G. F. Unger Western-Bestseller 2602 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2602 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Sie lehnen oder stützen sich auf die obere Zaunstange, drei Männer, deren Freundschaft groß und tief ist und die viele Meilen gemeinsam geritten sind. Als stünden sie an einem Schanktisch, so sieht es aus. Aber der Zaun ist kein Schanktisch, es ist ein Corral inmitten des kleinen Fort Eagle - ein Corral für Menschen, für Gefangene der ehemaligen Südstaatenarmee. Einige Schutzdächer sind da, Lagerstätten, Bänke, Tische - und sonst nichts.
Posten der Nordarmee patrouillieren um den Corral, und sie bewachen rund zweihundert Gefangene, die jetzt, da der Krieg vorbei ist, auf ihre Entlassung warten.
Die Sonne drückt brütend auf die niedrigen Gebäude des Forts und auf die Gefangenen im Corral. Selbst unter den Schutzdächern ist es heiß, denn die Palisaden halten den Windzug ab. Den drei Männern am Zaun scheint die brütende Sonne nicht viel auszumachen. Sie haben ihre grauen Armeehüte zurückgeschoben und starren aus schmalen Augen zur Kommandantur hinüber ...


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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Kansas City

Vorschau

Impressum

Kansas City

Sie lehnen oder stützen sich auf die obere Zaunstange, drei Männer, deren Freundschaft groß und tief ist und die viele Meilen gemeinsam geritten sind. Als stünden sie an einem Schanktisch, so sieht es aus. Aber der Zaun ist kein Schanktisch, es ist ein Corral inmitten des kleinen Fort Eagle – ein Corral für Menschen, für Gefangene der ehemaligen Südstaatenarmee. Einige Schutzdächer sind da, Lagerstätten, Bänke, Tische – und sonst nichts.

Posten der Nordarmee patrouillieren um den Corral, und sie bewachen rund zweihundert Gefangene, die jetzt, da der Krieg vorbei ist, auf ihre Entlassung warten.

Die Sonne drückt brütend auf die niedrigen Gebäude des Forts und auf die Gefangenen im Corral. Selbst unter den Schutzdächern ist es heiß, denn die Palisaden halten den Windzug ab. Den drei Männern am Zaun scheint die brütende Sonne nicht viel auszumachen. Sie haben ihre grauen Armeehüte zurückgeschoben und starren aus schmalen Augen zur Kommandantur hinüber ...

Cederick Carlisle kaut an einem Strohhalm. Er ist ein großer Mann, hager, sehnig, mit breiten Schultern und den schmalen Hüften eines Reiters. Seine ganze Gestalt verrät ungeheure Härte, Zähigkeit und gesammelte Kraft.

Sein Gesicht ist schmal, scharf und hager. Die grauen Augen stehen weit auseinander. Auf seiner linken Wange zieht sich eine helle Narbe entlang – vom Säbelhieb eines Yankeeoffiziers.

Er trägt die knapp am Körper sitzende graue Uniform der Südarmee. Früher waren die Rangabzeichen eines Captains daran – jetzt ist es nur ein abgetragenes und an vielen Stellen sorgsam geflicktes Kleidungsstück.

Neben Cederick Carlisle lehnt der gleich große Rusty Morris. Sein rostrotes Haar leuchtet unter dem Schatten der Hutkrempe. Als er sein Gesicht verzieht und ausspuckt, tanzen tausend Sommersprossen unter den roten Borsten seines Vollbarts.

»Mist«, sagt er. »Wir werden den Kerl aus den Augen verlieren. Vielleicht werden wir viele Jahre nach ihm suchen müssen. Nun, ich denke, dass er sich von uns noch verabschieden wird.«

Er spuckt wieder aus – und genau vor die Füße des Postens, der soeben am Zaun entlanggeht.

Der Soldat bleibt stehen.

