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Langsam durchquert Dan Hancok den Sage Creek, und als er seinen braunen Wallach auf der anderen Seite den Uferhang hinaufgetrieben hat, hält er an.
Unbeweglich sitzt er eine volle Minute im Sattel und starrt auf den neuen Zaun. Schließlich seufzt er bitter. Seine rauchgrauen Augen spähen scharf in die Runde, und seine Rechte berührt kurz den glatten Kolben des Gewehrs, das er im Scabbard bei sich führt.
Dann beugt er sich zur Seite, holt eine Drahtzange aus der Satteltasche und drängt sein Pferd dicht genug an den Zaun heran. Er beugt sich noch tiefer aus dem Sattel und schneidet alle vier Stacheldrähte durch.
Langsam reitet er dann zum nächsten Pfosten. Auch hier verschwinden die vier durchgeschnittenen Drähte im kniehohen Ufergras.
Dan Hancok steckt die Zange weg und reitet weiter. Nach einer halben Meile kommt er an einen ziemlich großen See. Hier stehen viele Rinder in kleinen Rudeln auf der Weide oder bis zu den Knien im See. Am Weg steht eine Blockhütte.
Beim Klang der Hufschläge treten zwei Cowboys heraus. Ihre scharfen Gesichter bleiben beim Anblick des Reiters unbeweglich - und ihre Blicke verraten nichts von dem, was in ihnen vorgeht. Es sind zwei hartgesottene Burschen, und sie starren Dan Hancok nur durchdringend an.
Was sie sehen, ist ein großer, sehniger und hart wirkender Mann, der stolz im Sattel sitzt ...
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Seitenzahl: 164
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Die Sage-Valley-Fehde
Vorschau
Impressum
Die Sage-Valley-Fehde
Langsam durchquert Dan Hancok den Sage Creek, und als er seinen braunen Wallach auf der anderen Seite den Uferhang hinaufgetrieben hat, hält er an.
Unbeweglich sitzt er eine volle Minute im Sattel und starrt auf den neuen Zaun. Schließlich seufzt er bitter. Seine rauchgrauen Augen spähen scharf in die Runde, und seine Rechte berührt kurz den glatten Kolben des Gewehrs, das er im Scabbard bei sich führt.
Dann beugt er sich zur Seite, holt eine Drahtzange aus der Satteltasche und drängt sein Pferd dicht genug an den Zaun heran. Er beugt sich noch tiefer aus dem Sattel und schneidet alle vier Stacheldrähte durch.
Langsam reitet er dann zum nächsten Pfosten. Auch hier verschwinden die vier durchgeschnittenen Drähte im kniehohen Ufergras.
Dan Hancok steckt die Zange weg und reitet weiter. Nach einer halben Meile kommt er an einen ziemlich großen See. Hier stehen viele Rinder in kleinen Rudeln auf der Weide oder bis zu den Knien im See. Am Weg steht eine Blockhütte.
Beim Klang der Hufschläge treten zwei Cowboys heraus. Ihre scharfen Gesichter bleiben beim Anblick des Reiters unbeweglich – und ihre Blicke verraten nichts von dem, was in ihnen vorgeht. Es sind zwei hartgesottene Burschen, und sie starren Dan Hancok nur durchdringend an.
Was sie sehen, ist ein großer, sehniger und hart wirkender Mann, der stolz im Sattel sitzt ...
Dan Hancok lächelt plötzlich blitzend. Es ist ein scharfes Grinsen. Seine kräftigen Zähne sind blendend weiß – und sein etwas unregelmäßiges, aber sehr männlich geschnittenes Gesicht ist so dunkel wie Bronze. Einige Narben – Zeichen von Kämpfen – sind in diesem Gesicht, und vor langer Zeit brachte eine harte Faust seine Nase etwas aus der Form. Er ist kein hübscher Mann – aber er wirkt sehr männlich, selbstbewusst und kühn.
Seine Stimme klingt sanft und dennoch kühl, als er zu den beiden Weidereitern sagt: »Also, ich habe den Zaun durchgeschnitten und reite jetzt in die Stadt. Burt Braddock kann mich dort noch antreffen, wenn einer von euch Boys sich nur einigermaßen beeilt, um ihm die Beschädigung des Zaunes zu melden.«
»Ich werde mich mächtig beeilen«, murmelt einer der beiden Männer und läuft auch schon zum nahen Corral hinüber, in dem sich einige Pferde bewegen.
