1,99 €
Als sich Al Arrow seiner Zweighütte bis auf dreißig Schritt genähert hat, wirft er sich plötzlich aus dem Sattel. Die Kugeln, die ihm gelten, treffen ihn nicht voll. Sie verwunden ihn nur leicht. Er rollt sich über den Boden und schießt mit zwei Revolvern, die er so schnell in den Händen hält, dass es wie Zauberei anmutet. Er schießt auf seine Hütte und auf das Schutzdach, das die Pferde mieden, und erwidert so die Kugeln, die aus drei Waffen abgefeuert werden. Sein Pferd wird getroffen, überschlägt sich wiehernd und kracht schwer zu Boden.
Dann bricht der Blizzard los. Der Eishagel ist so heftig, dass er kleine Tiere tötet. Die Temperatur ist schon während der letzten zehn Minuten stark gefallen. Aber jetzt ist es so eisig, wie man es sich vor einer halben Stunde noch nicht hat vorstellen können.
Aladin Arrow liegt am Boden und wird vom Eishagel geprügelt. Manche der Eisstücke sind so groß wie Hühnereier. Denn das, was hier niedergeht, ist ein Blaueisblizzard.
Al Arrow flucht heiser. Er ist an zwei oder drei Stellen verwundet. Sein Pferd ist tot. Und in seiner Hütte, die er noch im letzten Moment vor dem losbrechenden Blizzard erreicht hat, sind Indianer ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Arrow-Brand
Vorschau
Impressum
Arrow-Brand
Als sich Al Arrow seiner Zweighütte bis auf dreißig Schritt genähert hat, wirft er sich plötzlich aus dem Sattel. Die Kugeln, die ihm gelten, treffen ihn nicht voll. Sie verwunden ihn nur leicht. Er rollt sich über den Boden und schießt mit zwei Revolvern, die er so schnell in den Händen hält, dass es wie Zauberei anmutet. Er schießt auf seine Hütte und auf das Schutzdach, das die Pferde mieden, und erwidert so die Kugeln, die aus drei Waffen abgefeuert werden. Sein Pferd wird getroffen, überschlägt sich wiehernd und kracht schwer zu Boden.
Dann bricht der Blizzard los. Der Eishagel ist so heftig, dass er kleine Tiere tötet. Die Temperatur ist schon während der letzten zehn Minuten stark gefallen. Aber jetzt ist es so eisig, wie man es sich vor einer halben Stunde noch nicht hat vorstellen können.
Aladin Arrow liegt am Boden und wird vom Eishagel geprügelt. Manche der Eisstücke sind so groß wie Hühnereier. Denn das, was hier niedergeht, ist ein Blaueisblizzard.
Al Arrow flucht heiser. Er ist an zwei oder drei Stellen verwundet. Sein Pferd ist tot. Und in seiner Hütte, die er noch im letzten Moment vor dem losbrechenden Blizzard erreicht hat, sind Indianer ...
Das weiß er.
Aber wie viele sind es?
Und wie viele von ihnen hat er erwischen können?
Allmählich lässt der schreckliche Eishagel nach. Aber die Kälte nimmt zu. Es ist so unheimlich kalt, dass er seine Waffen nicht nachladen kann.
Er weiß mit einem Mal, was er tun muss, wenn er überleben will. Zumindest zwei Kugeln haben ihn getroffen, und der Eishagel hat ihn regelrecht zerschunden.
Aber aus seinem Innern strömt eine heiße, wilde Energie.
Ein Indianertrick fällt ihm ein.
Er kriecht zu seinem Pferd und holt aus seinem Stiefelschaft das lange, scharfe Green-River-Messer.
Er stößt es dem Tier in den Bauch, mitten hinein in die Wärme, die in dem Tier trotz des Blizzards noch vorhanden ist. Er arbeitet kaltblütig und zielbewusst und holt die Eingeweide heraus.
Denn er muss für sich selbst Platz schaffen.
Er muss in das Pferd kriechen.
Nur so kann er in dem eisigen Blizzard überleben – aber auch nur dann, wenn er ein besonders harter Mann ist, so hart wie ein Indianer.
Es wird auch darauf ankommen, wie lange dieser Blizzard dauert – drei Tage, fünf Tage, eine Woche ...
✰✰✰
Der Blizzard dauert vier Tage und geht von Eis in Schnee über. Der Schnee fällt so dicht vom Himmel, als wollte er die Erde ersticken. Manchmal tobt der Sturm so heftig, dass man glaubt, die Hölle hätte sich geöffnet.
