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Als Joe Finnegan die Abteilung halten lässt und der klirrende Trab nicht mehr zu hören ist, dringt das Stöhnen und Jammern der Verwundeten, die alle auf ihren Pferden festgebunden sind, umso lauter an seine Ohren.
Einer der Verwundeten sagt gepresst und heiser vor Schmerzen: »Zur Hölle mit dir, Sergeant! Warum quälst du uns erst wie ein Folterknecht! Warum bringst du uns nicht gleich um, du Hundesohn! Wir würden es dir nicht übel nehmen, das kannst du uns glauben, denn es wäre eine verdammte Erlösung für uns!«
Alle haben die Worte des Mannes gehört. Er hat ihnen aus der Seele gesprochen, denn auch die gesunden und nur leicht verwundeten Männer sind am Ende ihrer Kraft.
Von den beiden Frauen gar nicht zu reden. Ja, sie haben zwei Frauen bei sich.
Um diese Frauen mussten sie mit den Apachen kämpfen. Das nämlich war der Auftrag der Patrouille: die Befreiung der beiden Frauen ...
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Camp ohne Hoffnung
Vorschau
Impressum
Camp ohne Hoffnung
Als Joe Finnegan die Abteilung halten lässt und der klirrende Trab nicht mehr zu hören ist, dringt das Stöhnen und Jammern der Verwundeten, die alle auf ihren Pferden festgebunden sind, umso lauter an seine Ohren.
Einer der Verwundeten sagt gepresst und heiser vor Schmerzen: »Zur Hölle mit dir, Sergeant! Warum quälst du uns erst wie ein Folterknecht! Warum bringst du uns nicht gleich um, du Hundesohn! Wir würden es dir nicht übel nehmen, das kannst du uns glauben, denn es wäre eine verdammte Erlösung für uns!«
Alle haben die Worte des Mannes gehört. Er hat ihnen aus der Seele gesprochen, denn auch die gesunden und nur leicht verwundeten Männer sind am Ende ihrer Kraft.
Von den beiden Frauen gar nicht zu reden. Ja, sie haben zwei Frauen bei sich.
Um diese Frauen mussten sie mit den Apachen kämpfen. Das nämlich war der Auftrag der Patrouille: die Befreiung der beiden Frauen ...
Es war ein Himmelfahrtskommando, und ihre Chancen standen tausend zu eins ...
Joe Finnegan versucht zu lauschen. Doch obwohl der klirrende Trab der Patrouille verklungen ist, sind immer noch viele andere Geräusche außer dem Stöhnen der Verwundeten zu hören.
Die Pferde schnaufen. Sattelzeug knarrt.
Nein, es ist nicht möglich, etwas anderes zu hören als die Geräusche der kleinen Abteilung.
Er wendet sein Pferd und reitet langsam die Doppelreihe entlang. Neben jedem halbwegs noch kampffähigen Reiter befindet sich ein kampfunfähiger Verwundeter oder gar schon ein Toter.
Die beiden Frauen halten nebeneinander.
Im Mondlicht mustert der Sergeant sie aufmerksam.
Und wieder wundert er sich über ihre Lebenskraft. Gewiss, sie sind so erschöpft von dem, was hinter ihren liegt, dass sie bald von ihren Pferden fallen, wenn man sie nicht darauf festbindet – doch sie sind bereit, durchzuhalten und es den Soldaten nicht noch schwerer zu machen.
Die beiden Frauen verzweifeln nicht, obwohl sie lange genug bei den Apachen gewesen sind. Was das bedeutet, das weiß nicht nur Sergeant Joe Finnegan, das weiß auch jeder andere Reiter der Patrouille.
Als er die beiden Frauen betrachtet, denkt er: Der Major wird verrückt werden! Er wird es nicht ertragen können. Niemals! Ein Apachen-Häuptling und die Frau des »Alten«?
Aber indem er dies denkt, fragt er ruhig – wenn auch heiser: »Geht es noch ein Stück? Können die Ladys noch etwas länger durchhalten?«
Georgia Tracy, die Frau des Majors John Tracy, nickt nur.
