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John Buchanan, der alte Revolvermann, lagert nun schon den dritten Tag am Creek und kommt an diesem Tag endgültig zu der bitteren Erkenntnis, dass es vorbei ist mit seiner Revolverschnelligkeit.
Sein zerschossener Arm wurde zwar langsam wieder heil, aber nur die Wunde heilte. Die alte reflexartige Schnelligkeit kehrte nur unvollkommen wieder zurück. Und so zog er sich vor drei Tagen zwischen die Felsen des Creeks zurück, um zu üben, immer wieder zu üben.
Doch jetzt - am dritten Tag -, da macht sich der grau gewordene Revolvermann John Buchanan nicht länger etwas vor.
Er gehört nicht mehr zu der kleinen Gilde der ganz Großen.
Es fehlen ihm jene wichtigen Sekundenbruchteile, auf die es ankommt, will man ein Duell überleben.
Gewiss, er kann es noch mit all den zweit- und drittklassigen Revolverschwingern aufnehmen, die sich überschätzen, großspurig an ihr Glück glauben und sich nur durch leichtsinnige Verwegenheit behaupten.
Doch einen wirklichen Großen würde er nicht mehr besiegen können ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Coltritter-Weg
Vorschau
Impressum
Coltritter-Weg
John Buchanan, der alte Revolvermann, lagert nun schon den dritten Tag am Creek und kommt an diesem Tag endgültig zu der bitteren Erkenntnis, dass es vorbei ist mit seiner Revolverschnelligkeit.
Sein zerschossener Arm wurde zwar langsam wieder heil, aber nur die Wunde heilte. Die alte reflexartige Schnelligkeit kehrte nur unvollkommen wieder zurück. Und so zog er sich vor drei Tagen zwischen die Felsen des Creeks zurück, um zu üben, immer wieder zu üben.
Doch jetzt – am dritten Tag –, da macht sich der grau gewordene Revolvermann John Buchanan nicht länger etwas vor.
Er gehört nicht mehr zu der kleinen Gilde der ganz Großen.
Es fehlen ihm jene wichtigen Sekundenbruchteile, auf die es ankommt, will man ein Duell überleben.
Gewiss, er kann es noch mit all den zweit- und drittklassigen Revolverschwingern aufnehmen, die sich überschätzen, großspurig an ihr Glück glauben und sich nur durch leichtsinnige Verwegenheit behaupten.
Doch einen wirklichen Großen würde er nicht mehr besiegen können ...
Es ist eine bittere Erkenntnis für ihn.
Er wird sein Leben ändern müssen.
Doch wie?
Reichtümer hat er nicht ansammeln können. Die sammelten zumeist seine Auftraggeber, die er beschützte und für die er kämpfte.
Es würde für eine kleine Ranch reichen – mehr nicht.
Nachdem er noch einmal einen kleinen Moment pausiert hat, nimmt er abermals ein Stück Baumrinde mit der Rechten und wirft es auf die andere Seite des Creeks hinüber. Während es noch fliegt, schnappt er mit der Linken den Colt heraus.
Er möchte das Baumrindenstück – das etwa doppelt so groß wie eine Hand ist – im Flug treffen.
Doch das schafft er nicht. Erst als es drüben am jenseitigen Ufer aufschlägt, da trifft er es mit dem dritten Schuss.
Seufzend lässt er den rauchenden Colt sinken.
Nun weiß er es sicher.
Es ist etwas geschehen mit seinem Arm. Nicht nur, dass der Reflex des Ziehens langsamer vonstattengeht – nein, es ist auch noch etwas anders geworden, was die Übereinstimmung zwischen Hand und Auge betrifft. Dieses instinktive Gefühl für den richtigen Moment des Abdrückens fehlt. Der Revolverlauf ist nicht mehr sein verlängerter Zeigefinger.
Er schiebt seufzend den Colt ins Holster und setzt sich auf einen Stein. Doch dann holt er die Waffe wieder hervor, betrachtet sie und beginnt sie nachzuladen. Und abermals betrachtet er sie nachdenklich.
