G. F. Unger Western-Bestseller 2591 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2591 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist später Herbst, als sie im Morgengrauen ihre Claimhütte verlassen. Die klare Nacht, die vom grauen Morgen nach Westen gedrängt wird, hinterlässt einen dichten Nebel, der wie kalter Rauch das Land bedeckt und die Sicht auf wenige Yards beschränkt. Doch Dan Roswell kennt das Land inzwischen gut genug, um sich auch im dichten Nebel zurechtfinden zu können.
Er hat das Packpferd an der Leine, auf dem sie außer ihrer wenigen Habe auch das Gold transportieren, das sie in den vergangenen zwei Jahren in mühevoller Arbeit aus Ihrem Claim holten.
Es war kein besonders guter Claim. Er brachte im Schnitt etwa fünfzehn Dollar pro Tag ein. Und das Leben war teuer in der Last Chance Gulch im nordwestlichen Montana, sehr teuer.
Dennoch können sie zufrieden sein. Ihr Gold wird ihnen ‑ wenn sie es in Fort Benton eintauschen ‑ um die zehntausend Dollar einbringen.
Zehntausend Dollar! Immer wieder denkt Esther Roswell daran, und sie möchte jubeln, triumphieren vor Glück. Nun werden sie heimkehren nach Texas und sich im Pecos‑Land in einem der Täler der Davis Mountains eine Ranch aufbauen. Es wird eine große Ranch werden, denn zehntausend Dollar sind in Texas eine riesige Menge Geld. Sie werden sich ein schönes Haus bauen. Sie wird wieder Kleider tragen. Ein neues Leben wird beginnen.
Sie müssen jetzt nur noch den Goldwölfen entkommen ...


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Seitenzahl: 163

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Gold-Lady

Vorschau

Impressum

Gold-Lady

Es ist später Herbst, als sie im Morgengrauen ihre Claimhütte verlassen. Die klare Nacht, die vom grauen Morgen nach Westen gedrängt wird, hinterlässt einen dichten Nebel, der wie kalter Rauch das Land bedeckt und die Sicht auf wenige Yards beschränkt. Doch Dan Roswell kennt das Land inzwischen gut genug, um sich auch im dichten Nebel zurechtfinden zu können.

Er hat das Packpferd an der Leine, auf dem sie außer ihrer wenigen Habe auch das Gold transportieren, das sie in den vergangenen zwei Jahren in mühevoller Arbeit aus Ihrem Claim holten.

Es war kein besonders guter Claim. Er brachte im Schnitt etwa fünfzehn Dollar pro Tag ein. Und das Leben war teuer in der Last Chance Gulch im nordwestlichen Montana, sehr teuer.

Dennoch können sie zufrieden sein. Ihr Gold wird ihnen – wenn sie es in Fort Benton eintauschen – um die zehntausend Dollar einbringen.

Zehntausend Dollar! Immer wieder denkt Esther Roswell daran, und sie möchte jubeln, triumphieren vor Glück. Nun werden sie heimkehren nach Texas und sich im Pecos-Land in einem der Täler der Davis Mountains eine Ranch aufbauen. Es wird eine große Ranch werden, denn zehntausend Dollar sind in Texas eine riesige Menge Geld. Sie werden sich ein schönes Haus bauen. Sie wird wieder Kleider tragen. Ein neues Leben wird beginnen.

Sie müssen jetzt nur noch den Goldwölfen entkommen ...

Als Esther daran denkt, vertraut sie fest auf Dan, ihren Mann, dem sie ins Goldland von Montana folgte.

Daheim in Texas hätten sie nicht mal in zehn Jahren zehntausend Dollar zusammensparen können. Sie ist eine junge Lehrerin gewesen in einer kleinen Stadt. Ganze siebzehn Kinder hatte sie unterrichtet.

Und Dan war aus dem Krieg gekommen, den der Süden verlor.

Wie ein Blitz hatte es sie beide getroffen, als sie sich zum ersten Mal begegneten, und so wurden sie schnell ein Paar. Sie hat es nicht bedauern müssen, selbst nicht während der zwei harten Jahre auf diesem Claim in der primitiven Hütte und obwohl sie wie ein Mann gearbeitet hat.

Nun aber wird bald ein anderes Leben beginnen.

