G. F. Unger Western-Bestseller 2623 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2623 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Er kommt von Süden über die Wildcat Hills, in denen es viele verborgene Camps gibt. Aber eigentlich wirkt er nicht wie einer von der Sorte, die stets auf verborgenen Pfaden reitet und in solchen Camps lebt. Nein, er kommt frei und offen in der heißen Mittagssonne herangeritten und ist meilenweit als Reiter erkennbar, der aus den Hügeln kam.
Die Frau auf der Veranda sieht ihn schon eine ganze Weile, und in der klaren trockenen Luft kann sie die Einzelheiten an ihm gut erkennen, obwohl er noch weit entfernt ist und trotz seiner Größe auf seinem großen Pferd noch recht klein wirkt.
Laura Rondell atmet tief durch, und dieses Atemholen ist wie das Schöpfen einer neuen Hoffnung. Denn sie ist sich fast sicher, dass dort ein Mann geritten kommt, der beachtenswerter ist als viele andere. Und gerade jetzt wäre ihr solch ein Mann sehr recht.
Und ihr Instinkt sagt ihr, dass sie Hilfe bekommen und alles irgendwie weitergehen wird ...


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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Wenn der Nordwind ruft

Vorschau

Impressum

Wenn der Nordwind ruft

Er kommt von Süden über die Wildcat Hills, in denen es viele verborgene Camps gibt. Aber eigentlich wirkt er nicht wie einer von der Sorte, die stets auf verborgenen Pfaden reitet und in solchen Camps lebt. Nein, er kommt frei und offen in der heißen Mittagssonne herangeritten und ist meilenweit als Reiter erkennbar, der aus den Hügeln kam.

Die Frau auf der Veranda sieht ihn schon eine ganze Weile, und in der klaren trockenen Luft kann sie die Einzelheiten an ihm gut erkennen, obwohl er noch weit entfernt ist und trotz seiner Größe auf seinem großen Pferd noch recht klein wirkt.

Laura Rondell atmet tief durch, und dieses Atemholen ist wie das Schöpfen einer neuen Hoffnung. Denn sie ist sich fast sicher, dass dort ein Mann geritten kommt, der beachtenswerter ist als viele andere. Und gerade jetzt wäre ihr solch ein Mann sehr recht.

Und ihr Instinkt sagt ihr, dass sie Hilfe bekommen und alles irgendwie weitergehen wird ...

Sie verharrt weiter fast bewegungslos im Schatten des Verandadaches, lehnt an einem der Stützbalken und sieht dem Reiter ruhig und gelassen entgegen. Es ist, als hätte sie erwartet, ihn kommen zu sehen, und als müsste sich jetzt alles von selbst ganz in ihrem Sinne und nach ihren Wünschen ergeben. Denn das ist sie gewöhnt, wenn es sich um Männer handelt.

Laura Rondell ist schön, auf eine wilde, lockende, überaus beeindruckende Art schön.

Der Reiter kommt wenig später vor das Ranchhaus geritten, und er wirkt wahrhaftig wie ein beachtlicher Mann. Sein Pferd ist gewiss nicht unter zweihundert Dollar zu haben gewesen. Aber wahrscheinlich hat er es selbst gefangen und zugeritten.

Er greift vor ihr an die Hutkrempe, verbeugt sich leicht im Sattel. »Ma'am, Sie haben doch nichts dagegen, dass ich mein Pferd tränke?« So fragt er. Sein Blick betrachtet sie fest. Sie spürt, wie er ihre Schönheit in sich aufnimmt – und wie sehr sie ihm gefällt. In diesem Land ist schon jede auch nur durchschnittlich hübsche Frau eine ganz besondere Augenweide für einen Mann.

Aber Laura Rondell ist wirklich schön.

»Ma'am, sind Sie allein hier?« So fragt er und sieht sich um.

Die Ranch ist ziemlich groß. In dem langen Schlafhaus drüben haben gewiss mehr als ein Dutzend Reiter Platz. In den Corrals sind eine Menge Pferde.

Aber es ist kein Mensch sonst zu sehen. Dies aber braucht jetzt in der Mittagshitze nichts zu bedeuten. Hier im Südwesten macht man um diese Tageszeit meist eine Pause.

Laura Rondell gibt ihm keine Antwort auf seine Frage.

Sie sagt vielmehr: »Machen Sie es sich bequem, Mister. Sorgen Sie für Ihr Pferd und erfrischen Sie sich. In einer halben Stunde können Sie zum Essen kommen.«

Er betrachtet sie fest. Dann blickt er hinüber zum langen Bunkhouse, neben dem sich die Ranch-Küche und der Speiseraum befinden. Dies ist unschwer zu erkennen.

