G. F. Unger Western-Bestseller 2617 - G. F. Unger - E-Book

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G. F. Unger

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Beschreibung

Zuerst glaubt Casey Latimer, dass dies der ganz große Glückstag für ihn ist. Denn seine beiden Esel, die sein Gepäck schleppen, halten in der weiten Senke plötzlich an, scharren mit den Vorderhufen und wollen nicht weiter. Casey Latimer beobachtet sie eine Weile, kratzt sich dabei am Hinterkopf und schiebt seinen alten Hut weit nach vorn bis fast zur Nasenwurzel. Dann murmelt er: »Oh, ihr zwei Schlitzohren, was soll ich davon halten? Ist dort ein Schatz vergraben - Gold, Silber oder gar Wasser? Was scharrt ihr da herum? Zum Teufel, was soll's denn hier schon geben außer Klapperschlangen, Staub und ein paar Apachen?«
Er hat bei den letzten Worten deutlich einen Klang von Misstrauen in der Stimme. Denn er sucht in diesem Land schon länger als zwanzig Jahre nach Silber oder Gold und fand stets nur so wenig, dass es gerade zum Leben reichte. Und so weigert er sich, überhaupt noch an etwas Glück zu glauben, ja, er hat sich angewöhnt, Glück und Hoffnung zu verachten, so, als wollte er beides gar nicht haben. Aber als seine beiden Packesel nicht mit dem Scharren im sandigen Boden aufhören wollen und ihre misstönigen Eselsschreie hören lassen, da seufzt er bitter, nimmt die Schaufel und beginnt ein Loch zu graben ...


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Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Todesspiel in Warlock

Vorschau

Impressum

Todesspiel in Warlock

Zuerst glaubt Casey Latimer, dass dies der ganz große Glückstag für ihn ist. Denn seine beiden Esel, die sein Gepäck schleppen, halten in der weiten Senke plötzlich an, scharren mit den Vorderhufen und wollen nicht weiter. Casey Latimer beobachtet sie eine Weile, kratzt sich dabei am Hinterkopf und schiebt seinen alten Hut weit nach vorn bis fast zur Nasenwurzel. Dann murmelt er: »Oh, ihr zwei Schlitzohren, was soll ich davon halten? Ist dort ein Schatz vergraben – Gold, Silber oder gar Wasser? Was scharrt ihr da herum? Zum Teufel, was soll's denn hier schon geben außer Klapperschlangen, Staub und ein paar Apachen?«

Er hat bei den letzten Worten deutlich einen Klang von Misstrauen in der Stimme. Denn er sucht in diesem Land schon länger als zwanzig Jahre nach Silber oder Gold und fand stets nur so wenig, dass es gerade zum Leben reichte. Und so weigert er sich, überhaupt noch an etwas Glück zu glauben, ja, er hat sich angewöhnt, Glück und Hoffnung zu verachten, so, als wollte er beides gar nicht haben. Aber als seine beiden Packesel nicht mit dem Scharren im sandigen Boden aufhören wollen und ihre misstönigen Eselsschreie hören lassen, da seufzt er bitter, nimmt die Schaufel und beginnt ein Loch zu graben ...

Immer dann, wenn er innehält, um zu verschnaufen und sich mit seinem Halstuch den Schweiß vom Gesicht und von der Stirn zu wischen, betrachtet er seine beiden treuen vierbeinigen Gefährten böse und drohend.

»Oh, ihr zwei grauen Gurken«, knirscht er, »wenn ihr mich ohne Grund hier zum Schwitzen gebracht haben solltet, dann ...«

Er vollendet die Drohung nicht. Sie ist ja auch nicht ernst gemeint, denn er liebt die beiden Langohren. Und diese wissen es längst.

Als das Loch etwa einen Yard tief ist und einen Durchmesser von gut zwei Yards hat, will er aufgeben.

Doch da stößt er mit der Schaufel auf etwas Hartes. Er brummt überrascht, lässt die Schaufel fallen, klettert aus dem Loch und holt sich die Spitzhacke.