Immer wieder denkt sie daran und folgt Dan Roswell dichtauf, damit sie ihn im dichten Nebel nicht verliert.

O ja, sie ist ganz sicher, dass sie den Goldwölfen entkommen werden, die an allen Wegen und Pfaden auf Goldgräber lauern, die sich mit ihrer Ausbeute aus dem Land zu schleichen versuchen.

Denn dieser graue Nebelmorgen heute, der ist gewiss eine große Chance. Ja, sie werden durchkommen.

Sie gelangen an diesem Nebelmorgen etwa fünf Meilen weit und müssen dann aus der Gulch hinaus auf eine Ebene, auf der nur da und dort Felsgruppen stehen, von der Erosion zernagt und von Tannen umgeben. Aber auch diese Bäume wird man bald fällen, denn der Holzbedarf des Goldlandes ist gewaltig. Aus den einst so primitiven Camps wurden inzwischen Städte.

Sie reiten also aus dem gewaltigen Schlund der Last Chance Gulch hinaus. In diesen Minuten besiegt die Spätherbstsonne endlich den Nebel, frisst ihn gewissermaßen auf, und so beginnt ein wunderschöner Spätherbsttag.

Bis nach Fort Benton sind es etwa zweihundertvierzig Meilen. Esther und Dan Roswell werden etwa fünf bis sechs Tage dafür brauchen. Und dann wollen sie sich auf einem Dampfboot eine Kabine mieten und eine zweite Hochzeitsreise antreten.

Esther möchte laut in den Sonnenmorgen hinausjubeln.

Dann aber kracht ein Schuss. Die Kugel wirft Dan seitlich aus dem Sattel, fegt ihn vom Pferd wie eine unsichtbare Keule.

Und von einem Sekundenbruchteil zum anderen verändert sich für Esther Roswell die Welt.

Auch sie wirft sich vom Pferd, und als sie bei Dan kniet, da erkennt sie sofort, dass er tot ist. Die schwere Kugel eines Büffelgewehrs traf ihn voll.

Solch eine Kugel kann auf dreihundert Yards noch einen Büffelbullen töten.

Dan Roswell hatte keine Chance.

Sie kniet bei ihm, hat seinen Kopf auf ihre Oberschenkel gebettet und ist selbst wie betäubt. Sie möchte schreien, doch sie bringt keinen Ton über die Lippen. Sie weigert sich zu begreifen, was soeben geschehen ist – und dennoch weiß sie es.

Sie haben verloren.

Dan ist tot.

Und gleich werden die Goldwölfe kommen, um sich das Gold zu holen.

Soll sie kämpfen? Soll sie Dans Gewehr nehmen? Es steckt im Sattelschuh von Dans Pferd.

Esther könnte aufspringen und an das Gewehr kommen.

Doch dann würde sie zwar kämpfen können, aber letztlich wie Dan getötet werden.

Sie will aber leben, davonkommen.

Und so verharrt sie bei ihrem toten Mann und wartet.

Sie muss nicht lange warten. Aus der Felsengruppe links von ihnen tauchen einige Reiter auf, die sich im Trab mit schussbereiten Waffen nähern.

Sie sind maskiert, und als sie bei den Roswells sind, sagt einer von ihnen laut genug: »Du bist schlau, Süße. Denn du bist zu hübsch, um zu sterben. Du wirst schon wieder zu was kommen. In diesem Land, wo hundert Männer auf eine Frau kommen, bist du deine eigene Goldader.«

Die anderen Reiter umringen indes das Packpferd. Einer schneidet die Packlast los. Mit dem Lagergerät und dem Proviant fallen auch die acht kleinen Goldsäckchen zu Boden.

Es dauert nicht lange, kaum eine Minute, dann ist Esther mit ihrem toten Mann allein. Nur die Pferde ließen sie ihr. Das Gold nahmen sie mit.

Sie blickt ihnen mit tränenden Augen nach. Und sie fühlt sich so hilflos und verlassen auf dieser Erde, so verdammt allein und voller Schmerz.

Lange, sehr lange hockt sie so.

Dann aber denkt sie: Oh, ich muss ihn beerdigen. Ich kann ihn ja hier nicht so liegen lassen.

Es fällt ihr schwer, sich zu bewegen und etwas zu tun. Sie fühlt sich wie gelähmt, und es ist eine schreckliche Leere in ihr.

