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Es gab damals viele Burschen westlich der Mississippi-Missouri-Linie, die ritten von einem Verdruss in den anderen. Zu dieser Sorte gehörte auch ich. Denn hatte man sich erst einmal Revolverruhm erworben, saßen einem bald schon die Schatten auf der Fährte und holten einen ein, sobald man nur kurze Zeit irgendwo anhielt.
Manchmal wartete der Verdruss sogar schon auf einen, wie an jenem Augusttag des Jahre 1870, als ich nach Saint Louis kam. Ich glaubte in der Stadt untertauchen zu können wie eine Stecknadel im Heuhaufen, und genau das war ein verhängnisvoller Irrtum von mir.
Eine lange, heiße und staubige Fahrt lag hinter mir. Das Erste, was ich brauchte, war ein kühles Bier. Und so ging ich in die nächste Spelunke, denn für einen noblen Saloon reichte mein Geld nicht mehr.
Nun, ich hatte mich bisher auch in der miesesten Höhle behaupten können und machte mir deshalb keine Sorgen. Aber, verdammt, diesmal hätte ich mir welche machen sollen!
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Gekaufter Colt
Vorschau
Impressum
Gekaufter Colt
Es gab damals viele Burschen westlich der Mississippi-Missouri-Linie, die ritten von einem Verdruss in den anderen. Zu dieser Sorte gehörte auch ich. Denn hatte man sich erst einmal Revolverruhm erworben, saßen einem bald schon die Schatten auf der Fährte und holten einen ein, sobald man nur kurze Zeit irgendwo anhielt.
Manchmal wartete der Verdruss sogar schon auf einen, wie an jenem Augusttag des Jahres 1870, als ich nach Saint Louis kam. Ich glaubte in der Stadt untertauchen zu können wie eine Stecknadel im Heuhaufen, und genau das war ein verhängnisvoller Irrtum von mir.
Eine lange, heiße und staubige Fahrt lag hinter mir. Das Erste, was ich brauchte, war ein kühles Bier. Und so ging ich in die nächste Spelunke, denn für einen noblen Saloon reichte mein Geld nicht mehr.
Nun, ich hatte mich bisher auch in der miesesten Höhle behaupten können und machte mir deshalb keine Sorgen. Aber, verdammt, diesmal hätte ich mir welche machen sollen!
Meine Augen mussten sich drinnen erst an das Licht gewöhnen.
Und deshalb hatte Paul Garret, der schon drinnen saß, einen kleinen Vorsprung. Bis ich ihn im Schein einer Karbidlampe erkannte, vergingen gewiss zwei Sekunden.
Er hätte mich in diesen zwei Sekunden viermal töten können, hätte er sofort geschossen.
Doch das tat er nicht.
Denn er fühlte sich – nachdem er den Colt erst in der Hand hatte – völlig sicher und ganz und gar als Herr der Lage. Er glaubte, mich gebannt zu haben wie eine Schlange das erstarrte Kaninchen.
Und da verspürte er wohl plötzlich den heißen Wunsch, mir noch zu sagen, von wem ich zur Hölle geschickt werden würde. Ich sollte das noch erkennen und begreifen.
Aber so waren die Garrets alle. Sie wollten stets ihren Triumph auskosten. Mich einfach umzulegen, sodass ich gar nicht mehr mitbekommen konnte, wer der große Sieger war, dies brachte auch Paul Garret nicht fertig.
Außerdem war er nicht allein. Nein, er hatte noch zwei Hombres neben sich am Tisch. Aber die wussten noch nicht Bescheid. Die kannten mich nicht.
Ich sagte: »Garret, wenn du mich jetzt umlegst, werden sie dich hängen. Hier in Saint Louis kannst du das nicht so machen wie tiefer im Westen. Hier gibt es schon Recht und Gesetz. Hier hängen sie dich.«
Aber er grinste nur und hatte ein Funkeln in den Augen.
Dieses Funkeln sagte mir alles. Er war verrückt vor Hass und spürte in seinem Triumph ein Hochgefühl. Er war gewiss nicht mehr mit Worten zu bremsen. Dass ich ihm hier halb blind vor die Revolvermündung gestolpert war, hielt er für eine gerechte Vorsehung. Darin war er ein echter Garret, denn alle Garrets stellten solche Ansprüche an das Leben. Sie verlangten einfach, dass besondere Umstände für sie alles zum Guten wendeten.
Zu meinen Worten grinste er nicht nur. Er schüttelte bald auch den Kopf und nickte nach rechts und links.
