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Sue hielt die quittierten Schuldscheine in der Hand. »Siebenhundertdreiunddreißig Dollar«, sagte sie. »Unsere gesamten Schulden, wie ich sie auch in unserem eigenen Buch stehen habe. Jack, erklär mir, was das zu bedeuten hat.«
Ich nickte und ich dachte, dass siebenhundertdreiunddreißig Dollar eigentlich keine sehr hohe Summe waren. Aber ein guter Cowboy musste drei Jahre dafür arbeiten.
»Wannamaker hat es uns geschenkt«, sagte ich. »Und wir bekommen auch noch eine kleine Rinderherde als Ersatz für die gestohlenen Tiere. Wir sind fein raus, Mädchen.«
Sie betrachtete mich ernst. »Sind wir das?«
Ich durfte sie nicht anlügen, denn das war die Basis unserer Ehe: Ehrlichkeit! Und da sagte ich: »Eines Tages werde ich ihm dafür einen Gefallen erweisen müssen.«
»Mit dem Colt?« fragte sie, denn sie kannte meine Vergangenheit.
»Vielleicht«, erwiderte ich. »Aber die Chance besteht, dass wir nicht werden bezahlen müssen - die schwache Chance besteht. Und wenn wir Zeit bekommen, können wir das Geld vielleicht zurückzahlen ...«
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Gekaufte Treue
Vorschau
Impressum
Gekaufte Treue
Sue hielt die quittierten Schuldscheine in der Hand. »Siebenhundertdreiunddreißig Dollar«, sagte sie. »Unsere gesamten Schulden, wie ich sie auch in unserem eigenen Buch stehen habe. Jack, erklär mir, was das zu bedeuten hat.«
Ich nickte und ich dachte, dass siebenhundertdreiunddreißig Dollar eigentlich keine sehr hohe Summe waren. Aber ein guter Cowboy musste drei Jahre dafür arbeiten.
»Wannamaker hat es uns geschenkt«, sagte ich. »Und wir bekommen auch noch eine kleine Rinderherde als Ersatz für die gestohlenen Tiere. Wir sind fein raus, Mädchen.«
Sie betrachtete mich ernst. »Sind wir das?«
Ich durfte sie nicht anlügen, denn das war die Basis unserer Ehe: Ehrlichkeit! Und da sagte ich: »Eines Tages werde ich ihm dafür einen Gefallen erweisen müssen.«
»Mit dem Colt?« fragte sie, denn sie kannte meine Vergangenheit.
»Vielleicht«, erwiderte ich. »Aber die Chance besteht, dass wir nicht werden bezahlen müssen – die schwache Chance besteht. Und wenn wir Zeit bekommen, können wir das Geld vielleicht zurückzahlen ...«
Sie blieb ganz ruhig.
Sie wusste, dass wir mit unserem alten Planwagen ins Ungewisse hätten fahren müssen, hätte er uns nicht geholfen.
Sie kam in meine Arme. Und so standen wir eine Weile.
Ich dachte an meine Vergangenheit an der Grenze. Ja, ich war Revolvermann und während des Krieges Guerillaführer. Ich war achtundzwanzig Jahre alt und hatte von meinem Colt gelebt.
Durch Sue war ich anders geworden.
Indes ich sie in meinen Armen hielt, wurde mir klar, dass ich wegen Sue und unserem Kind auch wieder ein Revolvermann werden würde, sollte es keine andere Möglichkeit geben, Not und Elend von beiden fernzuhalten.
Und überdies hielt ich Abe Wannamaker für einen redlichen Mann.
Warum sollte ich nicht einem redlichen Nachbarn helfen, wenn dieser eines Tages Hilfe brauchte?
»Mach dir nur keine Sorgen, Sue-Mädchen«, murmelte ich.
Sie küsste mich. Und ich sah ihr an, dass sie alles, was ihr Sorgen bereitete, zurückdrängte. Das war nur natürlich. Denn alles in ihr war auf das Kind ausgerichtet, welches wir bald haben würden.
