1,99 €
Es ist eine eiskalte, tiefschwarze Nacht, als John Jennison aus den Bitter Roots kommt und die Lichter von Two Dance vor sich sieht. Auf einem Hügel verhält er und wittert über die Schulter zurück nach Norden. Jetzt kann er den Schneegeruch deutlich spüren. Ja, hinter ihm brauen sich die Schneestürme zusammen. Er reitet wieder an und zieht die beide Packtiere hinter sich her. Sie sind schwer beladen, denn John Jennison bringt die letzte Post vor dem Winter nach Two Dance.
Ja, er hat wieder einmal Glück gehabt, das Glück des Tüchtigen, muss man wohl sagen. Denn bald schon wird der erste Blizzard losbrechen, die Stadt wird im Schnee versinken und für Monate von der Außenwelt abgeschnitten sein.
John freut sich auf die Winterpause, und vor allem freut er sich darauf, sich endlich wieder einmal so richtig ausschlafen zu können.
Noch ahnt er nichts davon, dass alles anders kommen wird - ganz anders. Noch glaubt er nämlich, der Hölle gerade entkommen zu sein, dabei wartet sie erst noch auf ihn ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Blizzard-John
Vorschau
Impressum
Blizzard-John
Es ist eine eiskalte, tiefschwarze Nacht, als John Jennison aus den Bitter Roots kommt und die Lichter von Two Dance vor sich sieht. Auf einem Hügel verhält er und wittert über die Schulter zurück nach Norden. Jetzt kann er den Schneegeruch deutlich spüren. Ja, hinter ihm brauen sich die Schneestürme zusammen. Er reitet wieder an und zieht die beide Packtiere hinter sich her. Sie sind schwer beladen, denn John Jennison bringt die letzte Post vor dem Winter nach Two Dance.
Ja, er hat wieder einmal Glück gehabt, das Glück des Tüchtigen, muss man wohl sagen. Denn bald schon wird der erste Blizzard losbrechen, die Stadt wird im Schnee versinken und für Monate von der Außenwelt abgeschnitten sein.
John freut sich auf die Winterpause, und vor allem freut er sich darauf, sich endlich wieder einmal so richtig ausschlafen zu können.
Noch ahnt er nichts davon, dass alles anders kommen wird – ganz anders. Noch glaubt er nämlich, der Hölle gerade entkommen zu sein, dabei wartet sie erst noch auf ihn ...
John Jennison ist sofort wach, als jemand ihn an der Schulter rüttelt. Er greift auch automatisch neben sich.
Denn dort liegt sein Colt.
Aber dann erkennt er seinen Besuch und staunt.
Denn bei ihm am Lager sitzt eine dicke Frau, eingehüllt in einen Pelz. Auch ihr schönes Gesicht wird von edlem Pelz eingerahmt. John Jennison kennt dieses Gesicht gut. Deshalb weiß er, dass zu diesem schönen Gesicht ein unförmiger Körper gehört.
Er fragt: »May, warum hast du mich aus meinem schönen Traum geweckt?«
Indes er es fragt, hört er draußen das Orgeln des Blizzards und wird sich darüber klar, dass sich die dicke May Mayflower trotz des Blizzards bis hierher durch Eis und Schnee gewühlt hat, was für sie eine gewaltige Anstrengung gewesen sein muss.
Er setzt sich auf in seinem neuen, sauberen roten Unterzeug und zieht sich sofort die Decken bis unters Kinn hoch. Es ist eisig kalt im Raum. Der Ofen ging längst aus.
»Ich mache wieder das Feuer im Ofen an«, spricht May Mayflower kehlig. »Und dann reden wir. Ich habe zu spät erfahren, dass du wieder in Two Dance bist. Erst als ich die Post bekam, da wurde es bei uns im Mayflower House bekannt.«
Sie erhebt sich nach diesen Worten vom Rand seines Lagers und beginnt am Kanonenofen zu hantieren, räumt die Asche heraus, füllt ihn mit Spänen und Anmachholz und zündet es an.
