G. F. Unger Western-Bestseller 2599 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2599 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Jim Chance pariert seinen prächtigen Hengst am Rand des Sumpfes. Die Erinnerung an die Jugend überwältigt ihn fast. Hier hat er seinen ersten Biber gefangen.
Sein scharfer Blick späht über das Sumpfgelände. Aus dem Jungen Jim Chance wurde ein prächtig aussehender Bursche, dem man nicht sogleich ansieht, dass er zur Hälfte ein Arapahoe ist. Nur wenn man genauer hinsieht, erkennt man den etwas schrägen Schnitt seiner Augen und die hohen Wangenknochen.
Er wendet sich im Sattel um und blickt auf die junge Frau, welche er bei sich hat.
Sie ist eine Weiße, aber sie ist wie eine Indianerin gekleidet und hockt auch wie eine Indianerin auf dem Pferd.
Er sieht eine Weile schweigend in Sues blaue Augen. Dann deutet er zur Seite auf den Sumpf und sagt: »Alle, die den Weg durch diesen Sumpf kannten, sind tot bis auf mich. Mein Vater, dessen Freunde und Blutsbrüder, alle sind sie tot. Wenn du mir durch den Sumpf folgst, wirst du in Sicherheit sein. Doch es gibt dort jenseits des Sumpfes keinen Weg zu den Menschen. Man kann dort sicherlich gut leben - aber man wird allein sein. Nur wir zwei, du und ich. Verstehst du? Denn Rothorn wird den Sumpf bewachen lassen, vielleicht Jahre. Du warst Rothorns kostbarster Besitz. Du solltest die Frau des Häuptlings werden. Er hat sich Zeit gelassen mit dir. Nachdem er dich vor zehn Jahren als kleines Mädchen deinen Eltern raubte, ließ er dich erst zur Frau heranwachsen. Ich habe dich entführt, bevor er dich wie eine reife Frucht pflücken konnte. Er wird jetzt nur noch dafür leben, sich meinen Skalp zu holen und dich zurückzubekommen. Wenn wir durch den Sumpf reiten, werden wir vielleicht für Jahre jenseits des Sumpfes Gefangene sein. Verstehst du, Sue Kelly?«


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Seitenzahl: 152

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Bibertal-Legende

Vorschau

Impressum

Bibertal-Legende

Jim Chance pariert seinen prächtigen Hengst am Rand des Sumpfes. Die Erinnerung an die Jugend überwältigt ihn fast. Hier hat er seinen ersten Biber gefangen.

Sein scharfer Blick späht über das Sumpfgelände. Aus dem Jungen Jim Chance wurde ein prächtig aussehender Bursche, dem man nicht sogleich ansieht, dass er zur Hälfte ein Arapahoe ist. Nur wenn man genauer hinsieht, erkennt man den etwas schrägen Schnitt seiner Augen und die hohen Wangenknochen.

Er wendet sich im Sattel um und blickt auf die junge Frau, welche er bei sich hat.

Sie ist eine Weiße, aber sie ist wie eine Indianerin gekleidet und hockt auch wie eine Indianerin auf dem Pferd.

Er sieht eine Weile schweigend in Sues blaue Augen. Dann deutet er zur Seite auf den Sumpf und sagt: »Alle, die den Weg durch diesen Sumpf kannten, sind tot bis auf mich. Mein Vater, dessen Freunde und Blutsbrüder, alle sind sie tot. Wenn du mir durch den Sumpf folgst, wirst du in Sicherheit sein. Doch es gibt dort jenseits des Sumpfes keinen Weg zu den Menschen. Man kann dort sicherlich gut leben – aber man wird allein sein. Nur wir zwei, du und ich. Verstehst du? Denn Rothorn wird den Sumpf bewachen lassen, vielleicht Jahre. Du warst Rothorns kostbarster Besitz. Du solltest die Frau des Häuptlings werden. Er hat sich Zeit gelassen mit dir. Nachdem er dich vor zehn Jahren als kleines Mädchen deinen Eltern raubte, ließ er dich erst zur Frau heranwachsen. Ich habe dich entführt, bevor er dich wie eine reife Frucht pflücken konnte. Er wird jetzt nur noch dafür leben, sich meinen Skalp zu holen und dich zurückzubekommen. Wenn wir durch den Sumpf reiten, werden wir vielleicht für Jahre jenseits des Sumpfes Gefangene sein. Verstehst du, Sue Kelly?«

Die schöne junge Frau nickt.