Mit aller Kraft schlägt er die Hackenspitze in die Stelle, wo er zuvor mit der Schaufel nicht hineinkommen konnte. Er benutzt den Hackenstiel als Hebel, und mit diesem Hebelarm und seiner Muskelkraft bricht er unter dem sandigen Erdreich etwas los, holt es dann mit beiden Händen heraus.

Er kennt sich aus mit Gold und Silber.

Und so weiß er, dass er einen Silberbrocken aus einer Ader herausgebrochen hat, etwa so groß wie seine Wasserflasche. Es ist ihm in derselben Sekunde auch schon klar, dass er auf eine Silberader stieß.

»O Moses«, flüstert er heiser, »o du lieber Moses. Da werde ich wohl doch noch mal eine gewaltige Kerze spendieren müssen in irgendeiner Kirche. Mann, o Mann, dieser Brocken ist aus einer Silberader!«

Er wirft den Silberbrocken aus dem Loch und schlägt die Spitzhacke noch mehrmals in die Silberader. Und jedes Mal holt er einen ähnlich großen Brocken Silbererz heraus.

Dann aber verharrt er staunend. Denn sein Glück ist noch nicht zu Ende. Er hat noch größeres Glück als eben, und er kann es gar nicht glauben.

Er verharrt bewegungslos, starrt vor seinen Füßen auf den Boden und flüstert fortwährend: »Das gibt es nicht! Nein, das gibt es nicht! Was ist denn los? Was passiert denn hier? Ich werd verrückt, nein, ich bin es schon! Denn was ich hier sehe und erlebe, das kann nicht sein.«

Seine Füße stehen nun schon fast bis zu den Stiefelrändern im Wasser. Bald wird es ihm in die Stiefel laufen. Aber weil seine Sohlen ohnehin schon durchgelatscht sind, hat er längst nasse Füße.

Das Wasser steigt sprudelnd durch das Loch, das er in die Silberader schlug, wie aus einer unterirdischen Kanalröhre.

Die unterirdische Quelle wäre sonst wahrscheinlich viele Meilen weiter geflossen. Doch jetzt steigt sie hier zu Tage.

Sie wird nicht nur das Loch füllen, das Casey Latimer grub, nein, wahrscheinlich wird hier in der Senke über der Silberader ein kleiner See entstehen. Die Ader wird aber dennoch leicht auszubeuten sein. Denn auch unterirdische Quellen kann man bändigen und umleiten. Wahrscheinlich wird ein Creek entstehen, der in einigen Jahren das ganze Land verändert.

An all diese Dinge denkt Casey Latimer in dieser Minute, indes das Wasser ihm über die Stiefelschäfte in die Stiefel läuft.

Und immer noch glaubt er in diesen Minuten, dass dies der ganz große Glückstag für ihn ist.

Doch dann ändert sich schlagartig alles.

Denn als er aus seinem Glückstraum erwacht und misstrauisch in die Runde blickt, weil dies in diesem Lande ständig eine absolute Lebensnotwendigkeit ist, da sieht er die Apachen.

Es sind nur drei. Er kann sie unter den Bäuchen seiner beiden Esel hindurch betrachten. Einen kennt er ziemlich gut. Die Weißen nennen ihn Warlock, wahrscheinlich deshalb, weil er über seinem Stirnband seine Haare zu einer Kriegslocke eingerollt trägt, im Gegensatz zu allen anderen Apachen, die ihr Haar glatt und schulterlang herabhängen haben. Warlock aber rollt seine Haare ein, wie eine weiße Frau es mithilfe von Lockenwicklern tut.

Aber dennoch ist er trotz seiner Eitelkeit ein gefährlicher Krieger und Häuptling. Dass er nur zwei Begleiter bei sich hat, ist ganz normal. In diesem wasserarmen Lande streifen die Apachen stets nur in kleineren Gruppen umher und versorgen sich aus kümmerlichen Sickerquellen, die für eine größere Anzahl von Menschen nicht genügend Wasser geben würden.

