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Es bietet sich ein buntes und zum Teil auch heidnisches Bild am Ufer des Big Sandy River. Auf der Uferwiese ist ein Generalszelt aufgebaut, dessen Vorderteil hochgeklappt ist und so ein Schatten spendendes Dach wurde.
Unter dem Dach sitzt General John Stanley an einem Klapptisch. Neben ihm zur Linken hockt der Scout Ed Weaver auf einem Klappstuhl, und zur Rechten sitzt Captain Phil Clayton auf einer gleichen Sitzgelegenheit.
Und vor ihnen hat sich der Arapahoe Black Cloud auf einer roten Decke niedergelassen, nachdem er den angebotenen Klappstuhl mit den Worten ablehnte: »Die Erde ist die Mutter der Arapahoes. Es ist besser, sie ständig zu spüren und durch nichts von ihr getrennt zu sein. Ihr Weißen verliert mehr und mehr die Verbindung mit eurer Mutter, die euch am Leben hält.«
Nach diesen Worten setzte er sich. Und sein Englisch war kaum schlechter als das der Weißen.
Neben Black Cloud nahmen zwei erstrangige Krieger Platz. Und dann begannen die Friedensverhandlungen ...
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Hüter der Ehre
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Impressum
Hüter der Ehre
Es bietet sich ein buntes und zum Teil auch heidnisches Bild am Ufer des Big Sandy River. Auf der Uferwiese ist ein Generalszelt aufgebaut, dessen Vorderteil hochgeklappt ist und so ein Schatten spendendes Dach wurde.
Unter dem Dach sitzt General John Stanley an einem Klapptisch. Neben ihm zur Linken hockt der Scout Ed Weaver auf einem Klappstuhl, und zur Rechten sitzt Captain Phil Clayton auf einer gleichen Sitzgelegenheit.
Und vor ihnen hat sich der Arapahoe Black Cloud auf einer roten Decke niedergelassen, nachdem er den angebotenen Klappstuhl mit den Worten ablehnte: »Die Erde ist die Mutter der Arapahoes. Es ist besser, sie ständig zu spüren und durch nichts von ihr getrennt zu sein. Ihr Weißen verliert mehr und mehr die Verbindung mit eurer Mutter, die euch am Leben hält.«
Nach diesen Worten setzte er sich. Und sein Englisch war kaum schlechter als das der Weißen.
Neben Black Cloud nahmen zwei erstrangige Krieger Platz. Und dann begannen die Friedensverhandlungen ...
In einiger Entfernung halten etwa hundert Arapahoe-Krieger auf ihren Mustangs. Da flattern Mähnen, bunte Decken, allerlei Zierrat, wippen Federn.
Die Mustangs stampfen, tänzeln, schnauben, wirken so, als wollten sie im nächsten Moment aus dem Stand in einen Angriffsgalopp springen.
Ja, es ist ein heidnisches Bild. Und es weht ein Atem von Gefahr, von Drohung und bevorstehender Gewalttat.
Doch der General unter dem Schattendach und die beiden so unterschiedlichen Männer rechts und links von ihm auf den Klappstühlen sind nicht allein.
Hinter dem Zelt in breiter Front halten hundert Kavalleristen aus dem Fort, welches auf der anderen Seite der Big-Sandy-River-Furt steht.
Nun, die Friedensverhandlung dauert mehr als drei Stunden.
Dann ist endlich alles klar und vereinbart.
Die Arapahoes werden sich in Zukunft friedlich verhalten, solange kein Wagentreck der Weißen ihr Land durchquert, sich keine weißen Siedler darin niederlassen und breitmachen wie Eroberer.
Aber zuletzt stellt Black Cloud noch eine Bedingung und spricht fast feierlich: »General, dieser Vertrag kann nur Bestand haben auf der Basis der Ehre. Und wie heilig ist euch Weißen die Ehre? Dies frage ich Sie, General.«
Er verstummt hart und fordernd. Und seine Worte in englischer Sprache verraten jetzt sehr deutlich in ihrer Aussprache, dass er auf eine Missionsschule ging. Er spricht gebildeter als so mancher Weißer in diesem Land.