Ihr Blick fällt auf die geteerte Zeltplane, in der sie ihre gesamte Packlast eingehüllt hatten. Es ist ihr klar, dass sie Dan ein Stück wird transportieren müssen. Denn sein Grab soll sich nicht so kahl und ungeschützt als Erdhügel neben dem Reitpfad erheben – nein, so soll er nicht seine letzte Ruhestätte finden.

Esther blickt zur Felsengruppe hinüber, aus der die Goldwölfe schossen und dann zum Vorschein kamen.

Ja, dort drüben zwischen den großen Felsen, da wäre ein Platz für Dans Grab. Doch wie soll sie ihn dorthin bringen? Er ist zu schwer. Er wiegt gewiss um die hundertachtzig Pfund, und so kräftig sie auch als Frau ist, sie bekäme ihn nicht über einen Pferderücken. Sie wiegt ja selbst nur um die hundertzwanzig Pfund.

Wieder fällt ihr Blick auf die geteerte Zeltplane.

Ja, sie wird ihn auf diese Plane rollen und sie an einem Lasso mithilfe des Pferdes als Schleppe benutzen. Und dann wird sie ein Grab schaufeln, Dan in die Plane einwickeln und beerdigen.

Tränen rinnen über ihre Wangen.

Doch sie bewegt sich endlich und beginnt schluchzend die traurigste Arbeit ihres Lebens. Dabei denkt sie immerzu an die beiden zwar schweren, doch so glücklichen Jahre mit Dan hier im Goldland der Last Chance Gulch.

Es dauert lange, bis sie Dan zwischen den elefantengroßen Felsen hat.

Da sie keine Schaufeln oder Spaten bei sich hatten, muss sie mit der Bratpfanne zu graben beginnen. Doch die oberste Bodenschicht zwischen den Felsen ist weich. Die Grasnarbe ist nicht dick, und so arbeitet sie mit der Pfanne fast so wie mit einer Handschaufel, wie man sie auch kniend im Garten benutzt, um Blumenstauden einzusetzen.

Immer noch fühlt sie sich wie betäubt und spürt gleichzeitig den Schmerz bis tief in ihren Kern. Dann aber beginnt sich ihr Gefühl allmählich zu wandeln. Heißer Zorn steigt in ihr auf.

Als sie einmal innehält, um zu verschnaufen, stößt sie hervor: »Oh, ihr verdammten Hurensöhne, die Hölle soll euch fressen! Wenn ich eine Chance hätte, euch zu finden, dann ...«

Sie unterbricht ihre hassvollen Gedanken und beginnt wieder zu graben. Sie will das Grab tief genug ausheben, damit Dan nicht von Coyoten oder Wölfen herausgezerrt werden kann.

Plötzlich aber hält sie inne und starrt auf etwas, was sie einfach nicht zu glauben bereit ist. Nein, sie kann es nicht glauben.

Aber dann nimmt sie den seltsamen »Stein« in die Hand und untersucht ihn, entfernt die Erde, die daran haftet – und dabei weiß sie bereits, dass es kein Stein ist. Denn Steine sind bei gleicher Größe nicht so schwer.

Nur Gold hat dieses Gewicht.

Sie hält den Klumpen vor ihre Augen. Aber sie hat ja zwei Jahre mit Dan auf ihrem Claim nach Gold geschürft. Sie kennt sich aus. Und so begreift sie, dass sich das Schicksal einen grausamen Scherz mit ihr erlaubt hat.

Sie verlor Dan Roswell, ihren geliebten Mann.

Und jetzt, da sie ihm mit einer Bratpfanne das Grab schaufeln muss in der Einsamkeit zwischen einigen Felsen, da stößt sie auf eine Goldader.

Ja, es ist Adergold, das sie in der Hand hält. Sie brach es im Erdreich mit dem harten Pfannenrand von einer Goldader los, die wahrscheinlich mit vielen Verästelungen wie ein erstarrter Blitz im Boden liegt.

Als sie dies begreift, lässt sie den losgebrochenen Klumpen – er sieht aus wie ein gelblicher Tannenzapfen – wie ein glühendes Stück Eisen fallen.