»Reddy, spuck deinen Dreck hinter den Zaun – sonst hole ich dich heraus und du musst es auflecken. Verstanden? Du spuckst keinem Reiter der siegreichen Nordarmee vor die Füße!«

Er grinst böse und grimmig – und geht weiter.

»He, Yankee! Warte noch drei Sekunden!«, knurrt Rusty grimmig. Seine blauen Augen funkeln rebellisch.

Da legt ihm der dritte Mann die Hand auf die Schulter.

»Lass es, Rusty – es bringt dir nichts ein. Ich habe schon eine ganze Menge tollköpfige Narren gesehen, die immer wieder mit dem Schädel gegen eine Mauer rannten, aber keiner war so stur und närrisch wie du. Wann wirst du endlich lernen, dass man mit schlechten Karten passen muss?«

Der schlanke, mittelgroße und dunkelhaarige Mann sagt es ganz sanft und lässig. Seine dunklen Augen blicken kühl – sein schmales und regelmäßiges Gesicht drückt eiserne Selbstdisziplin und kalte Ruhe aus. Seine abgetragene Uniform wirkt immer noch irgendwie elegant. Bestimmt wurde sie von einem erstklassigen Schneider angefertigt. Und überhaupt – der ganze Mann wirkt wie ein Gentleman.

Es ist Kirk O'Hara, der nie über seine Vergangenheit spricht – und von dem nur die beiden Freunde wissen, dass er einst das schwarze Schaf einer mächtigen und reichen Familie war.

Aber damals ist Kirk O'Hara noch kein richtiger Mann gewesen. Jetzt ist er es. Überdies existiert seine Familie nicht mehr. Sein Vater fiel als Colonel an der Spitze seines Regiments bei Appomattox. Seine Mutter starb. Seine beiden Brüder fielen ebenfalls für die Sache des Südens. Und von den großen Plantagen und den tausend Negersklaven ist nichts mehr vorhanden.

Aber damit war Kirk O'Hara schon vor dem Kriege fertig, damals, als sein Vater ihn verstieß. Er war ein leichtsinniger Bursche – und ist jetzt ein Gentleman und Kämpfer. Und er war Lieutenant unter seinem Freund Cederick Carlisle. Rusty Morris war der Sergeant des verlorenen Haufens, der einen besonderen Auftrag ausführen sollte – einen gefährlichen und fast selbstmörderischen Auftrag.

Fast wäre die Sache geglückt – fast!

»Schon gut, Freund«, murmelte Rusty Morris bitter. »Aaah, ich sehe einfach rot, wenn ich einen von diesen Yankees unter die Augen kriege. Da drüben steht unser Jimmy! Seht ihn euch an – und vergesst nicht, was ein Schuft von einem Yankeeoffizier aus ihm gemacht hat. Wegen dieser Sache hasse ich diese Blauröcke besonders – nicht deshalb, weil sie den Krieg gewonnen haben und jetzt mitleidlos in unseren Staaten herrschen. Seht euch Jimmy an! Oha, ich werde erst wieder glücklich sein, wenn einer von uns mit diesem James Clay Warden abgerechnet hat!«

Er stößt die Worte scharf und böse hervor. In seinen hellblauen Augen tanzen dunkle Lichter.

»Nur Ruhe, nur Ruhe«, murmelt Cederick Carlisle.

»Man muss seine Zeit abwarten können«, sagt Kirk O'Hara sanft.

Und dann wenden sie alle drei ihre Köpfe und sehen zu dem jungen Burschen hinüber, der am Pfosten des Schutzdaches auf einer Kiste sitzt und vor sich auf den Boden starrt.

Ein magerer, schlaffer und scheinbar an Leib und Seele zerbrochener Junge ist es, kaum älter als achtzehn oder neunzehn Jahre, abgerissen, ungepflegt und äußerlich so sehr vernachlässigt wie ein Tramp. Er ist barhäuptig und seltsam bleich. Als ob er die Blicke der Männer zu fühlen scheint, hebt er langsam den Kopf. Seine Augen sind blaugrün, aber sie liegen tief in den Höhlen, sind umschattet und brennen heiß – als wäre im mageren Körper des Jungen ein böses und schlimmes Fieber.