Der General aber bekommt nach dieser Frage einen roten Kopf und einen dicken Hals.
Dann knurrt er böse: »Unsere Ehre ist uns nicht weniger heilig als euch Arapahoes. Denn was ist ein Leben ohne Ehre?«
Die letzte Frage bellt er zornig hinaus. Er fühlt sich als alter Soldat tatsächlich gekränkt, obwohl er genau weiß, dass seine Regierung immer wieder Verträge mit den Indianern brach und in dieser Hinsicht schon längst keine Ehre mehr besitzt.
Black Cloud hebt beide Hände, zeigt ihm die Handflächen.
»Gut, was ist ein Leben ohne Ehre«, spricht er. »Ich will diese Frage beantworten. Ein Leben ohne Ehre ist nicht mehr als ein Haufen Dreck. Und wenn wir beide – Sie, General, und ich, ein Arapahoe – dieser Meinung sind, dann sollten wir jeder einen Hüter der Ehre einsetzen, welcher darüber wacht mit seinem Eid, dass diese Ehre nicht verletzt werden kann. Ich stelle mich als Hüter der Ehre für uns Arapahoes zur Verfügung. Und wie ist es mit Ihnen, General?«
Als Black Cloud verstummt, muss der General wieder schlucken und nach Luft schnappen wie schon zuvor. Denn er erkennt und begreift nun die Herausforderung.
Er fühlt sich in die Ecke gedrängt, denn wahrscheinlich weiß er jetzt schon, dass seine Regierung diesen Friedensvertrag früher oder später brechen wird. Denn bisher wurde noch jeder Vertrag mit den Indianerstämmen gebrochen. Das war so, seit die ersten Weißen an der Ostküste landeten.
Er möchte aufspringen und die ganze Sache beenden, durch die Furt hinüber zum Fort reiten. Doch der Arapahoe strömt nun etwas aus. Vorerst ist es noch ein Fordern, aber es könnte sich schnell in einen Strom von Verachtung wandeln.
Und so deutet der General zur Seite auf Captain Phil Clayton und spricht mit einem feierlichen Klang in der sonst so hart klingenden Truppenführerstimme: »Ich bestimme Captain Clayton zum Hüter unserer Ehre. Er wird dein Gegenpart sein, Häuptling. Ihr beide werdet über die Ehre unserer Völker wachen. Gut so?«
»Dann wollen wir das feierlich beschwören – dieser Captain und ich. Wir wollen die Worte eines Schwurs aussprechen und uns die Hände reichen.«
Nach diesen Worten erhebt sich Black Cloud mit einer leichten Bewegung. Es ist, als würde sich ein Berglöwe erheben, der bislang auf einem Felsen in der Sonne ruhte.
Black Cloud tritt vor und wartet auf den Captain.
»Na los, Clayton«, knurrt der General. »Das ist Ihr Job. Vorwärts, geben Sie ihm für uns das Wort, schwören Sie ihm, dass Sie Hüter unserer Ehre sein wollen.«
Captain Phil Clayton zögert. Ja, er fühlt sich in der Klemme. Aber er ist ein Offizier, der bisher jeden Befehl befolgte.
Denn das gehört zu jeder Armee. Befehle werden gegeben und ausgeführt. Sonst könnte keine Armee der Erde bestehen.
Langsam und deutlich seinen Widerwillen erkennen lassend, erhebt er sich und tritt vor den Arapahoe hin. Dabei sehen sie sich in die Augen. Sie sind zwei gleich große Männer, gut proportioniert, fast gleichen Alters. Ja, sie sind äußerlich zwei prächtige Exemplare ihrer Gattung, nur ist der eine rot und der andere weiß.