Es beginnt sofort zu prasseln, sodass sie mit Scheiten nachfüllen kann.
Sie setzt sich nun an den Tisch und öffnet ihren Pelzmantel, streckt die dicken Beine mit den Fellstiefeln von sich. Wie ein mächtiger Kloß hockt sie da auf dem Stuhl. Gewiss wiegt sie mehr als dreihundert Pfund, doch ihr Gesicht – nein der ganze Kopf – sind wunderschön. Mit einem anderen Körper könnte sie eine der schönsten Frauen der Welt sein.
Sie spricht plötzlich hart: »Du musst Bad Bud O'Nally töten, dieses verdammte Tier, du musst ihn töten und uns Dee Boston zurückbringen. Er hat sie geraubt, und vorher hat er Rosy erschlagen mit einem einzigen Faustschlag. Er ist ein Tier. Auch meinen Geldschrank hat er ausgeräumt. Also, mein Freund, komm hoch und folge ihm. Bring ihn um, so wie er eines meiner Mädchen umbrachte.«
Die kehlige Stimme der Dicken wird immer härter und schneidender. Als sie geendet hat, greift sie in die Tasche ihres kostbaren Pelzmantels und holt einen Packen Geld hervor.
»Die Mädchen haben gesammelt«, spricht sie etwas ruhiger. »Von ihrem Ersparten haben sie dreitausend Dollar zusammengebracht. Sie gehören dir, wenn du ihn umbringst und Dee zurückholen kannst. Du musst es tun, Blizzard-John. Wir alle wissen, du kannst es. Denn du bist der einzige Mensch von allen hier, der einen Blizzard besiegen kann. Also, mein Freund ...«
Sie verstummt hart. Dann wirft sie noch mal einige Holzscheite in den Ofen, der nun zu bollern beginnt.
John sitzt immer noch bewegungslos da und will es nicht glauben.
Verdammt, sie wollen ihn mit einer Prämie von dreitausend Dollar hinausjagen in den Blizzard. Er soll in diesem Blizzard ein menschliches Ungeheuer finden, es töten und ihm ein entführtes Mädchen abnehmen.
Das ist fast unmöglich – nein, nicht nur fast, es ist völlig unmöglich.
»Du und deine Katzen, ihr seid ja verrückt«, hört er sich sagen. »May, du bist total verrückt.«
»Und du bist mir etwas schuldig«, spricht sie da noch härter. Nun ist ihre Stimme nicht mehr kehlig, sondern klirrt metallisch.
John Jennison zuckt zusammen bei ihren harten Worten.
Ja, so ist es wohl. Er ist ihr etwas schuldig. Wahrscheinlich verdankt er ihr und ihren Mädchen sein Leben. Vor zwei Jahren nahmen ihn die drei Lonnegan-Brüder ins Kreuzfeuer und füllten ihn voll Blei. Er tötete sie zwar, angeschossen wie er war, Mann für Mann. Doch dann fiel er in bodenlose Tiefen und begriff erst Tage später, dass sie ihn im Mayflower House die Kugeln herausgeholt und gesund gepflegt hatten.
Ja, er ist May und deren Mädchen etwas schuldig.
»Ist das fair?«, fragt er böse.
Da nickt sie heftig. »Ja, es ist fair. Oder bist du der Meinung, dass Huren niemals fair sein können?«
Er schüttelt den Kopf. »Nur wer das Herz einer Hure hat, ist eine«, murrt er. »Aber als ihr mich zu euch ins Haus holtet, um mein Leben zu retten, da hattet ihr das Herz eines Samariters. Doch jetzt schickt ihr mich in den Tod.«
»Tot hättest du schon vor zwei Jahren sein können«, spricht sie abermals klirrend hart.
Da schweigt er eine Weile.