Der andere Mann lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand der neuen Grenzhütte, verschränkt die Arme über der Brust und starrt fast neugierig zu Dan Hancok hinauf.
»Mister«, sagt er lässig, »ich würde einen ganzen Monatslohn dafür hergeben, wenn ich diese Weidehütte für einige Stunden verlassen könnte, um in der Stadt zusehen zu können, wie Burt Braddock Sie auf die richtige Große zurechtstutzt. Sie sehen ziemlich hart aus, Mister – und ich habe schon genug über Sie gehört. Es wird also ein großer Kampf werden. Aber Braddock wird Sie in Stücke reißen. Warum haben Sie nicht lieber einen Umweg gemacht?«
Dan Hancok grinst wieder blitzend. Scharfe Falten entstehen dann in seinem dunklen Gesicht, und an seinem kräftigen Hals zeichnen sich Muskelstränge ab, die in seinem offenen Hemdkragen verschwinden.
»Das Land, auf dem dieser Zaun steht, gehört der Spornrad-Ranch noch nicht ...«, sagt er. »Und der großmächtige Burt Braddock wird nun wahr machen müssen, was er schon seit Wochen überall verkündet hat.«
Nach diesen Worten nickt Dan Hancok dem Cowboy zu und reitet weiter. Er hält sich auf dem schmalen Reitweg, den er und seine Reiter im Laufe der Jahre zwischen der Bullskull Ranch und der Stadt durch das Land gezogen haben. Nach etwa fünf Meilen sieht er die Häuser der Stadt Sage City zwischen den sanften Hügeln auftauchen, die den Ort schützend umgeben.
Sage City ist eine kleine Stadt mit Holzbauten, Plankengehsteigen und drei Quergassen. Es gibt zwei Saloons, ein Hotel, einen Mietstall, einige kleine Stores und einen großen General Store.
Dan Hancok hält vor dem Bankgebäude an und rutscht aus dem Sattel. Als er die Zügelenden um den Haltebalken schlingt, nähert sich Jesse Cross auf dem Gehsteig. Er bleibt stehen und wartet, bis Hancok sich unter dem Balken durchgebückt und auf dem Gehsteig aufgerichtet hat.
Jesse Cross' kantiges Gesicht wirkt heute grimmiger und freudloser als sonst. Ein grauer Stoppelbart bedeckt Wangen und Kinn. Er ist einen halben Kopf kleiner als Hancok, aber breit, schwer und wuchtig. Früher war er einmal Preisboxer – und jetzt ist er für achtzig Dollar im Monat der Marshal von Sage City.
»Hallo, Dan«, murmelt der Marshal freudlos. »Sind Sie durch den Creek geritten – oder haben Sie den Umweg zur Poststraße gemacht?«
»Ich mache keine Umwege, wenn das Land vor mir frei ist«, erwidert Dan Hancok sanft und sieht fest in die hellen Augen des Marshals hinein.
Jesse Cross seufzt bitter und schüttelt den Kopf.
»Dann haben Sie also den Zaun zerschnitten, nicht wahr? Und jetzt geht der Kummer los! Ah, wenn Burt Braddock einige von seinen Tigern mitbringt, kann ich Sie in dieser Stadt nicht beschützen. Das wissen Sie doch, Dan?«
»Er wird allein kommen. Und ich habe Sie nicht um Schutz und Hilfe gebeten, Jesse. Ich bin nur in die Stadt gekommen, um einige Erledigungen zu machen.«
»Zum Teufel, warum sind Sie so stolz, Dan?«, murmelt der Marshal und geht mürrisch weiter.
Dan Hancok seufzt leise und geht in die Bank. Der Kassierer lässt ihn sofort durch die Schranke treten und deutet auf die Tür zu John Warfields Arbeitsraum.
»Mister Warfield erwartet Sie schon«, sagt er.
Dan Hancok klopft kurz und tritt ein.
Der Bankier ist alt, grau, hager und vertrocknet. Er trägt einen schäbigen Anzug und eine Nickelbrille, die er nun in die faltige Stirn schiebt.