»Das sind meine Freunde«, sagte er. »Die sehen ganz deutlich, dass du mich mit deinem Revolver bedrohst und mich umlegen willst, wie zuvor schon meine lieben Brüder Bill und Bob von dir umgelegt wurden. Meine beiden Freunde werden bezeugen, dass ich in Notwehr handeln musste.«
Nachdem er dies gesagt hatte, legte er mit dem Daumen den Hammer seiner Waffe zurück. Wenn er mit seinem Daumen losließ, musste der Hammer zuschnappen. Und dann krachte es.
Aus dem kleinen Loch würde die Kugel kommen.
Seine beiden Freunde nickten. Einer sagte: »Ja, Paul, er bedroht dich. Wir sehen es ganz deutlich. Du bist in Lebensgefahr.«
Sie waren Banditen. Alle Garrets und deren Freunde waren Banditen. Und seine Brüder Bill und Bob hatten es nicht anders gewollt. Wir waren Nachbarn gewesen daheim in Tennessee, und schon unsere Väter hatten in Feindschaft gelebt.
Bill und Bob Garret hatten mich nacheinander zum Revolverkampf aufgefordert. Ich konnte nicht kneifen, und so kämpfte ich mit ihnen und war schneller als sie.
Aber dann machte ich mich auf die Socken, ritt fort, weit fort und wurde Revolvermann und Spieler. Ich gelangte zu bitterem Ruhm und konnte nirgendwo lange bleiben.
Und jetzt war ich dem letzten Garret vor den Revolver geraten.
Es war wahrhaftig eine dumme Sache.
Er würde mich wirklich gleich töten.
Ich wandte den Kopf und sah auf den Mann hinter der Bar.
Er war vorhin noch da gewesen – aber jetzt sah ich ihn nicht mehr. Er hatte sich also verdrückt, um nicht Zeuge sein zu müssen.
In einer Ecke schnarchte ein Betrunkener. Er lag mit seinen Armen und dem Oberkörper über dem Tisch. Der konnte und würde mir auch nicht helfen.
Ich sah in die andere Ecke. Sie war kaum noch erhellt. Wenig Lichtschein der Lampe fiel dorthin. Ein Mann saß dort, ein bulliger und wahrscheinlich sehr großer, schwergewichtiger Mann. Ich konnte ihn nur undeutlich erkennen. Offenbar hatte er den Kopf in beide Hände gestützt. Er trug einen neumodischen Hut.
Ich sagte: »He, Sie da in der Ecke! Sie werden jetzt Zeuge eines Mordes.«
Er ließ uns drei lange Atemzüge lang warten. Auch Paul Garret und dessen beide Freunde warteten. Sie wollten sicherlich herausfinden, auf welcher Seite dieser bisher so schweigsame und zurückhaltende Gast war.
Aber dann hörten wir ihn nur gähnen.
Schließlich legte auch er seinen Kopf wie der andere Schläfer auf den Tisch in die Arme. Wahrscheinlich war auch er betrunken.
Ich aber nutzte nun meine allerletzte Chance.
Denn auch Paul sah noch zu diesem Burschen hin.
Und so zog ich.
Das konnte ich wahrhaftig so schnell wie ein Blitz. Ich hatte es immer intensiver lernen müssen, um am Leben zu bleiben. Meine Reflexe waren schon immer unwahrscheinlich gut gewesen. Ich konnte die Fliegen mit zwei Fingern aus der Luft greifen.
Ich zog – und ich zog schnell.
Natürlich konnte ich diesen Paul Garret, der ja seinen Colt schussbereit in der Hand hielt, nicht schlagen. Aber er drückte eiliger ab, als es notwendig war.
Seine Kugel traf mich wie eine Keule am Kopf.
Und indes mir schwarz vor den Augen wurde, schoss ich – ja, ich schoss sogar noch, indes ich gar nichts mehr sah und die Welt sich um mich zu drehen begann.
Dann spürte ich nichts mehr.
✰✰✰
Ich erwachte, weil mein Kopf zu zerspringen drohte. Aber dann begriff ich, dass mir jemand den schmerzenden Kopf verband.
Die Stadtpolizei in Saint Louis war im Jahre 1870 schon uniformiert. Ich kannte auch ein Jail von innen.
Deshalb begriff ich trotz des schmerzenden Schädels schnell, dass mich jemand in einer Gitterzelle versorgte und zwei Marshals oder Hilfsmarshals der Stadtpolizei dabei zusahen.
Nach einer Weile ging der Doc.
Aber die Stadtpolizisten blieben.
Einer sagte: »Wollen Sie sich erst langlegen – oder möchten Sie uns erzählen, warum Sie zwei Männer totschossen und den dritten ziemlich übel verwundeten?«
Er fragte es mit einem lauernden Unterton.
