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Als ich aus der Postkutsche stieg, glänzte der Mond wie ein gewaltiger Silberpeso am Himmel.
Die anderen Fahrgäste gingen vor mir ins Hotel, das noch geöffnet hatte, weil die Mitternachtskutsche zumeist noch einige Gäste brachte. Ich verharrte, dehnte und reckte meinen hageren Körper und war froh, dass die Fahrt für eine Weile beendet war. Zugleich aber war ich angefüllt mit einer grimmigen Ungeduld, die ich in den vergangenen Tagen und Nächten nur mühsam unter Kontrolle hatte halten können.
Ein Mann trat aus dem Schatten - ein kleiner, unscheinbarer Bursche. Aber ich kannte ihn, denn er gehörte zu dem Dutzend, das ich angeworben und in Städte wie diese hier gesandt hatte.
Er machte es kurz.
»Da sind Sie ja, Chet Kane. Sie haben Glück. Er ist immer noch hier. Die schöne Eleonora hat ihn schon länger als eine Woche in ihren Katzenkrallen. Kommen Sie, Kane. Gehen wir ein Stück. Dann kann ich Ihnen das Haus zeigen.«
Wir gingen schweigend über die Planken des Gehsteigs. Ich war hungrig und müde von der langen Fahrt. Denn ich kam von der Grenze herauf, aus El Paso. Dennoch dachte ich jetzt nicht ans Ausruhen ...
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Verdammt schlechte Karten
Vorschau
Impressum
Verdammt schlechte Karten
Als ich aus der Postkutsche stieg, glänzte der Mond wie ein gewaltiger Silberpeso am Himmel.
Die anderen Fahrgäste gingen vor mir ins Hotel, das noch geöffnet hatte, weil die Mitternachtskutsche zumeist noch einige Gäste brachte. Ich verharrte, dehnte und reckte meinen hageren Körper und war froh, dass die Fahrt für eine Weile beendet war. Zugleich aber war ich angefüllt mit einer grimmigen Ungeduld, die ich in den vergangenen Tagen und Nächten nur mühsam unter Kontrolle hatte halten können.
Ein Mann trat aus dem Schatten – ein kleiner, unscheinbarer Bursche. Aber ich kannte ihn, denn er gehörte zu dem Dutzend, das ich angeworben und in Städte wie diese hier gesandt hatte.
Er machte es kurz.
»Da sind Sie ja, Chet Kane. Sie haben Glück. Er ist immer noch hier. Die schöne Eleonora hat ihn schon länger als eine Woche in ihren Katzenkrallen. Kommen Sie, Kane. Gehen wir ein Stück. Dann kann ich Ihnen das Haus zeigen.«
Wir gingen schweigend über die Planken des Gehsteigs. Ich war hungrig und müde von der langen Fahrt. Denn ich kam von der Grenze herauf, aus El Paso. Dennoch dachte ich jetzt nicht ans Ausruhen ...
Wir hatten nun den nördlichen Randbezirk der Stadt erreicht.
Der kleine Mann neben mir deutete auf ein Licht in der Nacht.
»Dieses Haus dort«, sagte er. »Ja, das kleine rötliche Licht. Da wohnt die schöne Eleonora. Bei ihr bekommt jeder, der genug Geld mitbringt, das Paradies. Mit Bat Cannon gibt sie sich besondere Mühe. Entweder hat er genug Geld – oder er gefällt ihr so sehr, dass er bei ihr ohne Geld alles bekommt, was sich ein Mann von solch einer Katze wünscht. Das wär's also, Mister Kane. Damit hätte ich meinen Auftrag erledigt, ja? Bat Cannons Pferd steht hinter Eleonora Hopkins' Schuppen. Sie ist je zur Hälfte Mexikanerin und Irin. Ein tolles Weib, sag ich Ihnen, Kane. Sie lässt sich auch nicht mit jedem ein. Das ist ein Flittchen für Burschen mit dicken Brieftaschen.«
Ich nickte und gab dem Mann den Rest der versprochenen Prämie.