Sie erwidert Jim Chances Blick.

»Jim, ich liebte dich vom ersten Moment an«, sagt es. »Als du damals mit deinem Vater und den anderen Jägern in Rothorns Dorf kamst, da dachte ich sofort: den oder keinen. Wir werden glücklich sein in der Einsamkeit. Und wenn wir bis an das Ende unseres Lebens dort leben müssen, Jim, wir werden glücklich sein. Bitte, Jim, rette mich vor Rothorn.«

Er nickt. »Ja, wir werden glücklich sein, Sue Kelly.«

»Reiten wir, Jim, reiten wir endlich!«

Sie blickt nach diesen Worten angstvoll über die Schulter.

Denn dort weit zurück, da kann im nächsten Moment schon Rothorn mit seinen Kriegern auftauchen.

Jim Chance zögert nicht länger.

Auf seinem wunderbaren Hengst reitet er in den Sumpf hinein. Das Tier schnaubt etwas, gehorcht nur unwillig. Doch dann spürt es, dass der Reiter es sicher auf festem Grund zu lenken versteht. Der Sumpf verliert für das Tier schnell seine Schrecken. Und die drei anderen Pferde – Sues Stute und die beiden Packpferde – folgen dem Hengst gehorsam.

Bald verschwindet das Paar mit den vier Pferden zwischen den Büschen im Sumpf. Der Sumpf schließt sich schmatzend.

Es dauert nicht lange, da taucht Rothorn auf mit seiner Horde.

Er lässt seine Krieger warten und versucht dann eine Weile erfolglos, den Weg zu finden. Doch er kommt im besten Fall nur drei Steinwurfweiten in den Sumpf hinein. Dann muss er stets wieder umkehren – und beim letzten Mal schafft er es kaum noch. Sein Pferd zittert voller Angst und bricht vor Erschöpfung fast unter ihm zusammen, als sie es schließlich doch noch schaffen, wieder festen Boden unter sich zu bekommen.

Rothorn ist kein junger Häuptling mehr. Er ist das, was man einen »gestandenen Mann« nennt. Sein nackter, mit Muskeln bepackter Oberkörper glänzt jetzt vor Schweiß in der Sonne.

Und er gesteht sich ein, dass auch er fast so viel Angst hatte wie sein Pferd und beinahe in Panik geraten wäre.

Er weiß jetzt, dass er verloren hat.

Dennoch will er es nicht wahrhaben. Denn er gibt niemals so schnell auf. Er konnte schon immer beharrlicher als jeder andere Indianer sein Wild verfolgen.

Und so sagt er zu seinen Kriegern: »Zwei von euch reiten zum Dorf. Es wird nach hier verlegt. Rothorns Dorf wird in Zukunft hier stehen. Wir werden den Rand des Sumpfes bewachen – wenn es sein muss, bis in alle Ewigkeit. Er hat mir nicht nur die Squaw gestohlen, sondern auch noch den kostbarsten Zuchthengst unserer Pferdezucht, einer Zucht, die unser Dorf berühmt machte unter allen anderen Dörfern unseres großen Volkes. Wir müssen ihn zurückbekommen mit allem, was er uns stehlen konnte. Denn sonst wird man bis in die Ewigkeit über Rothorn und sein Dorf lachen.«

✰✰✰

Sie müssen etwa zwei Stunden im Zickzack reiten. Immer wieder hält Jim Chance an und sucht mit seinem Blick neue Verbindungslinien, denen er dann folgt. Er irrt sich nicht einmal dabei – und dies ist eine wahrhaft einmalige Leistung, wenn man bedenkt, dass er in den vergangenen zwölf Jahren kaum mehr als dreimal hier war.

