G. F. Unger Western-Bestseller 2645 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2645 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Lange Jahre musste Dwight Aberdeen nach ihm suchen. Nach Britt Hackett, dem Mann, der mit der wilden Horde alles raubte oder zerstörte, was Dwight Aberdeen im südlichen Texas gehörte. Damals, als Captain Aberdeen noch mit seinem Kommando gegen die Armee der Nordstaaten kämpfte.
Nun aber hat er ihn aufgespürt.
Britt Hackett lebt in Rivertown. Genauer gesagt: Britt Hackett ist der Boss von Rivertown und dem ganzen Land ringsum.
Jetzt kommt Dwight Aberdeen, der Mann aus dem Süden, nach Rivertown, um sich zu rächen - um den Mann zu vernichten, der ihm alles nahm.
Ein Mann aus dem Süden kommt, um Britt Hackett zu erschießen!


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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Der Mann aus dem Süden

Vorschau

Impressum

Der Mann aus dem Süden

Lange Jahre musste Dwight Aberdeen nach ihm suchen. Nach Britt Hackett, dem Mann, der mit der wilden Horde alles raubte oder zerstörte, was Dwight Aberdeen im südlichen Texas gehörte. Damals, als Captain Aberdeen noch mit seinem Kommando gegen die Armee der Nordstaaten kämpfte.

Nun aber hat er ihn aufgespürt.

Britt Hackett lebt in Rivertown. Genauer gesagt: Britt Hackett ist der Boss von Rivertown und dem ganzen Land ringsum.

Jetzt kommt Dwight Aberdeen, der Mann aus dem Süden, nach Rivertown, um sich zu rächen – um den Mann zu vernichten, der ihm alles nahm.

Ein Mann aus dem Süden kommt, um Britt Hackett zu erschießen!

Die kleine Herde von kaum fünfzig Tieren bricht aus den Hügeln hervor. Wenn diese Rinder nicht aufgehalten werden, dann stürzen sie in ihrer blinden Dummheit und Gier nach Wasser über den Rand des Steilufers in den Fluss und sind sicherlich verloren.

Dwight Aberdeen braucht keine drei Sekunden, um sich darüber klar zu werden. Er zieht sein Gewehr aus dem Scabbard, entsichert es und lädt durch.

Dann beginnt er zu schießen. Und schon nach dem ersten Schuss überschlägt sich der wilde Stier an der Spitze des Rudels und kracht schwer auf dem Boden auf. Einige Kühe stürzen über ihn und bilden bald darauf ein wildes Durcheinander. Das ganze Rinderrudel löst sich etwas auf.

Dwight Aberdeen stößt nun wilde Schreie aus. Er reitet auf die Rinder zu und schießt immer wieder.

Es gelingt ihm, sie erst einmal aufzuhalten. Aber sie wirken nicht lange unentschlossen. Sie sind staubig und sehr durstig. Sie wittern das Wasser, und sie begreifen nun auch, dass nur ein einziger Reiter zwischen ihnen und dem Wasser ist.

Bald darauf versuchen sie es wieder, und nun kommen sie nicht mehr als dicht geschlossenes Rudel, sondern lösen sich zu einer breiten Kette auf, die sich jedoch sehr schnell formiert hat.

Dwight Aberdeen schießt seine Kugeln dicht vor ihnen in den Boden. Er stößt immer wieder scharfe und gellende Schreie aus. Als sein Gewehr leer ist, erscheint wie durch Zauberei ein Colt in seiner Hand. Nun ist er entschlossen, noch einige Tiere zu töten. Er glaubt, dass er sie sonst nicht vom Steilufer fernhalten kann.

Doch dann bekommt er plötzlich Hilfe. Einige Reiter fegen auf der Fährte der Rinder heran. Sie biegen rechts und links aus, umreiten die Rinder und vereinen sich mit Dwight Aberdeen. Sie bilden eine zweite Front, bekommen die Rinder bald unter Kontrolle und drängen sie zurück auf den Weg, den sie mit ihrem Stier gekommen waren.