»Setz dich, Dan, mein Junge«, sagt er mit seiner farblosen Stimme und zeigt auf einen Stuhl. Dann knetet er seine knochigen Hände und besieht sich den Sohn seines Freundes sorgfältig. Schließlich nickt er, als wäre er mit dem Ergebnis seiner Betrachtung zufrieden, und sagt sanft: »Du gleichst deinem Vater aufs Haar, mein Junge. Jack und ich, wir waren damals in deinem Alter, als wir in dieses Land kamen und unsere Hütten bauten. Rings um uns gab es nichts anderes als Büffel und Indianer. Nun, Daniel, dein Vater ist nicht mehr. Er hat aber das Glück gehabt, einen Sohn zu hinterlassen. Wenn ich einmal auf einem schwarzen Gaul ins Jenseits reite, so lasse ich nichts zurück, was weiterlebt. Well, Junge, so ist es nun mal, wenn ein Mann nicht die richtige Frau findet. Aber ich habe in meinem Leben einigen Spaß gehabt. Und mein letzter Spaß soll sein, dass ich dir beistehe, Junge!«
Er erhebt sich, holt guten Whisky aus Schottland und zwei Gläser aus einem Wandschrank.
Nachdem er und Dan getrunken haben fährt er fort: »Es ist ganz einfach: Burt Braddock lässt den Zaun nicht nur wegen der Viehdiebe bauen – sondern vor allen Dingen deshalb, um dem ganzen Land klarzumachen, dass er und Hack Stone das Land bis zum Sage Creek beanspruchen. Sie haben den Zaun gezogen, damit jeder im Land – und auch du, Daniel – sich darüber klar sein muss, dass es Kampf gibt, wenn man ihnen diesen Anspruch streitig macht.«
Als er verstummt, schüttelt Dan Hancok langsam den Kopf.
»Well, dann wird es eben Kampf geben! Ich kann nicht dulden, dass Burt Braddock hier Zäune errichtet und mich von der Stadt abschneidet. Ich kann nicht dulden, dass er sich im Sage Valley richtig festsetzt – denn er gehört zu jener Sorte, die schlimmer wird, je weiter sie kommt. Ich brauche die Weide jenseits des Creeks nicht – aber ich darf nicht dulden, dass Braddock sich bis an meine Grenze heranschiebt. Dann kommt er nämlich eines Tages auch über den Creek. Wir haben es doch die letzten Jahre mit ihm erlebt! Draußen in der Wüste hat er angefangen. Dann ist er über den Pass gekommen und hat einen Nester und Kleinrancher nach dem anderen erledigt und zum Teufel gejagt. Er hat immer mehr im Valley Fuß gefasst – und weil ich ihn gut genug kenne, weiß ich, dass er nicht aufhören wird, bis ihm das ganze Tal gehört. John, ich muss dich also fragen, ob du mir mit einer Menge Geld aushelfen kannst, wenn meine Mittel nicht ausreichen. Ich muss Burt Braddock bei der Versteigerung überbieten. Ich muss das Land erwerben!«
»Und dann?«, fragt der alte Bankier leise. »Was willst du mit dem Land? Ich denke, du willst dich nicht vergrößern?«
»Das will ich auch nicht! Wenn ich das Land käuflich erwerben kann, will ich Siedler herbeirufen. Ich werde ihnen Parzellen zuteilen und ihnen lange Zeit lassen, mir das Geld zurückzuzahlen. Es ist gutes Farmland, wenn es vom Creek und vom See ausreichend bewässert wird. Siedler können das. Wenn ich mir zwanzig Siedlerfamilien zu Freunden mache, habe ich meinen Rücken gedeckt und kann mich mit dem ständigen Verdruss im Westen und im Norden beschäftigen.«
»Aber du wirst Burt Braddock – und vielleicht auch Hack Stone niederkämpfen müssen«, murmelt der Bankier.
»Jemand muss sie aufhalten – und ich habe nur darauf gewartet, dass sie vor meiner Nase einen Zaun errichten«, erwidert Dan Hancok ruhig und fest.
Noch einmal betrachten John Warfields Augen prüfend den sehnigen Mann. Dann nickt er.
»Ich stehe mit meinen Barmitteln hinter dir, Daniel, obwohl ich dann mit Braddock eine Menge Verdruss bekomme. Wenn du Burt Braddock bei der Versteigerung überbieten willst, so kannst du bis fünfzigtausend Dollar steigern.«
»Das wird genügen«, sagt Dan Hancok ruhig und erhebt sich.