Irgendwie sieht es lächerlich aus, wie er da in seinem Unterzeug und mit der Decke nur noch halb bedeckt auf seinem Lager hockt. Und dennoch geht von ihm eine männliche Härte aus. Es ist keine böse Härte, nein, so ist es nicht. Aber wer ihn ansieht, der spürt, dass er einer von jener seltenen Sorte ist, die besondere Leistungen vollbringen kann.
May Mayflower wartet schweigend. Der Kanonenofen beginnt an einigen Stellen zu glühen, so sehr bollern in ihm die Flammen.
Doch die Dicke entledigt sich nicht ihres Pelzmantels. Sie wartet bewegungslos. Ihre grünen Katzenaugen starren ihn an, zwingend, fordernd.
»O verdammt«, knurrt er endlich. »Ich will das Geld der Mädchen nicht. Aber ich brauche tausend Dollar, um Blue Pete den Schlitten mitsamt den Hunden abkaufen zu können. Ich kann nicht auf einem Pferd gegen einen Blizzard anreiten. Ich muss den Schlitten mit den Hunden haben – und eine Menge Proviant und Futter außer der Ausrüstung. Ich will keine Kopfprämie, aber ich brauche dennoch etwas Geld, fast die Hälfte.«
»In Ordnung«, spricht May Mayflower. »Dann komm endlich in Gang, Blizzard-John. Hoch mit dir!«
Ja, sie ist erbarmungslos, wenn es darauf ankommt.
Und so erhebt er sich endlich, verharrt neben seinem Lager einen Moment in seinem Unterzeug und dehnt dann seinen prächtigen, hageren und zähen Körper.
Auch die Dicke erhebt sich.
»Diese Dee Boston ...«, beginnt sie. »Dieses Mädchen ist eine Neue. Sie kam vor einigen Tagen hier an, aus Last Chance City, wie sie sagte. Sie hatte keinen einzigen Dollar mehr und wusste, dass sie hier würde überwintern müssen. Da kam sie zu mir ins Mayflower House. Sie wollte überleben, nichts anderes.«
Er weiß, was ihre Worte zu bedeuten hatten.
Diese Dee Boston ist offenbar keine Hure gewesen, war aber dann bereit, eine zu werden, um in der harten Welt hier überleben zu können. Und offenbar hat sie sich in den wenigen Tagen das Mitgefühl von May und deren Mädchen erworben, aus welchen Gründen auch immer.
Deshalb wollten sie nicht nur Rache für jene, die Bad Bud O'Nally erschlug, sondern auch die Rettung der anderen »Schwester«.
Er fragt, indes er sich anzukleiden beginnt: »Warum hat O'Nally Rosy erschlagen?«
»Weil sie sich ihm in den Weg stellte, als er Dee mitnehmen wollte. Da fegte er sie mit einem Faustschlag an den Kopf aus dem Weg. Sie war sofort tot. Er ist ein Untier. Töte ihn!«
May Mayflower geht nun hinaus. Als sie die Tür öffnet, fegt der Blizzard eine Menge Schnee herein, auch Eiseskälte. Dann hilft er May Mayflower, die Tür zuzuschlagen.
John Jennison verharrt wieder. Ja, er zögert. Er blickt sogar auf das Lager, so als wollte er sich im nächsten Augenblick wieder hinlegen, da ja die Dicke nun nicht mehr hier ist. Doch dann flucht er nur wild, ganz so wie ein Mann, der sich in einer Falle fühlt.
»Ich muss es wohl tun«, grollt er schließlich. »Weil ich in ihrer Schuld bin, muss ich es wohl zumindest versuchen. Oha, warum bin ich eigentlich kein Dreckskerl? Die haben es oft besser auf unserer Erde. Die nehmen nur immer und bezahlen nie ihre Schulden. Warum gehöre ich zu jener Sorte, die ihre Selbstachtung nicht verlieren möchte?«
Aber es ist niemand da, der ihm eine Antwort geben könnte.