Sie hebt ihren Blick zum Himmel und ruft: »Zum Teufel mit dem Gold! Gib mir meinen Mann wieder und behalte den gelben Dreck! Was nützt mir das Gold ohne Dan!«

Aber natürlich erhält sie keine Antwort.

Der Himmel schweigt, und sie ist allein in einer erbarmungslosen Welt.

Sie gräbt weiter und legt in der nächsten halben Stunde ein Stück von der Goldader frei, deren Hauptstrang so dick wie ein Männerschenkel ist.

Und immer wieder denkt sie: Es ist verrückt, total verrückt. Ich beerdige Dan ganz dicht neben einer Goldader. Aber was nützt einem Toten das viele Gold? Und was nützt es mir ohne Dan? Sicher, ich bin jetzt eine richtige Gold-Lady! Ich bin eine reiche Frau. Aber wenn die Goldwölfe das herausfinden sollten, dann wäre ich ihnen bald schutzlos ausgeliefert. Und sie würden es schnell erfahren.

Ja, wenn ich mit diesem Stück Adergold zu einer Goldankaufstelle ginge – oder auch nur zu einem Erzprüflabor –, dann würden sie es schnell erfahren. Denn die Goldwölfe haben ihre Spione überall im Land – auch unter den Goldgräbern mitten zwischen den Claims. Ich bin jetzt eine Frau, die allein gegen die ganze Welt steht, verdammt!

Sie hat endlich das Grab fertig, hüllt Dan in die geteerte Zeltplane ein und umwickelt sie mit dem Lasso.

Irgendwann will sie mit einem Sarg wiederkommen.

Doch jetzt kann sie nur noch ein Gebet sprechen und das Grab zuschaufeln.

Und nun?

Das ist die große Frage in ihr, als sie an einem der Felsen lehnt.

Ja, was nun?

Oh, sie hat mehrere Möglichkeiten. Obwohl sie kein Werkzeug besitzt, könnte sie gewiss einige Brocken Gold aus der Ader brechen und sich auf den Weg nach Fort Benton machen. Sie wäre nicht mittellos. Ein paar tausend Dollar in Gold würde sie hier herauskratzen können.

Doch je länger sie darüber nachdenkt, dabei ständig den Schmerz und die Trauer im Herzen, desto deutlicher wird ihr klar, dass sie sich nicht davonschleichen wird.

In diesen Minuten reift ein Entschluss in ihr.

Es findet auch eine Veränderung in ihr statt. Bisher war sie nur eine treue Gefährtin ihres Mannes. Nun aber ist sie allein. Und wenn sie sich allein in dieser rauen Welt behaupten will, dann wird sie sich wie eine zweibeinige Tigerkatze verhalten müssen, die auf der Suche nach Beute lauernd durch den Dschungel schleicht und zudem allen Jägern entgehen muss.

Sie wird erst eine Schlacht schlagen müssen, eine große Schlacht, ganz allein gegen die Goldwölfe, bevor sie es wagen kann, die so unerwartet gefundene Goldader auszubeuten.

Vorerst darf niemand erfahren, dass sie nun eine Gold-Lady ist.

Wenn sie nach Last Chance City zurückkehrt, der größten Goldgräber- und Minenstadt in der Last Chance Gulch, dann wird sie ein großes und gefährliches Spiel spielen müssen – und sie wird sich dabei nicht schonen können als Frau. Ja, sie wird sogar ihre Schönheit und ihre Reize einsetzen müssen.

Und niemand darf ihr anmerken, wie sehr sie angefüllt ist mit Hass gegen die gnadenlose Vereinigung der Goldwölfe.

Sie entschließt sich plötzlich.

Nein, sie wird nicht nach Fort Benton reiten und gewissermaßen geschlagen abziehen, die Flucht ergreifen.

Sie wird Daniel Roswells Grab nicht allein lassen in diesem Land.

Wenig später ist sie mit den Pferden auf dem Rückweg nach Last Chance City. Dass die Goldwölfe ihr die Tiere ließen, geschah wahrscheinlich nur deshalb, weil diese Pferde die Meute verraten hätten. Vielleicht wollten sie ihr auch nur die Gelegenheit geben, fortzureiten. Doch sie kehrt zurück – mit der Entschlossenheit einer Tigerin, die sich auf der Jagd nach Beute befindet.

✰✰✰

Es ist gegen zwei Uhr mittags, als sie vor dem Claim Office anhält, absitzt, die Pferde anbindet und das Gebäude betreten will.

