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Langsam kommt der Kartenhai wieder zu sich und überwindet die Schmerzen in der Magengegend, wo Ben Chadwicks Faust ihn wie ein Huftritt traf.
»Oh, ihr armseligen Straßenräuber!«, keucht er und blickt Ben und dessen Bruder hasserfüllt an. »Habt ihr denn keinen Stolz, euch auf ehrliche Weise zu ernähren?«
»So wie du es mit deinen Kartentricks tust und dem Derringer im Ärmel, wie?«, fragt Ben Chadwick hart.
»Immer noch besser als Straßenraub!«, ächzt der Spieler.
»So?«, fragt Ben. »Und was war in Saint Louis?«
»Saint Louis?« Der Spieler erblasst.
»Unser kleiner Bruder bekam deine beiden Derringer-Kugeln, nachdem er dich bei einem Kartentrick erwischte. Sie stecken immer noch in seinem Körper, und kein Arzt in Saint Louis wagte es, sie ihm herauszuholen. Unsere Mom musste ihn in den Osten schaffen, wo es bessere Chirurgen gibt. Verstehst du jetzt, Spieler?«
»Ha, euer kleiner Bruder ist ein zweihundert Pfund schwerer Bulle«, stöhnt der Spieler. »Er hätte mich erschlagen, wenn ich nicht ...«
»Du hättest ihn nicht betrügen sollen«, unterbricht ihn Ben Chatwick und sagt dann zu seinen Brüdern Jack und Kirby: »Räumt ihm die Taschen aus! Mom wird im Osten jeden Cent für den Kleinen brauchen. Und dann verschaffen wir dem Schuft ein Bad im Fluss! Vielleicht hilft es seiner schwarzen Seele, obwohl er eigentlich den Tod verdient hätte!«
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Büffeltöter
Vorschau
Impressum
Büffeltöter
Langsam kommt der Kartenhai wieder zu sich und überwindet die Schmerzen in der Magengegend, wo Ben Chadwicks Faust ihn wie ein Huftritt traf.
»Oh, ihr armseligen Straßenräuber!«, keucht er und blickt Ben und dessen Bruder hasserfüllt an. »Habt ihr denn keinen Stolz, euch auf ehrliche Weise zu ernähren?«
»So wie du es mit deinen Kartentricks tust und dem Derringer im Ärmel, wie?«, fragt Ben Chadwick hart.
»Immer noch besser als Straßenraub!«, ächzt der Spieler.
»So?«, fragt Ben. »Und was war in Saint Louis?«
»Saint Louis?« Der Spieler erblasst.
»Unser kleiner Bruder bekam deine beiden Derringer-Kugeln, nachdem er dich bei einem Kartentrick erwischte. Sie stecken immer noch in seinem Körper, und kein Arzt in Saint Louis wagte es, sie ihm herauszuholen. Unsere Mom musste ihn in den Osten schaffen, wo es bessere Chirurgen gibt. Verstehst du jetzt, Spieler?«
»Ha, euer kleiner Bruder ist ein zweihundert Pfund schwerer Bulle«, stöhnt der Spieler. »Er hätte mich erschlagen, wenn ich nicht ...«
»Du hättest ihn nicht betrügen sollen«, unterbricht ihn Ben Chatwick und sagt dann zu seinen Brüdern Jack und Kirby: »Räumt ihm die Taschen aus! Mom wird im Osten jeden Cent für den Kleinen brauchen. Und dann verschaffen wir dem Schuft ein Bad im Fluss! Vielleicht hilft es seiner schwarzen Seele, obwohl er eigentlich den Tod verdient hätte!«
Als im Osten die Sonne aufsteigt und ein leichter Morgenwind über den Missouri streicht, sodass er kleine Wellen bildet, da hocken sie abseits der Landebrücken am Ufer und zählen das Geld des Kartenhais.
»Fünftausendsiebenhundert Dollar«, stellt Ben Chadwick schließlich fest. Und er fügt hinzu: »Er muss eine Menge Mitspieler gerupft haben, eine ganze Menge.«
Sie nicken zu seinen Worten.
