletzt knienden Haltung legt er sich auf die Seite. Oh, er muss erst einmal ausruhen, den Schock und die Schmerzen bekämpfen.

Ja, sie haben ihn ziemlich böse angeschossen.

Was nützt es ihm, dass er den Kampf gewann?

Ohne fremde Hilfe wird wahrscheinlich auch er nicht überleben können.

Und die Pferde sind nun fort. Da man sie in den nächsten Tagen nicht wieder einfangen kann, werden sie bald wieder eine umherschweifende Wildpferdherde sein, angeführt von Black Jack, dem herrlichen Hengst.

Ja, so wird es kommen.

✰✰✰

Spanish Cruz bekam seinen Namen, weil die alten Spanier damals neben dem Stollenloch der Mine ein großes Kreuz in die rote Wand der Mesa meißeln ließen.

Die alte Siedlung erlebte dann in den fast dreihundert Jahren immer wieder eine Blütezeit. Überall in der Umgebung fand man Gold und Silber. Dann wieder wurde alles von Apachen oder Banditen zerstört.

Doch immer wieder kamen Leute, die alles aufbauten und wieder in Gang brachten. Nach den Spaniern waren die Mexikaner die Herren – und nun wurde dieses Land schon vor einer Weile Territorium der Union, das Arizona-Territorium.

Boston McLaine gießt wie an jedem Morgen ihren Gemüsegarten, welcher jetzt noch im Schatten der Mesa liegt. Sie wird ihn auch noch am Abend gießen müssen. Denn die Hitze des Tages – wenn die Sonne hoch am Himmel steht – saugt den Pflanzen alle Feuchtigkeit heraus.

Jeff, ihr achtjähriger Sohn, hilft ihr dabei.

Sie holen Wasser aus einem Brunnen, der bis zu einer unterirdischen Quelle reicht und herrliches Wasser spendet.

Es gibt noch einige andere Leute in Spanish Cruz, und sie alle leben von den Banditen und Geächteten zu beiden Seiten der Grenze, die sich dieses Land als Zuflucht wählten und immer wieder hier vorbeikommen.

Und insgeheim hoffen die wenigen Einwohner von Spanish Cruz, dass man eines Tages wieder Gold oder Silber in einer der alten Minen findet – und dass dann der große Run wieder losbricht.

Als Boston McLaine mit den beiden leeren Kannen zum Brunnen geht, um sie sich dort von Jeff füllen zu lassen, sieht sie den Reiter kommen.

Mit einem einzigen Blick kann sie erkennen, dass der Mann sich mit letzter Kraft auf dem Pferd hält. Wahrscheinlich kann er das Tier gar nicht mehr lenken. Es kommt gewiss nur deshalb so zielstrebig daher, weil es das Wasser wittert.

Der Mann schwankt im Sattel und hat mit beiden Händen das Sattelhorn umklammert.

Jeff, der kleine Junge, sagt nun wie ein sehr viel größerer und älterer: »Sieh, Mom, den hat es böse erwischt, nicht wahr? Der hat es nur noch mit Glück bis zu uns geschafft. Wer mag er sein?«

Jeff ist erst acht Jahre, aber er will stets schon wie ein Mann reden. Sein größter Wunsch wäre es, um mindestens fünf Jahre älter zu sein. Denn dann wäre er schon fast ein Mann und könnte seiner Mom viel mehr helfen – ja, er könnte sie sogar schon beschützen.

Indes bringt das Pferd den fast bewusstlosen Mann heran und verhält, schnaubt und scharrt mit einem Vorderhuf, so als wollte es um Hilfe für den Reiter bitten.

Der Mann öffnet die Augen.

Er richtet sich auch wieder etwas auf. Boston McLaine erkennt die Kugellöcher und das getrocknete Blut.

Und sie hört seine heisere Stimme mühsam sagen: »Ma'am, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir ein wenig helfen würden. Ein Schluck Wasser würde mich gewiss so weit erfrischen, dass ich vom Pferd kommen könnte, ohne zu fallen.«

Er hat es kaum ausgesprochen, als ihm der Junge vom Brunnen her die hölzerne Schöpfkelle voll Wasser bringt. Aber Boston nimmt ihrem Sohn die Kelle ab und reicht sie hinauf.

Der Fremde trinkt dankbar. Sie beobachten ihn aufmerksam.

Das Wasser erfrischt ihn sichtlich. Aus seinem innersten Kern strömt noch einmal Kraft. Boston begreift, dass dieser Fremde ein Mann ist, der erst richtig in Gang kommt, wenn andere aufgeben.

Er sieht sich nun um, und sein Blick wird schärfer und klarer.