Aladdin Arrow richtete sich im Bauch des Pferdes mithilfe seiner Satteldecke und des Büffelfellmantels so gut wie möglich ein. Den Sattel legte er noch als Schutz davor.
Es ist eine schreckliche Qual, in einer so engen Behausung zusammengekrümmt zu verharren.
Manchmal war Al entschlossen, zu seiner Hütte hinüberzugehen und es mit den Indianern zu versuchen. Doch er verschob diesen Plan immer wieder.
Gegen Ende des vierten Tages ist er endgültig bereit, denn er glaubt, es nun nicht mehr länger aushalten zu können. Es ist ihm plötzlich gleichgültig, wie viele Indianer dort drüben in seiner Hütte Schutz gesucht haben. Einen oder zwei hat er mit seinen raschen Coltschüssen bestimmt erwischt, zumindest schlimmer verwundet, als er selbst es ist.
Wahrscheinlich werden sie nicht damit rechnen, ihn noch lebend zu sehen. Sie konnten im Eishagel und dem darauffolgenden Schneesturm nicht sehen, was er dort draußen – kaum dreißig Schritte von der Hütte entfernt – zu seiner eigenen Rettung tat.
Al beginnt, sich aus seinem Gefängnis zu befreien. Einen seiner Colts hat er verloren. Aber die andere Waffe besitzt er noch. Es gelingt ihm, sie aufzuladen.
Der Pferdekörper hat eine hohe Schneewehe verursacht. Al Arrow muss mühsam und hart arbeiten, um sich zu befreien.
Als er draußen ist und seine steifen, verkrampften und schmerzenden Glieder streckt und für einen Moment die Befürchtung hegt, er könnte niemals wieder gerade gehen, da weiß er, dass der Blizzard sich ausgetobt hat.
Al steht bis zum Bauch im Schnee und starrt auf seine Hütte.
Dort an der Felswand bei der Hütte ist die Schneewehe noch höher. Gegen dieses Hindernis brandete der Blizzard noch stärker an. Von den Packpferden im Schuppenbau ist nichts zu sehen. Auch sie sind von einem Schutzwall aus Schnee umgeben.
Noch ist alles ruhig und still.
Aber Al Arrow ist sicher, dass sich das bald ändern wird. Die Roten werden zum Vorschein kommen. Ihnen kann nicht mehr lange verborgen bleiben, dass sich der Blizzard legte. Also werden sie die Hütte verlassen.
Al Arrow kommt nun erst richtig in Gang.
Er wird um sein Leben kämpfen müssen. Und er macht sich auf den Weg, um bei der Hütte zu sein, bevor die Roten herauskommen. Es wird besser für ihn sein, wenn er hinter der Hüttenecke plötzlich auftaucht.
Während er wartet, bricht die Sonne hervor. Sie gibt den Dingen Farbe und wärmt sogar etwas.
Die in Lederschlaufen hängende Hüttentür wird nach innen geöffnet. Dabei rieselt Schnee in die Hütte.
Durch den Schnee stapfen nacheinander drei Rote aus der Hütte.
Als sie die tiefe Spur entdecken, die Al Arrow durch den Schnee zog, halten sie an und wenden sich um.
Sie sehen ihn bei der Hüttenecke stehen, keine zehn Schritte entfernt. Sie blicken in die Mündung seines Colts, und sie wissen inzwischen, wie gut er mit der Waffe umgehen kann.
Als sie ihm hier die Falle stellten, waren sie fünf.
Zwei von ihnen erschoss er, als er über den Boden rollte und dabei auf ihre Mündungsfeuer ballerte, wie sie es niemals für möglich gehalten hätten.
Sie wissen, dass sie jetzt für ihn so leichte Ziele bieten, dass er sie sogar mit geschlossenen Augen treffen könnte. Denn so schnell würden sie gar nicht beiseite springen können.
Al Arrow grinst über sein stoppelbärtiges und hohlwangiges Gesicht und zeigt dabei zwei blinkende Zahnreihen.
Sie sind Oglala-Sioux. Das weiß er längst, denn er lebt schon seit Wochen in ihrem Land. Und er spricht ihre Sprache.
Er sagt zu ihnen: »Hokahe, ihr lieben Vettern, das war eine feine Falle, die ihr mir hier stelltet. Aber es hat nicht so gut geklappt, wie ihr es wolltet. Ihr werdet jetzt gleich in Wanagi Yata versammelt sein. Der Schatten des Todes liegt schon über euch. Habt ihr noch einen Wunsch?«
Sie starren ihn an. Es sind drei stattliche Burschen, groß, sehnig, mit kühnen Gesichtern.