✰✰✰
Blue Pete, ein halber Nez Percé, hat es sich bequem gemacht in seinem Blockhaus am Rand von Two Dance.
Er liegt mit seiner Arapahoe-Squaw unter dem Bärenfell, die er sich im vergangenen Sommer von ihrer Sippe gekauft hat. Er zahlte zwei Gewehre, drei Fässchen Handelswhisky, zwei Säckchen Zucker und ein Pfund Tabak dafür.
Dafür hält ihn Kanaskabeere, wie die Schöne heißt, angenehm warm und erfüllt ihm alle Wünsche.
Als John Jennison in die Hütte eindringt, Schnee und Kälte mit sich bringend, da zielt Blue Pete mit dem Colt auf ihn, während er sich auf dem breiten Lager neben seiner Squaw aufrichtet.
»Fast hätte ich dich erschossen, John«, grollt er. »Hast du denn gar kein Benehmen, verdammt? Wie konntest du überhaupt den Querbalken aus den Halterungen bekommen?«
»Mit dem Messer«, erwidert John Jennison. »Die Spalten sind zu groß. He, Pete, ich bin gekommen, um mit dir ein Geschäft zu machen. Tausend Dollar für den Schlitten und die sieben Hunde. Gut so?«
Im Halbdunkel legt Blue Pete den Revolver neben sich.
»Bist du verrückt?« So fragt er ernsthaft. »Ich verkaufe meine Hunde nicht. Sie sind meine Kinder. Es sind gute Hunde, besser als Menschen, verstehst du?«
»Deshalb will ich sie ja auch haben«, erwidert John Jennison. »Weißt du, ich muss eine Schuld bezahlen. Dieser Bad Bud O'Nally ...«
Er berichtet Blue Pete alles, was geschehen ist, und schließt mit den Worten: »Also verlangt die dicke May, dass ich meine Schuld bei ihr und ihren Mädchen bezahle. Und weil das so ist, muss ich auch deine Schuld, die du mir gegenüber hast, endlich eintreiben. Tut mir leid, Pete. Aber ich verspreche dir, dass ich mir Mühe geben will, dir die Hunde heil zurückzubringen.«
Pete sitzt nach diesen Worten eine Weile schweigend aufrecht auf dem breiten Lager. Die recht hübsche Squaw Kanaskabeere neben ihm bewegt sich ebenfalls nicht. Nur ihre Augen leuchten grün wie die einer Raubkatze im Halbdunkel.
Blue Pete lacht plötzlich. Es ist ein grimmiges und fast böses Lachen.
»Siehst du, meine schöne Katze«, spricht er zu ihr nieder, »irgendwann muss jeder Mensch mal seine Schulden begleichen. Was meinst du, Rotbeere?«
Er nennt sie stets Rotbeere, denn Kanaskabeeren, dies sind rote Perlen. Die Büsche haben im Indianersommer auch rotes Laub. Creeks, an denen sie wachsen, sind dann rot gesäumt und bieten ein prächtiges Bild. Mit dem roten Saft färben die Indianer ihre wunderschönen Lederarbeiten.
Rotbeere setzt sich nun ebenfalls auf, und da sie die Bärenfelldecke nicht mehr bis unter das Kinn hält, da sieht John Jennison ihren nackten Oberkörper. Ihre Brüste sind jung, fest und vollendet.
Sie sagt in englischer Sprache, die sie gewiss einst in einer Missionsschule lernte: »Er ist ein großer Krieger. Und auch du, Pete, bist ein großer Krieger. Alle großen Krieger begleichen ihre Schuld irgendwann.«
Da erhebt sich Blue Pete leise fluchend vom Lager. Auch er ist nackt. Rotbeere und das Bärenfell müssen ihn sehr gewärmt haben. Er beginnt sich leise fluchend anzukleiden.