»Nicht dort drüben«, sagt Laura Rondell. »Hier bei mir im Haus können Sie essen, Mister ...«

Er versteht die Betonung des letzten Wortes.

»Ach«, sagt er, »was ist schon ein Name in diesem Land? Aber wenn ich mit Ihnen essen darf, muss ich mich wohl wirklich vorstellen, nicht wahr? Ich bin Cane, Joe Cane.«

Er lächelt. In seinem dunklen und hageren Indianergesicht blitzen zwei weiße Zahnreihen unter einem texanischen Sichelbart. In seinen hellgrauen Augen funkelt es.

Plötzlich gefällt er ihr sehr.

Sie kann instinktiv seine Ausstrahlung spüren, und es ist die stärkste Ausstrahlung, die sie jemals bei einem Mann spürte.

Und auch Joe Cane spürt eine Menge. Denn auch sein Instinkt ist scharf und kann Dinge wittern, die ein normaler Mann in zehn Jahren nicht erkennen würde.

Laura Rondells Nasenflügel vibrieren.

Sie wendet sich plötzlich ab und geht ins Haus.

Er bewundert ihre leichte Drehbewegung, den Schwung ihrer Röcke, die sich einen Moment eng an ihre Schenkel pressen.

Wieder sieht er sich um.

Es ist niemand zu sehen.

Er zieht sein Pferd herum, reitet zu den Corrals hinüber. Hier gibt es einen Brunnen und einen gefüllten Wassertrog. Das Wasser darin ist lauwarm von der Sonne. Er sitzt ab und holt einen Eimer kühles Wasser aus dem Brunnen.

Sein Pferd säuft das lauwarme Wasser aus dem Trog. Das Tier ist in dieser Hinsicht klüger als der Mann.

Joe Cane wäscht dann seinen nackten Oberkörper, nachdem er den Staub aus seinem Hemd schlug. Er ist prächtig proportioniert, ein hagerer Mann mit langen Muskeln, zäh wie ein Wüstenwolf und dazu befähigt, blitzschnell zu reagieren.

Unter einem Schutzdach gibt es eine Futterkrippe, in der noch genügend Mais liegt. Er bindet sein Tier dort an, nimmt ihm den Sattel ab und legt ihn über die Stange. Es liegen sonst nur noch zwei Sättel hier – und einer davon ist ein Damensattel.

Langsam geht Joe Cane zum Ranchhaus hinüber. Sein Blick wandert überall hin. Doch er sieht immer noch keinen Menschen. Diese rothaarige und grünäugige Frau ist offensichtlich ganz allein auf der Ranch.

Und dies ist nicht normal. Dies muss etwas zu bedeuten haben.

Wahrscheinlich lud sie ihn deshalb zum Mittagessen ein und ließ ihn deutlich spüren, dass sie ihn zumindest interessant und beachtlich findet.

Sie braucht Hilfe.

Dies glaubt er nun ganz klar vermuten zu können.

Er hält in seinem lässig gleitenden Schritt inne. Bei ihm klingeln keine Sporen. Er trägt keine Sporen. Er ist ein Reiter ohne Sporen.

Einen Moment verharrt er, hält den Kopf gesenkt. Er scheint tief in sich hineinzulauschen.

Dabei fragt er sich, ob es auch diesmal wieder sein Schicksal ist, dass er auf eine Frau trifft, die ihn als Beschützer und Gefährten braucht inmitten einer unheilen Welt, in der es nur Fresser und Gefressene gibt, Jäger und Gejagte.

Er wendet plötzlich das Gesicht nach Norden – und er wittert in diese Himmelsrichtung. Ja, es ist ein Wittern, so als erwarte er, von dort den Wind zu spüren, den Nordwind. Aber es weht kein Nordwind.

Irgendwo weit im Norden muss Colorado liegen.

Er war noch niemals in Colorado. Doch er hörte davon.

Langsam hebt er die Hand und wischt sich über das stoppelbärtige Gesicht. Dann blickt er auf das Haus und setzt sich wieder in Bewegung.

Denn die Frau dort drinnen gefällt ihm. Er ist noch nie einer solchen Frau aus dem Weg gegangen – selbst dann nicht, wenn er Verdruss wittern konnte.

Einige Male schon war es sehr dumm von ihm, einfach wieder fortzureiten.

Aber da war immer der Nordwind ...

Er wischt nun alle Gedanken zur Seite, indes er in die große Wohnküche tritt. Dieses Haus ist so wohnlich eingerichtet, wie es nur eine Frau fertigbringen kann.