Nur der tote Stier bleibt zurück. Zwei Reiter ebenfalls. Einer dieser beiden Reiter ist eine Frau. Dwight Aberdeen erkennt es erst jetzt, denn diese Frau ist wie ein Mann gekleidet, trägt Hosen und sitzt wie ein Mann im Sattel. Sie trägt auch einen Waffengurt mit einem Revolver im Holster, hat ein Lasso am Sattelhorn und eine Bullpeitsche am Handgelenk baumeln.

»Puh!«, macht sie erleichtert. »Das war haarscharf und knapp! Diese gehörnten Dummköpfe wären in den Fluss gestürzt!«

Sie schiebt ihren Hut nach hinten, sodass er, von der Windschnur gehalten, auf ihrem Rücken hängt. Ihr Haar ist dicht und so gelb wie reifer Weizen. Sie hat ein eigenwilliges Gesicht mit einer kleinen Nase, hohen Wangenknochen und einem etwas zu breiten Mund. Doch die Lippen sind voll und haben jenen Schwung, den ein Mann gern hat.

Sie ist schlank und für eine Frau ziemlich groß. Sie sitzt geschmeidig im Sattel, und die Männerkleidung kann ihre Formen nicht ganz verbergen. Dwight Aberdeen schätzt sie auf etwa dreißig Jahre. Er blickt in ihre blauen Augen und greift an seine Hutkrempe.

»Ich konnte nicht lange überlegen«, sagt er. »Hoffentlich war es nicht falsch, dass ich den Stier tötete. Doch ich erkannte keine andere Chance, um die Rinder aufzuhalten.«

Er spricht mit einer dunklen und sehr ruhigen Stimme. An seiner Sprechweise erkennt man den Mann aus den Südstaaten. Er ist dunkelhaarig, sehr breit in den Schultern, langbeinig und groß. Er sitzt auf einem großen Rappen, der seine hundertneunzig Pfund einen langen Tag zu tragen vermag. Er ist kein hübscher Mann, denn in seinem etwas unregelmäßigen Gesicht sind harte Linien. Der Blick seiner grauen Augen ist sehr fest, beharrlich und prüfend. Ja, er wirkt wie ein harter Mann. Doch es geht keine böse Härte, sondern nur Stärke von ihm aus, Selbstbewusstsein und Männlichkeit.

Die blonde Reiterin lächelt ihn an und schüttelt den Kopf.

»Ein toter Stier ist das kleinere Übel«, sagt sie. »Ich hätte alle Rinder verloren. Danke, Mister.«

»Yeah«, sagt ihr Begleiter, »Sie haben diese verrückten Biester auf die einzig mögliche Art aufgehalten.«

Dwight Aberdeen betrachtet den Mann. Dieser ist groß, sehnig, blond und hart. So sehen Vormänner aus, die auf großen Rinderranches hartbeinige Mannschaften leiten und fest unter Kontrolle halten. Mit solchen Männern hat Dwight Aberdeen überall an den Spieltischen gesessen, in Dodge City, Abilene und Hays City.

Der Mann betrachtet ihn fest und prüfend. Und dann fragt er auch schon: »Sie sind fremd hier im Land? Sie kommen aus dem Süden? Geschäfte hier? Oder ...?«

»Mein Name ist Aberdeen, Dwight Jeffrey Aberdeen«, murmelt dieser ruhig. »Yeah, vielleicht mache ich einige Geschäfte hier.«

Er greift an die Hutkrempe, verbeugt sich leicht im Sattel vor der Frau und will seinen Weg fortsetzen.

Aber diese hält ihn mit einer leichten Handbewegung auf.

»Wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet«, sagt sie. »Ich bin June Ferris und leite die F-im-Viereck-Ranch. Dies ist mein Vormann Bill Hillderee. Mister Aberdeen, wenn Sie mal in die Nähe der F-im-Viereck kommen sollten, dann reiten Sie nicht vorbei.«

Dwight Aberdeen nickt. »Vielleicht«, sagt er sanft. Er blickt zu den Hügeln hinüber. »Das Land ist wohl sehr trocken dort? Laufen oft Rinder zum Fluss?«

»Yeah, und dabei wäre dies hier eine prächtige Weide. Nur Wasser müsste man aus dem Fluss nach oben schaffen können.«

»Das müsste man«, stimmt Dwight Aberdeen ihr zu.