Als sie dann das ansteigende Gelände erreichen und ihre Pferde trockenen und festen Boden unter den Hufen haben, halten sie an und sehen sich um.

Zuerst blicken sie zurück über den Sumpf.

»Ich werde dir den Weg noch genau erklären, sodass du auch allein durch den Sumpf reiten kannst«, sagt Jim zu Sue.

Sie lächeln sich an.

Dann blicken sie sich um in dem weiten, sanft ansteigenden Tal, durch welches der Creek fließt, den die Biber mit ihren Dämmen anstauten, sodass er nach und nach zu einem Sumpf wurde.

Es ist ein gewaltig schönes Tal, eingeschlossen von einer Bergmauer, die sich nur jenseits des Sumpfes öffnet. Es ist ein hufeisenförmiges Tal mit Hügelzügen, tiefen Senken, kleinen Bachläufen, die zum Hauptcreek eilen, mit Wald und viel Wild.

Es ist ein Land, in dem Milch und Honig zu fließen scheinen. Alles wirkt so vollkommen, so schön und unberührt.

»Wir werden eine Hütte bauen«, sagt Jim.

»Wenn die Hütte steht, wollen wir Hochzeit halten, Jim Chance, ja?«

✰✰✰

Die Wochen vergehen wie im Flug, und sie arbeiten hart von früh bis spät. Ausrüstung und Werkzeuge brachten sie ja auf zwei Packpferden mit, und zu essen gibt es reichlich. Denn die Jagd ist gut. Und da sie beide bei den Indianern lebten und unter ihnen aufwuchsen, verstehen sie sich auf alle Fertigkeiten, welche notwendig sind, will man in der freien Natur leben.

Es ist dann an einem schönen Indianertag, als sie Hochzeit halten, und sie machen alles sehr feierlich. Sie geloben sich einander laut und vernehmlich einander stets zu lieben, zu achten und zu ehren.

Danach wird ihre Einsamkeit inmitten der Natur noch mehr zu einem Paradies für sie. Ja, sie sind glücklich. Ehe sie es sich versehen, ist auch schon der Indianersommer vorbei.

Es wird allmählich kälter.

Eines Nachts erwacht Sue und sagt laut: »Jim!«

»Ja, mein Mädchen, was ist?«

»Ich hatte einen bösen Traum, Jim!«

»Erzähl ihn mir. Und sei dir bewusst, dass es nur ein Traum war. Was hast du so Böses geträumt?«

»Der Sumpf war zugefroren. Man konnte über den zugefrorenen Sumpf reiten! Und Rothorn kam mit all seinen Kriegern. Sie fingen dich. Ich warf mich vor Rothorns Füße und bat ihn um Gnade. Doch ...«

Sie stockt nun, will nicht weitererzählen.

Doch er nimmt sie in seine Arme und sagt ruhig: »Erzähle nur weiter, Sue, mein Liebes. Mach dich frei von diesem bösen Traum. Erzähl mir alles.«

»Sie töteten dich mit einem Dutzend Lanzen«, spricht sie weiter und zittert in seinen Armen. »Wie einen Käfer spießten sie dich am Boden auf. Und dann zog Rothorn mich an den Haaren hinter sich her.«

Sie schweigt nach diesen Worten.

Jim Chance aber lacht leise.

»Dieser Sumpf«, sagt er, »friert auch im schlimmsten Winter nicht zu.«

✰✰✰

Sie reiten langsam durch den Sumpf. Immer wieder halten sie an. Jim macht Sue auf alle wichtigen Landmarken aufmerksam, die man anvisieren muss, um stets die richtigen Zickzacklinien einzuhalten.

Sue gibt sich Mühe, alles in sich aufzunehmen. Dass sie viele Jahre unter Indianern leben musste, macht sie für solche Dinge aufnahmefähiger. Sie spürt auch deutlich eine gewisse, aus dem Sumpf aufsteigende Wärme, entdeckt da und dort ein Brodeln von aufsteigenden Blasen.