Dann murmelt Kirby bitter: »Ja, er nimmt auch Jungs wie unseren Hank aus, die nur zwanzig Dollar bei sich haben. Er lässt sich also auch kleine Gewinne nicht entgehen. Doch unser Kleiner hat scharfe Augen.«
Als Kirby nach diesen Worten schweigt, fragt Jack ungeduldig: »Und was ist nun? He, was machen wir? Für dieses Geld könnten wir uns daheim in Texas eine schöne Ranch kaufen, größer als unsere alte, die uns der Steuereintreiber der Yankees wegnahm, weil wir kein Geld für die Steuern der letzten fünf Jahre hatten. Ganze zwanzig Dollar besaßen unsere Mom und unser Kleiner. Und so kam der Junge auf die Idee, mit zwanzig Dollar sein Glück beim Spiel zu versuchen. Aaah, wenn wir nur zwei Wochen früher aus der Gefangenschaft der Yanks entlassen worden wären, nicht wahr?«
Sie nicken nach seinen Worten.
Denn es war wirklich so. Sie kamen zwei Wochen zu spät heim.
Da war die Ranch schon versteigert. Und ihre Mom lebte mit dem schwer angeschossenen Bruder in einer armseligen Hütte. Der Bruder hatte zwei Derringer-Kugeln in der Brust, die ihm kein erreichbarer Arzt herauszuholen wagte.
Das war die Situation damals.
Sie hatten etwas Geld bei sich, zusammen kaum fünfzig Dollar. Diese ließen sie bei Mom und Hank – und dann machten sie sich auf den Weg, um den Spieler zu finden, den Hank ihnen gut beschrieb.
Es war ein langer Weg von Texas, ein sehr, sehr langer Weg.
Doch der Spieler Jed Coffee hinterließ überall seine Zeichen. In fast jeder kleinen Stadt, wo eine Spielhalle war, erinnerte man sich an ihn. Und oft genug musste er diese kleinen Orte fluchtartig verlassen. Es war leicht, seine Fährte zu verfolgen.
Hier in Kansas City, nach fast fünfzehnhundert Meilen, holten sie ihn endlich ein.
Sie schweigen nach Jacks Worten eine Weile und werden sich ihrer Situation noch einmal bewusst.
Dann aber trifft Ben wie fast immer – denn er ist der älteste Chadwick – die Entscheidung. Er sagt: »Eine Ranch in Texas hilft unserem Kleinen wenig. Nur ein berühmter Doc kann ihm helfen. Mom muss eine beschwerliche Reise nach Osten organisieren. Sie braucht Helfer, einen besonderen Wagen – und Hank braucht viel Glück. Denn wenn sich die beiden Mistdinger von Kugeln auch verkapselt haben, so können sie doch zu wandern beginnen. Wenn sie nur nicht so dicht beim Herzen säßen. Also, wir kaufen keine Ranch. Mom und Hank leben in einer armseligen Hütte bei Fort Worth. Mom wäscht dort für die Soldaten der Besatzungstruppe. Wenigstens hat sie deshalb eine feste Adresse. Heute noch schicken wir ihr fünftausend Dollar. Damit kann sie Hank nach dem Osten bringen, zuerst mit einer Kutsche, dann mit der Eisenbahn oder auf einem Dampfboot den Ohio hinauf. Irgendwie wird sie es schaffen.«
»Und was machen wir?« Kirby fragt es fast böse und fügt hinzu: »Warum kehren wir nicht alle drei zu Mom und Hank zurück mit dem Geld?«
»Weil wir mehr Geld haben wollen, sehr viel mehr«, erwidert Ben Chadwick. »Weil wir aus unseren siebenhundert Dollar siebentausend machen wollen.«
»Und wie?«
Kirby und Jack fragen es zweistimmig.
Da sagt es ihnen Ben ganz ruhig: »Wir müssen nur an die zehntausend Büffel töten. Dann werden wir nach Abzug aller Unkosten siebentausend Dollar Reingewinn haben. Kapiert?«
Sie starren ihn ungläubig an. »Büffelkiller sollen wir werden?« Wieder fragen es Kirby und Jack zweistimmig. Doch das ist kein Wunder, sie sind Zwillinge, deren Denken und Fühlen fast immer in gleichen Bahnen verläuft.