Er sieht sich um.

Ja, hier kann sich ein Mann wohl fühlen. Dies hier ist sozusagen ein gemachtes Nest. Und der richtige Mann kann hier alles bekommen, was ein Mann sich nur wünschen kann. Alles!

Laura Rondell hantiert noch am Herd. Sie trägt eine Schürze und hat sich ein Tuch über das Haar gebunden.

»Setzen Sie sich«, sagt sie über die Schulter. »Ich bin gleich so weit.«

Er gehorcht, hängt seinen Hut neben die Tür an den Haken, behält jedoch der Revolvergürtel mit dem schweren Colt um seine schlanken Hüften.

Er setzt sich so, dass er die Tür und die Fenster im Auge behalten kann.

Und dann wartet er.

Wenig später sitzen sie sich gegenüber. Nun kann er ihr kupferrotes Haar wieder bewundern – und noch eine ganze Menge mehr.

Er aber isst das beste Steak seit langer Zeit, den besten Salat und die besten Bratkartoffeln. Es ist kein besonderes Essen – aber es schmeckt ihm wie lange nicht.

Sie sprechen eine Weile nichts, essen nur, betrachten sich und spüren dabei, was sie gegenseitig ausströmen. Es ist dennoch, als unterhielten sie sich mit tausend Worten und würden sich schon eine lange Zeit kennen.

Erst als sie beim Kaffee sind, sagt sie: »Ich bin Laura Rondell. Ja, das ist meine Ranch. Der Mann, mit dem ich damals herkam und dem ich half, die erste Hütte zu bauen, ist tot. Seitdem gab es andere Männer. Und die Ranch wurde immer ein Stück größer und wertvoller. Ich blieb den Männern nie etwas schuldig. Ich bezahlte. Sie bekamen, was sie sich wünschten.«

Sie endet mit einem Klang in der Stimme, der irgendwie herausfordernd und stolz klingt. Es ist so, als hätte sie gesagt: Zum Teufel mit jedem Narren, der schlecht denkt über mich! Denn ich bin eine Frau und muss in diesem verdammten Land zurechtkommen.

Joe Clane nickt.

»Aber jetzt sind Sie wieder allein, Laura?« So fragt er ruhig.

Sie sieht ihn fest an.

»Sehr allein«, erwidert sie. »Und hilflos.«

»Sie brauchen Hilfe?«

»Ja, Joe Cane. Ich brauche Hilfe. Der Mann, der hier mit mir an diesem Tisch saß wie Sie, Joe – und der mit mir in diesem Zimmer dort schlief –, der Mann also, dem ich vertraute und dem ich gab, was ich geben konnte, der will nicht einfach nur weg wie seine Vorgänger. Nein, dieser Mann will meine Rinder mitnehmen. Und er wird sich auch noch die Pferde aus den Corrals holen, sobald er die Herde in Bewegung gebracht hat. Er machte mir zuerst den Vorschlag, alles hier aufzugeben und mit ihm zu gehen. Als ich nicht wollte, sagte er, dass er dann eben allein von hier weggehen würde. Und da mir die Rinder- und Pferdediebe ohnehin alles stehlen würden, wäre ich erst einmal ohne seinen Schutz. Deshalb sei es sinnvoller, wenn er alles mitnehmen würde, was Beine hätte und laufen könnte. Wenn ich wollte, könnte ich ja mit ihm gehen. Dann würde ich auch etwas abbekommen von dem Erlös. Denn dann würde er es mit mir gemeinsam auf den Kopf hauen.«

Als sie nach diesen Worten endet, verklingt ihre Stimme völlig beherrscht und leidenschaftslos.

Aber sie sieht Joe Cane dabei an. Und in ihrem Blick erkennt er das Versprechen.

Er beugt sich etwas vor.

»Erkläre mir eines, Laura«, murmelt er. »Erkläre mir einleuchtend, warum eine Frau wie du auf einer einsamen Ranch in den Hügeln lebt, warum eine solche Frau nicht dorthin will, wo es Menschen gibt, viele Menschen? Was hält dich hier auf dieser Ranch, die du nur halten kannst, wenn Männer für dich kämpfen – Männer, die du bezahlen musst, indem du sie zu deinen Gefährten machst. Erkläre es mir! Denn sonst kommen wir nicht weiter. Ich muss das erst begreifen, verstehst du?«

Sie nickt langsam.