Dieser Colt hat die letzten Jahre seinen Weg bestimmt, und er war für ihn das, was einem Ritter sein Schwert war.
Und nun? Was wird sein Schicksal sein?
Als er sich eine Zigarette zu drehen beginnt, hört er einen Reiter kommen. Vielleicht hat der Reiter die Schüsse gehört. Es könnte aber auch sein, dass er einen Übergang sucht. Der Creek hat nämlich überall Steilufer, weil er sich seit Jahrtausenden tief in den Boden gefressen hat. Nur ein guter Kletterer kann hinunter, und es gibt nur wenige Stellen, bei denen die Steilufer zusammengebrochen sind und man zu Pferd hinunter kann.
Als John Buchanan den Reiter schließlich zu sehen bekommt, da staunt er doch sehr. Denn er sieht einen noch ziemlich jungen Burschen in einer roten Armeeunterhose.
Sein Oberkörper ist nackt.
Und das Pferd lahmt leicht, trägt jedoch einen Sattel.
Bewaffnet ist der Reiter nicht.
Als er John Buchanans Camp erreicht, hält er an und wirft einen schnellen Blick über die Schulter. Dann starrt er auf Buchanan und nickt diesem zu.
»Hallo, Mister«, sagt er. »Sie könnten mir aus der Klemme helfen, wenn Sie mir einen Moment einen geladenen Colt leihen würden.«
John Buchanan ist ein großer, hagerer, dunkelhaariger Bursche mit hellgrauen Augen. Durch sein dunkles Haar ziehen sich jedoch schon einige graue Strähnen. Er grinst nun blinkend.
»Mein junger Freund«, sagt er, »sehe ich so aus, als würde ich diesen Colt weggeben?« Bei seinen beiden letzten Worten klopft er leicht gegen die Waffe im Holster.
Der halb nackte Bursche wirkt wie ein jüngerer Bruder von ihm. Ja, sie gleichen sich im Aussehen irgendwie sehr. Und auch der jüngere Mann grinst nun auf dieselbe Art blinkend.
»Mister«, sagt er, »sind Sie schon mal von den Brüdern eines Mädchens aus dem Bett gejagt worden, sodass Sie nur noch aus dem Fenster in den Hof springen konnten und mit knapper Not in den Sattel Ihres im Garten wartenden Pferdes gelangten? Genau diese Art von Kerlen sind hinter mir her – schon zwei Tage. Gleich sind sie hier. Und ich bin es leid, vor ihnen davonzusausen.«
Er blickt wieder über die nackte Schulter seines hageren, doch sehr gut proportionierten Körpers.
John Buchanan vergisst die eigenen Probleme. Er lacht leise.
»Aus dem Bett des Mädchens?« So fragt er.
»Aus wessen Bett sonst?« So fragt der junge Bursche. »Sie sagte, ihre Brüder kämen erst in drei Tagen wieder heim. Aber dann – he, Mister, haben Sie vielleicht noch eine Reservewaffe in Ihrem Gepäck? Sie sehen mir ganz danach aus, na?«
Es ist etwas an diesem jungen Burschen, was John Buchanan an seine eigenen jüngeren Jahre erinnert. Auch er war mal solch ein verwegener Bursche, der überall mitnahm, was er bekommen konnte.
Und irgendwie gefällt es ihm, dass der Bursche nicht länger davonlaufen will, sondern sich stellen möchte.
Er nickt plötzlich.
Dann tritt er zu seinem Gepäck, öffnet eine Satteltasche und holt dort einen in geöltes Leinen gewickelten Colt heraus. Er befreit ihn von der schützenden Umhüllung und wirft ihn dem Burschen zu. Es ist ein blitzschnelles und völlig unerwartetes Zuwerfen.
Doch der junge Bursche schnappt die Waffe mit einem schnellen Griff am Kolben. Dabei scheint er kaum hinzusehen. Es ist ein unwahrscheinlich geschicktes Zugreifen – und als John Buchanan das sieht, weiß er Bescheid. Solch einen Greifreflex beherrscht nur jemand mit einem ganz besonderen Instinkt.