Ben sieht sie fest an und nickt. »Warum nicht?« So fragt er zurück und fügt hinzu: »Während des Krieges mussten wir Menschen töten und wurden dafür belobigt und befördert. Nun aber haben wir es leichter. Wir müssen für Dollars nur an die zehntausend Büffel abschießen und ihnen die Häute abziehen. Es gibt genug Büffel, wahrscheinlich sogar zu viel. Farmer und Rinderzüchter werden das Land in Besitz nehmen. Man wird Eisenbahnen nach Westen bauen. Die Büffel sind im Weg. Sie sind zum Untergang verurteilt. Uns aber bringen sie blanke Dollars.«
Sie starren Ben an. Er ist ihr älterer Bruder. Und er brachte es in der Texas-Brigade bis zum Captain.
Nun aber werden sie sich bewusst, wie hart er wurde.
Aber wurden sie das nicht alle?
Jack schluckt ein wenig würgend und spricht dann langsam Wort für Wort: »Büffel töten und ihnen die Haut abziehen. Wir werden stinken wie diese Häutestapel an den Landebrücken und auf den Schiffen. Fett und Blut, faulende Kadaver, voll gefressene Wölfe, Coyoten und andere Aasvertilger – und Geier am Himmel. Es ist ja so leicht und einfach, aus großer Entfernung mit einem schweren Gewehr einen harmlosen Büffel zu töten, so kinderleicht, wenn man nur ein guter Schütze ist. Bruder, hast du keine bessere Idee? Muss es dieses blutige Abschlachten sein, das gewiss noch viel blutiger und erbärmlicher ist, als wir es uns jetzt vorstellen können?«
Er verstummt heftig, fast anklagend.
»Wir könnten auch Banditen werden«, sagt Ben und grinst die Brüder hartlippig an. »Oder uns darauf spezialisieren, andere Kartenhaie auszunehmen. Auch Geldtransporte der Yankees in Texas könnten wir überfallen. Wir brächten sehr schnell eine starke Bande zusammen. Na, was würde euch denn mehr liegen?«
In Bens Stimme ist bitterster Sarkasmus.
Jack und Kirby schweigen eine Weile. Dann fragt Kirby: »Wie hast du dir das Ganze denn gedacht, Ben?«
»Wir haben siebenhundert Dollar. Dafür kaufen wir drei Wagen mit Gespannen, Büffelgewehre, Munition und Ausrüstung. Dann nehmen wir einige Abhäuter unter Vertrag, denn wir können uns mit dem Abhäuten nicht aufhalten. Wir müssen Büffel töten, immer nur töten. Das Abhäuten, Trocknen und Stapeln, dies besorgen andere. Auch einen Koch werden wir brauchen. Wenn wir das alles zusammen haben, ziehen wir los auf die weite Prärie, wo Millionen Büffel auf uns warten. So einfach ist das, Jungs.«
Sie starren ihn an. Und sie wissen, was auf sie wartet dort draußen auf der weiten Prärie.
✰✰✰
Eine Woche später verlassen sie Kansas City und fahren nach Westen. Denn irgendwo dort im Westen zwischen dem Cimarron im Süden und dem Republican im Norden wandern die großen Herden über die Prärie.
Sie haben drei Wagen, von denen jeder von vier starken Maultieren gezogen wird. Zu diesen Wagen gehören drei Abhäuter und ein Koch.
Die Chadwick-Brüder reiten.
Der Koch fährt einen kleinen, nur zweirädrigen Wagen, der von einem Pferd gezogen wird und den man nicht als Häutewagen zählen kann, denn er befördert nur den Proviant und die Ausrüstung.
Hinter jedem der Wagen sind Reservetiere angebunden.
So ziehen sie also hinaus, so wie viele andere Büffeltöter-Mannschaften, sieben Mann auf der blutigen Jagd nach Dollars.
Die drei Abhäuter sind Halbblutmänner, schon ziemlich bejahrte, doch sehr zäh und erfahren wirkende Burschen.
