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Irgendwann macht jeder Mann mal einen Fehler, und auch ich hatte im Laufe meines Lebens dann und wann welche gemacht - ich, Johnny Laredo.
Aber ich war stets heil davongekommen.
Diesmal jedoch sah ich keine Chance. Sie hatten mich am Wickel. Mein Fehler war es, dass ich nicht weit genug geritten war und mein Lager nicht sorgfältig genug gewählt hatte.
Und überdies hatte der Hombre, mit dem ich eine lange Nacht und den darauf folgenden Tag gespielt hatte, einen Indianer bei sich. Nun stand dieser Indianer drei Schritte hinter mir und hielt eine Schrotflinte bereit. Mit diesem Ding konnte er mich in zwei Hälften schießen. Ich wusste das. Und deshalb versuchte ich keinen Trick. Ich ließ die Finger von meinem Colt, der neben mir im Gras lag.
Im grauen Morgenlicht sah ich den anderen Mann an. Ich erkannte ihn sofort, denn er gehörte zu jener Sorte, an die man sich sogar dann erinnert, wenn man sie zuvor nur flüchtig gesehen hat. Ja, dieser Bursche sah prächtig aus. Ich hatte ihm länger als zwanzig Stunden am Spieltisch gegenübergesessen, hatte ihn also sorgfältig beobachtet und studiert. An ihm war alles richtig - äußerlich.
Aber er konnte nicht verlieren.
Das wurde mir jetzt völlig klar ...
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Die Jagd auf mich
Vorschau
Impressum
Die Jagd auf mich
Irgendwann macht jeder Mann mal einen Fehler, und auch ich hatte im Laufe meines Lebens dann und wann welche gemacht – ich, Johnny Laredo.
Aber ich war stets heil davongekommen.
Diesmal jedoch sah ich keine Chance. Sie hatten mich am Wickel. Mein Fehler war es, dass ich nicht weit genug geritten war und mein Lager nicht sorgfältig genug gewählt hatte.
Und überdies hatte der Hombre, mit dem ich eine lange Nacht und den darauf folgenden Tag gespielt hatte, einen Indianer bei sich. Nun stand dieser Indianer drei Schritte hinter mir und hielt eine Schrotflinte bereit. Mit diesem Ding konnte er mich in zwei Hälften schießen. Ich wusste das. Und deshalb versuchte ich keinen Trick. Ich ließ die Finger von meinem Colt, der neben mir im Gras lag.
Im grauen Morgenlicht sah ich den anderen Mann an. Ich erkannte ihn sofort, denn er gehörte zu jener Sorte, an die man sich sogar dann erinnert, wenn man sie zuvor nur flüchtig gesehen hat. Ja, dieser Bursche sah prächtig aus. Ich hatte ihm länger als zwanzig Stunden am Spieltisch gegenübergesessen, hatte ihn also sorgfältig beobachtet und studiert. An ihm war alles richtig – äußerlich.
Aber er konnte nicht verlieren.
Das wurde mir jetzt völlig klar ...
Zuerst holte er sich schweigsam meinen Colt und durchsuchte dann mein weniges Gepäck. Als er das Geld fand, knurrte er zufrieden.
Ich sagte sanft: »Amigo, ich hatte selbst etwas mehr als dreitausend Dollar bei mir, bevor wir unser Spiel begannen. Wenn du schon nicht verlieren kannst und dir dein Geld auf diese Art wiederholen möchtest, dann nimm gefälligst nur dieses Geld und nicht auch noch meins. Oder bist du am Ende nur ein Straßenräuber?«
Ich sagte es sitzend. Denn mehr als mich aufsetzen durfte ich nicht.
Er schnaufte zu meinen Worten und trat mir vor die Brust, sodass ich nach hinten fiel und die Beine hochwarf. Ich versuchte, den Lauf der Schrotflinte hinter mir auf diese Art zu treffen, doch es gelang mir nicht. Der Indianer glitt rechtzeitig zurück und schlug mir dann den schweren Doppellauf über die Waden.