Einer der Town Marshals kommt vorüber und hält an.

»Sind Sie nicht Mrs Roswell?« So fragt er. »Was hat denn das leere Sattelpferd zu bedeuten? Und auch der Packsattel des anderen Tieres ist leer. Was ist denn mit Ihrem Mann?«

Es sind scheinbar harmlose Fragen. Natürlich ist sie als ungewöhnlich hübsche Frau hier vielen Leuten bekannt. Und so kennt auch dieser Deputy sie natürlich.

Sie starrt in seine Augen, und ihr Instinkt sagt ihr, dass dieser Bursche, der ja nichts anderes als ein Revolverschwinger ist, dem man den Stern gab, nicht so ahnungslos ist, wie seine Fragen vermuten lassen.

Sie erwidert mit seltsamer Gefasstheit und Ruhe: »Wir wurden überfallen. Mein Mann ist tot. Sie raubten unsere ganze Ausbeute an Gold. Ich habe meinen Mann dort draußen beerdigen müssen – irgendwo zwischen Felsen. Nun will ich diese Stelle als Claim eintragen lassen. Sonst könnte es eines Tages passieren, dass sein Grab von Goldsuchern umgewühlt wird. Einige Verrückte suchen ja an den unmöglichsten Stellen nach Gold, nicht wahr? Und das Grab meines Mannes soll nicht geschändet werden.«

Der Deputy greift an seinen Hut.

»Tut mir leid, Ma'am«, murmelt er. »Ich kannte Ihren Mann vom Sehen, wenn er mit Ihnen, der schönsten Frau des Goldlandes, in die Stadt kam, um Einkäufe zu machen oder im Restaurant zu essen. Fast jeder kannte ihn. Es tut mir leid. Und wegen der Banditen – nun, da können wir Town Marshals leider nicht helfen. Unsere Befugnisse gelten ja nur innerhalb der Stadtgrenzen. Man müsste für das Umland einen Sheriff einsetzen. Wir sind ja nur Stadtpolizisten, die nur hier in Last Chance City ...«

»Schon gut«, unterbricht sie ihn und geht hinein.

Er verharrt noch einige Atemzüge lang, dann setzt er seinen Weg etwas schneller fort als zuvor. Er wirkt nun so, als wollte er irgendwohin, um Bericht zu erstatten.

Indes legt Esther Roswell drinnen im Claim Office einen genauen Lageplan vor, auf dem Dan Roswells Grab exakt angegeben ist. Die vier Felsen und auch einige Landmarken, deren Schnittpunkte sich über der Stelle kreuzen, lassen keinen Zweifel an der genauen Lage des angemeldeten Claims. Sie achtet darauf, dass alles in ihrem Sinne in das Register eingetragen wird, und lässt sich eine Quittung geben.

Als sie das Claim Office verlässt, atmet sie einige Male tief durch.

Und dann sieht sie den Spieler Herb Lane kommen, einen großen, dunklen, grauäugigen Mann, der in Last Chance City schon einige Revolverkämpfe hatte.

Sie lernte ihn schon vor mehr als einem Jahr in einem Store kennen, wo sie beide einkauften. Ein überladenes Regal stürzte zusammen und hätte Esther unter sich begraben, hätte Lane sie nicht zur Seite gerissen.

Für einen Moment lag sie in seinen Armen.

Daran erinnert sie sich jetzt wieder, als er zu ihr tritt und an seinen Hut greift.

»Ich hörte von Deputy Jim Hardin, was mit Ihrem Mann geschehen ist«, sagte er ernst. »Ich möchte Ihnen mein Beileid aussprechen und Sie fragen, ob ich Ihnen irgendwie helfen kann. Sie können über mich verfügen, Ma'am.«

Sie hört seine Stimme, versteht seine Worte und blickt in seine rauchgrauen Augen. Sie erinnert sich daran, dass er hier schon einige Gegner im Revolverkampf tötete, und sie hört sich sagen: »Danke, Mister Lane, vielen Dank. Aber ich komme schon zurecht.«

»Wahrscheinlich«, murmelt er auf sie nieder. »Sie sind ja eine überaus bemerkenswerte Frau. Ja, ich glaube schon, dass Sie sich überall behaupten können – nur könnte ich es Ihnen etwas leichter machen.«

»Ich komme allein zurecht«, erwidert sie nun entschlossener, tritt zu ihrem Pferd und nimmt die Zügel und Leinen der beiden anderen Tiere in die Hand. Dann sitzt sie auf und reitet zum Mietstall und dem Wagenhof.

