G. F. Unger Western-Bestseller 2636 - G. F. Unger - E-Book

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G. F. Unger

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Beschreibung

Der Fahrer beugt sich vom Bock der alten Kutsche zur Seite herab und fragt ungläubig: »Ma’am, wollen Sie wirklich hier bleiben? Mesa City ist tot. Wussten Sie das nicht?«
Isabel King steht neben der Kutsche und blickt zum Eingang des Mesa Saloons hinüber.
In ihrem Gesicht regt sich nichts, doch ihre Augen sind schmal.
Einige Atemzüge lang verharrt sie so. Die geraden Schultern senken sich etwas, so, als verliere sie plötzlich alle Zuversicht. Schließlich zucken die Mundwinkel.
Diese Stadt ist ausgestorben.
Und dennoch war dies noch vor einem Jahr eine hoffnungsvolle Stadt voller Leben. Im Saloon herrschte reger Betrieb. Er war gewiss so einträglich wie eine kleine Silbermine.
Isabel weiß das genau, denn sie gastierte hier einige Tage mit ihrer kleinen Unterhaltungstruppe ...


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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Kein Glück in Mesa City

Vorschau

Impressum

Kein Glück in Mesa City

Der Fahrer beugt sich vom Bock der alten Kutsche zur Seite herab und fragt ungläubig: »Ma'am, wollen Sie wirklich hier bleiben? Mesa City ist tot. Wussten Sie das nicht?«

Isabel King steht neben der Kutsche und blickt zum Eingang des Mesa Saloons hinüber.

In ihrem Gesicht regt sich nichts, doch ihre Augen sind schmal.

Einige Atemzüge lang verharrt sie so. Die geraden Schultern senken sich etwas, so, als verliere sie plötzlich alle Zuversicht. Schließlich zucken die Mundwinkel.

Diese Stadt ist ausgestorben.

Und dennoch war dies noch vor einem Jahr eine hoffnungsvolle Stadt voller Leben. Im Saloon herrschte reger Betrieb. Er war gewiss so einträglich wie eine kleine Silbermine.

Isabel weiß das genau, denn sie gastierte hier einige Tage mit ihrer kleinen Unterhaltungstruppe ...

Sie presst die Lippen zusammen, als sie an den Besitzer dieses Saloons denkt und sich seines ehrlichen Blicks und seiner Worte erinnert.

Sie wendet den Kopf und sagt: »Ja, ich bleibe, Mister. Vielleicht hilft Ihr Begleitmann, das Gepäck auszuladen. Dann können Sie weiter. Es ist doch wenigstens noch die Pferdewechselstation hier in Mesa City in Betrieb – oder?«

»Sicher, Ma'am«, sagt der Fahrer, indes sein Begleitmann willig absteigt und nach hinten geht, um das Gepäck aus dem Kasten zu heben. »Am Ende der Stadt bei der Schmiede ist der Wagenhof mit den Corrals. Der alte Pedro wollte hier nicht weg. Vielleicht gibt's noch drei, vier andere Burschen, denen die Stadt jetzt besser gefällt als vorher. Doch was wollen Sie hier, Ma'am?«

Nun lächelt sie.

»Ich hab diesen Saloon vor drei Tagen in Tucson gekauft«, erklärt sie. »Ich kannte den Besitzer. Als wir uns zufällig in Tucson trafen, machte er mir das Angebot. Er war unterwegs zu seiner Tochter in Kalifornien. Er soll einen Geschäftsführer eingesetzt haben, der mir zur Hand geht. So ist das, Mister, und deshalb bleibe ich.«

Der Fahrer schüttelt mitleidig den Kopf.

»Oh, Ma'am«, sagt er, »dieser alte Fuchs Sam Blaskell hat Sie reingelegt. Der hat Ihnen einen wertlosen Saloon verkauft – in einer toten Stadt. Einen Geschäftsführer will er eingesetzt haben? Oha! Damit kann er doch wohl nur den versoffenen Tate Brown gemeint haben, der hier für einen Drink und ein Essen saubermachte und die Pferde der Gäste tränkte. Nun, Sie tun mir leid, Ma'am. Dabei sehen Sie wie eine erfahrene Frau aus, die das Leben kennt. Ich gebe zu, Sam Blaskell macht einen soliden Eindruck. Doch als der Saloon nichts mehr wert war, musste er wohl an seine alten Tage denken. Haben Sie viel für den Saloon bezahlt?«

»Dreitausend Dollar«, erwidert sie, und ihre Stimme klingt kühl. Sie ist ganz offensichtlich eine Frau, die so schnell nicht zu klagen beginnt.