Er zählte nicht nach, denn er kannte mich gut genug. Er dankte und ging. Was jetzt noch zu tun war würde ich selbst erledigen.
Ich setzte mich in Bewegung.
Denn ich wollte mir Bat Cannon holen, der dort im Haus mit einer schönen Frau im Bett lag.
Zuerst ging ich in den Stall, in dem sich auch der zweirädrige Wagen der Frau befand.
Ich sattelte Bat Cannons Pferd. Es war leicht von dem kleineren Tier zu unterscheiden, welches gewiss der Frau gehörte.
Als ich fertig war, ging ich hinüber.
Die Tür von der Veranda ins Haus war offen. Mondlicht fiel ins Wohnzimmer. Oben im ersten Stock brannte das Licht.
Die Treppe führte vom Wohnzimmer direkt nach oben.
Ich war bei aller Hagerkeit ein schwergewichtiger Bursche. Das lag an meinen starken Knochen und an meiner Körpergröße. Dennoch konnte ich mich so geschmeidig bewegen wie ein Wolf. Deshalb knarrte auch die Treppe nicht unter meinem Gewicht.
Als ich oben war, sah ich Licht durch die Ritzen einer Tür schimmern.
Ich trat näher und hörte eine Frauenstimme sagen:
»Hätte ich mich nur nicht mit dir eingelassen, du Hurensohn. Du bist doch der allerletzte Dreck, mit dem ich es jemals zu tun bekam. Hau endlich ab, du Frauenschläger!«
Sie war gewiss keine Lady, diese Eleonora Hopkins.
Und dennoch übertrieb sie nicht. Dieser Bursche bei ihr im Zimmer war der allerletzte Dreck.
Ich hörte ihn lachen.
»Du musst mich doch die ganze Zeit für blöd gehalten haben. Ich hab noch nie einem Honey Geld bezahlt – noch nie. Denn der Spaß ist doch immer gegenseitig – oder? Dass du meinen Geldgürtel erleichtern wolltest, war dumm von dir. Vielleicht hätte ich dir zum Abschied ein kleines Geschenk gemacht, zur Erinnerung. Aber ausplündern lass ich mich nicht. Eh, ich hielt dich bis jetzt nicht für eine Puta. Doch du bist eine. He, ich hätte dir vielleicht die Kette gelassen. Vielleicht! Na, ich gehe jetzt. Du wirst schon wieder einen Dummkopf finden, dem du die Taschen leeren kannst. Nur bei mir bist du an den falschen Mann geraten. Leg dir ein rohes Steak aufs Auge.«
Ich hörte ihn zur Tür kommen.
Als er sie öffnete, war ich sehr im Vorteil.
Denn ich stand im Dunkeln. Seine Augen waren nicht an die Lichtverhältnisse hier draußen auf dem kleinen Gang gewöhnt. Drinnen im Zimmer brannte eine Lampe.
Überdies trug er Gepäck, seine Sattelrolle, die Satteltaschen und das Gewehr.
Als er mich sah, war es für ihn schon zu spät.
Ich traf seinen Gurgelknoten, dann seinen Magen – und endlich mit einem Aufwärtshaken das Kinn.
Er ließ alles fallen, marschierte drei Schritte rückwärts und krachte dann rücklings auf den Teppich. Dort streckte er Arme und Beine von sich und rührte sich nicht mehr.
Ich holte mir erst seinen Colt.
Aber dabei beobachtete ich die Frau im Bett.
Sie war nackt, hatte aber die Decke bis über die Brüste hochgezogen. Rotes Haar fiel über die nackten Schultern.
Ja, sie war rassig. Sie hatte schwarze Augen, die etwas schräg gestellt waren.
Nur eines störte.