»Er ist geladen, Junge«, sagt er ruhig. »Aber überlege dir, was du damit machst, wenn es sich nur um ein paar Trottel von Brüdern handelt.«
»Die?« So ruft der Bursche. »Die Hotbuster-Brüder? Oha, die haben rohes Fleisch statt der Muttermilch bekommen. Na, Sie werden die Kerle ja gleich erleben!«
Nach diesen Worten gleitet er indianerhaft vom Pferd und scheucht das Tier mit einer Armbewegung zur Seite. Und weil das Tier hier an dieser Stelle des Creeks hinunter zum Wasser kann, wandert es auch sofort dorthin.
Der Junge aber blickt zwischen den Felsen hindurch auf seine Fährte zurück.
In der Ferne sind nun zwei Reiter zu erkennen, die schnell näher kommen. Der junge Bursche aber tritt zu einem Stein, der ihm etwa bis zum Bauchnabel reicht und oben flach ist. Er legt dort den Colt griffbereit hin wie auf einen Barhocker.
Dann wartet er und sieht den Reitern entgegen.
John Buchanan aber sagt: »Junger Freund, ich würde an deiner Stelle erst noch zum Wasser gehen und mich erfrischen. Wenn diese beiden Reiter die Hotbuster-Brüder sind, dann hast du bis zu ihrem Eintreffen noch fünf Minuten Zeit. Und fünf Minuten sind manchmal verdammt lang, nicht wahr?«
Der junge Bursche in den roten Unterhosen sieht ihn misstrauisch und staunend zugleich an. Dann aber nickt er.
»Ja, Sie haben recht, Mister. Ich muss wohl noch eine Menge lernen, nicht wahr? Ich bin halt noch längst kein alter Wolf.«
»Und mich hältst du für einen solchen?« John Buchanan fragt es ein wenig ärgerlich – aber tief in seinem Kern weiß er, dass es stimmt. Er ist ein alt gewordener, zweibeiniger Wolf mit vielen Narben am Körper und an der Seele.
Er ärgert sich ein wenig, dass er diesem Burschen einen Rat gab. Denn er ist ein Mann, der niemals jemandem seinen Rat aufdrängt. Doch dieser Bursche, der ihm so ähnlich sieht wie ein sehr viel jüngerer Bruder, ja fast wie ein Sohn, erinnert ihn zu sehr an seine wilden Jahre als junger Bursche, der eigentlich viel zu schnell zu einem Mann werden musste.
Der große Junge geht nun an ihm vorbei zum Creek hinunter und erfrischt sich dort gründlich. Er wäscht sich Staub und Schweiß ab, taucht sogar mehrmals seinen Kopf ins Wasser und wirkt sehr viel frischer, als er wieder hochkommt und hinter den Stein tritt, auf dem der Colt liegt.
Die beiden Reiter sind nun so nahe, dass sie im Schritt reiten, weil sie erkannt haben, dass ihr Wild nicht mehr flüchtet, sondern auf sie wartet.
Es sind zwei zäh wirkende Burschen mit weizengelben Haaren, die ihnen bis auf die Schultern fallen. Und in ihren Hutbändern stecken Adlerfedern, sodass die beiden schon äußerlich verwegen und trotz ihrer gelben Haare indianerhaft wirken.
Der Junge sagt zu John Buchanan: »Ja, ich halte Sie für einen alten, zweibeinigen Wolf, Mister. Und ich danke Ihnen sehr, dass Sie mir diesen Colt leihen. Aber mischen Sie sich nur nicht ein. Was jetzt stattfindet, ist allein meine Sache. Ich brauche keine Hilfe. Denn ich habe ja Ihren Colt, und es ist eine gute Waffe. Das spürte ich vom ersten Moment, da sie in meiner Hand lag.«
Damit hat er alles gesagt. Er blickt nun fest auf die beiden Reiter.
Diese halten etwa ein Dutzend Schritte von ihm entfernt an.