»Dreitausend«, wiederholt der Fahrer andächtig. »Heiliger Rauch, dafür muss ich ja fast zehn Jahre solch eine Kutsche fahren. Und wie lange haben Sie gespart, Lady?«

»Sehr lange«, erwidert sie und fragt: »Wann verkehrt die nächste Kutsche?«

»In drei Tagen komme ich zurück«, sagt er. »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Ma'am?«

Sie lächelt ernst zu ihm empor.

»Wenn Sie wieder durchkommen«, sagt sie, »lassen Sie die Fahrgäste bei meinem Saloon aussteigen. Ich werde auch für Ladys einen abgeteilten Raum haben und mit Kaffee, Tee und belegten Broten aufwarten. Oder haben Sie hier nicht lange Aufenthalt?«

»Doch«, sagt er. »Es wird hier nicht nur das Gespann gewechselt, sondern auch der Wagen abgeschmiert. Die Pause wird lange genug dauern. Dafür will ich sorgen, Ma'am. Sie wollen wirklich bleiben?«

»Ich muss«, spricht sie. »Denn mit dem nächsten Frachtwagen kommt auch ein Wagen für mich. Er bringt Vorräte. Darin stecken meine letzten Dollars. Ich muss bleiben.«

Sie sagt es entschlossen. Dann wendet sie sich ab.

Der Begleitmann hat inzwischen das Gepäck vor der gelb angestrichenen Schwingtür des Saloons abgeladen.

Isabel King stellt sich neben ihr Gepäck und beobachtet die Abfahrt der Kutsche. Staub wirbelt auf, obwohl die Kutsche langsam zum Ortsende fährt, wo die Corrals der Postlinie sind.

Als der Staub vom leichten Wind verweht ist, steht Isabel immer noch neben ihrem Gepäck vor dem Saloon. Doch sie blickt nicht mehr der Kutsche nach, sondern wittert in die Runde.

Ihre Nasenflügel vibrieren. Sie ist eine schwarzhaarige Frau mit grünen Augen. Sie ist mehr als hübsch. Auf eine rassige Weise ist sie reizvoll und besitzt jene Ausstrahlung, die auf Männer stärker wirkt als bloße Schönheit.

Mesa City ist wirklich wie tot.

Es ist eine alte Stadt, deren erste Adobehütten schon von den spanischen Missionaren um eine jetzt verfallene Mission errichtet wurden.

Vier gewaltige Mesas stehen sich auf dieser unübersichtlichen Ebene gegenüber wie vier Häuserblocks an einer Straßenkreuzung.

Nur sind hier die sich kreuzenden »Straßen« meilenbreit, und die Mesas sind gewaltige Klötze, die mehr als zweitausend Fuß gen Himmel ragen. Sie bilden ein riesiges Quadrat.

Isabel King stößt die Schwingtür auf und tritt ein.

Vor ihr steht ein bärtiger Bursche, schmutzig und schwitzend – dazu sichtlich betrunken. Er trägt nur ein rotes Armeeunterhemd zu einer Lederhose. In der Hand hält er eine noch halb volle Flasche.

Mit der anderen Hand greift er nach Isabel King.

»Auf solch ein Honeygirl hab ich gewartet«, sagt er. »Und weil ich hörte, dass du hier die neue Wirtin bist, hab ich sogleich eine feine Idee bekommen. Verkauf mir etwas Liebe. Komm!«

Er fasst ihren Oberarm und zieht sie mit.

Doch sie wehrt sich, reißt sich los. Als er ihr folgen will, tritt sie ihm vor die Schienbeine. Ja, sie hat Erfahrung im Umgang mit betrunkenen Burschen. Sie weiß sich zu wehren.

Ihre Bewegungen sind schnell und geschmeidig.

Doch der Bursche ist von einer Frau nicht zu schlagen.