Das rechte Auge. Es hatte schon eine tiefrote Farbe, schwoll immer noch an und würde morgen dunkelblau sein. Ja, so sah ein Auge aus, das von einer harten Faust getroffen wurde.
Sie nickte mir zu.
»Gut gemacht, Großer«, sagte sie kehlig. »Das ist ein schöner Moment für mich. So etwas habe ich mir in den letzten zehn Minuten von ganzem Herzen gewünscht.«
Sie sprach es zuletzt richtig feierlich.
»Wenn du ihn noch ein wenig kleiner machst, werde ich sehr lieb zu dir sein.«
Sie erhob sich aus dem Bett, stand einen Moment nackt vor mir. Ja, ihr Körper war makellos. Dann warf sie sich einen Morgenmantel um. Das sich verfärbende Auge bildete einen unglücklichen Kontrast zu ihrer Schönheit.
Sie sagte hart: »Gib es ihm noch ein wenig. Mach ihn noch kleiner, diesen Hundesohn. Denn er ist ein Revolvermann. Wenn du ihn nicht richtig klein machen solltest, wird er erst wieder Ruhe finden, wenn er dich getötet hat. Du musst ihn richtig erledigen!«
Nach diesen Worten griff sie zum Handspiegel, der neben dem Bett auf dem Frisiertisch lag. Sie betrachtete sich im Lampenschein und fauchte wie eine Wildkatze.
»Was war da mit der Kette?«
Sie starrte mich seltsam an, so als wunderte sie sich, dass ich gar nicht auf ihr Angebot reagierte. Dann aber sagte sie: »In der rechten Tasche seiner Lederweste ist die Kette. Sie ist aus Türkissteinen.«
Ich holte die Kette aus der Westentasche des bewusstlosen Mannes.
Diese Steine kannte ich. Sie waren kunstvoll gefasst von einem erstklassigen Silberschmied drüben in Mexiko.
Diese Kette hatte ich meiner Peggy geschenkt – und nicht nur die Kette. Dazu gab es auch noch Ringe, Armbänder, Ohrringe. Alles passte zusammen. Und überall war der Name »Peggy« eingraviert.
Das war mein Hochzeitsgeschenk gewesen.
Nun also hielt ich die Kette in meinen Händen. Auf der Rückseite des Verschlusses las ich das Wort »Peggy«.
Ich hatte den ersten ihrer Mörder gefunden.
Eleonora fragte merkwürdig sanft: »Mister, was ist mit der Kette?«
Ich sah zu ihr hin. Und nun wirkte sie anders, nicht mehr aufreizend, nein, jetzt strömte sie etwas anderes aus – Teilnahme.
Sie musste mir alles, was ich tief in meinem Kern fühlte, angesehen haben. Für ein oder zwei Sekunden hatte ich es beim Anblick der Kette nicht verbergen können.
Ich stieß den Burschen mit der Stiefelspitze an. Doch er rührte sich nicht. Er hatte ein hochrotes Gesicht. Wahrscheinlich war er fast erstickt an meinem ersten Schlag.
Ich sah zu Eleonora Hopkins hinüber.
»Die Kette gehörte meiner Frau. Sie wurde von Banditen ermordet, als sie allein auf unserer Ranch war. Die Banditen brauchten frische Pferde. Peggy wollte die Tiere nicht hergeben. Verstehst du, Eleonora?«
Sie nickte heftig.
»Dann gib es ihm doch, dem Hundesohn«, sagte sie.
Ich nickte. »Darauf kannst du dich verlassen. Aber erst muss er mir noch verraten, wo ich seine Kumpane finde. Denn nur er wurde erkannt. Ich aber will auch die anderen. Verstehst du, Honey?«
O ja, das verstand sie.