Und dann sagt einer mit heiserer Stimme: »Jeremy Clayton, es war dumm von dir, unsere Schwester zu entehren und dann abzuhauen wie ein gesengter Kater. So geht das nicht, Schwager, sooo nicht! Denn wir sind eine stolze und ehrenwerte Familie. Na, komm schon, Schwager. Wir haben sogar deine Siebensachen mitgebracht, die du in der Eile bei uns zurückgelassen hast. Wir sind ja gar nicht so. Nur dass du jetzt zur Hotbuster-Sippe gehörst und unsere Schwester heiratest, davon beißt keine Maus mehr einen Faden ab. Verstanden?«
»Ich bin nicht euer Schwager«, erwidert jener Jeremy Clayton. »Dass ich mit eurer Schwester im Bett lag, macht mich noch längst nicht zu eurem Schwager. Wo kämen wir denn hin auf dieser Welt, wenn jeder Bursche, der sich von einem Mädchen verführen lässt, sofort ...«
»Unsere Schwester hat dich nicht verführt! Oho, von dieser Sorte ist unsere Daisy nicht, unser Engel, unser Augenstern – die nicht!«
Einer der beiden Hotbuster-Brüder ruft es im Tonfall heiligster Überzeugung.
Und sein Bruder fügt ernst hinzu: »Sie ist ein reiner Engel auf Erden. Und wir lassen nicht zu, dass sie ein Kind bekommt, ohne zugleich auch den Vater dieses Kindes vorweisen zu können. Das musst du doch einsehen, mein Junge, nicht wahr? Also komm mit uns zurück zur lieben Daisy. Sie wird sich schon die Augen rot geweint haben. Und sie wird auch schlimm enttäuscht von dir sein und beleidigt. Aber wir werden ihr klarmachen, dass du aus Angst vor uns fortgesaust bist, nicht aus Furcht vor der Hochzeit ...«
»Hört auf!« Mit diesen Worten unterbricht ihn Jeremy Clayton spröde. »Eure Schwester ist ganz gewiss kein reiner Engel. Oha, sie ist süß, reizvoll begehrenswert! Sie ist mehr als hübsch und kann jedem Mann den Kopf verdrehen. Aber ihr lasst sie in der Einsamkeit der Hügel verdorren wie eine Blume in der Wüste. Ihr Narren! Deshalb stürzt sie sich auf jeden Mann, der zufällig mal bei euch auftaucht. Ich wollte bei euch nur mein Pferd tränken und die Wasserflasche füllen. Aber sie lockte mich mit frischem Kuchen ins Haus. Und bald lag ich schon mit ihr ...«
»Schweig!« Einer der Hotbusters faucht es böse und setzt hinzu: »Wir sind nicht unter uns, Freund Jeremy. Da ist ein Fremder. Und wir dulden nicht, dass du vor Fremden unsere Schwester beleidigst. Also! Kommst du freiwillig mit heim – oder müssen wir dich erst klein machen?«
Eine Weile schweigen sie nach dieser harten Frage.
Die Hotbusters warten auf eine Antwort.
Der junge Jeremy Clayton aber überlegt noch.
Und der alte Revolvermann John Buchanan ist nur Zuschauer.
Dennoch ist er schon jetzt davon überzeugt, dass der Junge kämpfen wird. Doch vorerst versucht es Jeremy Clayton noch einmal auf friedliche Weise. Er sagt ganz ruhig und sachlich: »Hört mal, ich will euch etwas sagen. Und hört mir gut zu. Denn ich will euch klarmachen, dass ich mich einigermaßen auskenne. Ich habe nämlich fünf ältere Schwestern. Und die wurden alle nacheinander mal schwanger. Ich wage zu behaupten, dass eure liebe Daisy schon im sechsten Monat schwanger sein könnte. Und damals, vor sechs Monaten, da kannte ich sie noch nicht. Da war ich noch tausend Meilen ...«
Weiter kommt er nicht. Denn die Hotbusters gleiten nun aus den Sätteln und scheuchen die Pferde zur Seite. Und einer von ihnen brüllt dabei: »Das nimmst du zurück, du Hurensohn! Du willst aus unserer Schwester ein Flittchen machen! Aber das gibt es nicht! Das nehmen wir nicht hin. Pass auf!«
Als er die beiden letzten Worte zischt, schnappen sie nach ihren Revolvern. Wahrscheinlich ziehen sie nicht, um sofort zu schießen, sondern wollen ihn nur einschüchtern, ihn in ihre Gewalt bringen, gefügig machen.
