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Sie nähern sich langsam dem Marshal’s Office.
Ben Ballangher, der sie durch das Fenster die Straße herunterkommen sieht, weiß, dass die Versammlung der Bürgerschafts-Vertreter nun beendet ist und die drei Männer ganz offiziell in dieser Eigenschaft bei ihm erscheinen.
Er betrachtet sie auf seine kritisch prüfende Weise, die den Dingen stets auf den Grund zu gehen versucht. Er spürt instinktiv die unsichtbare Wand, die sie zwischen sich und ihm errichtet haben.
Noch bevor einer von ihnen den Mund aufmacht und zu sprechen beginnt, fragt sich Ben Ballangher, warum er diese drei Männer bisher für seine Freunde hielt.
Denn sie sind es nicht. Das weiß er jetzt bestimmt ...
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Der Ritt zurück
Vorschau
Impressum
Der Ritt zurück
Sie nähern sich langsam dem Marshal's Office.
Ben Ballangher, der sie durch das Fenster die Straße herunterkommen sieht, weiß, dass die Versammlung der Bürgerschafts-Vertreter nun beendet ist und die drei Männer ganz offiziell in dieser Eigenschaft bei ihm erscheinen.
Er betrachtet sie auf seine kritisch prüfende Weise, die den Dingen stets auf den Grund zu gehen versucht. Er spürt instinktiv die unsichtbare Wand, die sie zwischen sich und ihm errichtet haben.
Noch bevor einer von ihnen den Mund aufmacht und zu sprechen beginnt, fragt sich Ben Ballangher, warum er diese drei Männer bisher für seine Freunde hielt.
Denn sie sind es nicht. Das weiß er jetzt bestimmt ...
Ben Ballangher, der Marshal von Goldwater, ist ein dunkelhaariger, hagerer Mann, geschmeidig wie ein Sioux. In seinem hohlwangigen Gesicht leuchten merkwürdig helle Augen.
Er wiegt hundertneunzig Pfund. Doch man sieht sie ihm nicht an.
In seinem dunklen Gesicht sind einige Narben. Sein Nasenbein wurde irgendwann einmal gebrochen. Als er jetzt seine Lippen zu einem Lächeln verzieht, wirkt er jünger, nicht mehr so hart und kühl. Er verändert sich durch dieses Lächeln. Mit einem Mal wirkt er wie ein großer, verwegener Junge.
»Nun«, sagt er, »ihr seht ja so feierlich aus. Wollt ihr mir im Auftrag der Bürgerschaft eine goldene Uhr schenken – mit einer Widmung für treue und aufopfernde Dienste? Na schön, fangt an!«
Er blickt auf Frank Satterlee, dessen Bank während der letzten zwei Jahre dreimal überfallen wurde. Aber die Banditen kamen mit ihrer Beute nie weiter als dreißig oder vierzig Meilen. Einmal gelangten sie nicht einmal aus der Stadt.
Dass Frank Satterlees Bank nicht zahlungsunfähig wurde, verdankt er dem Marshal von Goldwater.
Deshalb sagt er wohl: »Wir wissen genau, was wir Ihnen verdanken, Ben. Es war ein Glück, dass wir Sie damals als Marshal verpflichten konnten. Sie haben Goldwater gezähmt und gebändigt. Sie haben all diese wilden Tiger vertrieben und den Abschaum der Grenze ...«
»Schon gut! Ich weiß selbst, was ich alles tun musste«, unterbrach ihn Ben Ballangher ruhig. »Mich interessiert mehr, was diese Stadt nun für mich zu tun gedenkt, nachdem man sie zur County-Hauptstadt wählte. Bekomme ich die Unterstützung der Bürgerschaft für die Wahl zum County Sheriff oder nicht?«
Die Frage steht knapp und kühl im Raum.
Die Männer sehen ihn an. Noch bevor einer von ihnen den Mund aufmacht, weiß Ben, dass er hier erledigt ist.
Der lederhäutige, falkengesichtige Frank Satterlee hat sich hinter Ben Ballanghers Schreibtisch gesetzt, denn dort steht der bequemste Sessel.