Sue McGillen aber fragt herb: »Und wenn wir es nicht könnten, Sergeant? Dann würden Sie uns auf den Gäulen festbinden lassen, nicht wahr? Solange die Pferde noch können, müssen wir in den Sätteln bleiben – oder?«
»Richtig«, sagt er. »Denn wir müssen vor den Apachen an der Wasserstelle sein. Schaffen wir das nicht, gibt es keine Chance mehr für uns. Wir müssen weiter.«
Er reitet weiter und hält neben dem Soldaten Pinky.
»Was macht der Lieutenant, Pinky?«
»Der ist tot, Sergeant. Er starb vor einer halben Stunde.«
Joe Finnegan sitzt zwei Atemzüge lang unbeweglich im Sattel. Es ist, als hätte er die Worte von Soldat Pinky nicht gehört. Aber dann zieht er sein Pferd herum und reitet wieder an die Spitze.
»Trrrab!«, ruft er und lässt sein müdes Pferd antraben.
Die Patrouille folgt seinem Beispiel.
Der Sergeant führt sie geradewegs auf die Wasserstelle zu, die für sie die Rettung bedeutet, wenn sie vor den Apachen dort ankommen.
Und immer wieder fragt sich der Sergeant, wie der Major im Fort reagieren wird, wenn er erfährt, dass seine Frau Juan Cuervo gehört hat. Und sogar jetzt noch trägt sie Kleidung einer Apachen-Frau.
Als sie die Wasserstelle endlich erreicht haben, reiten bis auf drei Steinwürfe an die Felsen und Büsche der heran. Dann lässt der Sergeant halten. Über die Schulter sagt er: »Charly!«
Der Zivilscout Charly Wood kommt nach vorn geritten. Als er neben dem Sergeant hält, murmelt er aus dem Mundwinkel zu diesem hinüber: »Warum reitest du nicht selbst? Warum schickst du mich?«
»Weil es dein Job ist«, erwidert Joe Finnegan, »so wie es mein Job ist, möglichst viele lebendig ins Fort zu bringen.«
Charly Wood erwidert nichts. Er reitet hinüber, um nachzusehen. Wenn dort Apachen sind, hat er keine Chance. Dann wird ihn eine Kugel oder ein Pfeil erwischen.
Aber sie können nicht lange warten. Er kann nicht versuchen, sich anzuschleichen. Wenn Apachen dort lauern, dann haben sie längst den klirrenden Trab der Abteilung gehört und sehen diese jetzt im Mond- und Sternenlicht.
Es geschieht nichts. Eine Weile bleibt der Scout verschwunden.
Dann taucht er auf und ruft durch die kalte und klare Arizona-Nacht herüber: »Also kommt und sauft euch voll!«
Sie reiten wieder an, und sogar die Verwundeten, die bisher gestöhnt und geflucht hatten, seufzen erleichtert.
Denn bald wird es reichlich Wasser geben.
✰✰✰
Als die Sonne den neuen Tag wärmt, schon über den roten Mesas im Osten steht und lange Schatten nach Westen wirft, erhebt sich Sergeant Joe Finnegan.
Er geht von Mann zu Mann, und der Sanitäts-Corporal meldet ihm, dass der Reiter Ben Skinner und Corporal Edson Lane im Laufe der Nacht gestorben sind.
Eine Weile steht der Sergeant da, starrt auf seine Fußspitzen und scheint zu überlegen. Dann sagt er: »Wickelt die Toten in Decken. Wir nehmen sie mit. Nur noch dreißig Meilen vom Camp Tortilla entfernt, lassen wir keine Toten mehr zurück.«
Er geht weiter, und er mustert die Reiter noch einmal alle. Sie sind mit dem Lieutenant siebzehn gewesen, mit dem Scout achtzehn.