»Aber es geht nicht«, sagt der Vormann nun scharf. »Der Fluss hat sich zu tief in den Boden gefressen. Niemand kann genügend Wasser für zehntausend Rinder aus dem Fluss nach oben bringen. Wenn es jemand schaffen könnte, hätte er Weide für zehntausend Rinder. So aber ist das Land wertlos.«

»Und wem gehört dieses wertlose Land?«

»Mir«, sagt June Ferris. »Aber ich halte unsere Rinder jenseits der Hügel. Wir haben alle Passagen durch die Hügel abgesperrt. Doch in der letzten Nacht hat jemand einen der Zäune niedergerissen. Deshalb konnte die kleine Herde auf diese Seite kommen. Und als die Tiere den Fluss witterten, begannen sie zu laufen.«

»Sie haben Feinde?«, fragt Dwight Aberdeen ruhig.

June Ferris blickt ihn fest an. »Es geht Sie nichts an, Fremder«, sagt sie plötzlich herb. Und dann reitet sie ohne ein weiteres Wort davon.

Ihr Vormann bleibt noch einige Sekunden zurück und betrachtet und studiert Dwight Aberdeen immer noch.

»Ich werde aus Ihnen nicht richtig schlau, Aberdeen«, sagt er plötzlich. »Sie sind kein Rindermann. Das erkenne ich. Sie kommen aus dem Süden und wirken ziemlich hart. Wollen Sie vielleicht zu Britt Hackett? Braucht Hackett noch mehr Revolvermänner?«

»Das geht Sie nichts an, Hillderee«, erwidert nun auch Dwight und reitet davon.

✰✰✰

Dwight Aberdeen reitet weiter am Fluss entlang. Manchmal hält er inne und betrachtet alles, was er sieht, genau und sorgfältig. Ja, dieses Flusstal ist knochentrocken. Die Hügel sind braun, denn das Gras ist von der Sonne verbrannt.

Und doch gibt es Wasser genug. Der Fluss rauscht und plätschert. Sein Bett hat sich zu tief in den Boden eingefressen. Das Wasser ist für alle Dinge hier oben unerreichbar. Der Grundwasserspiegel in diesem Land liegt zu tief.

Dwight Aberdeen hält an einer Stelle der staubigen Wagenstraße an und späht hinüber zum anderen Ufer. Die Steilufer des Flusses treten hier besonders eng zusammen. Man könne ohne viel Anstrengung einen Stein auf die andere Seite werfen. Sogar ein kleiner Junge könnte das vollbringen.

Dwight Aberdeen blickt lange hinüber. Dann sitzt er ab und tritt dicht an den Rand des Steilufers. Er schaut eine Weile hinunter, und es sieht so aus, als prüfte und rechnete er sorgfältig.

»Diese Dummköpfe«, sagt er schließlich, kehrt zu seinem Pferd zurück, sitzt auf und reitet weiter.

Wenig später holt er einen Frachtwagenzug ein. Er biegt weit aus, um nicht im Staub reiten zu müssen, überholt einen Wagen nach dem anderen und kehrt erst in Höhe des ersten Wagens wieder zur Wagenstraße zurück.

Der Fahrer und sein Gehilfe blicken ernst auf den Reiter nieder. Dwight Aberdeen nickt ihnen zu.

»Ist es noch weit bis Rivertown?«, fragt er.

»Noch fünfzehn Meilen«, sagt der Frachtfuhrmann. »Dieser verdammte Fluss konnte sich dort keine tiefe Rinne graben. Die Furt ist gut. Aber es ist ein Umweg von mehr als dreißig Meilen, denn wir müssen drüben den ganzen Weg wieder zurück. Der Pass über die Berge liegt dort!«

Er deutet nach Westen, und Dwight kann die Kerbe des Westpasses gut erkennen. Ja, er begreift, dass jeder Verkehr nach dem Westen einen Umweg von mehr als dreißig Meilen machen muss.

Dwight nickt den Männern noch einmal zu und reitet weiter. Sein Pferd trottet leicht wie ein Wolf. Der Wagenzug bleibt zurück.

Der Tag geht schon seinem Ende zu, als Dwight Aberdeen die Stadt zu Gesicht bekommt. Über den Bergen im Westen liegt noch das letzte Glühen der Sonne. In der Stadt werden die ersten Lampen angezündet.