Sie sind zwei raue, wilde und sehr selbstbewusste Burschen. Und eigentlich können sie es sich gar nicht vorstellen, dass er gegen sie zu kämpfen bereit ist.
Aber sie täuschen sich. Sein Griff ist unwahrscheinlich schnell und sicher, und er weiß zu gut, dass sie schießen werden, wenn sie begreifen, dass er sich nicht ergeben will.
Er schießt einen Sekundenbruchteil früher als sie, trifft einen und entgeht knapp der Kugel des anderen, die ihm nur wie ein Peitschenhieb über die Rippen brennt.
Dann trifft er auch den zweiten Mann.
Es war ein blitzschnelles Schießen mit unwahrscheinlicher Treffsicherheit.
Und als er mit dem rauchenden Colt in der Hand wartet, ihnen die Entscheidung überlässt, ob sie weitermachen oder aufhören wollen, da ist allen hier am Creek klar, dass er – so jung an Jahren er auch sein mag – einer der ganz Großen mit der Waffe ist.
Und wenn sein Name noch nicht bekannt sein sollte, dann wird sich dies jetzt gewiss bald ändern.
Die Hotbuster-Brüder kämpfen nicht weiter.
Einer sinkt auf die Knie nieder. Der andere schwankt rückwärts, bis er sich an sein Pferd lehnen kann.
Sie bluten beide aus Schulterwunden.
Und einer sagt stöhnend und voller Bitterkeit: »Oh, warum hast du uns nicht gesagt, wie schnell und sicher du mit dem Colt bist?«
»Hättet ihr mir geglaubt und mich ernst genommen?«, fragt er bitter zurück.
✰✰✰
Es ist fast schon Abend, als John Buchanan und Jeremy Clayton losreiten. Die Hitze des Tages ließ nach.
Die beiden Hotbuster-Brüder sind von John Buchanan versorgt worden, und sie wurden von einem erfahrenen Mann versorgt, der sich mit Schusswunden auskennt wie ein guter Feldarzt.
Jeder von ihnen hat einen glatten Schulterdurchschuss.
Die Treffsicherheit des Jungen ist unheimlich. Oder war alles nur ein Zufall?
Indes John Buchanan die Verwundeten versorgte, fand der Junge alles, was er im Haus der Hotbusters in der Eile zurücklassen musste. Einer der Hotbusters hatte es in einem Sack hinter dem Sattel festgebunden.
Nun reitet Jeremy Clayton also neben John Buchanan nach Süden. Sie sprechen zuerst nicht viel. Dann aber sagt der Junge: »Und vielen Dank für das Leihen des Revolvers. Es ist eine gute Waffe. Ich wette, Sie hätte ich nicht so glatt schlagen können wie die beiden Narren. Sie nicht. Das war ja nur Ihr Reservecolt. Die Waffe da muss noch besser sein, nicht wahr?« Er deutet auf den Colt an John Buchanans Seite.
Buchanan betrachtet den Jungen ernst. »Und warum hast du sie nicht getötet? Hast du überhaupt schon mal einen Gegner getötet, Jeremy Clayton?«
»Ich war im Krieg«, erwidert dieser. »Ich wurde mit fünfzehn Jahren Soldat, weil ich mich für siebzehn ausgab. Und als ich wirklich siebzehn war, trug ich die Sergeantstreifen. Ja, ich habe als Soldat töten müssen – aber sonst ...« Er bricht ab und schüttelt den Kopf. Dann fragt er: »Hätte ich töten sollen, Mister? He, ich kenne Ihren Namen noch gar nicht! He, hätte ich sie töten sollen?«
»Ich bin Buchanan, John Buchanan«, murmelt dieser, und durch den Hufschlag der Pferde ist es kaum zu verstehen. Doch der Junge hat scharfe Ohren.