Da wurde ich wieder friedlich.
Er aber sagte: »Du bist ein Falschspieler. Nur deshalb konntest du mir das Geld abgewinnen. Doch ich lasse mich nicht von einem Falschspieler ausnehmen. Strafe muss sein. Deshalb nehme ich alles. Steh auf, ich weiß, dass du auch noch einen Geldgürtel trägst!«
Ich gehorchte, denn es wäre dumm gewesen, es nicht zu tun.
Er war noch eine Idee größer als ich, auch gewiss zwölf bis fünfzehn Pfund schwerer. Als er mir das Hemd aufriss und den Gürtel abnahm, traf mich sein Atem ins Gesicht.
Aber er wich meinem Blick aus. Mit meinem Geldgürtel und meiner Satteltasche, die beide mit Geld gefüllt waren – zusammen mit fast siebentausend Dollar oder guten Silberpesos –, trat er zurück.
»Ich gehe zu unseren Pferden, Juarez«, sagte er. »Erledige ihn, sobald ich vom Wagenweg her pfeife. Wir können dann sicher sein, dass nicht gerade jemand vorbeireitet und etwas hört. Also!«
Ich wandte mich dem Indianer zu.
Dieser stand vier Schritte entfernt und ließ mich in die Doppelmündung der Schrotflinte blicken. Er hatte die beiden Hähne gespannt und brauchte nur abzudrücken.
Nicht die Spur von einer Chance war für mich vorhanden.
Ich sah Juarez an. Und ich sagte: »Dein Name ist Juarez? Vor einigen Wochen ritt ich noch für einen Mann, der so heißt wie du. Sein Vorname ist Benito. Weißt du, wen ich meine?«
Er nickte. »Benito Juarez, Präsident von Mexiko«, sagte er. »Er ist Indianer wie ich – und er ließ Kaiser Maximilian erschießen. Es gibt viele Indianer, die Juarez heißen.«
Ich nickte.
»Und ich war ihm treu«, sagte ich. »Ich glaubte an ihn, war überzeugt, dass er der rechte Mann für Mexiko wäre. Nimm meinen Hut, darin findest du meine ehrenhafte Entlassung, von Benito Juarez unterzeichnet. Ich half ihm, weil er ein Mann des Volkes ist. Ich half einem Indianer dabei, Präsident zu werden. Und nun soll ich von einem anderen Indianer, der zufällig ebenfalls Juarez heißt, umgelegt werden? Warum dienst du diesem Drecksack, welcher nicht in einem ehrlichen Spiel verlieren kann, wie ein Hund?«
Der graue Morgen war nun etwas hellgrau geworden. Und jener Juarez sah mich seltsam an.
Aber dann trat er zur Seite, hob meinen Hut vom Boden auf und fand dort die Entlassung, die ich zusammengefaltet hinter dem Schweißband verwahrte.
Selbst als er las, konnte ich ihn nicht überrumpeln. Er brauchte die Schrotflinte nur abzudrücken, gar nicht zu zielen.
Als er gelesen hatte, tönte vom Wagenweg her der Pfiff.
Juarez sagte plötzlich: »Schwöre, dass du uns nicht folgen und auch nicht nach uns forschen wirst. Schwöre es bei allem, was dir heilig ist!«
Das war die Chance.
Und er meinte es ernst.
Er war sogar bereit, meinem Wort zu glauben.
»Ich schwöre es«, sagte ich heiser. »Ich weiß zu gut, Compadre, dass du sonst selbst in eine böse Lage geraten würdest. Ich schwöre, dass ich euch nicht folgen und auch sonst nicht nach euch forschen werde.«
Er sah mich noch einmal an. Es strömte etwas von ihm zu mir über. Es versuchte spürbar, tief in mich einzudringen, mich zu ergründen, zu erforschen. Er murmelte: »Du dientest einem Indianer treu – und ich diene einem Weißen auf die gleiche Art. Unsere Motive sind gar nicht so sehr verschieden. Aber hüte dich.«
Und dann hob er die Schrotflinte und schoss beide Läufe in die Luft ab.