Doch wenn die kleinen Streiftrupps eine fette Beute sichten, mit der sie allein nicht zurechtkommen, dann stoßen weitere Streiftrupps zu ihnen, herbeigerufen durch ein geheimnisvolles Nachrichtensystem.

Casey Latimer ist ein nur mittelgroßer, hagerer und eigentlich ziemlich harmlos wirkender Bursche. Er sieht wahrhaftig nach nichts aus. Und sein Alter ist einfach nicht zu schätzen. Er könnte dreißig, aber auch vierzig oder gar fünfzig Jahre alt sein. Das Leben in diesem Land hat ihn zäh und ledern gemacht.

Er seufzt leise und voller Bitterkeit.

Bisher kam er mit den Apachen einigermaßen gut aus. Bei ihm gab es nie viel zu holen. Nur manchmal schenkte er ihnen einen seiner Esel, den sie dann aufaßen, wie sie auch Pferde, Maultiere oder Hunde essen.

Jetzt aber wird er kämpfen müssen.

Denn weil er eine Silberader und dazu auch noch eine Quelle fand, müssen sie ihn töten. Wenn sie es nicht tun, werden bald tausend und noch mehr Weiße in ihr Land kommen und jeden Apachen zur Hölle jagen.

So war es immer, wenn die Apachen den Weißen irgendwo im Weg waren – und nicht nur die Apachen, sondern alle Indianer. Und so ist es immer noch zwischen der Nord- und Südgrenze.

Casey Latimer seufzt also und klettert aus dem Wasserloch. Er tritt hinter einen seiner Esel und ruft über diesen hinweg, wobei er die spanische Sprache spricht wie ein Apache: »Ayay, Amigo, wie geht's denn? Geht's noch?«

»Es geht noch, alter Gila-Fuchs«, erwidert Warlock in englischer Sprache, denn er zeigt gerne, dass er mehrere Sprachen spricht. »Ich stemme immer noch jede Frau, verstehst du? Auch drei hintereinander.«

»Das glaube ich dir«, erwidert Casey Latimer ganz ernst, denn an solch deftige Dialoge ist er von Apachen gewöhnt.

Indes er die Schrotflinte in Deckung des Esels aus dem Gepäck zu ziehen versucht, hört er Warlocks Frage: »Was tust du da in diesem Loch, Gila-Fuchs?«

»Aaah, ich fand hier etwas Wasser, Amigo«, erwidert Casey Latimer. Und er flucht in Gedanken, weil er die Schrotflinte nicht so einfach und leicht wie vorhin den Schaufelstiel hinter den Gepäckstricken hervorziehen kann. Der Esel ist nicht hoch genug, um die Bewegung seiner Arme zu verbergen. Und bevor er das doppelläufige Ding frei bekäme, würden die Apachen ihre Waffen auf ihn richten können.

Noch unterschätzen sie ihn, fühlen sich in ihrer Überzahl überlegen. Es sieht so aus, als wollten sie ein Spiel mit ihm treiben – ein Todesspiel.

Und so spannt er nur die beiden Hähne der Schrotflinte, wobei er allein die Finger seiner vom Eselsleib verborgenen Hand bewegt, nicht den Arm und schon gar nicht die Schulter.

Dabei sagt er: »He, Amigo, ich möchte dir wieder einen Esel schenken. Hat der letzte euch geschmeckt? Er war etwas mager, nicht wahr? Aber dieser hier ist ...«

Indes er so redet, zieht er den Esel herum, sodass dieser den Apachen nicht mehr die rechte Breitseite zeigt, sondern Kopf und Brust.

Doch auf diese Weise ist plötzlich noch etwas anderes auf die Apachen gerichtet, nämlich die Doppelmündung der hinter den Gepäckstricken steckenden Waffe. Und da sie gespannt ist, braucht Casey Latimer sie nur noch abzudrücken. Er schießt mit der Flinte gewissermaßen wie mithilfe einer Geschützlafette.

Das Ding kracht auch fast wie eine Kanone.