Er flucht böse. Dann schlägt er zu.

Sie stürzt zu Boden.

Er aber verharrt und nimmt genüsslich einen Schluck aus der Flasche.

»Weißt du, Honey«, grinst er dann breit, »deine Sorte hat mir schon immer Spaß gemacht. Nun werd ich dich mal einbrechen wie einen bockenden Mustang. Ich bin ein richtiger Girl-Buster. Am besten ist wohl, wenn ich dich erst mal auf den Kopf stelle.«

Indes er dies ruft, bückt er sich blitzschnell und ergreift ihr Fußgelenk.

Es ist ganz offensichtlich seine Absicht, sie am Fußgelenk hochzuziehen und in die Höhe zu heben.

Er ist ein großer, schwergewichtiger Mann von gewiss zweihundert Pfund. Ja, er könnte es schaffen, sie einfach so mit dem Kopf nach unten eine Weile zu halten und strampeln zu lassen.

Dann erlebt er die bitterste Überraschung seines Lebens.

Denn noch während er sie hochreißt, zerrt sie aus der Rocktasche einen kleinen Derringer und drückt ab.

Er bekommt beide Kugeln aus nächster Nähe.

Er lässt los, taumelt zurück und findet an der Wand Halt.

Nun steht er dort und starrt staunend auf die Frau.

Zuerst hebt er die Flasche, trinkt einen langen Zug und lässt sie dann achtlos fallen. Er hat nun die Hand frei für seinen Colt.

»Dir werde ich ...«, beginnt er und holt dabei den Colt heraus.

Doch dann wird ihm die Waffe plötzlich zu schwer.

Er bekommt sie nicht mehr hoch.

»Du kannst doch einen Burschen wie mich nicht mit solch einem Spielzeug umpusten«, spricht er bedächtig.

Er schießt in den Boden neben seinem Fuß. Dann rutscht er mit dem Rücken an der Wand herunter in die Hocke. Schnaufend legt er sich zur Seite und atmet aus.

Ja, er ist tot.

Isabel King steht starr da, hält noch den leer geschossenen Derringer in der Hand.

»Ich hab wohl kein Glück in Mesa City«, murmelt sie tonlos.

Dann geht sie leicht schwankend hinaus. Denn ihr Verstand sagt ihr, dass sie die kleine Waffe nachladen sollte.

Munition befindet sich in der Reisetasche draußen vor der Tür.

Als sie dorthin blickt, wo die Postkutsche jetzt hält und ein neues Gespann bekommt, sieht sie den Fahrer und den Begleitmann heranhasten.

Sie haben die Schüsse also gehört.

Wenig später verhalten die beiden Männer schnaufend vor ihr. Sie können die sich rötende Schwellung in ihrem Gesicht erkennen. Sie begreifen sofort, dass sie geschlagen wurde.

Sie sagt herb: »Da drinnen war ein Kerl, der mich schlug, weil ich ihm nicht zu Willen sein wollte. Ich musste schießen.«

Die beiden Männer starren sie an, blicken dann auf den kleinen Derringer in ihrer Hand. Sie hat indes die auf ihrem Gepäck liegende Handtasche geöffnet und lädt die kleine Waffe nach.

Die beiden Männer aber gehen hinein.

Als sie nach einer Weile wieder herauskommen, sagt der Fahrer: »Das ist – nein, das war Jube Taggert. Auf den sind tausend Dollar Belohnung ausgesetzt. Der wurde zum Tode verurteilt in El Paso und eine Nacht vor der Hinrichtung von Freunden befreit. Wenn Sie die Belohnung kassieren wollen, Ma'am, dann müssten wir den Leichnam zum nächsten Sheriff mitnehmen. Wir könnten das alles für Sie regeln. Sollen wir?«

Sie zögert, nagt an ihrer Unterlippe.