»Ich habe sein Pferd schon gesattelt«, sagte ich. »Wenn ich ihn hinaustrage, willst du mir dann sein Gewehr und auch sein Gepäck in den Schuppen bringen?«
»Sicher«, sagte sie, »das tue ich gern. Was ist mit dem Geld in seinem Gürtel?«
»Es gehört zu der Beute, die sie machten, als sie in unserer Stadt die Bank ausraubten«, sagte ich. »Wenn die Bank das Geld nicht zurückbekommt, wird sie ihre Zahlungen einstellen müssen. Dann geht nicht nur die Bank Pleite, sondern werden noch einige andere Geschäftsleute, Rancher und Siedler aufgeben müssen. Ich muss das Geld zurückschicken. Sie warten in Mesa City darauf.«
✰✰✰
Als die Sonne aufging, hatte ich einen guten Platz gefunden, an dem wir sicherlich nicht gestört wurden.
Es gab hier zwischen Felsen und grünen Büschen auch eine Quelle.
Ich ließ dem Kerl Zeit. Dieser Bat Cannon wurde im ganzen Südwesten gesucht.
Als er wieder einigermaßen beieinander war, setzte er sich auf. Denn ich hatte ihn einfach vom Pferd gestoßen, nachdem wir im Morgengrauen hier ankamen. Er starrte mich an.
»Wer bist du eigentlich?«, fragte er merkwürdig sanft, ja fast unterwürfig.
»Du hast verdammt schlechte Karten«, sagte ich. »Nur wenn du klug bist, kannst du vielleicht damit heil aus diesem Spiel kommen.«
In seinen schrägen Wolfsaugen glitzerte es. Der sanfte Tonfall seiner Stimme war gewiss nur ein Bluff. Dieser Bursche war noch nicht klein gemacht. Der gab noch nicht auf. Nachdem er seine anfängliche Not überwunden hatte, erholte er sich jetzt schnell. Er war hart und zäh. Ich hatte ihm ja auch reichlich Zeit gelassen.
»Erklär mir alles«, murmelte er. »Ich bin nicht gerade dumm. Also werde ich es schließlich begreifen.«
Nun wurde er also schon dreist.
»Die Kette in deiner Westentasche – sie gehörte meiner Frau. Und überdies bist du beim Überfall auf die Bank in Mesa erkannt worden.«
Nun wusste er Bescheid.
»Oh«, sagte er, »dann hab ich wirklich schlechte Karten.«
Ich grinste. Aber darin lag keine Freundlichkeit.
»Wie gut die Karten sein werden«, murmelte ich, »hängt auch von dir ab.«
»He«, machte er nur, doch in seinen glitzernden Augen erkannte ich nun einen Ausdruck von Hoffnung. Er glich ja gewissermaßen einem Ertrinkenden, der sich an einen Strohhalm klammerte.
»Ich möchte auch die anderen erwischen«, sagte ich. »Aber ich weiß nicht, wo ich sie suchen muss. Und selbst wenn sie neben mir in einem Saloon an der Bar stünden, würde ich nicht wissen, wer sie sind. Nur du kannst es mir sagen. Also sind deine Karten gar nicht so schlecht. Du hast etwas zum Tausch anzubieten.«
»Und du lässt mich dann laufen?«, fragte er ungläubig.
Ich schüttelte den Kopf. Mein Grinsen wirkte gewiss böse.
»Nein! Das könnte ich gewiss nicht. Für das, was ihr mit meiner Frau gemacht habt, würdet ihr alle hängen. Aber ich will dir eine faire Chance geben. Wenn du mir verrätst, wer deine Partner waren und wo ich sie finde, gebe ich dir deinen geladenen Colt. Und dann tragen wir es miteinander aus. Du bist zwar kein Gentleman, sondern der letzte Dreck – aber ich erweise dir die Gunst eines fairen Duells. Du bekommst eine Chance. Na?«
Er staunte mich an.