Und beide Ladungen treffen.

Nur der Esel wird böse. Er stellt sich auf die Vorderhufe, dreht sich ein wenig und trifft Casey Latimer voll mit beiden Hinterhufen gegen Magenpartie und Brust.

Casey Latimer überschlägt sich nach hinten, rollt in das Loch hinunter und weiß eine Weile nicht mehr, was um ihn herum geschieht, weil ihm die Luft wegbleibt.

Als er wieder einigermaßen klar denken kann, macht er sich sofort gewaltige Sorgen. Denn bewegen kann er sich immer noch nicht. Er krümmt sich nur vor Schmerz im Matsch und denkt immer wieder: O Vater im Himmel, warum lässt du mich erst eine Silberader und eine Quelle finden und dann von Apachen töten? Denn sie werden mich töten, wenn ich sie nicht voll getroffen habe.

Casey Latimer betet also tatsächlich und ist in diesem Moment wahrhaftig ein besonders gläubiger Christ.

Aber wer kann ihm dies verdenken?

Als er endlich aus dem Loch kriechen kann wie ein mit Schlamm bedeckter Molch, da rechnet er damit, dass oben einer der Roten auf ihn wartet, um ihm den Schädel einzuschlagen oder ihn mit einer Lanze auf den Boden zu spießen wie einen Käfer.

Aber nichts dergleichen geschieht.

Der eine Esel steht nur wenige Schritte weiter entfernt, der andere, von dem er die beiden Hufe gegen den Leib bekam, ist einen halben Steinwurf weit weg.

Und was ist mit den Apachen?

Casey Latimer sieht sie alle drei am Boden liegen. Ja, er hat sie mit beiden Ladungen voll erwischt, und das war mehr als Glück. Es muss Schicksal oder Vorsehung gewesen sein, in diesem Todesspiel.

Abermals schickt Latimer ein Gebet gen Himmel. Zuvor war es ein Bittgebet, nun ist es ein Dankgebet. Und wenn er nicht immer noch so atemlos wäre, hätte er am liebsten einen Choral angestimmt.

✰✰✰

Am nächsten Tag macht er sich auf den Weg nach Tucson, um dort die entdeckte Quelle nach Squatter-Recht auf seinen Namen eintragen zu lassen. Und zu diesem Recht gehören auch genau einhundertsechzig Acres nach dem Heimstätten-Gesetz von 1863, wenn er fünf Jahre lang auf diesem Land aushält.

Aber daran kann es keinen Zweifel geben.

Die drei Apachen begrub er ein Stück entfernt.

Im Wasserloch aber steckt Warlocks Lanze, an der seine wunderschöne Kriegslocke befestigt ist. Sie weht leicht im Wind.

Und noch etwas weht an dieser Apachen-Lanze wie ein weißer Wimpel.

Es ist ein Stück Leinen von einem einstigen Zuckersack, auf dem mit Tintenstift geschrieben steht: Nach Squatter- und Heimstätten-Recht sind diese Quelle und einhundertsechzig Acres eingetragen auf meinen Namen in Tucson. Die Quelle heißt von nun an Warlock Springs. Casey Latimer 13. 5. 1867.

Casey Latimer beeilt sich sehr, nach Tucson zu kommen.

Aber sein Glück hält an. Es kam ihm kein schneller Reiter zuvor, der nach ihm bei dieser Lanze an der Quelle eintraf und dann vor ihm Tucson erreichte.

✰✰✰

Als Casey Latimer durch Eintragung seine Ansprüche gesichert hat, bringt er seine beiden Esel in einen der Pferche beim Mietstall und trägt die Silbererz-Brocken in einem Sack zum Erzprüflabor. Er schleppt schwer daran.