Howard Osborne, dem fast alle Saloons und Hotels in der Stadt gehören, viele andere Geschäfte und dazu der Mietstall, der Frachtwagenhof und einige kleine Fracht- und Postlinien, dieser Howard Osborne sagt von der Tür her, gegen die er seine breiten Schultern lehnt: »Du wirst uns vielleicht für undankbar halten, Ben – und du wirst vielleicht auch sagen, dass der Mohr seine Schuldigkeit getan habe und nun wohl gehen müsse, wenn du dieses Zitat überhaupt kennst. Nun, wie es auch sei, du wirst uns jedenfalls für undankbar halten. Aber wenn wir ganz offen zueinander reden dürfen, dann ...«
Er macht eine kleine Pause und richtet seinen Blick auf Frank Satterlee und Johnny Jacks, der es sich auf einer Schreibtischecke bequem machte. Sie tauschen Blicke des Einverständnisses aus.
»Lass jedes Gewäsch und mach es kurz«, sagt Ben Ballangher noch eine Spur kühler als zuvor.
Sie betrachten ihn mit einiger Unruhe. Er ist der Mann, der diese Stadt bändigte, als alle anderen Männer sich verkrochen und Angst hatten. Ben Ballangher hat es mit allen Banditen und Revolverhelden aufgenommen, mit den Spekulanten, Erpressern, Betrügern, Spielern und dem ganzen Gesindel.
»Wir verdanken dir viel«, sagt Howard Osborne. »Deine Zeit ist bereits Legende und Geschichte geworden. Für Goldwater beginnt ein neuer Abschnitt. Wir werden eine Kirche und eine Schule bauen. Wir werden ...«
»Komm zur Sache, How!« Ballanghers Stimme ist so kalt wie damals, als ihn die Shadow-Brüder im Goldwater Saloon eingekeilt hatten und er ihnen sagte, sie sollten ihre Waffen lieber fortwerfen, weil er sie sonst erschießen müsse.
Und dann schoss er sie nieder, obwohl sie drei wilde Revolverhelden waren, die ihn in der Klemme hatten.
So kalt ist seine Stimme jetzt. Selbst der große und mächtige Howard Osborne, der sich sonst von keinem Mann beeindrucken lässt, schluckt einmal, bevor er spricht.
Weil er so schlucken muss, ist er wütend.
Deshalb klingt auch seine Stimme hart, als er sagt: »Ben, du hast in dieser Stadt fünf Männer getötet und einige schlimm verwundet. Du warst hier der Revolver-Marshal, der wilde Tiger, der alle anderen Tiger vertrieb. Du hast hier eine Menge Blut vergossen. Oha, gewiss, du tatest deine Pflicht! Du schütztest die Bürger. Du bekämpftest Verbrechen, Laster und rohe Gewalt. Doch irgendwie, Ben, tatest du all das Gute und Notwendige auf böse Weise. Deshalb wäre es besser, wenn auch du zur wilden, blutigen Vergangenheit von Goldwater gehören würdest. Wir wollen neu anfangen und nichts mit in die neue Zeit hinüberschleppen. Verstehst du das, Ben, alter Junge? Deshalb wollen wir dich nicht als Marshal und nicht als Sheriff. Du hast Goldwater friedlich gemacht. Oft genug waren deine Mittel nicht ganz legal. Doch wir standen hinter dir. Wir wussten, dass der Zweck manchmal die Mittel heiligt. Jetzt aber wird alles anders. Es gibt kein Gold mehr im Land. Nirgendwo sind neue Fundstellen. Bis auf einige Minen, die mit mäßigem Gewinn arbeiten, gibt es hier nichts mehr, das an den großen Goldrausch erinnert. Und auch der Verdruss mit den Viehtreibern ist vorbei, die ihre Herden auf dem Weg zu den Bahnstationen hier durchtrieben. Die Treibherden nehmen jetzt andere Wege, weil es irgendwo neue Verladebahnhöfe gibt. Hier in unserem Land kommt der friedliche Aufbau nun zu seinem Recht. Überall entstehen Siedlerstätten und kleine Ranches. Jetzt strömen friedliche Menschen in unser Land und lösen die Abenteurer ab. Goldwater kann nie wieder eine wilde Stadt werden. Vielleicht hättest du sie überhaupt nicht zu bändigen brauchen. Vielleicht wäre sie von selbst friedlich geworden. Denn nur die Rinderherden und die Goldfunde brachten uns den Abschaum der Grenze her. Nun, Ben, wir zahlen dir noch mal tausend Dollar als Anerkennung. Doch dann wäre es gut, wenn du ...«
»Halt deinen Mund, How!«, sagt Ben Ballangher grob. »Erkläre mir jetzt nur nicht, was gut für mich wäre. Mein Vertrag mit dieser Stadt läuft erst heute um Mitternacht ab. Bis dahin trage ich den Stern. Raus mit euch! Raus hier!«
Sie sehen ihn an und merken, dass er immer noch eiskalt ist, nicht zornig und wütend. Seine hellen Augen sind voll Verachtung.