Jetzt können nur noch neun aus eigener Kraft reiten. Mit den Frauen und dem Scout sind sie zwölf. Aber alle sind sie mehr oder weniger verwundet. Kaum einer kam unverletzt davon. Die Patrouille verlor sieben Mann. Zwei Schwerverwundete werden es vielleicht nicht mehr bis Camp Tortilla schaffen.
Und dennoch müssen sie weiter. Denn wenn Juan Cuervo noch einmal Verstärkung bekommen sollte, wird er angreifen.
Cuervo – das heißt so viel wie Rabe. Aber er ist mehr als ein menschlicher Rabe. Dieser Juan Cuervo ist mit einem Bussard zu vergleichen.
Als der Sergeant bei den Frauen ist, hockt er sich auf die Absätze nieder wie ein Cowboy.
Sie sind wach. Nebeneinander liegen sie unter einer Decke – und dabei waren sie einst so verschieden und gehörten fast zwei verschiedenen Welten an. Aber das war damals vor mehr als zwei Wochen, als Juan Cuervo mit seinen Kriegern die Postkutsche von Tucson nach Camp Tortilla überfiel. Das ist für diese beiden Frauen schon so lange her wie eine Ewigkeit.
»Kann ich etwas für die Ladys tun?« So fragt er ernst. Dabei stellt er fest, dass die beiden Frauen jetzt gar nicht mehr so unterschiedlich wirken wie vor einigen Wochen.
Denn damals war die eine Frau noch eine Lady, eine Offiziersfrau, die nach dem Sittenkodex der Armee lebte, in der ihr Mann Major war.
Die andere Frau war eine Spielerin und Abenteurerin, die in den Spielhallen mit Männern um Geld spielte und die manchmal auf den Bühnen der Tingeltangels auftrat.
Sie waren wirklich sehr verschieden, diese beiden Frauen – was ihre Herkunft, ihre Erziehung und ihre Lebensweise betraf.
Doch jetzt sind sie gleich. Jetzt wirken sie wie Schwestern. Denn sie waren lange genug bei den Apachen, um von diesen gleich gemacht zu werden. In dieser Situation bewiesen sie beide die gleiche Lebenskraft. Sie zerbrachen nicht, und sie nahmen sich auch nicht das Leben. Sie überstanden alles und hofften.
Sie erwidern seinen Blick.
Dann schüttelt Georgia Tracy leicht den Kopf. »Sie haben schon genug für uns getan, Sergeant. Wir werden auch das letzte Stück noch durchhalten. Nicht wahr, Sue?« Sie blickt ihre Nachbarin an.
Und Sue McGillen nickt zurück. Aber dann richtet sie ihren Blick auf den Sergeant. Sue McGillen ist blond und braunäugig. Noch vor wenigen Stunden war sie dem Zusammenbruch nahe.
Sue McGillen sagt plötzlich zu ihm: »Sergeant, wenn der junge Lieutenant den Angriff auf Juan Cuervos Dorf nicht befohlen hätte – wenn Sie, Sergeant, das Kommando gehabt hätten –, wären wir dann befreit worden?«
Er schüttelt den Kopf. »Nein«, sagt er dann langsam. »Ich hätte nicht mit so vielen Toten bezahlen wollen. Dieser Preis wäre mir zu hoch gewesen.« Er erhebt sich nach diesen Worten. »Nehmen Sie mir das übel, Ladys?« So fragt er ganz ruhig und sanft.