Er wandte sich um und lief davon.
Ich aber atmete auf und sah im Osten die ersten Lichtexplosionen der aufsteigenden Sonne. Noch war sie verborgen und kündigte sich nur mit dem ersten Licht an.
Ich lebte. Noch einmal war ich davongekommen.
Und die Zukunft lag wieder einmal unklar vor mir.
Wieder einmal war ich ein Satteltramp ohne Geld.
Der Traum von einer eigenen Ranch lag wieder in weiter Ferne.
Aber ich lebte, ich, Johnny Laredo, den man vor fast dreißig Jahren als Baby unter einem brennenden Planwagen hervorzog – als einzigen Überlebenden eines Wagenzuges.
Man brachte mich damals in die spanische Siedlung Laredo.
Nach ihr erhielt ich meinen Namen.
Weil ich ein Kind angloamerikanischer Abstammung war, nannte man mich Johnny. Jedoch der Nachname wurde Laredo. Die Zeiten aber machten mich zu einem Revolvermann.
Ich hätte gewiss nach den Regeln der menschlichen Gemeinschaft das Recht gehabt, die Banditen zu verfolgen und mir mein Geld zurückzuholen.
Aber dennoch tat ich es nicht.
Ich ließ siebentausend Dollar und Silberpesos sausen.
Denn ich hatte mit dem Indianer Juarez einen Vertrag geschlossen, der mir wahrhaftig heilig war. Und ich ahnte schon damals, dass der rote Bursche sehr viel mehr riskiert hatte, als man glauben konnte.
Ich witterte damals schon ein Geheimnis. Und so verzichtete ich darauf, mir das verlorene Geld wiederzuholen.
Natürlich brauchte ich viele Tage und Wochen, bis sich in mir alles beruhigt hatte.
Oh, es ging mir damals eine Weile sehr schlecht.
Ich war ein Satteltramp – und ich stahl damals Rinder und Pferde, ritt in schlechter Gesellschaft und half sogar dabei, einem Steuereintreiber der Union das Geld wieder abzunehmen. Aber wir gaben das meiste Geld den Leuten zurück, denen er es abgenommen hatte. Wir retteten sie vor dem Untergang.
Ich war damals auf dem besten Weg, endgültig ein Bandit zu werden.
Natürlich hatte ich auch ein paar Revolverkämpfe. Ich war ja nicht irgendein Johnny Laredo – sondern der Johnny Laredo. Man kannte mich noch aus der Zeit vor meinem Abstecher nach Mexiko.
Aber dann schloss ich mich einer der ersten Treibherden an, die von Texas nach Kansas aufbrachen und Jesse Chisholms Trail folgten.
Aber durch das Rindertreiben kam ich nach Abilene in Kansas.
Und in Abilene sah ich ihn wieder.
Auch der Indianer war bei ihm.
✰✰✰
Es war ein Zufall, wie er dann und wann im Leben vorkommt.
An einem schönen Vormittag, als ich in ein Restaurant trat, brauchte ich einen Moment, bis sich meine Augen daran gewöhnt hatten, dass es drinnen nicht so hell war wie draußen im Sonnenlicht.
Deshalb erkannte ich den Burschen nicht sogleich.
Er aber erkannte mich früher.
Und er sprang auf, zog und schoss.
Die Kugel riss mir das Fleisch von einer Rippe.
Dann schoss ich. Ich wollte am Leben bleiben.
Und so traf ich mit dem ersten Schuss gleich richtig.
Ich aber zielte dann auf den Indianer Juarez, der mit ihm am selben Tisch gesessen hatte. Auch er war aufgesprungen.
Und ich sagte zu Juarez: »Er hatte den ersten Schuss, bevor ich ihn erkannte, nicht wahr? Das musst du zugeben, wenn du fair bist – oder?«
Er nickte langsam.