Doch man könnte diesen Captain fast für einen Halbblut-Comanchen halten, denn er ist dunkel, stets braun gebrannt mit schwarzbraunen Haaren. Nur seine Augen sind rauchgrau, die des Arapahoes grün.
Eine Weile betrachten sie sich.
Dann spricht Black Cloud: »Schwören wir also bei unserer Ehre, Hüter der Ehre unserer Völker zu sein. Schwören wir! Oder wollen Sie nicht, Pferdesoldat?«
In den grauen Augen des Captains leuchtet nun Zorn. Black Clouds Worte sind eine brutale Herausforderung. Und fast scheint es so zu sein, als warte der Arapahoe auf die Weigerung des Soldaten.
Doch da knurrt der General von seinem Armstuhl her: »Machen Sie schon, Captain, los, machen Sie, damit wir endlich hier fertig werden!«
Und da hebt Captain Phil Clayton seine Rechte zum Schwur.
Auch der Häuptling tut es.
Wenig später löst sich alles auf.
Die indianischen Reiter verschwinden in den Hügeln des Flusses.
Und der General reitet an der Spitze seiner Soldaten durch die Furt im Fort zurück, neben sich den Captain und hinter sich den Regimentswimpel und die Flagge der stolzen Union.
Der Captain schweigt. Und nachdem ihm der General mitten in der Furt zum dritten Mal einen Seitenblick gönnte, spricht der General lässig: »Phil, mein Junge, mit der Ehre und den Schwüren ist das so eine Sache. Was allein für Sie zählt, ist die Tatsache, dass Sie Soldat sind und Befehle befolgen müssen.«
Aber da schüttelt Captain Phil Clayton den Kopf und erwidert fast trotzig: »General, ich habe einen Schwur geleistet und dabei diesem Häuptling in die Augen gesehen.«
✰✰✰
Als die Abteilung ins Fort einrückt, lässt Captain Phil Clayton die Reiter absitzen, und die Zugführer nehmen mit ihren Kavalleristen wieder den normalen Dienstbetrieb auf. Auf der anderen Seite des Flusses aber baut man noch das Generalszelt ab. Man wird es mit einem Wagen herüberholen mitsamt dem Klapptisch und den Stühlen. Im Fort sind auch einige Zivilisten, die zu einem Wagenzug gehören.
Der General ist in seiner Kommandantur verschwunden. Als vorher eine Gruppe von Zivilisten ihm den Weg versperren wollte, um mit ihm reden und vielleicht auch Auskünfte erhalten zu können, winkte er sie unwirsch zur Seite und sprach barsch: »Wenden Sie sich an den Captain.«
Nun versperren die Zivilisten dem Captain den Weg. Einer – er ist der Boss des draußen zu einer Wagenburg aufgefahrenen Wagenzuges – fragt ziemlich ärgerlich: »Wenn der General schon nicht mit uns spricht, vielleicht lassen Sie sich dazu herab, Captain. Verdammt, die Armee ist doch wohl in diesem Land, um uns Zivilisten zu schützen – oder? Also, was ist mit den verdammten Rothäuten?«
Captain Phil Clayton hält inne und wippt im Staub des Paradeplatzes mit den Stiefelsohlen. Er betrachtet den bulligen Wagenzugführer, dann die anderen Leute. Auch Frauen sind dabei. Sie gehören zu einem Treck von Siedlern und Landsuchern.
Und besonders eine Frau fällt ihm auf. Sie erwidert seinen Blick mit ihren leuchtend blauen Augen. Noch niemals in seinem Leben sah er in solche fast tiefblaue Augen. Und überhaupt gefällt ihm die Frau. Schon am Tag zuvor, als sie mit einem leichten Wagen, in dem ihr toter Mann lag, ins Fort kam, gefiel sie ihm auf den ersten Blick.
Jetzt steht sie inmitten der Zivilisten-Gruppe.
Und auch sie wartet auf seine Antwort.