»Die Armee ...«, beginnt Georgia Tracy, die Frau des Majors und seines Vorgesetzten. Aber er unterbricht sie. Er sagt: »Die Armee gibt Befehle – doch sie kann niemandem die Verantwortung abnehmen. Und ich hätte die Verantwortung gehabt. Ich hätte gewusst, dass ich für zwei Frauen wahrscheinlich die vierfache Zahl an toten Soldaten hätte eintauschen müssen. Die Armee soll verdammt sein, die so etwas verlangt.«
Da schweigen die Frauen. Aber es scheint, als betrachteten sie ihn nun mit anderen Augen. Erst als er außer Hörweite ist, sagt Georgia Tracy zu Sue McGillen: »Recht hat er, denn wir sind ja wohl als Frauen nichts mehr wert, nachdem ...«
»Halt, Georgia«, sagt da die Spielerin Sue McGillen hart, »hör auf damit!«
Sie macht eine kleine Pause, starrt dabei in die Ferne und nagt an der Unterlippe. »Wenn du dich jetzt weniger wert fühlst, Georgia«, murmelt sie dann, »bist du zu bedauern. Wenn du dich beschmutzt fühlst, dann kann das doch nur äußerlich sein. Bleib stolz, Georgia Tracy! Und wenn dich jemand schief ansieht, dann sieh ihm gerade in die Augen oder spuck ihm vor die Füße. So werde ich es halten. Ich bin mein ganzes Leben lang durch eine Menge Dreck gegangen. Nichts wert ist man erst dann, wenn man sich freiwillig wegwirft. Oder?«
Sie sehen sich an. Und Georgia Tracy nickt.
»Du siehst es wohl richtig, Sue«, murmelt sie. »Doch du hast ja auch keinen Mann, der bald Colonel und eines Tages General werden möchte. Du musst nicht mit meinen Problemen fertig werden.«
»Dann pfeif auf deinen Major, der Colonel und später General werden will«, sagt Sue hart. »Pfeif auf alle, die dich nicht lieben, wie du bist! Jag sie zum Teufel, und geh weg von ihnen wie vor der Pest. Geh deinen Weg.«
Wieder blickt Georgia nachdenklich auf Sue McGillen.
»Deine Lebenskraft möchte ich haben«, sagt sie schließlich. »Dann würde mir so manches leichter werden.«
Sie können nicht mehr über ihre Probleme reden, denn der Sergeant bringt die Reiter in Bewegung. Er erteilt einige Befehle.
Und schon bald – nach einigen Bissen Proviant und einigen Schlucken Wasser – reiten sie weiter, zurück nach Camp Tortilla.
✰✰✰
Das befestigte Armeecamp liegt in einer Senke zwischen den Tortillas – ein paar flachen Hügeln, auf denen rote Felsen in den merkwürdigsten Formen die eintönige Landschaft unterbrechen.
Am Flaggenmast hängt müde und schlaff die Fahne der Union. Sie wird bald auf halbmast hängen.
Camp Tortilla ist eigentlich gar kein Fort. Es gibt zwar ein paar Steinwälle, doch wären sie leicht zu nehmen von einer großen Übermacht. Das Camp besteht aus ein paar Stein- und Adobe-Hütten, einigen Zelten, Corrals und einer Wagenburg.
Als der Sergeant vor der Kommandantur halten lässt, steht Major John Tracy oben auf der Veranda.
Er nimmt die Meldung entgegen – ganz und gar ein beherrschter, drahtiger und gewiss auch energischer Offizier, dem das Reglement der Armee über alles geht. Erst nachdem er dem Sergeant ein paar Fragen gestellt hat, lässt er wegtreten.
Er verlässt endlich die Veranda der Kommandantur, geht zu seiner Frau hin und hebt sie vom Pferd. Er bietet ihr den Arm – und er wirkt immer noch sehr beherrscht.
Viele Augen sehen zu, wie er seine dunkelhaarige Frau, die wie eine Apachin gekleidet ist, am Arm zu einem zweiräumigen Adobehaus geleitet, in dem sich sein persönliches Quartier befindet.
Niemand sagt etwas. Alles verharrt, starrt, wartet.
Und sogar Sue McGillen sitzt noch regungslos im Sattel ihres müden Pferdes und sieht dem Paar nach.
Erst das Kommando des Sergeants, der die Patrouille wegtreten lässt und sein Pferd einer Ordonnanz der Kommandantur übergibt, bringt alles wieder in Bewegung.
Finnegan selbst tritt langsam an Sue McGillens Pferd heran. Er streckt die Arme aus, um sie aus dem Sattel zu heben. Sie ist eine gut gewachsene Frau von fast hundertzwanzig Pfund mit voller Kleidung – aber er hebt sie herunter, als wöge sie nur halb so viel.