Dann fragt er: »Ma'am, ich habe zumindest eine Kugel in mir sitzen. Könnten Sie mir das Ding vielleicht rausholen? Oder gibt es sonst jemanden hier, der ...«

Sie unterbricht ihn, um ihn nicht unnötig seine Kraft verschwenden zu lassen.

»Nein, Mister – es gibt sonst niemanden hier, der das tun würde. Aber ich will es gerne versuchen. Und Sie haben sogar Glück. Denn ich habe schon mehr als eine Schusswunde behandelt und auch schon Kugeln entfernt. Ich habe sogar die notwendigen Instrumente. Kommen Sie vom Pferd herunter. Ich helfe Ihnen. Bis zum Haus sind es ja nur zwei Schritte. Na?«

Sie kann sehen, wie er noch einmal alle Energie mobilisiert.

Dann schwingt er sich vom Pferd. Sie ist bereit, ihn aufzufangen und seinen Sturz abzumildern, sollte dies notwendig sein.

Doch er fällt nicht, bleibt jedoch einige Atemzüge lang beim Pferd stehen und hält sich an dem Tier fest.

Sie hört ihn schnaufen, gepresst stöhnen.

Jeff bringt noch einmal das frische Wasser in der Schöpfkelle vom Brunnen.

Boston gießt es dem Fremden in den Nacken. Dabei wird ihr klar, wie groß der Mann ist. Denn sie muss die Schöpfkelle ziemlich hochheben. Aber dieser kalte Nackenguss mobilisiert nochmals Energie in diesem Manne. Er wendet sich vom Pferd ab und setzt sich in Bewegung.

»Gehen Sie nur voraus, Ma'am«, spricht er heiser. »He, Junge, kümmere dich um das Pferd, ja? Es ist ein gutes Pferd.«

»Ja, das sehe ich«, erwidert Jeff. »Es ist ein Kriegspferd, nicht wahr?«

Aber der Fremde gibt keine Antwort. Er hat seine ganze Energie wahrscheinlich nur noch darauf gerichtet, zum Haus und in dieses hineinzukommen.

Und er schafft es.

Ja, wahrhaftig, er schafft es.

✰✰✰

Als er irgendwann aus seinen Fieberträumen erwacht, da vermag er sich nur mühsam an alles zu erinnern.

Und als er schließlich den Kopf wendet, da sieht er den Jungen an seinem Lager hocken – einen Jungen mit ernsten Augen und einer Menge Sommersprossen im Gesicht, einen rothaarigen Jungen, der ihm auf den ersten Blick gefällt.

»Jetzt sind Sie wohl wieder beieinander, Mister«, sagt der Junge. »Ich soll Ihnen diesen Tee zu trinken geben, sobald Sie wach genug sind, um sich nicht zu verschlucken.«

Er hält ihm eine kleine Schnabelkanne an den Mund.

Sycamore Kennan schluckt, und der Tee lässt die Trockenheit in seinem Mund schwinden. Er trinkt einige Schlucke und behält jeden Schluck eine Weile im Munde.

Dann klingt seine Stimme auch nicht mehr so heiser, als er sagt: »Danke, Junge, danke. Das tut gut. Und die Kugel ist wohl auch raus aus meiner Schulter?«

»Auch die im Bein«, sagt Jeff. »Sie hatten auch eine im Bein – in den Muskeln des Oberschenkels. Mit wem haben Sie denn gekämpft, Mister? Mit Apachen oder Banditen?«

»Mit Pferdedieben«, murmelt Sycamore Kennan.

Er sieht zur Tür, die halb geöffnet war. Die Frau erschien in dieser halb offenen Tür und hielt inne, um zuzuhören. Er begreift, dass seine Gastgeber sehr daran interessiert sind, zu erfahren, wer ihm die Kugeln verpasste.

Und so wiederholt er etwas lauter: »Mit Pferdedieben kämpfte ich, Junge – mit Mördern und Pferdedieben, die meine beiden Partner töteten, indes ich abwesend war. Ich verfolgte sie zwei Nächte und zwei Tage. Aber leider schossen auch sie mich sehr böse an, sodass ich mich nicht mehr um die geraubten Pferde kümmern konnte. Ich verlor die ganze Herde. Aber sie wird gewiss in diesem Land bleiben, wenn es hier genügend Wasserstellen gibt. Vielleicht kann ich sie wieder einfangen. Erst muss ich jedoch gesund werden. Ma'am, ich mache Ihnen schon jetzt viel Mühe. Doch ich kann für alles zahlen. Wenn ich hier bei Ihnen bleiben kann, bis es mir möglich ist, wieder ...«

»Schon gut«, unterbricht sie ihn, und ihre Stimme klingt ein wenig herb und kühl. »Ich habe Ihre Kleidung gewaschen und in Ordnung gebracht, so gut mir dies möglich war. Dabei fand ich auch den Lederbeutel mit dem Geld. Mister, ich werde von Ihnen pro Tag einen Dollar nehmen. Darin ist die Pflege, Essen und das Versorgen Ihres Pferdes eingeschlossen. Gut so?«

»Ein fairer Preis«, murmelt er. »Ich schulde Ihnen allein schon für die Wundpflege und das Entfernen der Kugeln das Honorar eines Arztes.«

Da schüttelt sie den Kopf.