Frank Satterlee nimmt einen Briefumschlag aus seiner Innentasche und legt ihn auf den Schreibtisch.
Dann gehen sie.
Ben Ballangher starrt zum Fenster hinaus und sieht ihnen nach, wie sie zum Royal Saloon gehen. Gewiss wollen sie dort einen Whisky trinken, der ihnen das Unangenehme fortspülen soll.
Denn unangenehm war es ihnen bestimmt.
Ohne den Marshal wären sie in den vergangenen drei Jahren nicht zurechtgekommen – keiner von ihnen. Auch Johnny Jacks nicht, obwohl sich der blendend aussehende Johnny Jacks mit jedem Menschen sofort gut versteht und niemals Streit bekommt.
Johnny Jacks ist der Geschäftsführer einiger kleiner Minen, die sich zu einem Unternehmen zusammengeschlossen haben, um rentabler zu sein. Doch sein Posten bringt nicht viel ein, da die Ausbeute immer geringer wird und er mit Prozenten am Gewinn beteiligt ist. Er verstand es jedoch in den vergangenen Monaten, sich in der Stadt beliebt und auf den verschiedensten Gebieten unentbehrlich zu machen. So handelt er mit Grundstücken, schreibt im Auftrag der Stadt Briefe in die Städte des Ostens, um dort Ansiedler zu werben, und macht eine Menge anderer Dinge. Er gilt als junger, aufstrebender Mann, der auf seine wirkliche Chance wartet. Dazu kommt, dass er eine Weile studiert hat, um Anwalt zu werden, und immer wieder um Rat gebeten wird.
Ben Ballangher fragt sich, wer in dieser Stadt und dem neuen County wohl Sheriff werden könnte. Und weil er in diesem Moment auf Johnny Jacks' Rücken sieht, fällt es ihm plötzlich ein.
Denn Frank Satterlee und Howard Osborne, die beiden Großen der Stadt und des neuen Countys, werden einen Sheriff haben wollen, auf den sie einwirken können. Und Johnny Jacks wäre gerade der richtige Mann für sie.
Ben Ballangher weiß jetzt, warum sie ihn in diesem neuen County nicht zum Sheriff haben möchten, ja, nicht mal zum Marshal der Stadt.
Er hat sich niemals sagen lassen, was er zu tun hat. Er hätte selbst die Großen dieser Stadt zurechtgestutzt, hätte er sie auf krummen Wegen erwischt.
Ja, er glaubt, dass Frank Satterlee, dieser zähe, hagere, scharfe Falke, und Howard Osborne, der selbstbewusste und von Kraft und Selbstvertrauen strotzende Mann, nun ihr eigenes Spiel in Gang bringen möchten.
Sie sind dabei, die Karten auszuteilen und sich die besten Trümpfe zu geben.
Ben Ballangher kennt sich aus. Er war in einigen Städten, in denen dieses Spiel genauso lief. Es läuft überall nach einem einzigen Schema.