»Aber vielleicht kann das niemand begreifen«, murmelt sie. »Als ich mit meinem Mann herkam, bauten wir uns eine Erdhütte mit einem Dach aus Grasplacken. Und als mein Mann einmal drei Tage fort war, um eine Wagenladung voll notwendiger Dinge zu holen, da kämpfte ich in dieser Erdhütte gegen ein Rudel Apachen, die mich haben wollten. Ich könnte dir eine lange Geschichte erzählen, Joe Cane. Viele Geschichten. Doch wozu, wenn du nicht schon nach dieser einen Geschichte begreifen kannst, warum ich hier nicht mehr wegwill? Ich habe hier schon zu viel bezahlt, sehr viel mehr schon, als dies alles wert ist. Deshalb kann ich nicht aufgeben. Ich muss durchhalten. Und ich bin bereit, immer wieder einen fairen Preis zu zahlen. Besser kann ich es nicht erklären.«

Sie verstummt nach diesen Worten, hebt jedoch ihr Kinn und sieht ihn gerade an.

Er schweigt ebenfalls. Und wieder ist es, als hielten sie stumme Zwiesprache mit tausend Worten.

Erst nach einer Weile sagt sie herb: »Als ich dich kommen sah, da hoffte ich, dass mir das Schicksal wieder einen Mann schickte, mit dem ich es versuchen könnte. Ja, das hoffte ich. Denn ich hatte schon einige Male diese Illusion. Nun, muss ich erst mit dir ins Bett gehen, Joe Cane? Oder willst du mir erst zeigen, was du als Beschützer wert bist?«

Er schüttelt leicht den Kopf, und er ist erschüttert über ihre Härte und Bitterkeit. Er begreift, dass sie einen einsamen Kampf ums Überleben kämpft und dabei ihren Stolz behalten will.

»Erzähl mir etwas von diesem Mann, der dir die Rinder und die Pferde stehlen will«, sagt er. »Ist er ein Mann, vor dem sich die ganze Mannschaft fürchtet? Und was ist das für eine Mannschaft, die dich ohne Hilfe lässt?«

✰✰✰

Es ist schon fast Abend und die Sonne wirft im Westen das letzte Feuerlicht gen Himmel, als er das Herdencamp sichtet. Der Platz ist gut gewählt zwischen den Hügeln in einer Senke, die für die Herde zu einem natürlichen Corral wurde.

Das Feuer brennt neben einem Wagen, der als Küchenwagen dient. In einem großen Seilcorral bewegt sich die Pferderemuda. Die Herde ist etwa zweitausend Köpfe stark.

Wahrscheinlich besteht die Mannschaft aus sechs bis acht Mann. Er sieht im letzten Schein des sterbenden Tages, dass es sich zumeist um Männer mexikanischer Abstammung handelt, also um Vaqueros und nicht um Cowboys.

Und das beantwortet schon die Frage, warum Laura Rondell von ihrer Mannschaft keinen Schutz bekam.

Als Joe Clane ins Camp reitet, sieht er den Mann, den Laura ihm beschrieb.

Er ist ein großer Mann, ein weißblonder Texaner. Und obwohl dieser Mann hellhaarig und Cane dunkelhaarig ist, gehören sie beide zur gleichen Sorte.

Sie sind Revolvermänner.

Beim Feuer hantiert ein schwarzhäutiger Koch. Und ein Stück weiter weg hocken ein paar der Reiter um eine Decke, auf der ein paar Geldmünzen und Würfel liegen.

Aber die Männer haben ihr Würfelspiel vergessen. Sie betrachten den heranreitenden Fremden.

Und ihr blonder Boss, der am hinteren Wagenrad lehnt, tritt zwei Schritte vor und senkt die Hand zum Colt, berührt ihn leicht, so als wollte er sich vergewissern, ihn griffbereit zu haben. Es ist, als hätten zwei Tiger im selben Revier voneinander Witterung bekommen.

Joe Cane hält an und sitzt ab.

Die Stimme des blonden Mannes sagt lässig im schleppenden Texaner-Slang: »Wer hat dich zum Absitzen eingeladen, Freund?«

Joe Cane tritt einige Schritte vor.

Er betrachtet den Mann, und er glaubt, dass er ihn schlagen kann. Sein Instinkt sagt es ihm.

»Nimm dein Pferd und hau ab«, sagt er zu dem Weißblonden. »Du heißt Haggerty, nicht wahr? Also, du hast Pech gehabt, weil ich gekommen bin. Hau ab!«

Mehr sagt er nicht. Es ist ja auch so einfach. Es gibt gar nichts mehr zu sagen.

Haggerty schüttelt eigenwillig den Kopf, so als könnte er etwas nicht begreifen. Aber er macht sich dann gar nicht die Mühe, etwas zu erwidern.