Ja, nun glaubt sie Jim erst richtig, dass der Sumpf auch im Winter nicht zufrieren kann. Überdies sind die Winter hier nicht besonders hart, denn dieses Land gehört ja noch fast zum südlichen Colorado. New Mexiko und der Pfannenstiel von Texas sind in Luftlinie kaum mehr als dreihundert Meilen entfernt.

Es ist dann schon fast Mittag, als sie aus guter Deckung den Rand des Sumpfes beobachten können. Der Tag hat sich nun auch so erwärmt, dass über dem Sumpf keine Nebel mehr aufsteigen.

Sie sehen Rothorns Dorf.

Es ist ein großes Dorf von mehr als zweihundert Tipis, ein Riesendorf sogar. Denn auf jedes Tipi muss man nach der alten Faustregel fünf Menschen rechnen, also Krieger, Frauen, Alte und Kinder.

Über etwa tausend Seelen gebietet dieser Rothorn.

Und er hat sich dort mit seinem Dorf festgesetzt wie für die Ewigkeit. Es ist klar, dass er an diesem Platz überwintern wird. Viele Zeichen deuten darauf hin.

Sue sieht Jim an.

»Ich will gar nicht hinaus«, sagt sie. »Mir gefällt es in unserer Hütte dort in jenem Tal hinter dem Sumpf. Wir werden im Sommer ein Kind haben, Jim. Ich werde nichts vermissen, denn ich lebte lange genug unter den Indianern. Ich weiß auch, wie die Squaws ihre Kinder zur Welt bringen und was dabei zu tun ist. Ich kann auch unser Kind wie eine Squaw zur Welt bringen – und ich muss es nicht mal in einem Tipi oder hinter einem Busch unterwegs tun, sondern habe ein Heim, eine feste Hütte, fast schon ein Haus. Wir brauchen hier nicht hinaus. Kehren wir also um.«

Er nickt ihr zuerst dankbar zu, weil er sich so sehr über ihre Worte freut. Dann aber schüttelt er leicht den Kopf.

»Aber wir sind keine Indianer«, murmelt er. »Auch ich fühle mich nicht als Indianer, obwohl ich zur Hälfte einer bin. Mein Vater war ein Weißer. Ich fühle und denke wie er. Und auch unser Kind soll nicht wie ein Indianer aufwachsen von Geburt an. Wir wollen dort in unserem Tal wie Weiße leben. Also brauchen wir ein paar wichtige Dinge. Bücher zum Beispiel. Ich kann lesen, schreiben und auch rechnen. Ich weiß, wie man den Inhalt einer Kugel berechnet. Mein Vater lehrte mich das alles. Und ich muss es vertiefen, verbessern, dieses Wissen. Ich muss es an dich und an unsere Kinder weitergeben. Ich muss dir die Bequemlichkeit einer weißen Frau schaffen. Du sollst nicht wie eine Squaw leben. Also muss ich reiten. Dort hinaus und an Rothorns Dorf vorbei. Ich kann das. Sie werden mich nicht sehen. Ich kann hinaus und wieder hinein. Es muss sein, Sue.«

✰✰✰

Als das Wetter schlecht wird, Regenwolken ganze Vorhänge niederrauschen lassen, da wagt es Jim Chance.

Er verlässt den Sumpf in einer rabenschwarzen Nacht, die er am Rand schon abwartete, weil er in dieser Nacht ja selbst nicht durch den Sumpf gekommen wäre.

Er reitet nicht den kostbaren Hengst, denn dieser würde gewiss zu wiehern beginnen, wenn er die große Pferdeherde des Dorfes und all die vielen anderen Hengste zu wittern bekäme.

Jim Chance hat zwei der Stuten mitgenommen. Sie werden nächstes Jahr Fohlen bekommen, und wenn er Glück hat, wird abermals solch ein Hengst geboren werden, wie es jener ist, den er bei Sue zurückgelassen hat.