Dann gleiten sie beide hinaus in den tobenden Blizzard und haben Mühe, die Tür hinter sich zu schließen. Nach wenigen Schritten gegen den heulenden Winterriesen erreichen sie den Stall, in dem sich die Hunde und der Schlitten befinden. Es ist dunkel, aber als sie die Laterne angezündet haben, sehen sie die Hunde.
Sie haben sich erhoben und wittern zu den beiden Männern hoch, beginnen leise zu winseln.
Und einer, der ein Stück abseits steht, lässt aus der Kehle ein leises Grollen hören, welches wie eine Warnung klingt.
Aber John Jennison, der den Leithund von Blue Petes Schlittenhunden kennt, sagt nur kurz: »Komm her, Beißer, komm her zu mir!«
Es ist ein ruhiger Klang in Jennisons Stimme, und die anderen sechs Hunde winseln nun nicht mehr unruhig. Nun sind sie still und wirken wachsam lauernd.
Beißer aber knurrt nun noch stärker. Er zögert noch. Einen kurzen Moment lang wittert er zu Blue Pete hin, aber dieser verhält sich völlig neutral, sagt nichts, bewegt sich auch nicht. Und dennoch sieht man ihm an, dass er die ganze Sache mit innerlicher Teilnahme beobachtet.
»Komm her!« Noch einmal sagt es Jennison, doch nicht lauter, eher leiser, aber dennoch härter.
Sie alle wissen, dass jetzt hier im großen Hundestall eine Machtprobe stattfindet – ja, auch die sechs anderen Hunde wissen das instinktiv.
Beißer ist der Leithund, der sie alle beherrscht und dem sie dienen. Aber über dem Leithund steht immer der Musher, also der Mensch, dem sie alle dienen. Ein Musher, der vom Leithund nicht anerkannt wird, ist unterwegs verloren. Und ein Leithund, der von seinem Musher bestraft wird, der hat auch bei dem Gespann jeden Respekt verloren.
Das ist jetzt das Problem.
Wenn Beißer nicht kommt und Jennison ihn deshalb bestraft, dann ist Beißer nicht mehr der Leithund, dann wird sich das Rudel nicht mehr von ihm beherrschen und antreiben lassen.
John Jennison darf ihn also nicht bestrafen. Er muss ihn mit seinem ganzen Willen auf seine Seite bekommen.
Sie starren sich in die Augen – der Mann und der Hund. Und Beißers Grollen ist immer noch in seiner Kehle. Dennoch zwingt ihn jetzt Jennisons Wille, denn er duckt sich leicht und gleitet näher. Fast sieht es so aus, als wollte er dem großen Mann von unten herauf an die Kehle springen. Ja, er kämpft immer noch gegen den Zwang an, der von diesem Menschen ausgeht und in ihn eindringt.
Aber dann gibt Beißer endlich auf und setzt sich, um besser zum Mann aufsehen zu können. Nun grollt es nicht mehr aus seiner Kehle. Er wittert zu Jennison hinauf und lässt ein leises Winseln hören, so als wollte er sagen: »Was willst du von mir? Ich bin hier und warte auf deine Befehle. Ich ordne mich unter.«
John Jennison legt ihm die Hand auf den Kopf. Dann hält er ihm den Handrücken unter die Nase.
Einen Moment zögert Beißer, doch dann leckt er die Hand, nimmt dabei auch Witterung. Abermals legt Jennison seine Hand auf den Kopf von Beißer und spricht dabei zu ihm nieder: »Ich weiß, du bist ein stolzer Bursche, der Boss dieses Rudels. Ich werde dich achten, solange du mir dienst. Denn wir beide müssen zusammenhalten. Sonst sind wir verloren.«
Wieder lässt Beißer ein Winseln hören. Nein, es ist kein unterwürfiges Winseln, welches um Gnade bittet, nein, es ist ein Winseln, welches Treue verspricht.