»Es war so«, sagte er. »Doch jetzt sollten Sie sich auf ein schnelles Pferd werfen und tausend Meilen reiten, bevor Sie sich auch nur ein einziges Mal richtig ausruhen. Schnell, Mister!«
Aber ich schüttelte den Kopf. Jetzt war ich stur.
»Ich denke nicht daran«, sagte ich.
»Das braucht er auch nicht«, meldete sich eine andere Stimme. Sie war rau und gewichtig. Es war die Stimme eines Herdenbosses – eines Mannes Stimme also, der mit einer mächtigen Rinderherde und einer rauen Mannschaft von Texas her den Treibweg heraufgekommen war. »Er hat ihn in nackter Selbstverteidigung erledigt«, sagte dieser Treibherdenführer. »Ich bin Jesse Logan aus San Angelo. Ich sage das jedem Marshal. Und jetzt geh schnell zum Doc, Bruder, damit nicht zu viel Saft aus dir herauslaufen kann.«
Er meinte mich.
Ich ging, und ich fand auch bald schon einen Doc schräg gegenüber, der sich meiner mit schweigsamer Routine annahm und dann zwanzig Dollar verlangte.
Ich zahlte und ging in mein Hotelzimmer zurück.
Denn ich musste mich langlegen.
Und ich fragte mich, wer wohl jener so prächtig anzusehende Bursche war, der sich zum zweiten Mal mit mir angelegt hatte – und der nun tot war.
Ich erfuhr es bald schon, denn es kam ein Deputy des Stadtmarshals, der meine Aussage und auch meinen Namen für die Leichenschau brauchte. Die Zeugenaussagen hatte er schon, und er sagte: »Du hattest Glück, Johnny Laredo. Du konntest nicht nur überleben, sondern den anderen Hombre auch noch in einwandfreier Selbstverteidigung erledigen. Es war sozusagen ein klassisches Beispiel von Selbstverteidigung, mit guten Zeugen. Die Stadt macht dir keine Schwierigkeiten, zumal du nicht als Revolverheld oder Spieler, sondern als Vormann einer Treibmannschaft hergekommen bist. Dein Boss stellte dir ein gutes Zeugnis aus. Und das wunderte uns ein wenig, weil du doch im Südwesten eine tolle Nummer mit der Kanone bist. Es ist selten, dass Revolvermänner harte Arbeit verrichten. Na schön, wie ist deine Aussage?«
Ich machte sie, und er saß am Tisch in meinem Zimmer und schrieb. Dann setzte ich meinen Namen unter das Protokoll und dabei las ich, wen ich umgelegt hatte.
»He«, sagte ich zum Deputy, »hier steht Bill Palestine, der zwischen dem Pecos und dem Rio Grande sein Königreich hat?«
Der Deputy sah mich staunend an.
»Das wusstest du nicht?« So fragte er. Und dann kam eine Spur von Mitleid in seine kühlen Augen.
»Das war Wild Bill Palestine«, sagte er. »Das war der Sohn von Big Bill persönlich. Er hatte seinen Jungen mit einer Treibherde losgeschickt, um ihn sozusagen das Meisterstück machen zu lassen. Er hatte diese Treibherde auch mithilfe eines guten Vormanns und einer erstklassigen Mannschaft gut hergebracht und nicht weniger gut verkauft. Ich habe gehört, dass die Mannschaft eine Express-Sonderkutsche gemietet hat, um den Toten heimzubringen. Wir haben der Palestine-Mannschaft unmissverständlich klargemacht, dass sie dich in Frieden lassen soll.«
Ich wusste nun mit Sicherheit, dass ich es wahrscheinlich mit einem der mächtigsten Männer des ganzen Südwestens zu tun bekommen würde.
Denn ich hatte seinen Sohn getötet.
Und wenn ich mich nicht irrte, hatte dieser Big Bill Palestine nur diesen einen Sohn.
Es hatte wohl wenig Sinn, sich darauf zu verlassen, dass er die Sache objektiv sehen würde.