Haggerty zieht plötzlich ohne jede Vorwarnung.

Wahrscheinlich spürt er genau, dass er einen kleinen Vorteil nötig hat. Und so nützt er den Sekundenbruchteil der Überraschung. Ja, er ist ein schneller Revolvermann, ein sehr schneller sogar.

Aber er ist trotz des kleinen Überraschungsvorteils nicht schneller als Joe Cane. Er kann diesen nicht schlagen. Ihre Colts krachen fast gleichzeitig, doch wahrscheinlich schießt Cane einen winzigen Sekundenbruchteil früher.

Haggertys Kugel fetzt durch Canes über dem Gürtel etwas aufgebauschtes Hemd, etwa in der Höhe des Ellbogens. Gewiss sollte sie Canes Herz treffen, aber Haggerty kam etwas zu weit nach rechts ab.

Cane schießt links. Die Linke ist seine schnellere Hand.

Haggerty fällt auf die Knie, hockt dann auf seinen Absätzen. Er lässt den Revolver fallen und presst beide Hände gegen die Wunde.

Er starrt zu Cane empor, der sich ihm langsam nähert.

»Was kann ich für dich tun, Haggerty?« So fragt er ernst.

»Nichts mehr«, keucht Haggerty. »Es gibt immer einen Anfang und ein Ende. Auch dich schießt eines Tages einer von den Beinen – auch dich, Bruderherz.«

Er senkt müde den Kopf. Aber er kniet immer noch, hockt mit dem Gesäß auf seinen Absätzen und stöhnt.

Ja, er kämpft verzweifelt gegen das Sterben an.

Dann hebt er noch einmal den Kopf. Er findet für einen Moment die Kraft, seinen Gegner nochmals anzusehen.

»Pass auf«, murmelt er, »diese Laura liebt immer noch ihren ersten ...«

Weiter spricht er nicht.

Denn nun besiegt ihn der Tod.

Er fällt zur Seite.

Joe Cane sieht sich um. Er hält den Colt noch in der Faust. Jede kleinste Bewegung hätte er bemerkt, selbst am äußersten Rande seines Blickwinkels.

Die Männer warten. Und sie wissen, dass dieser neue Mann von ihrer Rancherin kommt, von ihrer Patrona – wie die Vaqueros ja ihre Arbeitgeberin nennen.

Er steckt den Colt weg.

»Begrabt ihn«, sagt er laut über das Camp. »Und morgen treibt ihr die Rinder wieder auseinander und verteilt sie auf der Weide, so wie es vorher war. Es ist alles wieder so, wie es vorher war. Ich werde überall nachsehen kommen. Und nun kommt her zu mir. Nennt mir eure Namen und lasst euch ansehen.«

✰✰✰

Er reitet langsam durch die Nacht. Die Worte des sterbenden Haggerty sind in seinem Sinn. Er weiß, dass er sie nie vergessen wird. Und wenn ihm dieser Haggerty mit all den anderen Toten in seinen Träumen erscheinen wird, dann wird er ihn stets diese Worte sprechen hören.

Er reitet auf das Haus zu und kann dann im Schatten der Veranda außerhalb des Lichtscheines die schlanke Gestalt von Laura erkennen.

Sie steht dort an einem Stützbalken und wartet.

Als er anhält und absitzt, bewegt sie sich.

Sie kommt die beiden Stufen herunter, läuft auf ihn zu – fast wie ein Kind, welches zu lange allein war, sich fürchtete und nun in eine sichere Obhut möchte. Er nimmt sie in seine Arme. Es geschieht ganz natürlich. Sie sind zwei Einsame in der Nacht. Er drückt sein Gesicht auf ihr Haar nieder, wittert ihren Duft. Es ist der ganz persönliche Duft einer Frau.

Als sie sich etwas zurücklehnt, ohne ihn loszulassen, und zu ihm aufblickt, da spricht er ruhig auf sie nieder.

»Er zog zuerst. Er hatte eine gute Chance. Ja, er ist tot. Es ist alles wieder in Ordnung. Die Reiter verteilen morgen die Herde wieder auf den Weideplätzen. Laura, soll ich bei dir bleiben?«

Sie führt ihn schweigend auf die Veranda. Dann verhält sie. »Ich brauche dich«, sagt sie. »Ich brauche dich so sehr, Joe Cane.«

Eng umschlungen gehen sie ins Haus.

✰✰✰

Wochen vergehen, und es ist, als würden sie sich schon lange Jahre kennen und hätten diese wie ein Ehepaar miteinander verbracht.