Ah, die Strolche! Und das üble Gesindel habe ich ihnen vom Leibe gehalten, denkt er grimmig. Ich sorgte in dieser Stadt dafür, dass sich die Friedlichen sicher fühlten, dass man ihre Frauen und Töchter nicht belästigte, dass sie selbst ohne Schaden blieben und die Stadt nicht in die Hand von Banditen fiel. Sie waren wie ein Rudel Schafe, das sich zusammendrängte, und ich war der scharfe Hund, der sie bewachte. Aber vielleicht waren die ganze Zeit einige Wölfe im Schafspelz unter ihnen.
Ben Ballangher wendet den Kopf und blickt zum Claimbüro hinüber, dessen Geschäftsführer in Regierungsdiensten steht und zugleich auch vereidigter Erzprüfer ist.
Vor diesem Claimbüro rutscht Alouis Pisulski von einem alten Maultier und nimmt einem kleinen, struppigen Esel, den er als Packtier mit sich führt, einen Leinenbeutel ab.
Damit verschwindet er im Claimbüro.
Ben Ballangher lächelt nachsichtig und fast mitleidig.
Fast zwei Jahre schon sucht dieser frühere polnische Bergmann hier nach Gold. Ebenso lange wartet seine vielköpfige Familie irgendwo im Osten darauf, dass er Glück hat. Dieser Familie muss es sehr schlecht gehen. Das weiß Ben Ballangher von Alouis Pisulski, wenn dieser wieder einmal getrunken hatte und er ihn deshalb einsperren musste. Im Rausch sprach der Expole immer von seiner Familie, der er versprach, eine Mine zu finden mit einer armdicken Goldader.
Ob er jetzt etwas gefunden hat?, fragt sich Ben Ballangher. Er verspürt eine starke Neugier. Denn dass Pisulski einen Segeltuchbeutel mit schwerem Inhalt ins Claimbüro trug, konnte ein Kind erkennen.
Sollte es in diesem Land noch einmal einen Goldfund geben?
Ben Ballangher grinst bei diesem Gedanken.
Wenn hier noch einmal der Goldrausch von vorn begänne, dann kämen sie gewiss alle wieder herbeigeströmt – die Glücksjäger, die Bösen und die Hungrigen. Es würde wieder alles von vorne beginnen. Diese Stadt wäre schon bald wieder das, was sie gewesen war, ein Nest voller Sünden, Laster und Leidenschaften. Die wilde Zeit würde erneut beginnen. Und er, der Marshal, müsste sie wie ein Dompteur unter Kontrolle halten. Er müsste wieder die Guten und Friedfertigen vor den Bösen und Wilden beschützen. Er müsste wieder ...
Aber da unterbricht er seine Gedanken und grinst stärker.
»Zum Teufel, nein!« Er sagt es laut in den Raum. »Mein Vertrag mit dieser Stadt läuft ab, und sie haben mir soeben gesagt, dass sie mich nicht länger haben wollen. Nein, für diese Stadt rühre ich keinen Finger mehr.«
Als er es gesagt hat, spürt er, dass er aus verletzter Eitelkeit gesprochen hat. Er ertappt sich sogar dabei, dass es ihm eine gewisse Freude bereiten würde, Goldwater in der Klemme sitzen zu lassen. Er gesteht sich das ehrlich ein.
Ben Ballangher verlässt das Office. Er tritt auf die Straße, bleibt vor der Tür auf dem Plankengehsteig stehen und dreht sich eine Zigarette. Obwohl er immer noch zum Claimbüro blickt, beschäftigen sich seine Gedanken mit anderen Dingen.
Jetzt fragt er sich: Wie sage ich es Patricia? Wie bringe ich es Pat bei, dass aus unseren Plänen nichts wird?
Er geht die Straße entlang. Sein Schritt ist leicht und geschmeidig. Er trägt keine Sporen, und seine Stiefel sind aus weichem Leder, gearbeitet von einem Meister in Alabama. Diese Stiefel sind der einzige Luxus, den er sich gönnt.