Er bekommt eine sehr erfreuliche Analyse: Die Silberader besteht aus fast reinem Silber. Der Erzprüfer sagt zu Latimer: »Wenn die ganze Ader so ist, dann bringt eine Tonne Erz für mehr als zehntausend Dollar Rohsilber. Ich gebe Ihnen für diese Silberbrocken fünfhundert Dollar. Die Bank zahlt Ihnen gewiss nicht mehr.«

Casey Latimer weiß, dass er jetzt um wenigstens hundert Dollar übervorteilt wird, doch er hat nicht viel Zeit und benötigt auch einiges Betriebskapital. Auf seinem Bankkonto sind an die zweitausend Dollar. Mit dem Erlös für das Silber sind es also zweieinhalbtausend.

Und damit lässt sich etwas anfangen.

Er ist noch keine zwei Stunden in der Stadt, als ihn bereits mehr als ein Dutzend Leute beobachten. Und als er am »Vogelkäfig« vorbeikommt, tritt dessen dicke Chefin Molly Ladun heraus und flötet lockend: »Nun, Casey, schon lange in der Stadt? Möchtest du nicht zu meinen Engelchen hereinkommen? Wir alle warten schon auf dich, um dein Glück zu feiern.«

Da grinst er Molly an.

»Kommt nach Warlock«, sagt er. »Da kannst du bald eine Filiale errichten und deine Engelchen auch dort den Kerlen das Geld aus der Tasche ziehen lassen, hahaha!«

Er ist wahrhaftig in allerbester Laune. Er will weiter, doch Molly Ladun hält ihn am Ärmel fest. »He, wo liegt Warlock, Casey? Was ist Warlock? Nie gehört diesen Namen, mein guter Freund.«

Wieder grinste Casey Latimer bis an beide Ohren.

»Oh, Molly«, spricht er dann fast feierlich. »Ich wette, es wird bald eine deutliche Fährte von Tucson nach Warlock geben. Die Geier hier in der Stadt warten nur darauf, dass ich sie dort hinführe. Denn fast alle hier in Tucson haben inzwischen mitbekommen, dass ich hundert Pfund Silbererz mitbrachte, losgeschlagen von einer Ader. Sie alle können es kaum erwarten, mir zu folgen. Einige ließen sich gewiss schon als meine Nachbarn registrieren, ohne jemals dort gewesen zu sein. Doch bis jetzt kenne nur ich die Landmarken, zwischen denen die Verbindungslinien zu ziehen sind, an deren Schnittpunkten mein Zeichen steht und von dem aus hundertsechzig Acres ausgemessen wurden. Molly, es wird eine Stadt entstehen auf meinem Land. Denn nur auf meinem Land ist die Quelle, gibt es Wasser. Ich werde Baugrundstücke mit Wasserrechten verkaufen.«

Nach diesen Worten schüttelt er Mollys Hand von seinem Ärmel und geht weiter.

Molly Ladun staunt ihm einige Atemzüge lang nach. Und dabei jagen sich ihre Gedanken.

Sie weiß zu gut, was sein wird, wenn ein neuer Silberrun ausbricht und eine neue Silberstadt geboren wird.

Molly Ladun bewegt sich endlich wieder und eilt in ihr Etablissement zurück, denn sie weiß: Wenn es ihr gelingt, in der gewiss schnell aus dem Boden schießenden Silberstadt ein solches Etablissement wie hier in Tucson zu errichten, dann wird ihr das hundertfachen Gewinn einbringen.

Und weil sie Casey Latimer einigermaßen kennt und auch das Leuchten in dessen grauen Augen richtig zu deuten weiß, ist sie bereit, zehntausend Dollar zu investieren.

Und so wie Molly Ladun, so denken und handeln jetzt auch andere Geschäftsleute und Spekulanten in Tucson.

Casey Latimer tut jetzt keinen einzigen Schritt mehr unbeobachtet. Man bereitet sich überall möglichst unauffällig auf das große Rennen um das Silber vor.

In Tucson werden viele Läden leer gekauft. Es gibt bald keine Reit- und Zugtiere mehr zu erwerben, desgleichen Fahrzeuge jeder Sorte. Zelte jeder Art, Werkzeuge, Bauholz – alles ist rasch ausverkauft.