Er zuckt mit den Schultern und spricht endlich: »Ihr alle müsst zurück nach Kansas. Dieses Gebiet ist für Weiße gesperrt. Hier dürfen keine Wagenzüge fahren, auch keine Siedler zu siedeln versuchen. Laut Friedensvertrag ist das Land zwischen dem Arkansas River und dem Big Sandy den Arapahoes garantiert. Es ist ihr Land, und sie dulden keine Weißen. Die Armee ist von jetzt an verpflichtet, jeden Weißen von diesem Gebiet fernzuhalten. Und wer schon hier eingedrungen ist, den muss die Armee nun ausweisen. Ihr müsst zurück nach Kansas und von dort aus um dieses Gebiet einen mächtig großen Bogen machen, wohin ihr auch wollt.«
Er hat nun alles gesagt und setzt sich wieder in Bewegung. Und nochmals sieht er in die blauen Augen der schönen Frau.
Aber auch für sie kann er nichts tun.
Er betritt wenig später sein Quartier. Es ist ein zweiräumiges Offiziershaus, aber der Name täuscht. Denn es ist eine recht jämmerliche Behausung.
Und weil das Leben in diesem Land bei der Armee so erbärmlich ist für Frauen, auch für die Frauen von Offizieren, ist er noch unverheiratet.
Er denkt wieder einmal an jene Louise Hackett, mit der er einmal verlobt war. Aber als er damals an die Grenze ins Indianerland kommandiert wurde und ihr klar war, dass sie Jahre in einem primitiven Fort leben würden, da löste sie die Verlobung. Plötzlich war in ihr keine Liebe mehr vorhanden.
Nun traut er keiner Frau mehr.
Deshalb ist ihm nicht wohl bei dem Gedanken an die Frau mit den leuchtenden Augen. Aber auch aus anderen Gründen verspürt er ein ungutes Gefühl und glaubt sich in einer Falle.
Und so murmelt er bitter, indes er vor den Spiegel tritt und sich kritisch betrachtet: »Hüter der Ehre – so drückte sich dieser Black Cloud aus. Hüter der Ehre. Und der verdammte General gab mir den Befehl zum Schwur. Dabei weiß ich jetzt schon, dass wir Weißen diesen Friedensvertrag brechen werden. Und was dann? Was ist dann mit unserer Ehre – und mit meiner? Dieser Ein-Stern-General hat mir ein Amt aufgezwungen, bei dem ich die eigene Ehre verlieren werde.«
Ihm ist nach einem Drink, und so holt er die noch halb volle Flasche aus dem Schrank und nimmt einen langen Schluck daraus.
»Alles Lug und Trug«, murmelt er und nimmt noch einen Schluck. »Wir Weißen belügen die Roten seit jenem Tag, da wir in die neue Welt kamen.«
Als er verstummt, da klopft es an die Tür.
Er glaubt, dass es sein Bursche ist, jener Soldat, dem die Arapahoes einen Büffelpfeil in den Hintern schossen und der wegen dieser Wunde – obwohl sie inzwischen vernarbt ist – nicht länger als eine halbe Stunde im Sattel sitzen kann. Und manchmal trinkt dieser Soldat – sein Name ist Sully – auch aus der Flasche des Captains und füllt das Fehlende mit Wasser nach. Und so wird der Brandy in der Flasche immer dünner.
Nun, Captain Phil Clayton glaubt also, dass sein Bursche klopft. Denn es ist der Tag, an dem es frisches Bettzeug gibt.
Und so ruft er über die Schulter: »Komm herein, Sully!«
Aber nicht der Soldat Sully mit frischem Bettzeug erscheint.
Clayton hört eine Frauenstimme fragen: »Darf ich eintreten, Captain?«
Er wendet sich überrascht um und sieht die schöne Witwe, in deren dunkelblauen Augen er vorhin noch sah und deren Ausstrahlung er spürte wie eine Berührung.
»Ja, wenn Sie die Tür offen lassen«, erwidert er auf ihre Frage.