»Haben Sie Hunger?« So fragt sie.

Er scheint in sich hineinzulauschen. Dann sieht sie ihn nicken.

»Ja, ich glaube, ich habe Hunger«, murmelt er. »Und mein Name ist Sycamore Kennan, Ma'am.«

»Ich bin Boston McLaine«, erwidert sie. »Das hier ist mein Sohn Jeff.«

»Und Ihr Mann?« So fragt er.

Aber sie gibt ihm keine Antwort, sondern verschwindet wieder.

Sycamore Kennan und der Junge blicken sich an.

»Wo ist dein Vater?« So fragt Kennan nach einer Weile.

Jeff zögert. Dann erwidert er: »Mein Vater ritt vor zwei Jahren hinüber nach Mexiko. Seitdem warten wir hier auf ihn. Aber bald bin ich groß genug. Dann brauchen wir nicht länger zu warten.«

Als er verstummt, kommt Boston McLaine mit einer Schüssel und einem Löffel herein. Sie hört die Worte ihres Sohnes und spricht noch herber als zuvor: »Jeff, dein Vater wäre schon längst zurückgekommen, wenn ihm dort drüben in Mexiko nichts zugestoßen wäre. Irgendwas muss ihn davon abgehalten haben, heimkehren zu können. Ein Mann wie er hätte uns nicht einfach so ...«

Die Stimme versagt ihr.

Erst nachdem sie sich auf den Bettrand setzte, spricht sie wieder. »Aaah, das geht Sie ja wohl nichts an, Kennan, nicht wahr? Hier, essen Sie. Lassen Sie sich von mir füttern. Sie dürfen sich noch nicht bewegen. Besonders die Schulterwunde würde wieder zu bluten beginnen. Sie muss sich erst fester schließen. Und Sie bezahlen ja für die Pflege und Hilfe.«

Er erwidert nichts. Folgsam lässt er sich füttern. Doch so sehr seine Not ihn auch davon abhält, sich mit anderen Menschen zu beschäftigen, so weiß er doch schon, dass diese Frau ziemlich einsam und verbittert ist.

Er kann sie nun aus nächster Nähe betrachten.

Eigentlich gefällt ihm alles an ihr, besonders ihre grünen Augen. Und ihr Haar glänzt wie poliertes Rotgold. Auch sie hat ein paar Sommersprossen auf der Nase. Ihr Mund ist ausdrucksvoll, sehr lebendig und vital.

Ja, sie gefällt ihm. Eigentlich ist er bisher noch niemals einer Frau begegnet, die ihm so gefiel.

Aber sie hat einen Mann, der vor zwei Jahren nach Mexiko ritt.

Und sie hat einen Jungen von etwa acht Jahren.

Wie alt kann sie sein? Er schätzt, dass sie kaum älter als sechsundzwanzig ist, also nur etwa vier Jahre jünger als er.

Doch wenn sie hier schon zwei Jahre wartet – nun, dann waren das sicherlich zwei verlorene Jahre.

Es muss schlimm gewesen sein für sie, in diesem Lande und in diesem trostlosen Nest hier zwei Jahre zu warten.

Und warum kam sie damals mit Mann und Kind überhaupt her?

Mit dieser Frage in seinen Gedanken schläft er wenig später wieder ein. Denn seine Erschöpfung ist noch zu groß.

✰✰✰

Er wird gut gepflegt, aber er ist auch ein Mann, der sich wunderbar schnell erholt, so als wäre er aus einer besonderen Substanz gemacht, die sich in geheimnisvoller Weise sehr viel schneller erneuern kann, als es normalerweise möglich ist.

Schon am fünften Tag sitzt er vor dem Haus auf der Bank und sieht Boston McLaine und deren Jungen zu, wie sie den Gemüsegarten bewässern. Dann melkt Boston die Kuh. Und etwas später schließlich unterrichtet sie Jeff wie eine Lehrerin, lässt ihn rechnen, lesen, schreiben und gibt ihm dann einige Aufgaben, mit denen er sich selbst beschäftigen muss.

Dies alles geschieht unter dem Verandadach, indes die Sonne über die Klötze der Mesas steigt und den Tag heiß macht.

Sycamore Kennan beobachtet den Jungen von der Seite her. Er sitzt ja nur vier oder fünf Schritte daneben.