Einer fragt kehlig: »Wie hast du den Blizzard überstehen können, Wasicun? Warst du bei den Packtieren im Anbau? Aber dort sahen wir mehrmals nach. Du musst im Blizzard gewesen sein. Wie konntest du am Leben bleiben?«
»Im Bauch meines Pferdes«, sagt er. »Es war tot, und ich riss ihm die Eingeweide heraus. Es war ein gutes Tier. Wer von euch will zuerst sterben?«
Seine Frage lässt sie zusammenzucken.
Sie haben ihre Waffen nicht bereit. Sie sind in seiner Hand. Der Colt in seiner Faust kann sechsmal den Tod ausspucken.
Da reckt sich einer von ihnen, öffnet seine Wolfsfelljacke und zeigt die bloße Brust.
»Dann töte mich zuerst«, sagte er. »Ich bin Rothorn, der Häuptling in diesem Land. Du hast Glück. Du kannst den Häuptling der hier lebenden Oglala-Sioux töten.«
Als Aladdin Arrow das hört, grinst er bitter. »Ich bin nicht so wild darauf, dich zu töten, Rothorn. Viel lieber wäre ich dein Freund. Ich war immer ein Freund der Indianer. Meine Großmutter war eine Hunkpapa. Sie war mit einem Händler in Laramie verheiratet. Ich bin nicht euer Feind, aber ich will in diesem Land leben. Hier in diesem Tal möchte ich leben. Warum muss ich dich töten, Rothorn, dich und deine beiden Krieger? Warum kann zwischen uns nicht Freundschaft herrschen?«
Sie starren ihn staunend an. Und sie begreifen, dass es für sie eine Möglichkeit gibt, am Leben zu bleiben.
Wahrscheinlich kommt ihnen auch der Gedanke, dass sie diesen Weißen, der zu einem Viertel ein Hunkpapa ist, betrügen könnten. Vielleicht ist er so vertrauensselig, dass sie ihm bald den Schädel einschlagen können.
Aber er grinst wieder auf seine blitzende Art und sagt: »Wir würden die Friedenspfeife rauchen müssen – jene Pfeife, auf der die Worte eingekerbt sind: ›Woklota Wa Yaka Cola‹. Diese Pfeife müssten wir rauchen. Das wäre die Sicherheit für einen beständigen Frieden. Dann können wir Freunde werden und lernen, uns gegenseitig zu achten. Überlegt es euch!«
Sie brauchen nicht mehr zu überlegen. So stolz sie auch als Krieger sind, sie möchten doch am Leben bleiben.
Und dieser Weiße scheint ein großer Krieger und Häuptling zu sein, dessen Freund zu werden eine Ehre sein könnte.
Doch Rothorn hat noch einen Einwand. Er sagt: »Wo sich ein Weißer festsetzen kann, folgen andere. Bald sind sie so zahlreich, dass sie die Indianer verjagen. Wie wird es mit dir sein?«
»Ich will dieses Tal«, sagt Al Arrow. »Ich will den gefleckten Büffel züchten, den man unten im Süden auch Longhorn nennt. Dafür brauche ich Leute, die mir helfen. Doch diese Leute werden auf meine Befehle hören. Wer nicht zu mir gehört, den jage ich aus dem Land. Ich werde euch die Weißen besser und gründlicher fernhalten, als ihr es könnt, denn ich werde keinen in meiner Nachbarschaft dulden, der mir nicht gehorcht, und werde euer Freund sein, so gut ich es kann. Rothorn, ich will nicht dein Leben, ich will deine Freundschaft.«
Sie sehen ihn an, und sie sind von ihm sehr beeindruckt. Er spricht nicht nur ihre Sprache – nein, er hat auch sonst noch viel an sich, was ihnen imponiert.
Aber es ist noch etwas anderes, etwas, was sich nur zwischen ihm und dem Häuptling Rothorn abspielt.
Sie sehen sich lange und fest an, diese beiden Männer, von denen einer rot und einer weiß ist.
Sie sehen sich in die Herzen.
Was sie sehen und spüren, kann mit Worten nicht gesagt werden.
Rothorn nickt plötzlich. »Woyuonihan! Waste! Respekt! Gut, wir werden die Friedenspfeife rauchen. Wir werden die Pfeife rauchen, auf der geschrieben steht: ›Woklota Wa Yaka Cola‹. Denn wir Oglala zwischen dem Wind River und dem Green River brauchen große Freunde. Ich sehe es kommen.«
✰✰✰
Die Wochen vergehen für Aladdin Arrow wie im Flug. Seine Hauptbeschäftigung ist die Jagd auf Wölfe, Pumas und Bären. Es gibt sie hier massenhaft, und er weiß, dass er sie ausrotten muss, wenn er seine Kälber später behalten will.