Sie lächelt ernst, tritt ein und spricht: »O ja, ich weiß, es wäre sonst unschicklich, nicht wahr?« Es ist ein Klang von Spott in ihrer Stimme.
»Was kann ich für Sie tun?« So fragt er.
»Mein Name ist Warwick, Clementine Warwick«, erwidert sie. »Ich brauche einen Job. Und man verwies mich an Sie, weil Sie für die Vergabe von Jobs an Zivilisten in diesem Fort zuständig sind.«
»Ja, weil der Zahlmeister vor einer Woche gestorben ist und noch kein Nachfolger her kommandiert wurde«, murmelt er und fragt dann staunend: »Und Sie suchen einen Job hier im Fort? Wie das denn?«
»Ich kam mit meinem toten Mann her«, murmelt sie. »Gestern wurde er beerdigt. Vielleicht hörten Sie, dass wir überfallen und ausgeraubt wurden auf dem Weg ins Goldland von Colorado.«
Er nickt. »Ja, ich hörte davon. Ihr Mann war ein Spieler, der den Goldsuchern in den wilden Camps rings um Pikes Peak das Geld oder das Gold abnehmen wollte. Und er wurde von einigen harten Burschen eingeholt, die er in Kansas ausgenommen hatte. War es so?«
Sie nickt langsam.
»Ja, so war es«, murmelt sie. »Die Geschichte machte schnell die Runde im Fort. Aber vielleicht stimmt sie nicht ganz. Doch das alles ist für mich Schnee von gestern. Für mich geht es nur noch ums Überleben. Ich brauche Reisegeld, um eines Tages von hier weiterzukönnen. Deshalb kann ich auch den kleinen Wagen und die beiden Pferde nicht verkaufen. Haben Sie also hier im Fort einen Job für mich, Captain?«
Er blickt in ihre tiefblauen Augen und erkennt darin das Funkeln eines harten Stolzes. Nun glaubt er, dass sie nicht einfach nur eine treue und brave Ehefrau war. Nein, er hält sie für eine Glücksjägerin und Abenteurerin.
»Waren Sie richtig mit ihm verheiratet?« So fragt er fast brutal. »Oder waren Sie und er nur ...«
»Wir waren ein Paar«, unterbricht sie ihn. »Und er war ein Mann nach meinem Herzen, ein Gentleman, ein echter Gefährte und Beschützer. Das kann man nicht von allen Ehemännern sagen, nicht wahr?«
Sie fragt es zuletzt mit einem nachsichtigen Lächeln auf den Lippen. Und weil Phil Clayton sie ansieht und durch die offene Tür auch genügend Helligkeit in den Raum fällt, kann er die Sommersprossen auf ihrer Nase erkennen. Er sieht aber auch einige Linien um ihre Mundwinkel, die ihm sagen, dass sie wahrscheinlich schon herbe und bittere Zeiten hinter sich hat.
»Wir haben hier eine Wäscherei und Nähstube«, erwidert er. »Sie wird von der Frau unseres ranghöchsten Sergeants geleitet. Aber der beendet in einigen Tagen seine Dienstzeit. Ich werde Sie seiner Frau zuteilen, damit diese Sie anlernen kann. Wenn Sie gut genug sind, können Sie in einigen Tagen diesen Job haben. Einverstanden?«
Sie nickt, aber in ihren Augen ist ein wachsames Forschen. Und dann fragt sie: »Und was erwarten Sie sonst noch von mir?«
»Nichts«, erwidert er trocken, »gar nichts. Ich erwarte von keiner Frau auf dieser Erde etwas – nicht mehr jedenfalls. Gehen wir also hinüber zu den Wirtschaftsbaracken des Forts.«
✰✰✰
Es ist im Morgengrauen des nächsten Tages, als Captain Phil Clayton seine Schwadron in die Sättel bringt und sich auf die Verfolgung des Wagenzuges macht, dem sich auch fast alle anderen Zivilisten angeschlossen haben.