»Und wenn ich dich anlüge, wenn ich dir ganz einfach nur ein paar Namen nenne von Männern, die es gar nicht gibt?«
»Überleg doch mal«, sagte ich. »Es ist doch ein feines Spiel – auch für dich. Wenn du mir die richtigen Namen nennst, mir die richtigen Beschreibungen und Erklärungen gibst, dann kann ich doch nur etwas damit anfangen, wenn ich dich danach im Duell schlage. Nicht wahr? Und wenn du tot bist, dann kann es dir doch nur recht sein, wenn ich auch deine Kumpane erwische. Denn warum sollen sie davonkommen – und du nicht? Und solltest du mich im Revolverkampf besiegen, so kann ich als Toter ja wohl deinen Kumpanen nicht mehr gefährlich werden.«
Er dachte nach. Ich sah ihm an, dass ihm mein Vorschlag gefiel.
Denn er war ein Mistkerl. Es gefiel ihm, dass seine Kumpane nicht davonkommen würden, sollte er gegen mich verlieren. Ja, das gefiel ihm sehr. Aber zugleich glaubte er auch an seine Chance, denn er hielt sich für einen sehr schnellen Revolvermann.
Ich war ziemlich sicher, dass er mich nicht anlügen würde.
Er erhob sich und ging ein paar Schritte zur Quelle. Er erfrischte sich ausgiebig. Ich ließ ihm Zeit. Ja, er wollte all seine Reflexe testen. Ich konnte das verstehen.
Aber ich wusste, dass ich ihn töten würde.
Nein, ich kannte keine Gnade. Was diese Kerle mit meiner Frau gemacht hatten, hätte ihnen nur ein Heiliger vergeben können.
Bat Cannon setzte sich dann auf einen Stein. Er sah mich an, strich sich die Nässe aus den Haaren und begann zu reden.
»Ich glaube nicht, dass du sie alle schaffen könntest, wenn du hier mit mir zurechtkommen solltest«, begann er. »Denn zumindest zwei von ihnen sind mit dem Colt besser als ich.«
»Die Namen«, murmelte ich. »Nenn mir ihre Namen. Und sag mir, wohin sie geritten sind, nachdem ihr die Beute geteilt habt.«
Er beugte sich vor und legte seine Hände flach auf die Oberschenkel, deren Muskeln unter der Hose spielten.
»Die Namen ...«, begann er. »Nun, die Namen sind Pete Finch, Roy Slater und Hogjaw Targoner. Aber was sind schon Namen? Ich ...«
Nun, er erzählte mir in den nächsten zehn Minuten alles, was ich wissen musste. Es gab für mich keinen Zweifel, dass er die Wahrheit sagte.
Als er dann fertig war, machte er eine kleine Pause.
Dann sagte er: »Nun, wenn ich also gleich zur Hölle fahre, dann kann ich ziemlich sicher sein, dass meine drei Partner zumindest ziemlich ins Schwitzen kommen. Das wäre mir in der Hölle ein kleiner Trost. Aber es könnte sein, dass ich dich schlagen kann, Mann. Wirst du jetzt überhaupt dein Versprechen halten?«
Seine Frage kam herausfordernd.
Und ich selbst stand vor einer Entscheidung.
Sie war nicht einfach.
Wenn ich an Peggy dachte, an die glücklichen Jahre mit ihr – und dann an ihren Tod, nun, dann verspürte ich den Wunsch, diesen Burschen einfach abzuknallen wie einen tollwütigen Wolf.
Bat Cannon begriff, dass ich jetzt mit mir kämpfte.
Ich aber bezwang meine heißen Rachegefühle. Es wurde mir klar, dass ich meine Selbstachtung behalten wollte. Ich konnte ihn nicht einfach abknallen, wenn er wehrlos war.
Und so trat ich zu dem Pferd, wo sein Waffengurt mit dem Colt im Holster am Sattelhorn hing.
Ich warf ihm den Gurt zu.
Er fing ihn auf und legte ihn fast bedächtig um.
Er rückte das Holster zurecht, band es am Oberschenkel fest und richtete sich langsam auf. In seinen Augen brannte nun eine heiße Flamme.