Von den Indianern sieht und hört er nichts. Es ist, als hätten sie ihm das große Tal und die vielen Nebentäler überlassen, um sich selbst nie wieder darin zu zeigen.
Er weiß aber, dass ihr großes Winterdorf am Wind River keine fünfzig Meilen entfernt ist. Schließlich war er dort gewesen, um mit Rothorn die Heilige Pfeife zu rauchen.
Sie versuchten nicht, ihn reinzulegen. Rothorn hielt sein gegebenes Wort.
Die Zeit vergeht, und der Schnee beginnt zu schmelzen. Bäche und Flüsse füllen sich und lassen den Wind River und den nicht weit entfernten Green River anschwellen. Der Frühling ist da!
Eines Tages macht sich Aladdin Arrow auf den Weg.
Als er nach Tagen die Medicine-Bow-Berge erreicht, kommt ihm aus einem Canyon die Herde entgegen.
Tausende Longhorns, ausgesuchte Tiere!
Sein Herz schlägt bei ihrem Anblick schneller.
An der Spitze der wintermageren Herde trottet El Hidalgo, der mächtige Leitstier, ein echter Toro, ein Edelmann unter den Longhornstieren.
Von der Herde löst sich ein Reiter – ein bulliger, untersetzter und rotblonder Mann, dessen Texanerbart sichelförmig über die kantigen Kinnwinkel herabhängt.
Er reitet heran und betrachtet Al Arrow kritisch. Schließlich nickt er lässig und sagt: »Du hast eine schwache Ähnlichkeit mit dem Mann, für den ich diese Herde treibe. Man sollte nicht glauben, dass ein Mann so mager werden könnte. Bist du am Ende der verschollene Al Arrow?«
Al Arrow grinst. Er weiß, dass dies die Art ist, in der sein Vormann Clay Clayton seine Freude tarnt, ihn lebendig vor sich zu sehen.
Er sagt: »Dein Chinesenbart wirkt etwas müde, Clay. Hast du dich nicht einen ganzen Winter lang ausschlafen können? Oder bist du zu oft in Laramie bei den Mädchen gewesen?«
Sie grinsten sich an. Das war ihre ganze Begrüßung. Aber ihre Augen funkeln. Die beiden Männer verstehen sich. Sie wissen, dass sie sich aufeinander verlassen können.
Sie haben sich vorgenommen, die ersten Rinderzüchter von Wyoming zu sein.
Dabei steht der große Indianerkrieg vor der Tür.
Deshalb ist ihre Absicht geradezu verrückt.
Sie wenden ihre Pferde der Herde zu und lassen diese vorbeiziehen.
Die Flankenreiter winken herüber, zeigen grinsende Gesichter und stoßen schrille Rufe zur Begrüßung ihres Bosses aus.
Al Arrow winkt.
Auf jedem der Rinder sieht er ein Brandzeichen – einen Pfeil.
»Arrow« bedeutet nichts anderes als Pfeil. Das ist ein guter Name für ein Brandzeichen.
Heute, am 27. März 1868, ist Aladdin Arrow sechsundzwanzig Jahre alt und ein fertiger Mann. Er ist der Meinung, dass er nicht früh genug damit anfangen kann, sich ein Stück Wyoming zu erobern.
Wenn erst die Indianer geschlagen sind – was seiner Meinung nach fünf bis sechs Jahre dauern wird –, werden die Rinder- und Schafzüchter in Scharen angezogen werden, um sich ein Stück Weide zu nehmen.
Dann will er schon da sein.
Und der Arrow-Brand soll bereits ein Symbol geworden sein.
Das ist sein Ziel, für das er kämpfen wird.
✰✰✰
Es wird ein gutes Jahr für sie alle.
Rothorns Krieger halten Frieden. Der Häuptling besucht sogar mehrmals im Laufe des Jahres mit einer kleinen Schar Black Arrows Valley, denn Black Arrow nennen die Indianer Al Arrow. Für die Roten ist er Schwarzer Pfeil. Als sie das Brandzeichen auf seinen gefleckten Büffeln sahen, wussten sie sofort, wie sie ihn nennen sollten.
Al Arrow schenkt Rothorn und seinen wichtigsten Kriegern gute Gewehre. Er bewirtet sie wie Freunde und stellt ihnen seine Reiter vor. Rothorns Besuche verlaufen stets friedlich.
Er hält sich an den Frieden, wie sie ihn damals beschlossen.