»Ich bringe Sie zu Mom Kellahan«, sagt er zu ihr. Er nimmt sie bei der Hand und geht mit ihr über den Paradeplatz.
Sie finden Mom Kellahan dort, wo die Wagenburg die Nordseite von Camp Tortilla bildet und wo sich das große Kantinenzelt und die Waschbaracken befinden.
»Kümmere dich um sie«, sagt Joe Finnegan. »Sie wird vielleicht etwas Hilfe brauchen, obwohl ich glaube, dass sie sich selbst helfen kann, wenn es darauf ankommt. Es tut gut, dich zu sehen, Mom Kellahan. Ich werde ein Bier trinken und ein Brot mit Speck essen. Ich möchte die Armee für eine Weile nicht mehr sehen.«
Er fasst Sue McGillen unter das Kinn.
»Kommen Sie zu mir, Schwester, wenn Sie einen Wunsch haben oder irgendwelche Hilfe brauchen.« Nach diesen Worten lässt er sie los und verschwindet im Kantinenzelt.
Mom Kellahan und Sue McGillen betrachten sich eine Weile – und sie haben beide viel durchgemacht. Das erkennen sie beide.
»Du möchtest wohl in einem Fass voll heißem Wasser sitzen, nicht wahr?«, fragt Mom Kellahan. Aber sie erwartet gar keine Antwort, sondern nickt. »Das lässt sich machen«, sagt sie. »Dort drüben in der Waschbaracke kannst du dir all den Dreck abwaschen. Das hilft, sage ich dir! Du wirst eine Weile in diesem Camp bleiben müssen. Zur Zivilisation führen von hier aus nur selten Wege zurück.«
»Ich wollte nach Camp Tortilla«, erwidert Sue McGillen. »Ich saß in der Sonderpostkutsche aus Tucson, wie die Frau des Majors auch. Wir sollten bei der Pueblo-Station von der Armee-Eskorte übernommen werden. Doch dann kam Juan Cuervos Überfall. Ich wollte hierher.«
»Zu wem?« Mom Kellahan fragt es mit schmalen Augen. Doch sie wartet nicht auf eine Antwort. Im Gegenteil, sie fügt schnell hinzu: »Verzeih mir meine Neugier, Kindchen. Du nimmst es nicht übel, wenn ich dich Kindchen nenne? Ich weiß, dass du eine erfahrene Frau bist. Doch gegen mich ...«
Sie legt ihr die Hand auf die Schulter.
Und dann gehen sie zur Waschbaracke hinüber.
Im großen Kantinenzelt sitzt der Sergeant an einem rohen Tisch und isst frisches Brot mit gutem, magerem Speck. Er hat schon ein großes Bier getrunken, und Black Daniel, ein riesiger Neger, bringt ihm nun das zweite.
Ein paar Soldaten kommen herein.
Sie bleiben vor dem Sergeant stehen. Einer mit dunklem Bart, der sehr kräftig aussieht, grinst ihn an. An seinen Ärmeln kann man sehen, dass dort einmal drei Sergeant-Streifen waren. Er sagt grob: »Diesmal mussten eine Menge von deinen Leuten dran glauben. Die halbe Patrouille ging zum Teufel. Diesmal hattest du aber kein Glück, großer Meister.«
»Hau ab, Shanninghan«, erwidert Joe Finnegan. »Hau ab, bevor ich dir Beine mache. Lass dich heute nicht mehr sehen.«
»Beine machen? Sagst du das als Sergeant oder von Mann zu Mann?«, fragt Ex-Sergeant Al Shanninghan.
Joe Finnegan grinst zu diesen Worten.
»Dir werde ich schon noch das Maul polieren, Shanninghan«, sagt er. Und er erhebt sich dabei.
Vielleicht wäre es doch noch zu einem Kampf zwischen ihm und dem Ex-Sergeant gekommen. Doch plötzlich eilt eine Ordonnanz in das Kantinenzelt.