Einige Leute sehen ihn so die Straße herunterkommen. Sie betrachten ihn mit merkwürdigen Gefühlen. Er erinnert sie daran, wie oft sie Furcht hatten und froh waren, ihn zum Marshal zu haben. Er erinnert sie aber auch daran, wie oft er für sie kämpfte und Blut vergoss. Und daran, wie feige sie waren!
Die meisten dieser Leute wenden sich ab, um ihn nicht grüßen zu müssen.
Ben Ballangher hat sie noch nie so stark wie heute verachtet. Er sieht sie gar nicht an. Er geht seines Weges und hält erst vor Pat Langtrys Geschäft an, in dem es alles gibt, was Ladys nötig haben. Pat ist eine tüchtige Schneiderin, und ihre besten Kunden sind die Mädels aus den Saloons und Amüsierhäusern.
Sie macht bei ihrer Kundschaft keine Unterschiede. Allerdings hat es sich eingebürgert, dass die Saloonmädchen an den ungeraden Tagen und die ehrenwerten Ladys an den geraden Tagen zu ihr gehen, sodass sie sich in dem Modehaus nicht begegnen.
Ben Ballangher bleibt sekundenlang stehen und holt tief Luft.
»Ich bin's, Pat! Kann ich kommen, oder hast du Kundschaft?«
»Komm, Mister! Komm herein und in die Küche. Ich muss nur noch zwei Knöpfe annähen, dann können wir Kaffee trinken. Vielleicht kannst du das Wasser aufstellen und den Kaffee mahlen, ja?«
Er tritt ein und betrachtet sie, wie sie hinter dem Nähtisch sitzt und die Knöpfe an ein Kleid näht.
Ihr Blick ist ernst und forschend. Sie ist nicht schön, doch auf eine besondere Art reizvoll und erfreulich anzusehen. Ihr Haar ist dunkelrot, und das Grün ihrer Augen bildet dazu einen wundervollen Kontrast.
Er möchte zu ihr gehen und ihre vollen Lippen küssen.
Doch dann denkt er daran, was er ihr sagen muss.
Er geht in ihre Wohnküche.
»Ich komme gleich«, sagt sie hinter ihm her.
✰✰✰
Er sitzt auf einem Schemel in der Fensterecke und mahlt den Kaffee, als sie in die hübsche Wohnküche kommt. Dabei sind die Möbel alt und waren sehr unansehnlich. Pat strich alles mit blauer und weißer Farbe an, hängte bunte Vorhänge auf und brachte Freundlichkeit in diesen Raum.
Er erwidert ihren ernsten, forschenden Blick. Dann fragt sie ruhig: »Und warum mahlst du den Kaffee und küsst mich nicht?«
»Mir ist nicht danach«, sagt er. »Diese Stadt will mich nicht mehr als Marshal und wird auch meine Bewerbung als Sheriff nicht unterstützen. Unsere Pläne fallen ins Wasser, Grünauge. Ich kann dir nichts bieten, gar nichts. Ich bin nicht gut genug, um in diesem neuen County Sheriff zu werden. Deshalb kann aus uns oder vielmehr mit uns nichts werden, Pat.«
Er spricht die letzten Worte spröde und wundert sich, wie leicht sie ihm von den Lippen kommen. Vorher hatte er noch geglaubt, ihr das nicht so nüchtern sagen zu können.
Sie steht still da, und als sie sich gerade aufrichtet und ihr Kinn hebt, da sieht er wieder etwas an ihr, was er von Anfang an besonders liebte.
Sie besitzt einen Stolz, der sie gerade dann den Kopf und das Kinn heben lässt, wenn andere den Kopf hängen lassen. Sie ist ein Mädchen, das sich nie unterkriegen lässt und bei Schwierigkeiten über sich hinauswachsen kann.
Sie betrachtet ihn ernst. Dann stellt sie Tassen, Teller, Gebäck und Zucker auf den Tisch und holt sich von Ballangher die Kaffeemühle mit dem gemahlenen Kaffee.