Die Spannung im großen Stall ist verschwunden.
Blue Pete räuspert sich und murmelt: »Nun gut, das wäre geklärt. Suchen wir die Ausrüstung zusammen. Gib den Hunden nur jeden Tag einen Trockenfisch, denn es sind ziemlich große Fische. Und wenn du mir meine Hunde nicht zurückbringen solltest, dann wirst diesmal du in meiner Schuld sein.«
John Jennison zuckt mit den Schultern. »Tut mir leid, dass ich dich an deine Schuld erinnern musste, Pete. Aber ich brauche die Hunde und den Schlitten. Hier sind auch die tausend Dollar.«
Aber Blue Pete schüttelt den Kopf.
»Du zahlst nur für die Ausrüstung«, spricht er kehlig. »Als du damals den Grizzly erschossen hast, der mich schon unter sich liegen hatte, hast du dir das Recht auf die Hunde und den Schlitten erworben. Viel Glück, wenn du diesen Bad Bud O'Nally finden solltest. Wenn er dich töten kann, wird er wahrscheinlich meine Hunde braten und auffressen. Das bringt der fertig. Oh, verdammt!«
✰✰✰
Es ist eine gute Stunde später, als John Jennison mit sieben Hunden und dem Schlitten in tiefster Nacht den Kampf gegen den brüllenden Eisblizzard aufnimmt.
Die ersten Minuten sind erbarmungslos. Denn sie kämpfen von Anfang an gegen den Eishagel, den eiskalten Wind und den starken Schneefall.
Noch liegt der Schnee nicht so hoch, dass der Mann dem Gespann mit den Schneetretern die Spur treten muss. Unter dem Schnee liegt der Eishagel wie eine Schicht Kiesel. Es ist ein Kampf bei jedem Schritt. Und eine halbe Meile weiter beginnt das Gelände anzusteigen zu den gewaltigen Bitter Roots hinauf.
John Jennison kennt das Ziel ziemlich genau. Er kann sich da kaum irren.
Denn jener Bad Bud O'Nally, der auf seinem Pferd gegen den Blizzard anritt und noch ein zweites Pferd mit der Entführten mit sich ziehen musste, wird sich weiter oben in den Bergen einen sicheren Unterschlupf gesucht haben, denn er kennt das Land so gut wie die Linien in seiner Hand.
Es gibt da weiter oben in den Canyons und Schluchten einige Höhlen, die sogenannten Bitter Roots Cavern. In manchen halten die Bären ihren Winterschlaf, in anderen, größeren suchten schon oft Menschen Schutz vor der Erbarmungslosigkeit entfesselter Elemente.
In einer dieser größeren Höhlen wird Bad Bud O'Nally mit seiner Gefangenen den Blizzard aussitzen und es sich so gemütlich wie nur möglich machen. O'Nally ist ein erfahrener Jäger und Bergläufer.
Jennison verspürt immer wieder ein Gefühl des Mitleids, wenn er an O'Nallys Gefangene denkt. Dee Boston soll sie heißen. Und aus Last Chance City in der Last Chance Gulch soll sie nach Two Dance herübergekommen sein. Wahrscheinlich befand sie sich auf der Flucht. Und weil sie nicht mehr weiter konnte, suchte sie sich Arbeit und Unterkommen bei May Mayflower in deren Hurenhaus.
John Jennison denkt auch manchmal an jene Rosy, die Bad Bud O'Nally mit einem einzigen Fausthieb erschlagen hat, nur weil sie sich ihm in den Weg stellte.
Was für ein menschliches Untier muss dieser Bad Bud O'Nally doch geworden sein. Schlimm war er schon immer. Doch nun ist er völlig ausgerastet.
Indes ihm diese Gedanken durch den Kopf gehen, kämpft er sich an der Spitze der Hunde Schritt für Schritt weiter, stemmt sich gegen den eisigen, brüllenden und heulenden Blizzard.