Sie baut sich vor Finnegan auf, grüßt und meldet: »Sergeant, Befehl vom Major. Sie sollen zu ihm kommen. Auf der Stelle.«
Finnegan nickt.
Er betrachtet Shanninghan mit schmalem Lächeln.
»Du hast großes Glück«, sagt er dabei. »Deine Abreibung muss verschoben werden. Und morgen bin ich auch wieder kräftiger als heute.«
Und dann geht er, folgt der Ordonnanz.
Die Soldaten sehen ihm nach. »Dem werde ich es schon geben«, murmelt Shanninghan leise. »Der kann mich nicht schlagen. Den brauche ich nur einmal zu treffen. Nur einmal richtig, dann fällt er um und steht nicht wieder auf. Seit langer Zeit träume ich davon, es ihm mal besorgen zu können.«
Aber Al Shanninghan findet nicht viel Zustimmung. Die anderen Soldaten sind skeptisch. Einer, der klein und krummbeinig ist und Lasso-Narben auf dem Handrücken hat, sagt trocken: »Al, ich glaube nicht, dass du ihn schlagen könntest. Dieser Sergeant ist eine Klasse für sich. Und niemand außer ihm hätte die Hälfte der Patrouille zurückbringen können – niemand! Ah, was wird der Major jetzt wohl mit seiner Frau anstellen? Was macht ein solch stolzer Major mit einer Frau, die lange bei den Apachen war? Das wäre für uns Hurensöhne sicher nicht so schlimm, nicht wahr?«
Und da lachen sie durcheinander. Einige machen Witze.
✰✰✰
Der Major steht hinter einem Schreibtisch, den man ihm aus Kistenbrettern zusammengenagelt hat. Und hinter ihm an der Adobe-Wand hängt die Flagge der Union.
Der Sergeant meldet sich vorschriftsmäßig, doch mit jener Lässigkeit, wie alte Soldaten sie an sich haben, deren Leistung ihren Dienstgrad bei Weitem übersteigt.
Er erstattet dann einen kurzen Bericht und liefert auch das Patrouillenbuch ab, das zuerst vom jungen Lieutenant und dann von ihm geführt worden ist. Er schließt mit den Worten: »Das ist alles, Sir.«
Major John Tracy ist noch jung für seinen Rang. Während des Krieges hat er es bis zum Colonel gebracht. Aber wie alle Kriegsoffiziere ist er dann in der reorganisierten Armee um zwei Ränge zurückversetzt worden.
Seinem Alter nach aber hätte er erst Captain sein können. Dass er während des Krieges mehrmals außer der Reihe aufstieg, verhalf ihm zum Majorsrang.
Er betrachtet den Sergeant eine Weile schweigend.
Dann fragt er: »Wo fanden Sie meine Frau, Sergeant? Ich muss es genau wissen. Also heraus damit!«
»In Juan Cuervos Dorf, Sir«, erwidert der Sergeant. »Ihre Frau und Miss Sue McGillen fanden wir in Juan Cuervos Dorf. Dies steht schon im Patrouillenbuch, Sir. Ich habe nichts hinzuzufügen.«
Der Major ist kaum mittelgroß, aber drahtig wie ein Terrier. Er trägt einen roten Spitzbart, der das Kinn noch angriffslustiger erscheinen lässt. Seine hellen Augen verdunkeln sich vor Zorn. Sein Blick ist unruhig.
Er kommt um den Schreibtisch herum und tritt dicht vor den Sergeant. Er muss sich recken und den Kopf in den Nacken legen, um ihm aus nächster Nähe in die Augen sehen zu können.
»Von Mann zu Mann«, sagt er, »ich muss wissen, ob meine Frau in Juan Cuervos Hütte lebte. Ich muss es wissen. Ihr habt die Frauen herausgeholt. Also heraus mit den Einzelheiten!«
»Von Mann zu Mann, Major?«
»So ist es, Sergeant.«