Ben Chadwick holte sie aus dem Gefängnis und zahlte für sie die Strafen von je zwanzig Dollar, die sie wegen einer Schlägerei mit Soldaten erhalten hatten.
Der Koch ist ein riesiger Neger, wahrscheinlich ein ehemaliger Sklave, den sein Herr als Preiskämpfer ausbilden ließ, um ihn dann kämpfen zu lassen wie einen Hahn beim Hahnenkampf.
Sie legen am ersten Tag gut dreißig Meilen zurück, am zweiten vierzig und am dritten noch etwas mehr.
Sie verlassen am dritten Tag den Wagenweg, der nur aus Radfurchen und Hufspuren besteht und erreichen am vierten Tag eine große Büffelfährte, die sich wie ein viele Meilen breiter Acker nach Westen zieht.
Als sie den Rand der Fährte erreichen, halten sie an.
Einer der Abhäuter – er nennt sich Slade und kleidet sich wie ein Weißer, trägt sogar eine Melone – deutet auf die zerstampfte Prärie.
»Das war eine Stampede – vor vielen Tagen, wahrscheinlich sogar Wochen. Hier ist eine Riesenherde von mehreren Millionen Tieren nach Westen gedonnert. Hier hat die Erde gebebt. Und die Büffel wurden zu einem Element, das nicht aufzuhalten war. Ich denke, wir sollten weiter nach Norden und dann erst wieder nach Westen, auf jeden Fall aber erst über den Smoky Hill River, weil die Büffel dort drüben wahrscheinlich friedlich weiden.«
»Gut«, beschließt Ben Chadwick, »ziehen wir nach Norden bis auf die andere Seite des Smoky Hill River.«
Sie biegen also ab und überqueren die breite Fährte der Stampede. Sie ist vier Meilen breit. Die Prärie ist völlig zerstampft. Überall liegt Büffeldung, einziges Brennmaterial für die Camp- oder Kochfeuer.
Noch am selben Tag erreichen sie den Smoky Hill dicht oberhalb der Saline-River-Mündung und finden noch vor Sonnenuntergang eine Furt.
Drüben hockt ein Mann bei einigen Gräbern. Es sind frische Gräber. Der Mann aber hat sich einen blutgetränkten Fetzen um den Kopf gewickelt und sieht ihnen bewegungslos entgegen.
Als die drei Chadwicks zu ihm reiten, sehen sie, dass er auch am Bein verwundet wurde und sich wohl deshalb nicht erhoben hat.
Er sieht zu ihnen hoch und verzerrt sein stoppelbärtiges Gesicht zu einem Grinsen. »Hoiya, schön, dass ihr kommt«, krächzt er. »Nun wird es mir wohl bald etwas besser gehen – oder?«
»Was ist geschehen?« Ben Chadwick fragt es vom Sattel aus nieder.
Und der Mann am Boden erwidert trocken: »Häutediebe! Wir waren mit vier Wagen voller Häute unterwegs nach Kansas City. Die Häutediebe hielten auch mich für tot und ließen mich liegen. Aber außer der Kugel im Bein bekam ich nur einen Streifschuss am Kopf ab. Es war nicht einfach, meine drei Partner zu beerdigen. Ich hatte ja nur meine Hände.«
Als er die letzten Worte spricht, zeigt er ihnen seine Hände.
Und deren Finger sehen tatsächlich so aus, als hätte er mit ihnen den weichen Prärieboden unter der Grasnarbe ausgekratzt, um die Toten hineinlegen und wieder zudecken zu können.
Er muss ein harter Mann sein, dieser nicht mehr junge Bursche.