Er blickt schnell zur Seite, erhebt sich schlapp und hinkt aus dem Gesichtskreis der drei Beobachter.

»Seht, was Clay Warden aus unserem Jimmy gemacht hat. Und erinnert euch, was Jimmy Lincoln einst für ein lachender Sunshine-Boy war. Wisst ihr noch, wie er stolz und kampflustig im Sattel saß, wie er zu seiner Gitarre sang, wie er den Mädels die Köpfe verdrehte – und wie er mitten durch das feindliche Feuer ritt, um uns Munition zu bringen? Könnt ihr euch daran noch erinnern? Jimmy Lincoln wäre in wenigen Jahren ein Mann geworden, der uns in die Tasche gesteckt hätte! Ein Mann der Sonderklasse, wie es unter zehntausend Prachtburschen nur einen gibt, wäre er geworden. Und dieser Yankee hat ihn zerbrochen. Es ist leicht, einen Knaben zu zerbrechen, der noch kein harter Mann ist. Jimmy lebt seit diesem Tag in der Hölle! In Gedanken spuckt er sich andauernd selbst an und verflucht sich. Wenn wir ihm nur beibringen könnten, dass ...«

Rustys Rede wird von Kirk O'Haras Worten unterbrochen.

»Für Jimmy zählt nur, dass er nicht hart genug war und an uns zum Verräter wurde. Es kümmert ihn nicht, dass tausend harte Burschen an seiner Stelle auch zerbrochen wären. Und er lässt es nicht als Entschuldigung gelten, dass er noch ein Knabe war, als es passierte. Er fühlt sich als Hundesohn – und er wird erst glücklich sein, wenn er sich eines Tages bewähren und dabei sterben kann. So ist es, Freunde! Wir können Jimmy Lincoln nicht von der Last befreien. Wir können ihm nur verzeihen, weil er noch so jung war – und wir können nur den wirklichen Schuft zur Hölle schicken.«

Kirk O'Hara wendet sich wieder um und lehnt sich auf die Stange.

Cederick Carlisle hat bisher noch kaum ein Wort gesprochen. Nur seine Augen sind schmal geworden, und seine Nasenflügel blähen sich und vibrieren seltsam.

Jetzt sagt er: »Immerhin hat sich die Nordarmee von ihrem Offizier distanziert, und er muss seinen Abschied nehmen. Und seine eigenen Männer haben ausgesagt, dass er einen Gefangenen gemartert hatte. Es gibt also auch bei den Yankees rechtliche Männer. Nun, ich hasse James Clay Warden, weil er sich an unserem blutjungen Trompeter auf diese Art vergriffen hat. Ein wilder Apache hätte es nicht schlimmer gemacht. Warden tat es aus purem Ehrgeiz. Er wollte Erfolg haben und dafür befördert werden. Aber es hat ihn erledigt. Wenn wir hier rauskommen, werden wir ihn zu finden wissen.«

Dann schweigt er, und auch seine Freunde schweigen. Sie starren zur Kommandantur hinüber. Dort binden zwei Soldaten jetzt ein Sattelpferd und ein Packtier an die Haltestange.

»Aaah, er fährt nicht mit der Postkutsche, sondern reitet«, murmelt Rusty grimmig.

Und dann stoßen sie alle drei scharf den Atem aus.

Denn auf der Veranda der Kommandantur erscheint jetzt ein Mann in nagelneuer Zivilkleidung.

Ein stattlicher und prächtiger Mann mit einem kühnen und regelmäßigen Gesicht und scharfer Nase: ein Prachtbild echter Männlichkeit. So wirkt James Clay Warden auf jeden Betrachter.

Langsam schreitet er die Stufen abwärts, schenkt seinen beiden Pferden einen kurzen Blick und geht sporenklirrend über den Platz genau auf die drei Männer am Zaun zu.