Denn kurz nach Mitternacht brach der Wagenzug auf.
Clayton wartet nicht auf den Befehl des Kommandanten.
Er lässt ihn schlafen und handelt eigentlich eigenmächtig.
Mit dem Scout Ed Weaver und der Schwadron galoppiert er etwa sieben Meilen nach Norden in Richtung Pikes Peak und hat dann den Wagenzug und die Kolonne der Zivilisten eingeholt.
Denn der Wagenzug hat angehalten. Auch die anderen Reiter und Wagen, die mit dem Wagenzug aufbrachen und sich aus dem Bereich des Forts zu stehlen versuchten in der Hoffnung, man würde sie ziehen lassen, verharren auf dem Wagenweg ins Goldland, der eigentlich nur aus Radfurchen und Hufspuren besteht. Sie alle mussten anhalten.
Denn Black Cloud und hundert Arapahoes versperren ihnen den Weg in breiter Front.
Wahrscheinlich kommt Captain Clayton gerade noch im letzten Moment, bevor die Gewalttat ausbricht.
Als er seine Schwadron halten lässt und nach vorn zum Wagenzugführer reitet, bei dem noch einige andere hartgesotten wirkende Reiter sind, da empfängt ihn der Wagenboss mit den Worten: »Gut, dass Sie kommen, Captain! Jagen Sie diese Hundefresser zum Teufel! Ich habe Fracht für die Minen und all die Goldsucher in den Rockies von Colorado. Ich muss das Zeug hinbringen. Machen Sie mir den Weg frei, Captain, verdammt! Oder wir selbst schießen ihn uns dann frei. Denn wir sind alle zusammen mehr als fünf Dutzend gut bewaffnete Männer. Wir können es mit diesen Hundefressern aufnehmen.«
Der Wagenboss verstummt böse.
Einer der hartgesotten wirkenden Reiter ruft aus ihrer Gruppe herüber: »Captain, wir lassen uns nicht aufhalten – nicht von diesen roten Banditen! Der Weg ins Goldland muss frei bleiben, ganz gleich, was die Armee mit diesen Wegelagerern ausgehandelt hat. Wenn Sie ein Blutbad verhindern wollen, Captain, dann müssen Sie etwas tun!«
Als der Mann verstummt, rufen vielen Stimmen beifällige Worte.
Und Captain Phil Clayton fühlt sich jetzt verraten und verkauft. Dabei ist es ihm gewiss kein Trost, dass die Situation hier nur eine Wiederholung unzähliger ähnlicher Vorfälle ist.
Er spricht klirrend: »Ich werde mit dem Häuptling reden. Ihr hier unternehmt gar nichts. Ihr wartet hier.«
Er nickt seinem Scout Ed Weaver zu.
Sie reiten beide an.
Bis zu der breiten Front der Arapahoes sind es nur etwa hundert Yards.
Dann hält der Captain mit dem Scout neben sich vor Black Cloud an. Und abermals, so wie am Vortag schon, blicken sie sich fest in die Augen.
»Können wir verhandeln, Häuptling?«, fragt er ernst.
Aber Black Cloud schüttelt den prächtigen Indianerkopf, der dem Kopf auf der Fünf-Dollar-Münze der USA so ähnlich ist, als hätte er dem Graphiker Modell dazu gestanden.
»Nein, Captain«, erwidert Black Cloud. »Wir haben einen Vertrag. Und bei unserer Ehre müssen wir diesen Vertrag einhalten. Wir beide wurden zum Hüter der Ehre unserer Völker. Denn auch wir Arapahoes sind ein Volk, ein nicht so großes und mächtiges wie ihr Weißen, aber doch eben ein Volk, welches schon ewig hier lebt. Die Eindringlinge seid ihr. Also, Captain, hüten Sie die Ehre Ihres Volkes. Es gibt nichts zu verhandeln. Es ist alles klar und festgelegt.«
Er verstummt hart. Und die ganze Zeit sahen sie sich in die Augen.