Freunde hatte ich keine in Abilene.
Ich war ein einsamer Wolf.
Und deshalb war ich auch jetzt allein. Aber das war mir recht. Auf mich konnte ich mich immer verlassen.
Es war zwei Stunden vor Mitternacht, als ich das Hotel durch das Fenster einer kleinen Kammer verließ, welches in eine Seitengasse führte. Ich hatte nur ein kleines Bündel bei mir.
Den Mietstall betrat ich durch die kleine Pforte des hinteren Tores. Sie befand sich im linken Torflügel und quietschte nicht einmal.
Aber mein Pferd befand sich nicht in der Box, die ich gemietet hatte.
Ich ging den halbdunklen Stallgang entlang nach vorn und sah dort mein Pferd.
Ja, mein Pferd war fertig zum Abritt und wartete auf mich.
Ich schnappte meinen Revolver heraus.
Aber es war niemand da.
Ich nahm mein Pferd und führte es hinaus, nachdem ich mein Bündel hinter dem Sattel festgezurrt hatte.
Als ich neben dem Tier ins Freie trat, da hatten sie mich auch schon.
Oben vom Dach des Mietstalles sprang jemand auf mich nieder. Er brach mir fast die Schultern und das Rückgrat. Diese harten Jungs verstanden ihr Geschäft. Sie hatten gewiss auch mit Trinkgeldern nicht gespart, damit wir unter uns waren.
Mein Colt nützte mir nichts – gar nichts. Denn ich brach unter dem Mann zusammen, bekam überdies auch noch ein Ding auf den Hut und hatte zusätzlich das Gefühl, von einem Pferd in die verwundete Seite getreten worden zu sein.
Ich begriff nur noch, dass sie mich erwischt hatten.
Sie würden gewiss nicht nur den toten Wild Bill Palestine heimbringen. Das war klar.
✰✰✰
Zwei Meilen südlich der Stadt kam ich wieder zum Bewusstsein. Ich lag quer über meinem Sattel, und die Schmerzen machten mich halb verrückt.
Ich machte mich verständlich und sagte den Schuften, was ich von ihnen hielt.
Ich durfte mich richtig in den Sattel setzen.
Sie ließen mich verschnaufen, warteten geduldig, bis sich die Schmerzen in meiner Seite beruhigt hatten. Sie ließen mich sogar aus der Wasserflasche trinken, die an meinem Sattelhorn hing.
Ich sagte zu ihnen: »Ihr müsst ihn doch gekannt haben. Der war doch so falsch wie ein Korb voll Klapperschlangen. Und ihr müsst doch auch gehört haben, dass er den ersten Schuss hatte. Sollte ich mich von ihm töten lassen?«
Sie dachten über meine Worte nach – schweigend. Und ich hatte das Gefühl, dass sich einige sogar schämten und deshalb so ruhig blieben.
Aber dann sagte einer: »Junge, es gibt auf dieser Welt immer wieder Unterschiede. Wenn du zum Beispiel einen räudigen Indianerhund abschießt, verliert niemand darüber ein Wort. Aber wenn du den Fehler machst, einem King den einzigen Erben und Nachfolger abzuknallen, dann ...«
Da hielt ich den Mund. Es hatte keinen Sinn, auch nur noch ein einziges Wort zu sagen.
✰✰✰
Die ersten Tage waren die Hölle, denn ich war ja verwundet, und das lange Reiten machte mich krank. Wir legten jeden Tag etwa vierzig Meilen zurück.
In diesen Tagen, da wir ständig ritten und nur ein Camp aufschlugen, wenn unsere Tiere nicht mehr konnten, da versuchte ich zweimal vergeblich die Flucht.
Als wir den Pecos durchfurtet hatten, befanden wir uns in Big Bill Palestines Reich, und ich begann mir ernsthaft Sorgen zu machen. Bisher hatte ich immer noch gehofft, eine dritte Chance zur Flucht zu bekommen. Doch jetzt war es wohl vorbei damit.