Dwight Aberdeen hat das Ende eines langen Rittes erreicht. Für ihn ist die Stadt dort drüben das Ende einer langen Fährte.

Denn in Rivertown lebt der Mann Britt Hackett. Und er lebt nicht nur dort wie ein normaler Mann, nein, Britt Hacket soll dort der größte, mächtigste und einflussreichste Mann sein. Genauer gesagt: Britt Hackett ist der Boss von Rivertown und des ganzen Landes. Das weiß Dwight Aberdeen von seinem Agenten, von einem jener vielen Agenten, die er seit Jahren überall nach Hackett suchen ließ.

Dwight Aberdeen lenkt seinen Rappwallach in das Wasser der sehr flachen Furt. Es reicht dem Tier kaum bis zu den Knöcheln. Dafür ist der Fluss hier sehr breit.

Dwight Aberdeen reitet hinüber, um einen Mann zu vernichten, der ihm vor einigen Jahren alles nahm und alles zerstörte, was er besaß.

Er hat Britt Hackett noch nie gesehen, denn damals, als es geschah, war Krieg, und Captain Dwight Aberdeen kämpfte mit seinem Kommando irgendwo gegen die Armee der Nordstaaten. Er war damals nicht daheim, als die wilde Horde über alles herfiel, was er besaß, was er liebte und was ihm gehörte.

Dwight Aberdeen, der Mann aus dem Süden, aus dem Staat Mississippi, reitet also hinüber.

✰✰✰

Zehn Minuten später versorgt er im Mietstall sein Pferd, und er versorgt es gut und mit aller Sorgfalt.

Der alte Stallmann sieht ihm zu und schiebt manchmal seinen Priem von einer Backentasche in die andere. Einmal sagt er sanft: »Dieser Bursche wird auch neue Eisen bekommen müssen. Das war ein weiter Ritt, nicht wahr?«

»Ziemlich weit«, erwidert Dwight Aberdeen ruhig. »Ich werde Blackjack morgen zum Schmied bringen.«

»Es ist ein guter Schmied, Fremder«, murmelt der Stallmann. »Und wenn Sie ein Hotel mit einer Badewanne suchen, dann müssen Sie ins Rivertown Hotel gehen.«

»Wem gehört es?«, fragt Dwight zurück und klatscht seinem Pferd noch einmal Abschied nehmend gegen Brust und Hals.

»Hier gehört alles Mister Britt Hackett«, murmelt der Stallmann.

»Auch dieser Mietstall?«

»Auch, Mister!« Die Stimme des Stallmannes klingt bitter. Er blickt Dwight mit scharfen Falkenaugen prüfend an. Er ist ein alter Mann, dem man ansieht, dass er einst über die Weide ritt und das Lasso schwang.

»Haben Sie Geschäfte hier zu erledigen?«, fragt er schließlich.

»Vielleicht«, erwidert Dwight und nimmt sein Bündel auf. Er klemmt es sich unter den Arm. »Mein Name ist Aberdeen, Dwight Jeffrey Aberdeen«, sagt er ruhig und geht hinaus.

Bald darauf wandert er auf dem Plankengehsteig entlang. Er kommt an Geschäften, Saloons und am Stadthaus vorbei. Vor dem Marshal's Office steht ein Mann. Ein Stern blinkt matt im Lampenlicht. Der Mann raucht eine Zigarre. Er ist kaum mittelgroß, aber sehr breit. Er trägt einen lächerlich klein wirkenden Hut, eine sogenannte Melone. Als Dwight bei ihm angelangt ist, sagt der Mann sanft: »Ich sah Sie kommen, Fremder. Bleiben Sie länger in dieser Stadt?«

»Vielleicht«, sagt Dwight auch hier wieder. Im Schein der Lampe, die über dem Eingang hängt, betrachten sie sich.

Der Marshal von Rivertown wirkt sehr hart.