Ich aber wollte raus aus der Zelle.
Deshalb sagte ich: »Wenn ich einen starken Kaffee bekomme, dann würde ich die ganze Sache gleich aufklären – denn wer sitzt schon gerne in einer Zelle.«
Sie nickten zufrieden. Wahrscheinlich wollten sie das Protokoll gerne noch während ihrer Nachtschicht abschließen.
Sie brachten mich ins Office. Einer stellte einen großen Becher Kaffee vor mich hin.
»Frisch gekocht«, sagte er.
Ich trank vorsichtig. Das Zeug war höllisch heiß – und es war wirklich so stark, dass es auch einen toten Indianer wieder in den Sattel gebracht hätte.
»Wir haben auch noch einen Schluck Bourbon«, sagte der eine Hilfsmarshal mit milder Freundlichkeit, aber ich schüttelte den Kopf. Ich war sehr hungrig. Der Whisky würde mich umhauen, das wusste ich.
Nun, ich wollte zu erzählen beginnen. Doch da fiel mir ein, dass ich zuerst wohl meinen Namen nennen musste. Wahrscheinlich kannten sie diesen schon. Vielleicht gab es sogar hier zwei Steckbriefe von mir. Denn hier in Saint Louis war oft der große Sammelplatz, von dem aus Wege in alle Richtungen führten.
»Ich bin Reece McGill«, sagte ich. Sie nickten nur. Mein Name war offenbar nichts Besonderes für sie. Da wurde ich etwas ruhiger und erzählte die ganze Geschichte, so, wie sie sich zugetragen hatte.
Sie schrieben alles auf.
Ich unterschrieb.
Aber als ich dann gehen wollte, schüttelten sie ihre Köpfe. Einer gähnte. Der andere sagte: »In die Zelle zurück, McGill. Das lässt sich nicht ändern, denn es gibt da noch zwei andere Aussagen, die des Überlebenden – und die des Barkeepers. Ich will dir was sagen, Freundchen. Es sieht gar nicht gut für dich aus. Zwei Aussagen gegen deine. Du kannst dir ausrechnen, wem die Geschworenen glauben werden. Das ist so leicht zu errechnen wie zwei weniger eins. Da bleibt immer noch eins, nicht wahr? Und diese Eins ist gegen dich. Savvy?«
Ich ging in die Zelle zurück.
Und ich wusste, dass ich in der Klemme saß.
Verdammt noch mal, warum stand der Saloonkeeper, der sich verdrückt hatte, als Zeuge auf der Gegenseite?
Es gab nur eine Erklärung. Der tote Paul Garret hatte hier in Saint Louis noch einige andere Freunde. Sie waren zugleich die Freunde des einzigen Überlebenden des feindlichen Kleeblatts.
Zum Andenken an Paul Garret und den anderen Hombre wollten sie mich hängen sehen. Das war mir klar, obwohl ich mit meinem schmerzenden Schädel kaum noch denken konnte, denn Garrets Kugel hatte mir über dem Ohr eine Furche gezogen wie ein Säbelhieb.
Ich streckte mich auf der harten Pritsche aus.
✰✰✰
Am nächsten Morgen bekam ich Bohnen und einen Kanten Brot, dazu dünnen Kaffee, den man wahrscheinlich aus einem Stück altem Kaffeesackleinen gekocht hatte.
Gegen Mittag fand dann die Leichenschau statt. Natürlich wurden dabei nicht die beiden Toten besichtigt, sondern es fand ein Ortstermin statt. Der Untersuchungsrichter musste sich ein Bild von der Sache machen. Und er würde dann entscheiden, ob man mir den Prozess machen musste oder nicht.
Als der verlogene Saloonkeeper gerade erzählte, dass ich mit gezogenem Colt von der Straße hereingekommen sei, sagte eine Stimme von der Tür her: »Der lügt ja!«
Wir alle wandten uns um.
Ein großer und bulliger Bursche – etwa in meinem Alter – war eingetreten.
Ich erkannte ihn plötzlich wieder. Das war der Bursche, der in der dunklen Ecke gesessen und der sich dann betrunken und schlafend gestellt hatte.
Der Untersuchungsrichter pfiff ihn sofort an: »Wer sind Sie? Was wollen Sie? Warum behaupten Sie, dass dieser wichtige Zeuge lügt?«
»Ich bin Dan Buchanan«, sagte der klotzige Bursche. »Und ich war ebenfalls Zeuge gestern. Ich saß dort drüben in der Ecke. Und bevor es losging, verschwand der Keeper schon.«
Er erzählte dann alles so, wie es gewesen war und wie auch ich es erzählt und zu Protokoll gegeben hatte.