Jim Chance führt die beiden Tiere aus dem Sumpf. Oh, er kennt die Stellen, wo der Boden weich genug ist, sodass nicht mal leiser Hufschlag zu hören ist. Er hat sich der Kleidung der weißen Männer entledigt und ist halb nackt wie ein Indianer.

Er kommt ziemlich weit und ist schon fast am Dorf vorbei, dessen Feuer er eine gute halbe Meile entfernt zu seiner Rechten leuchten sieht.

Als er schon glaubt, dass die Wächter des Dorfes schlafen und man wahrscheinlich auch den Rand des Sumpfes nicht scharf genug bewacht – es sind ja immerhin fast drei Meilen –, da fragt ihn eine kehlige Stimme: »Bist du das, Gelbvogel?«

Er hält inne, und er kennt ja die meisten Krieger dieses Dorfes. Er hat mit den meisten schon gejagt seit seiner Kindheit. Später – als sein Vater starb, der zuletzt nur noch Handel trieb mit den Indianern –, da hatte er das Handels- und Tauschgeschäft seines Vaters fortgesetzt.

Und dann sah er Sue. Von jenem Moment an wurde alles anders.

Nun ist er nicht überrascht. Denn in jeder Sekunde war er auf solch eine Begegnung gefasst.

Als er nun spricht, klingt seine Stimme wie die von Rothorn, nämlich tief, kehlig und etwas grollend. Ja, er kann Rothorns Stimme wirklich täuschend imitieren.

Und er sagt grollend, wie es Rothorn tun würde: »Warum blökst du in die Nacht wie ein einsames Büffelkalb? Wenn ich nicht Rothorn wäre, könnte es Wolfsboy sein, der sich aus dem Sumpf gewagt hat in dieser tiefen Nacht. Komm her, du hohles Ei, komm her zu Rothorn!«

Und der Wächter, der hier dieses alte Creekbett bewachen sollte, kommt sofort folgsam und eilig.

Er weiß zu gut, dass er Rothorn jetzt besser nicht durch Zögern oder Unwillen reizen darf.

Als er vor Jim Chance auftaucht, wartet dieser nicht erst noch, bis ihn der Krieger erkennt. Da sein Bein länger ist als sein Arm, lässt er es hochschnellen.

Er trifft voll die Magenpartie.

Der Krieger verbeugt sich artig und bekommt Jims Fäuste ins Genick. Er sagt nichts mehr, rührt sich auch nicht mehr.

Jim Chance sitzt auf und reitet davon.

✰✰✰

Es dauert eine ganze Weile, bis der Krieger wieder zur Besinnung kommt. Er liegt eine Weile stöhnend da und erträgt seine langsam sich lindernde Not.

Oh, er weiß jetzt genau, wer ihn zusammenschlug.

Wolfsboy, wie die Indianer Jim Chance nennen, so, wie sie seinen Vater einst Weißwolf nannten, ist also aus dem Sumpf gekommen.

Wenn Rothorn das erfährt, wird er verrückt werden vor Wut. Und er wird seinen Wächter hier vielleicht noch schlimmer schlagen, als es soeben Wolfsboy tat.

Der Krieger stöhnt nun vor Schmach. Dass er sich so leicht übertölpeln ließ, bringt ihm Schande ein im ganzen Dorf.

Sie werden ihn alle verspotten. Und auch das Mädchen, hinter dem er schon eine Weile her ist, wird ihn nicht mehr ansehen.

Er erhebt sich stöhnend, und er möchte brüllen vor Zorn. Auch möchte er jetzt diesem Wolfsboy nach, um mit ihm zu kämpfen und die Schmach zu tilgen.

Doch da hört er Gelbvogel kommen. Diesmal ist es wirklich Gelbvogel, der ihn hier ablösen kommt. Wahrscheinlich hat Gelbvogel sich auch mal wieder verspätet, wie er dies ja fast immer macht.

Er hört ihn nun fragen: »Nun, Kleiner Donner, was ist passiert? Hast du einen Uhu gehört, einen Nachtfalken oder einen Coyoten? Mehr wird doch wohl nicht gewesen sein – oder?«

»Nein«, sagt Kleiner Donner, »mehr war nicht.«

Gelbvogel stößt ein glucksendes Geräusch aus, welches fast wie ein Lachen klingt.