»Nun gut, Fremder«, murmelt er. »Wie nennen Sie sich hier?«

»Aberdeen, Dwight Jeffrey Aberdeen.«

»Warum nicht?«, brummt der Marshal trocken. »Jeder Name ist so gut wie sein Besitzer. Ich bin Luke O'Mahon. Die Badewanne finden Sie hundert Schritte weiter, dort schräg auf der anderen Seite der Fahrbahn. Sie tragen den Colt im Schulterholster unter der Jacke. Das mag ich nicht. Hier werden die Waffen offen getragen.«

»Ist das ein Befehl, O'Mahon?«

»Wir werden sehen, es hat noch etwas Zeit«, erwidert der Marshal sanft. Er wirft den Zigarrenrest auf die Fahrbahn nieder und wendet sich ab. Langsam und fast schwerfällig verschwindet er in seinem Büro, zu dem auch der Gefängnisraum gehört.

Dwight Aberdeen lässt sich durch die schwerfällige Art des Marshals nicht täuschen. Er kann einen Mann beurteilen, wenn er ihn sieht. Und dieser Marshal heißt Luke O'Mahon. Er muss jener einst so berühmte und gefürchtete Städtebändiger Red Luke O'Mahon sein.

Doch das ist schon lange her. Das war noch vor dem Krieg, und Dwight war da noch ein Junge. Er schwärmte damals für berühmte Revolverkämpfer und las alle Berichte in den Zeitungen über diese Männer.

Er ist alt geworden, denkt er. Und er blieb am Leben. Niemand konnte ihn mit dem Revolver schlagen. Und nun bekleidet er hier sein letztes Amt in einem einsamen und abgelegenen County und in einer kleinen Stadt. Wenn er eines Tages auch für diesen Posten zu alt und verbraucht sein wird, muss er als Stallmann oder Saloonausfeger seinen Unterhalt verdienen. Aber vielleicht hat er doch einige Ersparnisse für die allerletzten Jahre.

Das sind Dwight Aberdeens Gedanken, und irgendwie verspürt er ein Bedauern und fast ein Mitleid mit einem alt gewordenen Kämpfer.

Er überquert langsam die Fahrbahn, erreicht den Eingang des Rivertown Hotels, hält an und blickt sich noch einmal um.

Die Abendpostkutsche aus dem Land hinter den Bergen im Westen hält mit kreischenden Bremsen vor der Posthalterei.

Plötzlich erblickt er die laufende Gestalt eines Mannes. Dieser Mann kam aus einer Gasse. Er taucht ganz plötzlich auf und läuft über die Fahrbahn auf die Postkutsche zu, deren müdes Gespann soeben ausgeschirrt wird und für die man ein frisches Sechsergespann aus dem Hof der Posthalterei herbeiführt.

Der laufende Mann hat die Postkutsche fast erreicht, als aus der Gasse zwei schnelle Schüsse fallen. Die Kugeln holen den Mann ein, stoßen ihn von den Beinen und werfen ihn mit dem Gesicht in den tiefen Staub.

Dann wird es still.

Nichts bewegt sich.

Dwight Aberdeen lässt sein Bündel fallen und verlässt den Gehsteig. Er läuft auf die leblose Gestalt zu, die dort dicht bei der Kutsche im Staub liegt. Die Stallhelfer der Postagentur haben noch mit den erschrockenen Pferden zu tun. Doch ein anderer Mann kommt um die Kutsche herumgelaufen und krächzt bitter: »Haben sie ihn doch erwischt!«

Dieser Mann und Dwight erreichen zugleich den Getroffenen. Sie knien nieder und drehen den leblosen Körper auf den Rücken. Ein dritter Mann läuft schnaufend und keuchend herbei, hält an und stößt hervor: »Woher kamen die Schüsse?«

Dwight blickt zu diesem Mann empor. Er erkennt den alten Marshal. Er deutet auf die Gasse und sagt trocken: »Dort, aus dieser Gasse, Marshal.«

Luke O'Mahon stößt ein scharfes Knurren aus. Dann läuft er auf die Gasse zu und verschwindet bald in ihr.

Der andere Mann hat inzwischen den Getroffenen untersucht. Er richtet sich jetzt auf und ruft: »Er lebt noch! Sie haben ihn schlecht getroffen. Wollen Sie mir helfen, Mister?«

Er starrt Dwight Aberdeen zweifelnd an.

»Sicher helfe ich«, sagt dieser.