Und weil dies alles gar nicht unauffällig vonstattengehen kann – obwohl man sich darum bemüht –, steckt sich alles gegenseitig an und fiebert der Stunde entgegen, da Casey Latimer sich auf den Weg machen wird.

Dieser kleine, schmächtige Mann, den die Apachen Gila-Fuchs nennen, weil die Füchse in der Gila-Wüste der Apachen besonders schlau und überlebensfähig sein müssen, dieser äußerlich so unscheinbare Casey Latimer betritt jetzt, nachdem er Molly Ladun verließ, die Best Chance Hall und begibt sich geradewegs in den Billardraum. Seine Hoffnung wird nicht enttäuscht.

Denn der Spieler und Revolvermann Jake Kelly spielt hier wie immer um diese Tageszeit, um sich zu entspannen für eine lange Nacht am Pokertisch.

Die anderen Billardtische sind unbesetzt. Die beiden Männer sind allein. Und als sie sich ansehen, da legt Jake Kelly den Stock weg und sagt ruhig: »Ich sehe es dir an, Casey. Ich kann es wittern. Jetzt brauchst du mich. Und weil ich in deiner Schuld stehe, kannst du auf mich zählen. Also?«

Sie sehen sich eine Weile schweigend an – der kleine, drahtige Casey Latimer und der große, schlanke Spieler in seinem eleganten gestreiften Anzug, unter dem er eine Brokatweste und ein gefälteltes Hemd trägt. Auf der Weste blinkt eine dicke, goldene Uhrkette. Unter der offenen Jacke sieht man einen Revolvergurt, dessen schwere Waffe von der Jacke verdeckt wird.

»Ja, ich brauche dich, Jake«, murmelt Casey schließlich. »Aber nicht, damit du bei mir deine Schuld begleichst, weil du mir dein Leben zu verdanken hast. Nein, so ist es nicht, Jake. Wir werden eine wilde Stadt leiten. Ich werde der Bürgermeister und du wirst der Marshal sein. Eine wilde Silberstadt wird entstehen. Wenn wir sie kontrollieren und beherrschen, bringt sie mehr ein als zehn Silberminen. Denn ich weiß, dass es jede Menge Silber gibt dort draußen. Und das Wasser gehört mir. Verstehst du, Jake Kelly?«

Dieser schweigt noch eine Weile. Und wieder sehen sie einander fest an. Dabei erinnern sie sich daran, was sie einander verbindet.

Keine zwei Jahre ist es her, da Casey Latimer den Spieler und Revolvermann irgendwo zwischen Yuma und Nogales halb tot in der Wüste fand, angeschossen, ohne Pferd und fast schon verdurstet.

Casey hat nie erfahren, warum und durch wen Jake Kelly in diese Situation gebracht wurde. Doch er rettete ihm damals das Leben.

Und als sie sich trennten, da sagte ihm Jake Kelly: »Ich stehe in deiner Schuld. Denn ich verdanke dir mein Leben. Du kannst diese Schuld jederzeit kassieren, mein Freund – jederzeit!«

Das waren Kellys Worte.

Und daran denkt Kelly jetzt.

Oh, er macht sich keine Illusionen. Casey Latimer bietet ihm jetzt zwar eine Partnerschaft an, doch es ist eine höllisch gefährliche Partnerschaft. Sie wollen eine jäh und wild aus dem Staub der Wüste emporschießende Silberstadt kontrollieren und beherrschen, in der bald allen Lastern gefrönt und alle Sünden begangen und sich alle Leidenschaften austoben werden.

Dies alles wird ein hartes Spiel, ein Todesspiel – besonders für ihn, den Marshal dieser zukünftigen Stadt.

Oh, er weiß, was Casey Latimer von ihm will.

»Wir werden Partner sein, Jake«, murmelt Casey. »Wir teilen den Gewinn. Und ich sage dir, dass wir in der ersten Woche schon hunderttausend Dollar einsacken. Bist du dabei? Ohne dich kann ich es nicht schaffen. Schon dein Name wird die wilden Jungs davon abhalten, so richtig wild zu werden.«