»Vielleicht kann ich von euch ein Pferd bekommen«, sagt er nun. »Dann könnte ich die Kerle vielleicht in Kansas City finden. Es sind immer einige Büffeljägermannschaften dort, die mich kennen. Man nennt mich Buffalo Mac. Sie alle würden mir helfen. Denn gegen Häutediebe und Mörder halten wir zusammen. Gebt ihr mir ein Pferd?«
»Sicher«, erwidert Ben Chadwick. »Und noch eine Menge mehr, Buffalo Mac. Oder hast du keinen Hunger, Bruder?«
»Und wie.« Der Alte grinst. »Und für eure Hilfe kann ich mich mit einigen guten Ratschlägen revanchieren. Ihr seid Texaner, nicht wahr, ehemalige texanische Rindermänner, die zu lange im Krieg waren und nun Dollars machen wollen? Aber das ist ein hartes Geschäft als Büffeljäger in diesem Land.«
Als er verstummt, sitzen die Brüder ab. Auch die Wagen rollen heran. Sie werden hier bei den Gräbern an der Smoky-Hill-Furt erst einmal ein Camp aufschlagen.
✰✰✰
Drei Tage später endlich erreichen sie die Südflanke der großen Herde, so wie es Buffalo Mac ihnen vorausgesagt hat.
Sie sehen Büffel, nichts als Büffel, die sich wie ein langsamer Strom bewegen, wie ein dicker, fast schwarzer Brei.
Wie vom Kamm einer erstarrten Meeresdünung blicken sie von einer leichten Bodenwelle aus über die Herde. Und bis zum Horizont im Norden können sie im Dunst nichts anderes sehen als Büffel.
Sie hören das Brummen, Schnaufen und Husten der Tiere, und die Herde kommt ihnen wie ein gewaltiger Klangkörper vor. Da und dort lagern die Tiere. Andere wandern umher und suchen nach den letzten Halmen Büffelgras.
»Mann, o Mann«, keucht Kirby. »Was sind dagegen schon unsere texanischen Longhorns! Das ist ja ungeheuerlich!«
Bevor einer der beiden anderen Brüder etwas erwidern kann, hören sie in der Ferne das Krachen von Gewehren.
Immer wieder kracht es donnernd.
Ben Chadwick sagt: »Sharpsbüchsen. Da ist eine ganze Mannschaft von Jägern an der Arbeit. Ich denke, wir sollten es ebenfalls probieren. Brüder, unsere Jagd beginnt jetzt!«
Er ruft die letzten Worte ungeduldig, drängend, fast wild, so als wäre er noch Captain in der Texas-Brigade und müsste seine Schwadron zum Angriff führen und das Kommando zum Losreiten geben.
Seine Brüder zögern noch. Sie blicken sich nach den Wagen um, von denen sie sich die schweren Büffelgewehre holen müssen mitsamt der Munition. Denn in ihren Sattelholstern führen sie nur Spencerkarabiner mit sich.
»Das wird eine verdammte Schlächterei«, murrt Kirby. »Aber wir haben ja wohl all unser Geld in die Sache investiert. Nun müssen wir es wohl machen.«
Die Wagen kommen nun ebenfalls heraufgefahren und halten neben ihnen.
Die Entfernung bis zum Südrand der Büffelherde beträgt etwa eine Drittelmeile. Blue Pete, einer der Abhäuter ruft begeistert: »Heute gibt es Arbeit! Ich wette, ihr könnt mehr als hundert Tiere abschießen, bevor die Herde hier an dieser Flanke auch nur ein wenig nervös wird!«
Er ruft es jubelnd. Die Chadwick-Brüder aber sehen sich noch einmal an.
»Na dann ...«, seufzt Kirby schließlich.
Sie übernehmen nun die schweren Sharpsgewehre. Sie haben ein Kaliber von 50 mm Durchmesser und wiegen an die vierzehn Pfund. Ihre Läufe sind achteckig. Man hat mit Stahl nicht gespart, damit man sie nicht so schnell heiß schießen kann.
Ben Chadwick nickt seinen Brüdern zu. »Ich denke, wir reiten bis auf etwa zweihundertfünfzig Yards heran und beziehen dann unsere Stellungen. Ihr habt gehört, dass man zuerst die Leittiere abschießen muss – und dann diejenigen Tiere, die nervös zu werden beginnen. Und jeder Schuss muss sofort töten. Angeschossene Tiere können eine Stampede auslösen. Also los, Brüder! Jetzt machen wir Dollars für unsere Ranch in Texas.«
Nach diesen Worten reitet er an, lässt sein Pferd ruhig traben.