»Wolfsboy und die Schöne, die er Rothorn wegholte, liegen jetzt gewiss jenseits des Sumpfes unter ihren Decken und lieben sich. Rothorn aber kann von dieser Schönen mit dem Goldhaar nur träumen. Wolfsboy müsste verrückt sein, sich aus dem Sumpf zu wagen, solange hier das Dorf steht. Und er ist nicht verrückt. Wir aber müssen tun, was uns Rothorn sagt. Wir müssen uns hier wochen- und monatelang die Nächte um die Ohren schlagen. Als ich vorhin aus dem Zelt kroch und meine junge Squaw allein lassen musste, da beneidete ich Wolfsboy doppelt.«

Kleiner Donner grinst bitter in der Dunkelheit und macht sich davon. Einige Male hält er inne und massiert seinen schmerzenden Nacken. Aber er ist dennoch froh über seine Entscheidung, nichts gesehen, gehört und gespürt zu haben von Wolfsboy.

Sein Ansehen und Ruf innerhalb der Dorfgemeinschaft sind ihm wichtiger als Rothorns Interessen.

Mag Wolfsboy also ausgebrochen sein und sich mit seiner Squaw hier vorbeigeschlichen haben – was hat er davon, ob Rothorn ihn erwischt oder nicht?

✰✰✰

Jim Chance reitet drei Tage und drei Nächte zu den Ebenen hinunter, erreicht irgendwo den Arkansas River und hält sich an dessen Ufer.

Schon wenige Stunden später hat er Glück. Denn er sieht kurz vor Sonnenuntergang eine recht solide gebaute Anlegebrücke, bei der eine kleine Siedlung entstand. Ein breites Flachboot hat dort festgemacht, dazu noch einige andere Ruderboote, die bei günstigem Wind auch Segel setzen können.

Solche Flachboote verkehren auf fast allen Flüssen. Sie kommen von den großen Strömen herauf.

Jim Chance schnalzt zufrieden seinen Pferden zu. Denn nun ist er sicher, dass er dort unten alles kaufen kann, was er Sue so gern bringen will. Er ist jetzt auch nicht mehr als Indianer gekleidet, sondern wirkt ganz und gar wie ein dunkelhaariger, helläugiger Weißer.

Als er sich dem Flachboot und der kleinen Siedlung nähert, wird er sofort bemerkt. Einige Männer erscheinen auf der Bildfläche und treten ihm einige Schritte entgegen.

Einen der Männer kennt er.

Sloan Shane ist Trapper, Scout und Bergläufer so wie er. Sie trafen sich schon dann und wann.

Sloan Shane nickt ihm zu und hebt dann nach Indianerart seine Hände, zeigt ihm die Handflächen.

»Ich habe den Gentlemen schon gesagt, wer du bist«, sagt er danach. »Weißt du, Jim Chance, dies ist eine Jagdgesellschaft, kein Handelscamp. Wir wollen hier überwintern und jagen. Dieser Gentleman ist Sir Douglas Homewood und ...«

Er stellt ihm auch noch die anderen Männer vor. Die meisten sind so jung wie er oder noch jünger. Und sie alle lebten vor nicht langer Zeit noch in England. Sie sind offenbar die Söhne englischer Adliger, die sich die Welt ansehen und ein paar Abenteuer erleben wollen.

»Freund, haben Sie Indianer gesehen?«, fragt jener Sir Douglas Homewood schon bald, nachdem die Vorstellung beendet ist.

Jim Chance grinst ihn an.

»Drei Tagesritte von hier liegt Rothorns Dorf«, erwidert er. »Dort leben tausend. Und wenn die erst herausbekommen, dass ihr hier ein festes Wintercamp bezogen habt, dann werdet ihr ständig welche von ihnen zu Besuch haben. Hoffentlich habt ihr genug Tabak, Zucker, Mehl und andere Dinge. Auch Rosinen wollen sie immer haben.«