Und er denkt: Diese Boston McLaine – die wartet hier auf die Rückkehr ihres Mannes, der nach Mexiko verschwand. Und sie unterrichtet ihren Sohn wie eine Lehrerin. Ob sie mal eine war? Aaah, auch ich wurde damals von meiner Mom unterrichtet daheim in Texas. Auch bei uns gab es keine Schule. Aber ich lernte alles, was ein halbwegs gebildeter Mensch wissen muss. Ich konnte mit zwölf Jahren sogar schon den Rauminhalt eines abgestumpften Kegels berechnen und – oooh, ich habe meiner Mom auch in dieser Hinsicht viel zu danken. Und dieser Jeff da wird dies auch eines Tages tun.

Als er mit seinen Gedanken so weit ist, wendet Jeff den Kopf und blickt ihn an, wobei er am Ende des Bleistiftes nagt, mit dem er dann und wann auf braunes Packpapier schreibt, welches ihm das Schulheft ersetzt.

»He, Mister Kennan«, sagt Jeff plötzlich, »können Sie lesen, schreiben und rechnen?«

»Gewiss, Jeff, das kann ich.«

»Und wissen Sie, wie viele Länder und Erdteile es gibt und wo die alle liegen?«

»Auch das weiß ich, Jeff.«

»Und zu was ist das gut? Ich meine, zu was muss man das wissen? Ist es nicht wichtiger, wenn ich weiß, dass ich nicht auf eine Klapperschlange treten darf und aufpassen muss, dass mein Pferd kein Locokraut frisst? Und ist es nicht viel wichtiger, dass ich gut kämpfen kann und ...«

»Alles ist wichtig, Jeff – alles.«

Jeff kaut wieder eine Weile an seinem Bleistift.

Dann sagt er: »Vielleicht können Sie gar nicht besonders gut rechnen, Mister Kennan. Wenn Sie zwei Drittel und drei Fünftel zusammenrechnen sollen, was müssen Sie dann tun?«

Sycamore Kennan grinst. Wieder einmal mehr freut er sich über die List dieses kleinen Burschen.

»Du musst die Brüche gleichnamig machen«, erwidert er. »Doch ich werde dir deine Aufgabe nicht ausrechnen. Ein Mann muss mit Schwierigkeiten selbst zurechtkommen. Das gilt auch fürs Rechnen.«

»Na schön, Mister«, erwidert Jeff und beugt sich wieder über seine Rechnerei.

Aber plötzlich hebt er den Kopf und blickt Kennan wieder an.

»Werden Sie auch mit Ihren Schwierigkeiten fertig, Mister – ich meine, die jetzt vorhandenen?«

Es ist eine fast schon tückische Frage.

»Oh, mein Junge«, murmelt Kennan nachsichtig, »wenn du meine Pferde meinst, die jetzt irgendwo in diesem Land herumlaufen, geführt von Black Jack, dem herrlichen Hengst – nun, die werde ich schon wiederbekommen. Ja, die fange ich wieder ein.«

»Aber ohne unsere Hilfe wären Sie vielleicht schon tot, nicht wahr? Also konnten Sie nicht allein mit Ihren Schwierigkeiten fertig werden, Mister.«

Kennan gibt ihm keine Antwort, sieht ihn nur an.

Jeff bekommt einen roten Kopf.

Dann sagt er anklagend: »Aber mich lassen Sie hier mit dieser verdammten Rechenaufgabe allein. Mir hilft niemand. Verdammt!«

»Nein, dir hilft niemand«, brummt Kennan. »Obwohl ich dir schon sagte, dass du ungleiche Brüche gleichnamig machen sollst, hilft dir niemand. Aus Dritteln und Fünfteln könnten Fünfzehntel werden, wenn man nur richtig nachdenkt. Und ...«

»Danke, Mister. Ich hab's!«

Jeff sagt es knirschend.

Aber dann werden sie abgelenkt. Denn sie sehen nun eine Reiterschar kommen. Es sind genau sieben Reiter, und sie reiten langsam auf völlig erschöpften Pferden heran. Sycamore Kennan kennt sich aus mit Pferden und Reitern. Deshalb weiß er, dass er da ein Rudel Langreiter kommen sieht.

Denn die jetzt so erschöpften Pferde sind dennoch von allerbester Sorte. Es sind Tiere, auf denen man mit nur kurzen Reitpausen dreihundert Meilen weit reiten kann. Und die Männer gehören zu der Sorte, die dreihundert Meilen im Sattel zu bleiben vermag ohne größere Pausen.

Nun gibt es jedoch unter den Langreitern zwei Sorten von Männern.

Die eine Sorte reitet nach einem geglückten Coup – zum Beispiel einem Banküberfall – lange und weit genug, bis alle Verfolger nicht mehr können und die Verfolgung aufgeben.