»Dann packen Sie mit an«, sagt der Mann. »Schaffen wir ihn in meine Posthalterei. He, Jerry, verdammt, Jerry! Lass die Pferde sein und hol den Doc!«

»Yeah, ich hole den Doc«, erwidert eine stur und gleichgültig klingende Stimme.

Dwight hilft indes, den Verletzten ins Haus zu schaffen. Sie tragen den blutenden Mann durch zwei Räume und gelangen in die Schlafkammer des Postmeisters. Hier legen sie ihn auf ein Bett.

»Danke«, sagt der Posthalter und blickt Dwight an.

»Was ist hier los?«, fragt dieser sanft.

»Dies ist Clay Roberts«, brummt der Posthalter. »Jemand hat ihn erschießen wollen. Danke für die Hilfe, Fremder.«

Er beugt sich wieder über den Verwundeten. Dwight fragt wieder: »Warum sollte dieser Mann getötet werden?«

Doch er erhält keine Antwort. Dafür kommt der Marshal schnaufend herein. »Ich kam natürlich zu spät«, sagt er keuchend. »Der Mörder hatte ein Pferd. Niemand kann zu Fuß ein Pferd einholen. Was ist mit Clay? Ist er ...?«

»Er lebt noch«, sagt der Postmeister. »Aber wenn der Doc nicht bald kommt, dann verblutet er uns.«

»Ich bin schon da«, sagt eine Stimme.

Dwight wendet sich um. Ein kleiner, hagerer Mann tritt ein. Er trägt eine schwarze Tasche und zwinkert hinter seinem Kneifer mit den geröteten Augen.

Dwight geht langsam hinaus. Draußen auf der Straße haben sich nun einige Menschengruppen angesammelt.

Als Dwight Aberdeen langsam über die Fahrbahn zu seinem Bündel geht, welches er vor dem Hotel auf den Boden fallen ließ, weiß er so einigermaßen Bescheid.

Ein unklares Bild, das sich schon aufgrund der Berichte seines Agenten gebildet hatte, wurde soeben etwas deutlicher. Und dieses Bild sieht etwa so aus: Rivertown ist eine feige Stadt. Sie fürchtet sich davor, Anteilnahme zu zeigen. Denn was soeben geschehen ist, wurde vielleicht erwartet. Es fand irgendeine Machtprobe statt. Irgendwelche Dinge, die drohend in der Luft lagen, erwiesen sich als kein Bluff, sondern als harte Tatsachen. Darüber ist diese Stadt sehr erschrocken.

Vor dem Hoteleingang stehen drei Männer. Als Dwight sein Bündel aufhebt und sich wieder aufrichtet, blickt er die drei Männer an. Denn sie versperren ihm den Zutritt ins Hotel. Und von diesen drei Männern geht etwas aus, was fast körperlich spürbar ist: Härte, Unduldsamkeit und drohendes Abwarten.

Es sind drei sehr verschiedene Männer, aber zwei davon sind ganz gewiss Revolverkämpfer. Sie stehen rechts und links neben Britt Hackett. Denn der dritte Mann ist Britt Hackett.

Als Dwight Aberdeen ihn im Lampenlicht betrachtet, da weiß er, dass er Britt Hackett sieht. Die Beschreibung stimmt haargenau. Es gibt gewiss keinen zweiten Mann von dieser Größe, Breite und mit einer Säbelnarbe auf der linken Wange. Ja, Dwight Aberdeen sieht nun zum ersten Mal den Mann, den er töten und vernichten will.

Aber Dwight Aberdeens Stimme klingt ganz höflich und sanft, als er nun fragt: »Darf ich vielleicht hinein, Gentlemen?«

Er spürt die drei scharfen und prüfenden Blicke der Männer. Dann murmelt Britt Hackett: »Sicher, Fremder, dies ist ja ein Hotel. Hier darf jeder Gast hinein. Sie haben geholfen, Clay Roberts ins Haus zu tragen.«

»Yeah«, sagt Dwight gedehnt. »Ich bin fremd hier. Ich brauche ein Bad, ein Essen und ein Bett.«

»Lebt dieser Clay Roberts noch?«

»Er lebt«, erwidert Dwight.