Am nächsten Nachmittag brachten Wannamakers Reiter die kleine Herde.
Es waren genau hundert Rinder, die meisten davon tragende Kühe.
Ein Longhornstier war damals in Texas um die fünf Dollar wert, tragende Kühe jedoch weit mehr. Man konnte also sagen, dass die kleine Herde gut tausend Dollar wert war.
Wieder spürte ich ein Missbehagen, fast schon eine unheilvolle Ahnung.
Denn Abe Wannamaker griff mir mächtig unter die Arme. Ich schuldete ihm jetzt gewiss schon mehr als eintausendachthundert Dollar. Das war eine Menge für mich.
Was für einen Gegenwert würde ich dafür zu geben haben?
Ich ritt hinüber zu der Herde, an deren Spitze Pecos Sabteener, der Erste der Wannamaker Ranch, höchstpersönlich ritt. Wannamaker hatte drei Vorleute, doch Pecos Sabteener war die Nummer eins.
Er war ein braunhaariger und dunkelhäutiger Bulle mit einigen Narben im Gesicht, die ihm das Aussehen eines Preiskämpfers gaben. Er war außergewöhnlich breit und massig in den Schultern, hatte jedoch die schmalen Hüften und drahtigen Beine des Reiters. Seine Augen waren etwas schräg. Vielleicht hatte er ein wenig Indianerblut in sich.
Er betrachtete mich scharf. Dann sagte er: »Wie hast du das gemacht? Du bist so gut wie pleite – und da wird Abe Wannamaker plötzlich zu einer Art Wunderfee und hilft dir. Wie hast du das gemacht? Nur weil du so gut Wildpferde zureiten kannst? Oder hat er sich in deine Frau verliebt? Hat sie ihm vielleicht schöne Augen gemacht? He, wie hast du das fertig bekommen, dass er euch hilft? He, ich hörte, dass deine Frau trächtig wäre wie die Kühe dort drüben bei der Herde. Könnte es sein, dass euer Kind ihm ähnlich sehen wird?«
Es war eine böse Frage. Sie war beleidigend – und zugleich eine Herausforderung. Denn Pecos Sabteener und ich, wir mochten uns nicht. Wir hatten uns vom ersten Augenblick an nicht vertragen.
Das lag nicht nur daran, dass ich einige Pferde einbrechen konnte. Schon allein, dass ich nicht für einen Großrancher ritt wie er, sondern mich als kleiner Hügel-Rancher versuchte, dem es schlechter ging als einem einfachen Cowboy, verschaffte mir seine Abneigung.
Denn ich war mein eigener Boss. Er aber musste Befehle ausführen. Er tat zwar so, als stünde er berghoch über einem Drei-Kühe-Rancher – doch in seinem Kern spürte er genau, welcher Mut dazu gehörte, sich selbstständig zu machen.
Diesen Mut hatte er nicht. Er war ein Befehlsempfänger, der jedoch nach unten ebenfalls Befehle geben durfte.
Jetzt grinste er mich an.
Ja, er wollte einen Kampf. Seine letzte Frage bewies es endgültig. Es passte ihm nicht, dass er auf Befehl seines Bosses mit einigen Leuten eine kleine Rinderherde zu mir treiben musste.
Ich sagte nichts mehr. Denn jedes weitere Wort wäre völlig sinnlos gewesen. Ich musste das, was jetzt kommen würde, hinter mich bringen. Denn wenn ich das, was er mir vorgesetzt hatte, schluckte, machte er es nur noch schlimmer.
Ich ritt ruhig neben ihn, bis unsere Steigbügel sich berührten – und er glaubte wahrscheinlich, dass ich nun mit ihm reden wollte, vielleicht schimpfen, drohen, mich gegen seine böse Verdächtigung verwahren. Oder er glaubte, dass ich vielleicht wissen wollte, wieso er einen Grund zu der Annahme hätte, dass unser Kind Abe Wannamaker ähnlich sein könnte.
Er wartete ruhig und grinste breit.