Während sie ihn am Herd aufbrüht, fragt sie, wobei sie Ben den Rücken zuwendet: »Warum kann aus uns nichts werden, Ben? Weil du kein Sheriff wirst? Weil du dich verraten und im Stich gelassen fühlst und von hier fortreiten willst? Oho, ich kann in zehn Minuten fertig sein und mit dir reiten! Ich habe ein Pferd im Stall und brauche mich nur umzuziehen. Aber wenn es noch schneller gehen soll, dann komme ich so mit dir, wie ich jetzt bin. Was willst du noch, stolzer Mann?«
Bei dieser Frage wendet sie sich jäh um. Und nun erkennt er in ihren dunkler gewordenen Augen den Zorn.
»Nein«, sagt er, »so nicht! Als sie mich in diese Stadt holten, war ich ein Revolvermann, der da und dort den Stern trug, Geldtransporte begleitete oder Banditen wegen der ausgesetzten Prämie fing. Ich verdiente meinen Lebensunterhalt mit dem Colt und war gerade noch klug genug, dabei stets innerhalb des Gesetzes zu bleiben. Pat, ich war ein besserer Strolch, der es verstand, sich immer einen Jagdschein zu verschaffen. Dann kam ich in diese Stadt und traf dich, ein junges Mädchen, das hier den Vater verlor. Du schafftest es, dir eine ehrenwerte Existenz aufzubauen. Die meisten Mädels an deiner Stelle wären in die Saloons gegangen. Nun gut, ich machte diese Stadt friedlich und hoffte, dass man das anerkennen und mich vom Revolver-Marshal zum wirklichen Gesetzesbeamten, zum County Sheriff, aufsteigen ließe. Und dann wollte ich dich heiraten. Jetzt wird nichts daraus! Denn ich bin nicht weitergekommen. Ich bin immer noch ein Revolvermann ohne festen Platz, den man fortschickt, weil er nicht mehr benötigt wird. Ich hätte das wissen sollen. Bliebe ich, so würden sie sich immer an ihr eigenes Unvermögen und ihre Furcht erinnern müssen, an ihre Feigheit, die sie manchmal zwang, sich in den Häusern zu verkriechen, während ich hinaus auf die Straße oder in die Saloons ging, um mich den Revolverhelden, Schlägern und Banditen zu stellen. Das ist es, Pat. Es tut mir leid, doch ich wäre der größte Halunke, würde ich dich heiraten. Du hast hier einen guten Platz. Sie achten und respektieren dich. Ich aber muss irgendwohin, und ich weiß nicht, was ich dir bieten kann. Um etwas aufzubauen, brauche ich Zeit – vielleicht zwei oder drei Jahre. Ich kann nicht von dir verlangen, dass du drei Jahre lang auf mich wartest. Und früher kann ich dir nichts bieten.«
»Jetzt bist du feige«, sagt sie. »Und zugleich beherrscht dich ein dummer Stolz. Sie haben dich beleidigt. Es war für dich, als hätten sie dir ins Gesicht gespuckt. Aber ich habe Ersparnisse, und ...«
»Nein!« Er geht zur Tür und wendet sich dort noch einmal nach ihr um. Sie ist eine Frau, wie er unter Tausenden keine zweite finden könnte. Und er liebt sie.
»Ich habe noch meinen Hengst. Ich werde eine Pferderanch aufbauen. Mein Geld reicht für ein Rudel erstklassiger Stuten. Ich weiß, dass ich eine Pferdezucht aufbauen kann, die eines Tages viel Geld einbringt. Doch es dauert seine Zeit. Ich kann nicht verlangen, dass du mit mir gehst. Ich könnte dir nur eine primitive Hütte irgendwo in der Wildnis bieten – mehr nicht. Ich kann dich auch nicht drei Jahre lang warten lassen. Pat, du bist frei.«
Er öffnet die Tür und geht hinaus. Schnell durchquert er den Laden und tritt auf die Straße.
Patricia Langtry steht noch einige Augenblicke lang reglos am Herd.