Kirby und Jack folgen seinem Beispiel, jedoch streben sie von ihm nach rechts und links weg, sodass die Zwischenräume zu ihm bald mehr als fünfzig Yards betragen.
Als sie auf dreihundert Yards an die Herdenflanke herangekommen sind, lassen sie ihre Tiere in Schritt fallen und halten schließlich vor einer kleinen Bodenwelle an, die sich von Ost nach West meilenweit zieht und ihnen einen erhöhten Stand ermöglicht, sodass sie über die Herde blicken können.
Sie lassen ihre Pferde am südlichen Fuß der langen Bodenwelle stehen und gehen mit ihren Gewehren, den Munitionsgürteln und den Wasserflaschen zum Kamm hinauf.
Der Wind steht sehr günstig, denn er kommt von der Herde her, also von Norden zu ihnen. Sie können in diesem Wind die Herde riechen. Es ist ein starker, eigenartiger Geruch.
Es ist Ben Chadwick, der den ersten Schuss abgibt.
Auf dem Bauch liegend, das Gewehr mit dem Lauf auf eine Stütze gelegt, sucht er nach dem Leittier des Rudels vor ihnen. Als ihm ein großes Tier auffällt, das nicht so ruhig wirkt wie die anderen und zu ihm herüberwittert, so als ahnte es instinktiv die Gefahr, zielt er kurz und drückt ab.
Der Büffel – wahrscheinlich ist es eine Kuh – erhält einen Stoß, bleibt jedoch auf den Hufen und wirft den gehörnten Kopf hoch, so als wollte er sich aufbäumen.
Dann aber knicken dem Tier die Vorderbeine ein. Es kniet nieder und legt sich dann auf die Seite, streckt sich noch einmal und liegt still.
Indes Ben Chadwick nachlädt, beobachtet er die Herde.
Nichts verändert sich dort. Der Knall hat die Büffel nicht erschreckt. Rechts und links neben ihm beginnen nun seine Brüder zu schießen. Auch sie erzielen Volltreffer, sodass die getroffenen Tiere sofort zusammenbrechen, so als würden sie sich niederlegen, um zu ruhen und zu käuen. Heiliger Rauch, denkt Ben Chadwick, es ist ja fast so, als würde man kleine, unschuldige Kinder töten. O Himmel, was tun wir da?
Er hat seine Sharps nun wieder geladen, doch er zögert noch. Etwas sträubt sich in ihm, ein neues Ziel aufzunehmen, also ein weiteres unschuldiges Tier anzuvisieren. Es ist, als würde er sich jetzt erst über sein Tun so richtig klar.
Die Herde verhält sich immer noch ruhig. Es ist, als würden die Büffel das donnernde Krachen der Gewehre gar nicht wahrnehmen.
Die Büffel ruhen entweder am Boden oder stehen rudelweise beisammen, scheinen zu dösen.
Es ist ein schöner Frühsommertag. Nur allein die Büffelmücken, eine große Bremsenart, sind störend. In dichten Wolken schweben sie über der Herde und nicht wenige kommen sogar herüber zu den Jägern und deren Pferden.
Wenn die Büffelmücken nicht wären, würde alles noch friedlicher sein. Doch dieser Frieden wird nun von ihnen, den Büffeltötern, grausam gestört. Sie knallen ahnungslose Tiere ab. Ben Chadwick wird sich dieses Frevels deutlich bewusst.
Aber sie wollen Dollars machen, viele Dollars für eine Ranch. Ihrer Mom haben sie die Mittel verschafft, den Bruder zu den besten Ärzten schaffen zu können. Nun geht es darum, wieder eine Ranch in Texas besitzen zu können.
Ben Chadwick muss schlucken.
Er hört rechts und links von sich kein Krachen von Gewehren. Es ergeht seinen Brüdern wahrscheinlich in dieser Minute nicht anders als ihm. Auch sie wurden sich ihres Tuns jetzt erst so richtig bewusst.
Abermals muss er würgend schlucken.
Dann aber knirscht er einen bitteren Fluch.