»Der Buchanan aus Laredo?« So fragt er.
John Buchanan nickt. Und da stößt der Junge einen leisen Pfiff aus und fügt dann hinzu: »Aaah, einer der ganz Großen auf der Liste! Das hätte ich mir fast denken können. Sie hätten die beiden Narren getötet?«
John Buchanan wiegt den Kopf, hebt dann die Schultern.
»Du hast zwei Feinde mehr auf dieser Erde, Junge«, murmelt er. »Und eines Tages wird dir irgendeiner deiner Feinde für alle anderen stellvertretend die Rechnung präsentieren. Zumindest damit musst du nun rechnen, Jeremy Clayton. Wohin reitest du?«
Der Junge betrachtet ihn staunend.
»Wohin? Nun, wir reiten doch zusammen, John Buchanan – oder? Und ich habe kein festes Ziel. Aber ich würde gerne noch eine Weile mit Ihnen reiten. Haben Sie irgendwo einen Revolverjob übernommen? Brauchen Sie einen Gehilfen, eine Art Knappen, ja? Nehmen Sie mich. Denn ich bin blank. Ich könnte ein paar Dollar gebrauchen.«
John Buchanan schweigt. Aber sein Blick studiert noch einmal den jungen Mann, der also mit fünfzehn Jahren Soldat wurde und mit siebzehn schon Sergeant war und sehr viel ältere Männer anführte. In diesen zwei Jahren zwischen fünfzehn und siebzehn musste dieser Jeremy Clayton an Lebensreife um zwanzig Jahre älter geworden sein.
John Buchanan betrachtet den Colt und das Holster des Begleiters. Ja, jetzt trägt Jeremy wieder seine Waffe im eigenen Holster, und er trägt die Waffe links wie John Buchanan.
Dieser denkt: Er ist Linkshänder wie ich. Und überhaupt erinnert er mich ständig an meine eigene Zeit, als ich so jung war wie er und noch daran glaubte, dass man sich mit einem Colt ein Königreich erobern könnte. Und als er mit seinen Gedanken so weit gekommen ist, fällt ihm auch all das andere wieder ein, und er wird sich seiner eigenen Situation erneut in aller Schärfe bewusst.
Denn er ist nicht mehr der im Revolverkampf unüberwindliche John Buchanan aus Laredo. Es ist alles anders geworden.
Und solch ein Junge, der so ist wie er damals, der könnte ihm eine Hilfe sein, und nicht nur eine Hilfe, sondern eine Lebensversicherung.
Diesen Jungen hat mir der Himmel geschickt, denkt er. Und endlich spricht er, indes sie nebeneinander Steigbügel an Steigbügel reiten: »Pass auf, Jeremy. Die beiden Hotbuster-Brüder waren nur zweitklassige Burschen mit den Colts, so hart und zäh sie auch sonst sein mögen. Ich denke mir, dass wir vielleicht schon im nächsten Ort auf einen erstklassigen Mann stoßen könnten, der auf mich wartet. Gegen diesen Mann würde ich dich gerne kämpfen sehen. Dann erst werde ich wissen, ob wir zusammenpassen und ich mich auf deine Revolverschnelligkeit verlassen kann. Und Letzteres kann entscheidend sein für uns beide. Verstehst du das?«
Jeremy Clayton schluckt etwas mühsam, aber dann nickt er heftig.
»Ja«, sagt er, »das begreife ich. Sie müssen genau wissen, wie gut ich bin. Und weil Sie jener John Buchanan aus Laredo sind, können Sie nur einen wirklich erstklassigen Gehilfen oder Partner gebrauchen. Nun, ich bin erstklassig. Nicht nur mit dem Colt. Ich bin treu, zäh, mutig und zahle stets Gutes oder Böses mit Zinsen zurück. Ich bin nicht labil, kann also Versuchungen jeder Art widerstehen und würde ...«
»Schon gut, Jeremy«, unterbricht ihn John Buchanan. »Wir werden das alles noch herausfinden. Bleiben wir also eine Weile zusammen.«
»Haben wir einen Job, einen Revolverjob, der etwas einbringt?«