Denn zwei der Tiere wird sie verkaufen. Man zahlt hier gute Preise für Pferde. Ihr eigenes Tier wird sie behalten und unterstellen.

Für das Geld, das sie für die beiden anderen Pferde bekommt, wird sie sich mit Kleidern und allen anderen notwendigen Dingen ausrüsten. Vielleicht wird sie in einem der Hotels ein Zimmer bekommen und baden können.

Und dann? O ja, sie weiß genau, was dann sein wird und wie sie vorgehen muss.

Obwohl sie erst vor wenigen Stunden ihren Mann verlor und der Schmerz brennt, als hätte ein Pfeil sie getroffen, hat sie ein festes Ziel.

✰✰✰

Es ist später Nachmittag, fast schon Abend. Bald werden in der wilden Stadt Last Chance City die ersten Lichter aufflammen, als sie sich auf den Weg macht.

Sie hat gebadet, ihr Haar gewaschen, eine Stunde auf dem Bett geruht und sich dann angekleidet.

Sie sieht prächtig und verführerisch aus, ganz und gar wie eine Frau, die es darauf anlegt, den Männern zu gefallen. Und dennoch strömt sie etwas aus, was die primitiven Burschen davon abhält, sich ihr zu nähern. Denn sie spüren sofort, dass diese Frau mehr als eine Nummer zu groß für sie ist.

Alle machen ihr Platz, starren sie bewundernd an, und manche greifen höflich an ihre Hutkrempen.

So erreicht sie den Haupteingang der Last Chance Hall, dem größten Tingeltangel und Amüsierbetrieb von Last Chance City, zu dem auch eine Spielhalle und ein Theater gehören. In den verschiedensten Sälen und Räumen der Last Chance Hall verkehren Nacht für Nacht mehr als tausend Gäste.

Und der Besitzer und Chef dieser Goldgrube heißt Robert Ironside.

Esther verharrt einige Atemzüge lang am Eingang und sieht sich um. Es ist noch kein Betrieb in der großen Tanzhalle. An der langen Bar stehen erst wenige Gäste. Die Tanzmädchen sind noch nicht unten. Und die Musiker packen noch ihre Instrumente aus und stimmen sie.

Esther setzt sich in Bewegung und geht am langen Tresen entlang auf die Tür am Ende der Bar zu, auf der ein Schild mit der Aufschrift PRIVAT erkennen lässt, dass dort Robert Ironside, der geheime Boss und ungekrönte König von Last Chance City, residiert.

Es gab schon vor ihm einige große Burschen hier in dieser wilden Stadt. Doch keiner blieb lange an der Macht. Sie alle machten sich Feinde und verloren auf irgendeine Art ihre Herrschaft.

Nun ist Robert Ironside der Mann, der hier das Sagen hat. Wer sich nicht mit ihm arrangiert, sich ihm nicht unterwirft, dem stößt früher oder später Schlimmes zu.

Fast jeder in Last Chance City weiß es. Robert Ironside ist der Bulle im Corral, wie man so treffend sagt.

Als Esther die Tür öffnen will, wird diese von innen aufgemacht.

Und dann stehen sie voreinander. O ja, sie kennen sich vom Sehen, denn sie begegneten sich in den vergangenen Monaten dann und wann.

Nun stehen sie sich gegenüber.

Er ist ein großer, massiger, löwenhaft wirkender Mann.

Und er lächelt auf sie nieder und macht eine einladende Bewegung. »Wie schön, Lady, dass Sie zu mir kommen in der Not. Ja, ja, ich hörte bereits, was geschehen ist. So etwas spricht sich schnell herum in diesem Land und in dieser Stadt. Es tut mir schrecklich leid. Wirklich. Wie kann ich Ihnen helfen? Ich soll Ihnen doch helfen, oder? Kommen Sie nur herein wie zu einem alten und guten Freund. Sie wissen ja längst, dass ich Sie bewundere und verehre. Sie sind schön, Mrs Roswell, sehr schön.«