In dem Corral der Gefangenen entsteht Bewegung. Zweihundert Männer, die überall herumstanden, saßen oder lagen, Poker spielten, sich unterhielten, stumm herumhockten oder schliefen, werden nun wachsam und interessiert. Sie bilden bald einen großen und dichten Halbkreis vor den Schutzdächern und hinter den drei Männern am Zaun. Und es wird still.

Jeder in diesem Gefangenenlager kennt die Geschichte um Jimmy Lincoln – irgendwie hat es sich herumgesprochen, obwohl Cederick Carlisle und die Überlebenden seiner kleinen Abteilung nicht über die Ereignisse vor ihrer Gefangennahme sprachen.

Aber es hat sich irgendwie herumgesprochen, dass Captain James Clay Warden einen Gefangenen martern ließ, um dadurch das versteckte Camp einer Südstaatenabteilung finden zu können.

Und nun sehen all diese Männer jenen Captain.

Überall spucken sie aus dem weiten Halbkreis auf den Boden.

Cederick Carlisle, Rusty Morris und Kirk O'Hara bewegen sich nicht. Sie sehen stumm und kühl dem Mann entgegen, der sich ihnen nähert.

James C. Warden macht lange Schritte.

Dann bleibt er vor den drei Männern stehen, stemmt die Fäuste in die Hüften, wippt auf den Fußsohlen seiner Maßstiefel und lächelt kalt und böse. Ein wilder Ehrgeiz brennt heiß in seinen gefleckten Augen. Seine ganze Haltung drückt rücksichtslose Arroganz aus.

Er sieht die drei Männer der Reihe nach an. Dann bleiben seine Augen scharf auf Cederick Carlisle gerichtet.

»Ich bin seit einer halben Stunde Zivilist – in allen Ehren verabschiedet!«

»Sicher, sonst hätte die Armee ja zugegeben, was für ein Bastard die Uniform eines Captains trug«, knurrt Rusty Morris scharf.

»Und jeder Schuft hat irgendwo ein paar Gönner«, sagt Kirk O'Hara sanft und dennoch sehr verächtlich.

James C. Warden grinst sie an – es ist ein scharfes und blitzendes Zeigen seiner weißen Zahnreihen. Er schiebt mit dem Daumen seinen nagelneuen Stetson zurück. Dichtes, dunkles und krauses Haar bedeckt seinen gut geformten Kopf.

»Ich pfeife auf die Armee«, sagt er. »Ihr Ehrenkodex hätte mich immer wieder gehemmt. Als Zivilist werde ich auf meine Art immer und stets zu Erfolgen kommen.«

Er sieht die Männer abermals der Reihe nach an.

»Ihr habt einen wilden Hass gegen mich in euren Herzen. Ich weiß es! Ihr werdet mich suchen, wenn ihr entlassen werdet. Nein, ich habe mich noch nie von ein paar wilden Burschen suchen lassen. Ich gehe nach Kansas City – hört ihr? Nach Kansas City gehe ich! Ich werde euch dort erwarten. Denn ich hasse euch, weil ihr mich hasst. Ihr wollt mich töten, was? Oha, wenn wir uns begegnen, wird es schlimm für euch.«

Er verstummt, blitzt die drei Männer noch einmal an und will sich abwenden.

»Moment noch«, sagt Cederick Carlisle und lehnt sich weit über die obere Zaunstange.

Warden bleibt halb abgewendet stehen, dreht jedoch sein Gesicht herum und sieht über seine breite Schulter.