Die Männer, mit denen ich ritt, waren jetzt ernster als zuvor. Sie waren sichtlich angefüllt mit einer Spannung, und ich fragte mich, ob es vielleicht einigen von ihnen leidtat, mich mitgeschleppt zu haben.
Überall in weiter Runde sah ich kleine Ortschaften, Ranches, Farmen. Ich sah Rinderherden, Pferderudel.
In einem lieblichen Tal sah ich eine Stadt liegen.
Ich wusste, dass es Palestine City war.
Denn ein König wie Big Bill Palestine hatte natürlich in seinem Königreich seine eigene Stadt. Das konnte gar nicht anders sein.
Aber wir bogen vor dem Ort nach Süden ab, durchritten nochmals eine Hügelkette und sahen dann die Ranch.
Sie wurde im Dreiviertelkreis von einem Creek umflossen und lag am Fuße eines flachen Hügels, auf dem das Haupthaus stand wie eine Burg.
Diese Ranch empfing ihre heimgekehrten Reiter wie Söhne.
Aber dann wurde es ernst für mich.
Juarez tauchte plötzlich auf. Er sah mich ernst an, und er wirkte noch härter und undurchdringlicher als vor Wochen. Alles, was er auch denken und fühlen mochte, war tief unter seiner dunklen und bronzefarbigen Oberfläche verborgen.
»Geh vor mir her«, sagte er. »Big Bill will dich sehen.«
Ich gehorchte, doch als wir über die Brücke gingen, die zum Fuß des Hügels über den Creek führte, da hielt ich mitten auf der Brücke an.
»Wie hat er es aufgenommen?« So fragte ich über die Schulter. »Und habt ihr ihm eigentlich gesagt, dass mir keine andere Wahl blieb?«
»Er weiß alles«, unterbrach mich Juarez. »Denn ich verschwieg ihm nichts. Er weiß alles. Aber er liebte seinen Sohn. Und Liebe kann blind machen. Liebe kann viel Glaube und Hoffnung erzeugen. Er hat um seinen Sohn geweint und hasst den Mann, der ihn tötete. Er hat wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben geweint. Das tat er nicht mal, als seine Frau von den Caddos getötet wurde.«
Ich fragte und sagte nichts mehr.
Wir gingen durch den Garten auf das Haus zu und dann auf die Veranda, von der aus der King sein Reich übersehen konnte.
Es gab hier einen schweren Tisch und klobige, rustikale Sessel, alte spanische Stücke.
Er saß auf der Tischkante, hatte einen Fuß am Boden und schlenkerte leicht mit dem anderen. Er war wie ein Weidereiter gekleidet, also schlicht und einfach, doch zweckmäßig. Er war kaum mehr als mittelgroß, hatte weißes Haar und wirkte eine Idee zu hager.
Doch als ich in die Augen des alten Kings sah, da erkannte ich alles.
Er war mehr als ein Boss.
Er war ein Eroberer, ein Herrscher.
Schließlich öffnete er den hartlippigen Mund, unter dem er einen weißen Spitzbart trug. Und er sagte: »Du hast meinen Sohn getötet, Revolvermann Johnny Laredo! Gegen einen Revolvermann wie dich hatte mein Sohn keine Chance. Es muss fast als ein Mord angesehen werden. Was hast du für eine Entschuldigung?«
Ich sah ihn an – und ich begriff, dass ich mit Engelszungen hätte reden können. Es hätte nichts genutzt.
Und so sah ich ihn fest an – mit all meiner Kraft, die ich aufbringen konnte. Und ich wusste, dass die meisten Männer wegsehen mussten, wenn ich sie so ansah mit meinen grüngrauen Augen. Ich war groß und dunkel wie ein Indianer. Ich war narbig und trug die Zeichen von Kämpfen. Ich glich einem großen, schwarzen, narbigen Wolf. Von mir strömte Kühnheit aus. Das wusste ich.
Und ich sagte: »