Der Begleitmann sagt fast mitleidig: »Ma'am, es ist doch wohl so, dass Sie jeden Dollar brauchen können, nachdem dieser Sam Blaskell Sie so reingelegt hat. Also, wir wickeln ihn in eine Zeltplane und transportieren ihn nach Silver City. Dort kennt man ihn. Der Deputy regelt dann alles wegen der ausgesetzten Belohnung. Und eines Tages bringen wir Ihnen dann auch das Geld. Gut so? Wir müssten nur Ihren Namen wissen, Ma'am.«

»Isabel King«, hört sie sich sagen, und sie weiß immer noch nicht, ob sie die Belohnung beanspruchen soll. Doch sie hält die beiden Männer nicht zurück, als diese in den Saloon gehen, um den Leichnam herauszuholen.

Dies geschieht ziemlich rasch. Sie fanden offensichtlich im Abstellraum eine Plane, in die sie den Toten einhüllten. Als sie ihn herausbringen, wendet sich Isabel King ab.

Der Fahrer sagt im Vorbeigehen: »Da ist noch ein betrunkener Bursche im Saloon. Doch der ist harmlos, und er ist auch schlimmer betrunken, als Taggert es gewiss war. Es ist Tate Brown, der frühere Spucknapfreiniger, den dieser Sam Blaskell wohl meinte, als er Ihnen sagte, dass hier ein Geschäftsführer wäre. Tate Brown tut Ihnen nichts. Und wenn Sie ihn nüchtern bekommen, geht er Ihnen gewiss zur Hand.«

Nach diesen Worten gehen sie.

Isabel King sieht ihnen stumm nach.

Wieder denkt sie: Ich hab kein Glück in Mesa City. Dabei wollte ich schlau sein, als ich Sam Blaskell traf und den Saloon kaufte. Ich wollte endlich sesshaft werden, aber ich ließ mich reinlegen wie eine dämliche Puta. Oha, das musste mir passieren, mir ...

Sie nimmt etwas von ihrem Gepäck auf und geht hinein.

Der Raum ist schmutzig, staubig, ungelüftet.

Neben dem Schanktisch befindet sich eine Tür. Sie steht jetzt offen. Wahrscheinlich suchten die beiden Männer der Postkutsche dort nach der Plane für den Leichnam.

Isabel will sich schon abwenden, um das restliche Gepäck hereinzuholen, als sie das Schnarchen hört.

Sie erinnert sich, dass es dieser Tate Brown sein muss.

Und so betritt sie den Abstellraum.

Tate Brown liegt auf einem Feldbett. Sein grauer Spitzbart ragt nach oben, weil sein Kopf über den Rand des Lagers nach unten hängt.

Er hat seine Hände über dem Bauch gefaltet und »sägt« wie ein ganzes Sägewerk. Er ist lang und dünn. Bekleidet ist er mit einer arg mitgenommenen Uniform der einstigen Konföderierten-Armee.

Isabel King überlegt, ob dieser alte Mann noch Soldat gewesen sein kann. Denn der Krieg ist ja erst wenige Jahre vorbei. Aber die Südstaatenarmee hat zuletzt wohl auch Greise und halbe Kinder unter die Rebellenfahne geholt.

Isabel King kehrt in den Schankraum zurück.

In der Bar ist eine Pumpe eingebaut. Sie beginnt zu pumpen.

Und dann geht sie mit einem Eimer voll Wasser in den Nebenraum.

Als sie ihn über Tate Browns Kopf gießt, schnappt dieser nach Luft und bewegt sich wie ein Rückenschwimmer.

Doch er erwacht noch nicht.

Isabel kehrt in den Schankraum zurück und füllt den Eimer erneut. Und wieder schwappt der Inhalt über Tate Browns Gesicht und Oberkörper.

Diesmal macht Tate keine Schwimmbewegungen, doch er öffnet ein Auge und sagt mit schwerfälliger Zunge: »Ich hahahabe schoschon gebadet.«

»Komm hoch, Tate«, verlangt sie hart. »Komm hoch! Es gibt Arbeit, viel Arbeit!«

Aber er hat sein Auge schon wieder geschlossen und beginnt weiter zu schnarchen.

Sie schnaubt zornig und holt einen dritten Eimer voll Wasser. Als sie auch diesen über den Betrunkenen ausleert, liegt er schon fast in einer Badewanne. Denn das Feldbett besteht ja hauptsächlich aus einer rotbraunen Segeltuchplane, ähnlich jener, die die Marine für die Hängematten verwendet. Sie ist wasserundurchlässig.