»Was, Carlisle?«

»Wenn wir nach Kansas City kommen, so werden Sie wohl dort eine Menge Freunde haben, was?«

»Ich werde die ganze Stadt in der Tasche haben.«

»Wir werden sehen, Warden. Aber Sie irren sich in einer Sache: Einer von uns wird Sie erwischen – aber nicht töten. Wir werden Sie zerbrechen, so wie Sie den armen Jungen zerbrochen haben. Und wenn wir mit Ihnen fertig sind, werden Sie nur noch zum Saloonausfeger und zum Spucknapfreiniger taugen. Wenn wir Sie erwischen, sind Sie für immer und ewig als Mann erledigt. Sie sehen wie ein prächtiger Mann aus – aber Sie haben nicht mehr Ehre und Mannesstolz in sich als eine Ratte. Sie sind gefährlich und können kämpfen – aber Sie sind ...«

»Halt, Carlisle! Noch ein Wort, und ich komme über den Zaun und ...«

»Komm nur, Mister, komm nur! Dann wirst du meine Zeichen bis nach Kansas City tragen. Komm nur herüber! Wir werden uns amüsieren, als wären wir ganz allein auf dieser Welt. Oder stören dich die Zuschauer?«

Cederick Carlisles Stimme ist nicht lauter geworden – aber härter und herausfordernder. Es ist zwar die Stimme eines beherrschten Mannes, der aber trotz aller Selbstbeherrschung nicht ansehen kann, wie ein verhasster Schuft lächelnd und triumphierend davonreitet.

Und in James C. Warden bricht ebenfalls der Hass durch. Ja, er hasst diesen ehemaligen Captain der Südarmee – denn er konnte ihn nur fangen, weil er einen jungen Trompeter auspeitschen und auf einen Ameisenhaufen legen ließ. Erst durch den Verrat eines zerbrochenen Jungen konnte er diesen Mann und dessen kleine Abteilung erledigen – und selbst dann nur mithilfe einer großen Übermacht. Und sein Sieg war kein wirklicher Sieg, denn als seine Soldaten über den Vorfall Meldung machten, legte man ihm den Abschied nahe.

So war es.

Und deshalb hassen sich diese beiden Männer.

James C. Warden stößt einen gepressten Laut aus. Er zerrt an der Schnalle seines Waffengurtes, öffnet sie, lässt den Gurt mit dem schweren Colt achtlos fallen und schwingt sich mit einem geschmeidigen Sprung über den brusthohen Zaun.

Obwohl er ein großer und schwerer Mann ist, landet er so weich und geschmeidig wie eine Katze.

Er springt sofort weiter. Es ist ein wilder, hassvoller und pantherschneller Angriff.

Er kommt links krachend auf Carlisles kurze Rippe durch, aber den rechten Schwinger blockiert Carlisle ab und knallt die rechte Faust mit einer Wucht, hinter der Kraft und hundertachtzig Pfund Körpergewicht stecken, auf Wardens Ohr.

Warden taumelt schwankend nach rechts. Carlisle treibt ihn mit wuchtigen Schlägen tiefer in den Halbkreis der Zuschauer hinein. Und zweihundert gefangene Männer johlen auf – und schließen den Kreis.

Inzwischen haben die Posten vor der Kommandantur den wachhabenden Offizier herausgerufen. Befehle erklingen. Ein Sergeant ruft die Bereitschaftswache zusammen und kommt mit ihr im Laufschritt über den Platz. Die Posten am Zaun halten ihre Gewehre schussfertig.

Bevor der Sergeant mit der Wache – es sind zwölf Mann – eindringt, lässt er eine Salve über die Köpfe des dichten Kreises der Gefangenen abfeuern.

Aber nur wenige wenden ihre Köpfe. Sie lachen nur spöttisch. Und ein großer Kerl brüllt durch den Lärm: »He, Yankee-Sergeant! Es ist ein fairer Kampf! Was wollt ihr denn? Ein schäbiger Zivilist ist in unser Gehege gesprungen, um Captain Carlisle zu verprügeln! Hahaha! Jetzt kämpfen sie es aus! Kommt rein und seht es euch andächtig an!«

Der große Kerl hat eine gewaltige Stimme. Sie ist überall zu hören und übertönt das Geraune und alle anderen Geräusche.