Ich rammte meine Rechte auf das grinsende Maul. Ich legte all meine Kraft in diese gestoßene Gerade und stemmte mich in die Steigbügel, sodass ich guten Halt hatte.
Ja, er bekam es für seine gemeine Frage mit aller Wucht.
Er kippte aus dem Sattel und bekam nicht mal seinen Fuß aus dem Steigbügel, so sehr hatte mein Schlag gesessen.
Seine drei Reiter hatten die Herde angehalten. Sie konnten alles beobachten. Doch sie rührten sich nicht in den Sätteln, sondern beobachteten nur.
Sie kannten ihren Vormann und wussten, dass sie ihm nicht helfen durften. Das wäre für ihn eine Beleidigung gewesen.
Er lag auch nicht lange neben seinem Pferd. Es dauerte nur einige Atemzüge lang. Dann bewegte er sich wieder, stieß ein grollendes Schnaufen aus und nahm zuerst seinen Fuß aus dem Steigbügel.
Dann erhob er sich und sah mich an. Ich saß jetzt langsamer ab als er.
»Oha«, sagte er ziemlich undeutlich, »da hast du mir aber einen Hammer aufs Maul gegeben – wirklich, einen richtigen Hammer. Jetzt wird mir langsam klar, was Abe Wannamaker an dir für einen Narren gefressen hat. Du kannst ja wirklich noch etwas mehr als Pferde zureiten, Kinder machen und ...«
Der Kampf dauerte länger als eine halbe Stunde.
Dann konnten wir beide nicht mehr und mussten eine Pause einlegen.
Denn Pecos Sabteener war wirklich ein harter Bursche. Abe Wannamaker wusste schon genau, warum er ihn zum Vormann seiner raubeinigen Mannschaft gemacht hatte. Nur ein Bursche wie dieser Pecos Sabteener konnte dieses Rudel bändigen und unter Kontrolle halten.
Aber jetzt ging es diesem Pecos gar nicht gut.
Das ging es auch mir nicht. Doch indes wir verschnauften und neue Kräfte sammelten, diese gewissermaßen mühsam aus unserem Kern holen mussten, da sah ich, dass es ihm schlechter ging als mir.
Oha, ich hatte ihn schlimm zerschlagen. Er würde meine Zeichen als Narben für den Rest seines Lebens mit sich herumtragen.
Mir war dieser Kampf zuwider. Ich hätte gern aufgehört.
Doch ich konnte nicht.
Er hatte meine Frau übel beleidigt und ihr ein Verhältnis mit Wannamaker unterstellt.
Nein, ich musste ihn klein machen!
Seine drei Reiter sahen immer noch bewegungslos zu.
Jetzt durften sie erst recht nicht mehr eingreifen. Aber wenn sie seiner endgültigen Niederlage beiwohnten, konnte es sein, dass er sie deshalb hasste.
Sie befanden sich in einer Zwickmühle.
Wir kauerten keuchend voreinander.
Nun erhob ich mich.
»Komm hoch«, keuchte ich. »Jetzt geht es weiter! Komm hoch oder leg dich lang. Du hast die Wahl!«
Er stand auf, schwankte auf mich zu. Er konnte nicht mehr kämpfen. Doch ein grausam gegen sich selbst gerichteter Wille trieb ihn an. Er konnte und wollte sich nicht geschlagen geben, lieber wollte er sterben.
Dann stolperte er über seine eigenen Füße und fiel vornüber.
Er war erledigt. Sein Wille reichte nicht mehr.
Da lag er nun zu meinen Füßen, und meine ganze Bitterkeit strömte auf ihn nieder. Aber das bekam er nicht mehr mit.
Dieser verdammte Kampf war so unsinnig wie zuvor seine Worte.
Und dennoch hatte ich es hinter mich bringen müssen.
Zugleich aber auch hatte ich gewiss etwas mehr meine Tarnung öffnen müssen.