Und das macht ihn endlich richtig wach.

Er setzt sich auf und wischt sich übers Gesicht.

Dann starrt er auf Isabel King.

»Wawawas ist dadadas?«, stottert er, deutlich ernüchtert.

»Aufstehen«, befiehlt sie. »Es gibt Arbeit. Dieser Saloon hat wieder geöffnet. Und du hast die Wahl, ob ich dich hier rauswerfe oder als Hilfe behalte. Nur musst du dich jetzt entscheiden. Woher hast du den Schnaps? Gibt's hier im Saloon noch Feuerwasser?«

Er staunt eine Weile. Dann grinst er.

»Aaah, Lady«, sagt er schon ziemlich nüchtern, »das ist kein richtiger Schnaps für Gentlemen oder gar Ladys. Das ist Puma- und Wolfsspucke, in der ein paar tote Ratten schwimmen. Das ist nur Stoff für Kupferkehlen und Glasmägen. Verstehen Sie, Lady? Diesen Stoff hat man hier nicht verkaufen können zu Sam Blaskells Zeiten. Ein ganzes Fass voll ist da. Jetzt ist es fast alle. Und ich hab mich so sehr daran gewöhnt. Was ist los? Dieser Saloon ist wieder geöffnet? Ist Blaskell zurück? Gibt es Hoffnung für Mesa City?«

»Ich bin die neue Besitzerin«, sagt Isabel King. »Und jetzt hoch mit dir!«

»Weil das Fass bald leer ist, muss ich wohl«, sagt der alte, hagere Bursche und erhebt sich vorsichtig. »Feuerwasser ist Brot für mich«, sagt er. »Und wenn dieser Saloon wieder öffnet, muss doch auch Feuerwasser vorhanden sein – oder?«

Sie nickt langsam. Sie weiß, dass sie diesem Säufer das Trinken nur schwer abgewöhnen wird.

»Du wirst bekommen, was du nötig hast«, verspricht sie, »wenn du dafür gut arbeitest. Es ist ein Frachtwagen unterwegs. Also, mach überall sauber. Wo sind die Wohnräume?«

Er deutet nach oben.

»Die Treppe hinauf ...«, sagt er und staunt immer noch. Seine Hirntätigkeit ist jedoch in Gang gekommen, wenn auch langsam.

»Hatten Sie keine bessere Idee, Lady, als diesen Saloon wieder zu eröffnen in einer toten Stadt, in die nur dann und wann einige Banditen und wenige Durchreisende kommen?«

»Nein, keine bessere«, erwidert sie und verlässt ihn.

Sie wird sich mit Arbeit betäuben müssen, das weiß sie.

✰✰✰

Als Sycamore Shannon die Remuda in die enge Bergfalte getrieben hat, wischt er sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß aus dem Gesicht und schiebt dann den alten Hut wieder nach vorn, sodass die breite Krempe sein Gesicht beschattet.

Er wendet den Wallach und dreht seinen Pferden den Rücken zu.

Es sind prächtige Tiere, genau drei Dutzend. Es sind die ausgesuchten Prachtexemplare mehrerer Wildpferdherden.

Und sie sind schon zugeritten.

Diese Remuda ist um die zweitausend Dollar wert.

Syc Shannon hätte sie noch mit zwei Partnern teilen müssen.

Doch die Partner sind tot.

Nur er lebt noch, weil er das Glück hatte, dass ihn bisher nur zwei Kugeln gestreift hatten.

Doch jetzt muss er sich zum Kampf stellen. Er kann nicht zu gleicher Zeit die Pferde treiben und gegen die Verfolger kämpfen.

Diese Bergfalte ist für seine Pferde ein natürlicher Corral.

Er sitzt ab und lässt seinen grauen Wallach gewissermaßen als Wächter vor der Bergfalte zurück. Er kann sich auf das Tier verlassen, denn es ist abgerichtet für die Rinder- und Pferdejagd. Es hat seine Lektionen gründlich gelernt. Lassoarbeit macht Spaß mit ihm.

Von den Wildpferden kommt keines aus der Bergfalte. Der Wallach wird sie alle zurückjagen wie ein Hund ein Rudel Schafe.