Als er fertig war, staunten sie alle und starrten ihn an.
Dann sagte einer der Marshals: »He, sind Sie nicht der Preiskämpfer ...«
»Richtig, der bin ich«, sagte jener Dan Buchanan.
Ich sah ihn mir genauer an. Ja, er hatte ein paar Narben im Gesicht und auch leichte Blumenkohlohren. Seine Haare waren rostrot, aber seine grauen Augen gefielen mir.
Sie starrten ihn nun an wie ein Mondkalb.
Aber dann richteten sie ihre Blicke auf den Saloonkeeper.
»Freundchen«, sagte der Untersuchungsrichter drohend.
»Die Garrets haben Freunde«, seufzte der Knilch. »Und ich wollte noch eine Weile in Saint Louis bleiben und meinem Job nachgehen. Also ...«
»Heraus mit der Wahrheit, bevor ich Sie einsperre«, grollte der Richter wieder in seiner trockenen Art.
Und da zerbrach die lächerliche Nummer auch schon. Wahrscheinlich hatte es ihm nur wenig Spaß gemacht, mich reinzulegen.
Aber meine Pechsträhne konnte ja auch nicht ewig dauern.
✰✰✰
Als ich am späten Nachmittag aus dem Gefängnis trat, erwartete mich dieser Dan Buchanan. Wir gingen eine Weile schweigend nebeneinander die Straße entlang. Er war wohl kein Bursche von der geschwätzigen Sorte. Mir fiel jedoch auf, dass er fortwährend die Umgebung beobachtete. Es war auch eine Unruhe in ihm, die ich instinktiv spürte.
Hatte er vielleicht Angst vor den Freunden und Anhängern der Garrets? Waren diese seine Feinde geworden, weil er mir durch seine Aussage geholfen hatte? Er hatte mich wahrscheinlich vor dem Strick gerettet. Darüber war ich mir klar.
Ich war ihm etwas schuldig, und ich hatte Schulden noch immer irgendwie beglichen. Also blieb ich stehen und sah ihn an.
»Ich hatte schon keine Hoffnung mehr, dass jemand mir aus der Patsche helfen würde«, begann ich.
Aber er winkte ab, zog mich am Ärmel weiter.
»Nicht anhalten«, sagte er. »Keine großen Worte machen. Ich habe eigentlich als Zeuge nur meine bürgerliche Pflicht getan. Aber ich bin kein edler Mensch. Wahrscheinlich hätte ich mich rausgehalten, steckte ich nicht selbst in der Klemme und brauchte ich nicht Hilfe. Als ich Sie mit dem Revolver umgehen sah, da wurde mir klar, dass wir zusammenhalten mussten. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie davonkommen könnten. Sie waren schon angeschossen, bevor Sie den Colt frei bekamen. Und dennoch kämpften Sie diese drei Fluss- und Townwölfe nieder. Also, Bruder, ich brauche Hilfe. Deshalb holte ich dich raus. Eine Hand wäscht die andere. Und es fällt sogar noch etwas für dich ab.«
Er war von einem Moment auf den anderen vertraulich geworden.
Er wollte mich offenbar als Partner. Er wollte meinen Colt auf seiner Seite haben. Das war mir schnell klar.
Verdammt noch mal, das war es also wieder einmal mehr.
Jemand wollte sich der Hilfe meines Colts versichern. Es kam ihm nicht so sehr auf mich an. Ich hätte ebenso gut auch ein Mondkalb oder ein Affe sein können. Was allein zählte, war mein schneller Colt. Nur der wurde gebraucht.
Ich wollte diesem Dan Buchanan schon sagen, dass er sich zur Hölle scheren solle. Ja, ich starrte schon hart in seine rauchgrauen Augen, die mir eigentlich von Anfang an gefallen hatten.
Nun, ich schluckte herunter, was mir schon auf der Zunge lag.
Ich erinnerte mich rechtzeitig daran, dass ich ihm etwas schuldig war. Denn ich war wieder ein freier Mann. Wäre er nicht als Zeuge gekommen, wäre auch der Saloonkeeper nicht umgefallen. Und so fragte ich, anstatt zu fluchen: »Was fällt für mich ab?«
»Eine Menge«, sagte er. »Ich gebe dir zehn Prozent.«
»Zehn Prozent von was?«
Nun hielt er einen Moment inne und starrte mich an, als könnte er gar nicht begreifen, dass ich nicht wüsste, wovon wir redeten.