Die drei Wannamaker-Reiter betrachteten mich neugierig. Sie sahen mich jetzt mit anderen Augen. Sie wussten nun, dass ich nicht nur ein guter Zureiter von Wildpferden war. Jetzt ahnten sie, dass ich einen Kriegsnamen haben musste.
Ich sah sie eine Weile an. Dann ging ich zu meinem Pferd und saß auf. Als ich im Sattel saß, fühlte ich mich besser.
Ich sagte zu ihnen: »Haut ab! Verschwindet von meiner Weide. Und nehmt ihn mit! Haut ab!«
Sie bewegten sich nun. Zwei saßen ab und legten Pecos Sabteener quer über sein Pferd. Bevor sie abzogen, sagte einer: »Eigentlich sollte ich bei dir bleiben und dir beim Umbränden der Rinder helfen.«
»Das kann ich allein«, sagte ich und schalt mich sogleich in Gedanken einen Narren. Denn ich würde es allein sehr schwer haben. Dreimal schwerer als mit einem Helfer. Dennoch wollte ich keinen haben. Ich schüttelte nur stumm den Kopf.
Und da zogen sie ab und nahmen ihren Vormann mit.
Ich sah ihnen nach. Dann erst begann ich zu stöhnen und zu seufzen. Ich ritt zum Creek hinüber und suchte mir einen verborgenen Winkel. Dort saß ich ab und ließ mich ins Gras sinken. Ich kroch zum Wasser und kühlte mein zerschlagenes Gesicht.
Irgendwie fühlte ich mich wie ein verwundeter Wolf, der sich in eine Höhle verkroch, um seine Wunden zu lecken.
Oh, was würde Sue sagen, wenn sie mich erst zu Gesicht bekam?
Ich blieb einige Stunden am Creek, kühlte und pflegte all meine Beulen, Risse, Abschürfungen und Blutergüsse. Erst am frühen Nachmittag war ich wieder so weit, dass ich aufsitzen konnte, um mit der Arbeit zu beginnen.
Ich ritt dorthin, wo die Wannamaker-Reiter die Herde sich selbst überlassen hatte. Da ich Narr auf die Hilfe des einen Reiters verzichtet hatte, musste ich nun alles allein machen.
Das war schon für einen gesunden erstklassigen Cowboy schwer.
Von einem zerschlagenen Mann, wie ich jetzt einer war, konnte das kaum geschafft werden.
Aber ich war ein starrsinniger und trotziger Bursche.
Ich machte Feuer und tat das Brandeisen hinein. Denn das hatte ich mitgenommen. Die Herde hatte sich noch nicht zerstreut, denn sie war gestern und heute früh scharf getrieben worden von der Wannamaker-Weide bis zu mir in die Hügel.
Die Rinder ruhten sich immer noch aus und grasten nur wenig, obwohl die Weide hier in dieser Senke saftig war, weil es einige kleine Quellen gab.
Ich ritt auf das erste Tier los und schüttelte mein Lasso aus.
Well, ich möchte nicht in den Ruf kommen, ein Wundermann zu sein. Aber es war wirklich so, dass ich auch mit einem Lasso so gut umgehen konnte wie mit dem Colt – oder wie eine alte Tante, die schon als Kind das Stricken lernte mit ihren Nadeln.
Mit einem Lasso konnte ich zaubern. Ich gehörte da zu jener Gilde, die man »Hechicero de cuero« nannte, also »Zauberer mit dem Lederseil«. Ja, mein Lasso war aus feinem, geschmeidigem, geflochtenem Leder. Solch ein Lasso war wie ein Abzeichen.
Ich trieb das erste Tier dicht in die Nähe des Feuers. Dann ließ ich eine Schlinge über den Boden schweben, in die das Tier hineintreten musste, weil es gar keine andere Möglichkeit gab.
Es folgte eine zweite Schlinge für das andere Bein.
Und da lag die Kuh auch schon auf der Nase.