Syc Shannon hat seinen großen Colt noch im Holster.

Und das Gewehr steckt sogar im Sattelschuh des Wallachs.

Er geht den vier Apachen einige Schritte entgegen.

Ja, es sind nur noch vier – von einem Dutzend. Doch es sind nicht alle tot, die zurückbleiben mussten. Manche wurden böse angeschossen.

Tot jedoch sind Syc Shannons Partner.

In Syc ist ein kalter Zorn.

Monate haben sie gebraucht, diese herrlichen Tiere zu fangen und einzubrechen. Und als sie schon fast am Ziel waren, kam das Rudel Apachen. Immer wieder kämpften sie und trieben zugleich die Pferde.

Nun aber wird es endgültig entschieden.

Er ist entschlossen, entweder zu siegen oder hier zu sterben. Nein, er denkt nicht daran, seine Pferde einfach aufzugeben und das Weite zu suchen. Gewiss, die Apachen würden ihn reiten lassen und sich mit der Beute begnügen. Er könnte also das nackte Leben retten.

Doch er will alles oder nichts.

Eigentlich wirkt er schon wie ein Verlierer.

Er ist abgerissen, hager, erschöpft, aus zwei Wunden blutend, die er nicht richtig versorgen konnte. Gewiss, er ist ein großer, zäher Bursche – dennoch scheint er jetzt so ziemlich am Ende.

Das denken wohl auch die vier Apachen, die sich auf ihren hageren Mustangs langsam nähern. Da er das Gewehr nicht aus dem Sattelschuh nahm, kommen sie näher heran. Sie wissen zu gut, dass er mit dem Colt nur auf kurze Entfernung genau schießen kann.

Sie reiten in großem Abstand zueinander, bilden dabei einen Viertelkreis.

Als sie bis auf einen halben Steinwurf heran sind, halten sie endlich an.

Einer von ihnen ruft: »Wildpferdjäger, ihr habt gut gekämpft. Auch wir haben genug! Du kannst noch einen oder gar zwei von uns töten. Du schaffst das gewiss! Denn du bist ein großer Kämpfer. Deshalb ist es für uns alle besser, wenn du einfach fortreitest. Wir wollen nur die Pferde. Also reite, Hombre, reite!«

Die letzten Worte stößt der Apache wild und drohend aus.

Doch Syc Shannon schüttelt störrisch den Kopf.

»Haut ihr lieber ab, Amigos«, gibt er heiser zurück, »denn ich gebe nicht auf. Ihr müsst mich erst niederkämpfen, wollt ihr die Pferde. Seht, ich stehe hier und warte auf euch – einer gegen vier. Na, wie wollt ihr's haben?«

Für die Apachen ist das eine Herausforderung.

Er ist allein – ohne Gewehr. Und der Colt steckt noch im Holster. Trotzdem will er gegen sie kämpfen.

Ist er verrückt? Ein Selbstmörder? Oder hält er nur nicht viel von ihrer Kampfkraft?

Sie schweigen einige Atemzüge lang. Dann haben sie sich plötzlich entschieden.

Sie legen sich über die Pferdehälse, um möglichst wenig Ziel zu bieten, treiben die Pferde vorwärts und greifen an. Sie tun das ohne gellendes Kriegsgeschrei, doch mit gnadenloser Entschlossenheit.

Syc Shannon hat plötzlich seinen Colt in der Hand. Wie durch Zauberei tauchte die schwere Waffe plötzlich in dieser geschmeidigen Hand auf, deren Gelenk so breit ist wie das eines Fechters.

Der Revolverlauf scheint nun ein riesiger Zeigefinger zu sein, mit dem Syc Shannon blitzschnell auf das sich rasch nähernde Ziel zeigt.

Dabei drückt er immer wieder ab.

Sechs Schüsse sind ihm möglich. Pulverrauch hüllt ihn ein. Zwei Pferde stürzen, überschlagen sich mit ihren Reitern. Zwei der Apachen fallen von den Tieren. Sie sind getroffen, doch sie rollen nur über den Boden und erheben sich wieder, greifen an. Kugeln sind zuvor schon von den angreifenden Apachen abgefeuert worden. Einige verletzten den Weißen, streiften ihn wie Peitschenhiebe.