Deshalb kann Al Arrows Mannschaft ohne Störung die Ranch aufbauen. Seine Männer sind gute Handwerker. Was sie alles bis zum Anbruch des Winters schaffen, kann sich sehen lassen.
Zweimal fahren Al Arrows Frachtwagen während des Sommers und des Herbstes nach Laramie. Aus dem einstigen Fort der Händler, das später von der Armee gekauft und ausgebaut wurde, ist inzwischen eine Stadt geworden, das große Ausfalltor nach Norden und Westen. In Laramie ist ein großer Bahnhof der Union Pacific entstanden.
Deshalb bekommen Arrows Fahrer stets alles, was auf ihren langen Listen aufgeführt ist, die Al Arrow ihnen mitgibt.
Als der Winter anbricht, hat man im Black Arrow Valley alles, was man braucht.
Aber es wird ein harter Winter, einer der härtesten Winter des Jahrhunderts. Je länger er dauert, umso schwerer haben es Al Arrows Reiter, die Herde am Leben zu halten.
✰✰✰
Der Winter will kein Ende nehmen.
Eines Tages reitet Rothorn mit einer Schar Krieger heran. Sie wirken verhungert und sitzen auf Pferden, deren zottiges Winterfell die Magerkeit nicht verbergen kann. Auch die Krieger sind ausgemergelt, und manche haben ein Glitzern in ihren Augen, wie man es auch bei Wölfen erkennen kann, wenn sie vor Hunger verrückt sind.
Al Arrow weiß sofort Bescheid.
Er lässt einen Stier herbeitreiben und schießt ihm eine Kugel in den Kopf.
Er ist mit Pancake und den drei Halbblutmännern allein auf der Ranch. Seine Reiter sind irgendwo unterwegs und kämpfen gegen den Winter um das Leben der Rinder.
Rothorn und dessen Krieger hätten es leicht gehabt, diese Ranch zu nehmen. Doch sie kamen als Freunde.
Arrow weiß, dass sich diese Freundschaft jetzt bewähren muss.
Er sieht mit Rothorn zu, wie dessen Krieger den toten Stier abhäuten und zerlegen, wie sie das Feuer anfachen und bald darauf Fleischstücke über der Glut drehen. Er sieht, wie selbst die stolzesten Krieger das Fleisch noch halb roh in sich hineinstopfen, und er kann sich vorstellen, dass sie in den letzten Wochen furchtbar hungerten.
Denn längst schon müsste es Frühling sein.
Er lässt Pancake einen großen Waschkessel voll Bohnensuppe mit Speck kochen, Brot backen und unter seinen Vorräten aufräumen, obwohl auch sie inzwischen schon an manchen Dingen knapp wurden.
Während er mit Rothorn am Feuer sitzt und zusieht, wie er und seine Krieger sich die Bäuche füllen, begreift er, dass er Rothorn nicht bitten lassen darf, will er sich die Freundschaft des Häuptlings erhalten.
Nach einer Weile fragt er: »Habt ihr noch Vorräte in eurem Dorf? Hattet ihr zwischendurch eine gute Jagd auf Elche? Wie geht es euch?«
»Wir hungern«, erwidert Rothorn. »Selbst unsere Alten können sich nicht an einen so strengen und langen Winter erinnern. Unsere Vorräte sind aufgebraucht. Es gab keine gute Jagd. Der Büffel ist weit nach Süden gewandert, und er kehrt dieses Jahr zu spät zurück. Auch die anderen Tiere sind geflohen – kein Elch, kein Antilopenrudel, nichts mehr da. Nur Wölfe, nichts als Wölfe. Sie finden und jagen das Wenige, was uns sättigen könnte. Unser Dorf hungert, denn der Winter dauerte noch nie so lange und war noch nie so streng. Noch niemals gab es so wenige Tiere in diesem Land. Was machen deine gefleckten Büffel, Black Arrow?«
»Sie werden sterben«, murmelt Al, »wenn es nicht bald besser wird. Du kannst dir zehnmal zehn davon nehmen. Schlachtet sie und bringt sie zu euren Frauen und Kindern ins Dorf. Wir sind Freunde. Ich will nicht, dass ihr hungern müsst, denn dieser Winter ist ungewöhnlich. Es liegt nicht an euch, dass eure Vorräte aufgebraucht sind. Auch ich habe mich verschätzt. Auch ich ließ nicht genug Heu lagern. Nehmt euch hundert von meinen gefleckten Büffeln – das sind zehnmal zehn!«
Er zeigt es Rothorn mit den offenen Händen.
Rothorn nickt.
Dann erhebt er sich.
Seine Worte kommen schnell.