Jetzt kam es darauf an, rechtzeitig weitere Schlingen am Lederseil entlanglaufen zu lassen, sobald sich das Tier zu wälzen begann und mit den Hinterhufen in die Luft stieß. Ich schaffte das wie immer, obwohl mir jede Bewegung Schmerzen bereitete und meine zerschlagenen Hände immer steifer zu werden schienen.
Das brüllende Tier – es war ja eine halbwilde Longhornkuh – war bald schon hilflos gefesselt und hatte keine Chance mehr, als ich absaß und das Eisen aus dem Feuer holte.
Bald zischte und stank es nach verbranntem Fell und schmorender Haut.
Mein Brandzeichen war ein verschnörkeltes H, welches fast wie ein Spanish Bit aussah, also wie eine spanische Kandare.
Ich drückte es unter Wannamakers W ein. Seufzend saß ich auf.
Dann ließ ich das Tier wieder frei. Das ging leicht mit einigen Handbewegungen zu machen, aber für einen Laien sah es gewiss wie Zauberei mit dem Lederseil aus.
Es wurde ein schrecklicher Tag für mich, fast so böse und gnadenlos wie mein Kampf mit Pecos Sabteener. Einige Male musste ich mich ins Gras legen, und ich glich manchmal einem Betrunkenen.
Aber ich fing immer wieder an und brändete an diesem Tag bis zum Anbruch der Dämmerung noch elf weitere Tiere.
Als ich dann endlich schnaufend aufgab, da sah ich, dass ich nicht mehr allein war mit meinen Tieren, dem Feuer und dem Brandeisen.
Ein Reiter war gekommen.
Es war Abe Wannamaker, und er musste mir wohl schon eine Weile zugesehen haben.
Langsam kam er herangeritten, hielt an und reichte mir dann eine flache Flasche, wie sie besonders feine Gentlemen mit besonders feinem Whisky in der Innentasche ihrer Jacke trugen. Es war solch ein nobel aussehendes Ding, dessen Schraubverschluss zugleich ein kaum mehr als fingerhutgroßer silberner Trinkbecher ist.
Ich nahm nicht den winzigen Becher, sondern einen langen Schluck aus der Flasche. Ich hätte diesen winzigen Becher gar nicht füllen können, ohne die Hälfte des kostbaren Stoffes zu verschütten.
Meine Hände zitterten zu sehr.
Aber von diesem edlen Feuerwasser wurde mir etwas besser. Es war die richtige Medizin.
Abe Wannamaker nickte mir vom Sattel aus zu.
»Er wird es in einigen Tagen«, sagte er, »wenn seine Hände wieder beweglicher sind, mit dem Colt versuchen. Er wird dich nun mit dem Revolver zu schlagen versuchen. Bist du dir darüber klar?«
Ich sah zu ihm auf und nickte.
»Du wirst ihn töten müssen«, sprach er weiter.
Ich nickte wieder. Der Whisky brannte noch in meinem Mund und auf den zerschlagenen Lippen. Ich gab ihm seine Flasche zurück.
Schließlich sagte ich: »Er ist Ihr Erster Vormann, Sir. Was ändert sich jetzt zwischen Ihnen und mir? Er ist der Erste der Wannamaker-Mannschaft. Können Sie das durchgehen lassen?«
Nun grinste er grimmig. »Ja«, sagte er, und er fügte nach einigen Atemzügen hinzu: »Sabteener ist mir schon lange nicht mehr treu. Reite heim, Jack Hacket. Lass das Brandeisen dort beim Feuer. Ich schicke morgen vor Tag noch zwei Reiter her, die den Rest der Herde bränden werden. Du hast dir genug bewiesen. Bleib morgen und übermorgen daheim und sieh zu, dass du gesund wirst. Denn wenn Sabteener es mit dem Colt versucht, wirst du schnell sein müssen.«
Nach diesen Worten ritt er davon und tauchte bald schon in der zunehmenden Dunkelheit unter.
Ich starrte ihm nach.
Und ich wurde nicht schlau aus ihm.