Drüben steht noch der Offizier vom Dienst vor der Kommandantur. Und jetzt tauchen noch mehr Offiziere auf – auch der Kommandant, ein alter, grauer und backenbärtiger Major.

Befehle erklingen. Eine Trompete schmettert ein Signal über das Fort. Mannschaften laufen aus den Quartieren.

Und der Sergeant der Wache versucht jetzt mit seinen Leuten für Ordnung zu sorgen. Sie klettern durch den Zaun, aber dann hält sie der dichte Kreis der Gefangenen auf.

Ja, zweihundert Gefangene sorgen dafür, dass der Kampf zweier Männer vorerst nicht gestört werden kann. Natürlich werden sie dem ehemaligen Captain Cederick Carlisle und dem verachteten James C. Warden nur wenige Minuten schenken können.

Aber für zwei harte Männer sollten wenige Minuten genügen, um es auszutragen.

Sie sind beide schon in ihren Gesichtern gezeichnet. Sie bluten aus Mund und Nase, denn ihre Fäuste sind hart, und sie sind zwei gewaltige Männer, die kämpfen können und die sich hassen.

Warden befand sich eine kurze Weile in großer Not. Carlisles Schläge haben ihn sofort tüchtig erschüttert und durchgerüttelt. Aber dann konnte er sich vorwerfen und den Gegner umklammern. Und das tut er jetzt immer noch mit aller Kraft. Er hat sein Kinn auf Carlisles Schulter gelegt, presst ihm die Oberarme gegen den Leib und überwindet in diesen wenigen Sekunden all seine Not. Sein brummender Kopf wird wieder klarer. Die dunklen Nebel vor seinen Augen lichten sich. Der Schmerz im Magen lässt nach, und er kann wieder besser atmen. Cederick Carlisle reißt in diesem Moment sein Knie hoch und befreit sich mit einem wilden Ruck aus der Umklammerung.

Sie taumeln auseinander, schwanken, finden ihr Gleichgewicht wieder und greifen sich gegenseitig an.

James C. Warden ist zwei Fingerbreit größer, fünfzehn Pfund schwerer und ganz bestimmt muskulöser als Cederick Carlisle. Er ist wahrhaftig ein prächtiger Athlet, und er ist schnell. Eine vernichtende Kraft und Wildheit ist in ihm und lässt ihn explodieren.

Und bei alledem ist er kühl und eiskalt. Sehr schnell hat er erkannt, dass er den sehnigen und fast zu hager wirkenden Gegner unterschätzt hat.

In dem dichten Kreis der zweihundert Männer ist es still geworden. Nur die Soldaten arbeiten am Rande mit ihren Gewehrkolben und versuchen, den Ring zu durchbrechen.

Das wird ihnen bald gelingen.

Aber noch haben die beiden Kämpfer einige Minuten für sich.

Cederick Carlisle hat einige schwere Schläge hinnehmen müssen, die ihn sichtlich erschütterten. Warden will jetzt seine Chance ausnutzen. Er springt vorwärts. Carlisle taucht unter Wardens Rechten weg. Die Wucht trägt Warden weiter – und er läuft mit der ganzen Wucht seines Gewichtes in die konternde Rechte hinein, bekommt sie unter das Kinn, wird zurückgestoßen, hält sich einen kurzen Moment schwankend auf den Absätzen und fällt rücklings um, als er mit seinen Sporen irgendwo hängen bleibt.

Carlisle wirft sich mit einem Hechtsprung auf seinen Gegner – und bekommt dessen Füße vor die Brust gestoßen, fliegt zurück, landet schwer auf dem Rücken und wälzt sich keuchend zur Seite. Er sieht, wie sich Warden schwankend auf die Beine quält, schnellt gleichfalls auf und schafft es um einen Sekundenbruchteil früher. Er greift sofort beidhändig schlagend an, gibt dem Gegner keine Chance mehr, nimmt wohl noch einige Schläge, aber er hat schon jetzt gewonnen.