Er war bereit, und er wusste, dass er ums nackte Leben kämpfte.
Ich war ebenfalls bereit, wartete, sagte nach einer Weile: »Nun, wenn du ...«
Weiter kam ich nicht. Denn er zog plötzlich. Das war sein Trick. Er zog, indes ich noch sprach, und hoffte, dass ich noch nicht bereit war.
Doch ich schlug ihn glatt.
✰✰✰
Noch am selben Tag war ich auf Bat Cannons Pferd unterwegs nach Silver. Am nächsten Tag erreichte ich eine kleine Stadt. Hier schrieb ich in der Postagentur einen Brief an die Bank von Mesa und die Leute dieser kleinen Stadt.
Ich sandte auch das Geld, das ich in Bat Cannons Gürtel fand, bevor ich ihn beerdigte.
Es waren 3357 Dollar. Ich teilte der Bank von Mesa mit, dass ich dreihundert Dollar für Spesen einbehalten hätte und nun hinter den drei anderen Bankräubern her sei.
Ich wusste, dass sie nun in Mesa hofften, bald noch mehr von dem geraubten Geld zurückzubekommen. Und das musste ihre Rettung sein. Die 3357 Dollar waren ein Aufschub. Die Bank wurde wieder zahlungsfähig.
Ich verkaufte Bat Cannons Pferd und fuhr bald mit der Postkutsche weiter nach Silver. Die Stadt lag in Colorado. Es war eine Minenstadt. Und dennoch gab es in den Tälern um Silver nicht nur Minen und Claims. Es sollten sich dort auch schon Rinderzüchter niedergelassen haben. Und von Süden her waren die Schafzüchter im Vormarsch.
In Silver würde ich wahrscheinlich Pete Finch finden.
Er war der Nächste auf meiner Liste. Das hatte seinen Grund. Pete Finch war ein ruheloser Bursche, ein Revolvermann und Spieler. Bei ihm musste ich damit rechnen, dass er aus irgendeinem Grund nicht lange in Silver blieb.
Es war auch hier in Silver so, dass ich gegen Mitternacht aus der Postkutsche kletterte. Nur erwartete mich diesmal kein kleiner Mann, der schon die Vorarbeit geleistet hatte.
Nein, ich wusste nichts über die Stadt – und wenig über Pete Finch. Nur eines wusste ich: Er war ein Mann, der einer schönen Frau verfallen war, nämlich Lily Marybee.
Und von Lily Marybee hatte ich schon gehört. Denn ich war ja damals in den wilden Jahren vor meiner Heirat mit Peggy viel herumgekommen. Lily Marybee war die Queen in vielen noblen Saloons und Amüsierhallen, auch auf den Salondampfern, die zwischen New Orleans und Saint Louis verkehrten.
Von Bat Cannon wusste ich, dass Pete Finch am Überfall auf die Bank von Mesa nicht zuletzt deshalb teilgenommen hatte, weil er pleite war. Als Spieler brauchte er ein gewisses Spielkapital. Und sein Leben mit Lily Marybee kostete eine Menge Geld.
Er war an einen anderen Spieler geraten, gegen den er kein Glück hatte.
Ich fragte mich, ob er mit dem in Mesa geraubten Geld wieder der große Bursche geworden war, der er sein musste, wollte er Lily Marybees Gunst. Ich würde es bald wissen. Doch ich musste mir hier gewiss mehr Zeit nehmen als mit Bat Cannon.
Im Cosmos Hotel bekam ich mit viel Glück ein primitives Zimmer. Es war sündhaft teuer.
Ich wusch mich. Dann machte ich mich auf den Weg, obwohl es schon fast eine Stunde nach Mitternacht war. Der Nachtportier lag hinter dem Anmeldepult in einem Schaukelstuhl. Er öffnete ein Auge, als ich die Treppe herunterkam und meinen Schlüssel an das Brett hängte.