»Ich hab meine ganzen Ersparnisse auf meinen Sieg gegen Carlo Ponnacki gesetzt, gegen ›Bohunkie Carlo‹, den man auch den ›Toro vom Mississippi‹ nennt.«
Das alles war mir neu und unbekannt. Denn ich kam ja aus dem tiefsten Westen nach Saint Louis.
Und dennoch dämmerte mir schon etwas.
»Aha«, sagte ich. »Du hast auf deinen Sieg gegen einen Bullen gesetzt, mit dem du bald hier kämpfen sollst. Und es gibt ein paar Leute, die haben auf den Sieg deines Gegners gesetzt und wollen nun, dass er gewinnt. Dies kann ich gut verstehen.«
Er nickte, indes wir nebeneinander ausschritten. »Das kann ich auch gut verstehen«, sagte er. »Nur wollen die mich umbringen, wenn ich Bohunkie Carlo schlagen sollte. Verstehst du? Ich bin gut mit den Fäusten. Ich bin auch nicht dumm. Aber schon ein Zwerg kann mich mithilfe eines Revolvers umlegen. Das wird kein leichter Kampf gegen Bohunkie Carlo. Der ist keine Flasche. Wenn ich mit ihm fertig bin, werde ich ziemlich erledigt sein. Und da brauche ich jemanden, der ...«
Er verstummte, hielt wieder an und erfasste meinen Arm, sodass ich ebenfalls anhalten und mich zu ihm drehen musste.
Wieder sahen wir uns an. Wir waren dem Fluss schon sehr nahe. Der große Strom, zu dem auch noch der mächtige Missouri kam, roch sehr intensiv.
»Hast du keine Freunde – Partner – Manager? Bist du allein?« So fragte ich langsam.
Da grinste er. »Ich habe nur Pete«, sagte er. »Aber der ist alt und ein halber Invalide – ein Ex-Preiskämpfer, den sie in all den Jahren zu Brei schlugen. Pete zählt kaum noch, wenn es ums Kämpfen geht. Und mein bisheriger Agent ist fort. Der kannte diese Bande schon. Dem brauchten sie nur zu drohen. Als ich ihm sagte, dass ich ehrlich kämpfen und alles tun würde, um zu gewinnen, da machte er sich aus dem Staub. Er sagte, dass er mit mir nicht mitbüßen wolle für meinen Ungehorsam gegen den Trust. Er sagte, dass er nicht erschossen, nicht erstochen und auch nicht ersäuft werden wolle.«
Dan Buchanan verstummte grollend.
In seinen Augen sah ich den Zorn. Ja, er war ein Bulle, der nicht nachgeben konnte. Er war in dieser Hinsicht gewiss der gleiche Hammel wie ich.
Ein Wort hatte sich mir besonders eingeprägt.
Trust!
Wir gingen weiter in Richtung zum Fluss die Straße hinunter.
»Was ist das für eine Sache – ich meine mit dem Trust?«, fragte ich.
»Es ist eine Vereinigung«, erklärte er mir sofort. »Sie hat überall in allen Ortschaften längs des Mississippi und des Missouri ihre Vertreter. Diese kontrollieren jedes Geschäft. Der Trust bestimmt die Fracht- und Passagierraten, die Baumwollpreise, die Holzpreise – alles, was du dir nur denken kannst, wird von dieser Interessenvereinigung beeinflusst, gesteuert und – na, sie kontrollieren sogar alle Bordelle – und wo immer auch längs der beiden Ströme ein Dollar umgedreht wird.«
Ich hielt wieder an.
»Wenn diese Vereinigung – dieser Trust – so groß und mächtig ist«, sagte ich, »dann würde man uns zerquetschen wie ein paar Läuse. Dann ist es doch geradezu idiotisch, nicht zu gehorchen. Oder?«
Er nickte heftig.
»Richtig«, sagte er. »Doch sie sind nur an den Strömen mächtig. Sie sehen hinter den nächsten Hügeln landeinwärts schon nicht mehr so gut aus. Diese Fluss- und Townwölfe sind zu einseitig. Auf einem Pferd in den Antilopenhügeln oder sonst wo in der Wildnis, da ...«
Nun sah ich endlich auch die Lassonarben auf seinen Handrücken.
Ich hatte sie bisher für Kampfnarben gehalten. Denn man kämpfte bei Preiskämpfen zu jener Zeit noch ohne Handschuhe. Ein Preiskämpfer konnte sich da ganz übel die Hände am Gegner zerschlagen.
Aber nun endlich wurde mir klar, dass er Lassonarben an den Handrücken hatte, wie sie entstehen, wenn man sich ein Lasso um die Hände gewickelt hat und es dann zu rutschen beginnt, weil der Stier oder das Pferd zu wild kämpfen.