Für einen Moment dachte ich, dass er ein einsamer, alter Mann war. Aber das konnte nicht sein. Eher war er ein alter, einsamer King, der über fünfzig Reiter und viele andere Helfer gebot. Zu seinem Ranchgebiet gehörte auch ein mexikanisches Dorf, in dem mehr als hundert Menschen lebten. Sie alle dienten ihm, arbeiteten für ihn. Er hatte Gäste und langweilte sich gewiss nicht.
Doch heute hatte ich ihn zum zweiten Mal ohne Begleitung gesehen. Er war wieder ohne seinen Leibwächter zu mir gekommen.
Warum ritt er nicht mehr mit einer Mannschaft hinter sich, so wie ein Fürst mit seinen Rittern und Knappen?
Ich wollte und musste heim zu Sue. Selten kam ich nach Anbruch der Nacht heim, denn ich wusste, dass sie sich dann Sorgen machte.
Sie würde bei meinem Anblick erschrecken.
✰✰✰
Sie tat mir leid. Sie erschrak sehr, und dennoch hielt sie sich besser, als ich gehofft hatte.
Und deshalb tat sie mir leid.
Ich erzählte ihr alles, verschwieg nichts. Sie war meine Frau. Deshalb hatte sie ein Recht darauf, alles zu erfahren.
Sie tat dann eine Menge für mich, und sie schimpfte mit mir, weil ich in diesem Zustand noch Rinder mit dem Lasso gefangen, Sattelarbeit geleistet und Brandzeichen aufgedrückt hatte.
Sie behandelte meine Wunden mit einer Salbe, deren Herstellung in ihrer Familie von den Müttern an die Töchter weitergegeben wurde. Diese Salbe war für viele Sachen gut. Und deshalb hieß diese Salbe in ihrer Familie seit vielen Generationen nur die »Gute-Geist-Salbe«.
Ich scherzte stöhnend: »Wenn's vorne juckt und hinten beißt, dann nehme man Sues Wundergeist.«
»Falsch«, sagte sie. »Meine Ururur-oder-was-weiß-ich-Großmutter hieß Mary Geist. Sie erfand diese Salbe. Es muss also heißen: Marys Geist. Verstehst du?«
Ich war zu müde und zu erschöpft, um noch etwas zu verstehen.
Mir war plötzlich, als bekäme ich was mit einem weichen Hammer auf die Birne, und so versank ich von einem Atemzug zum anderen in traumlose Tiefen.
Erst nach drei Tagen ging es mir wieder einigermaßen.
Und so sattelte ich, stieg noch etwas mühsam auf und ritt, um nach den Rindern zu sehen. Einmal sah ich zurück und winkte Sue zu.
Sie stand da und hatte Sorgen. Sie fürchtete sich.
Und verdammt noch mal, wenn mir etwas zustoßen sollte, würde es ihr mächtig dreckig gehen. Oder würde Abe Wannamaker ihr helfen?
Darüber hatte ich nachzudenken. Dann erreichte ich die Weide, auf der meine neuen Rinder stehen mussten.
Sie waren da, hatten sich natürlich schon ziemlich zerstreut. Jeder Bulle hatte sich mit seinem Harem in die Büsche geschlagen.
Aber ich fand sie in den beiden nächsten Stunden alle. Sie trugen mein frisches Brandzeichen.
Ich war zufrieden und überlegte, was ich tun sollte.
Aber das wusste ich schon bald.
Denn da kam Pecos Sabteener.
Wieder hatte er einige Reiter bei sich, und ich konnte nur hoffen, dass diese sich auch diesmal nicht einmischten und Pecos Sabteener – wenn schon – die Sache mit mir allein austragen wollte.
Sie kamen geradewegs auf mich zu.
Mir war mies zumute, denn ich wusste, dass mich jetzt meine Vergangenheit wieder einholen würde. Wenn diese Männer mich erst den Colt ziehen sahen, dann wussten sie, dass ich nicht einfach nur Jack Hacket sein konnte, sondern einen Kriegsnamen haben musste.
Sie hielten an.
Pecos Sabteener saß ab.