»Eines Tages wirst du ja doch mein Erbe sein«, sagt der Bankier und zwinkert mit den Augen. »Geh nur – und trag deinen Kampf aus. Ich setze den letzten Cent auf dich. Nur die Gelder meiner Bankkunden taste ich nicht an. Auf welchem Weg bist du in die Stadt gekommen, Daniel?«
»Ich habe den Zaun zerschnitten«, sagt dieser und geht zur Tür. Er blickt noch einmal über die Schulter und grinst hart. »Burt Braddock wird schon unterwegs sein – und er soll mich nicht lange suchen müssen!«
Nach diesen Worten geht er hinaus. Als sich die Tür geschlossen hat, murmelt John Warfield leise: »Er ist wie sein Vater – und ich helfe ihm. Burt Braddock kann schlimm für das Land werden. Auch ich kenne die Sorte. Wenn ihn niemand aufhalten kann, wird er sich in einigen Jahren das ganze Tal mitsamt der Stadt in die Hosentasche stecken und allen Leuten Befehle erteilen.«
Indes verlässt Dan Hancok die Bank. Er lässt sein Pferd stehen und schlendert zu einem kleinen Store.
Als er eintritt, steht Kate Stanford hinter dem Ladentisch und sortiert Knöpfe und Nähgarn. Sie blickt schnell auf, und ein Lächeln huscht über ihr hübsches Gesicht.
»Großer Mann«, sagt sie zu ihm, »ich habe dein Pferd vor der Bank gesehen und lade dich zum Mittagessen ein.«
»Kate«, sagt er, »ich kann heute nicht bei dir essen. Ich habe eine Verabredung. Aber da ist die Liste der Dinge, die ich brauche. Ich habe noch einen Wagen im Mietstall stehen. Der alte Joe Smith kann mit ihm die Sachen zu uns hinausbringen. Ich sage ihm Bescheid und helfe dann beim Aufladen.«
Er will sich zur Tür wenden, aber sie hält ihn mit einem schnellen Griff am Ärmel fest.
»Daniel«, sagt sie, »du schlägst also meine Einladung zum Essen aus? Ist es wegen Bill?«
Dan schüttelt den Kopf. »Nein, Kate, das ist es nicht. Ich habe heute etwas anderes zu erledigen. Aber du solltest versuchen, auf Bill einzuwirken. Mir hat er zwar noch kein Vieh gestohlen. Aber es kann nicht gut enden, wenn er sich nicht endlich besinnt.«
Er wendet sich schnell um und tritt auf den Gehsteig hinaus.
Im Store nimmt das Mädchen die Liste in die Hand, doch sie kann plötzlich nicht mehr lesen, weil sich ihre Augen mit Tränen füllen.
✰✰✰
Dan Hancok schlendert bis zur Straßenecke und bleibt dort einen Moment stehen. Er fühlt sich aus allen Richtungen beobachtet – und das ist kein Wunder. Denn als Burt Braddock mit dem Zaunbau begann, ließ er überall im Land verkünden, dass er sich jeden Mann persönlich vornehmen und zurechtstutzen würde, der diesen Zaun beschädigt.
Daraufhin hat Dan Hancok verbreiten lassen, dass er diesen Zaun überall da zerstören würde, wo er ihm den Weg versperrt. Und nun ist er in die Stadt gekommen. Fast alle Leute wissen, dass der nächste Weg von der Bullskull Ranch zur Stadt durch den Sage Creek fuhrt, und sie alle wissen, dass Hancok wegen des Zaunes bestimmt keinen Umweg gemacht hat.
Eine seltsame Spannung lastet über der kleinen Rinderstadt.
Alles wartet und beobachtet.
Auch Dan Hancok wartet.
Indes er an der Ecke steht, verspürt er einen zunehmenden Hunger. Aber er hat beschlossen, auf das Mittagessen zu verzichten. Wenn Burt Braddock in die Stadt kommt, um ihn zurechtzustutzen, so wird es gut sein, wenn er keinen vollen Magen hat.
Dan Hancok will sich aber wenigstens einen Whisky gönnen. Er überquert die Gassenmündung und erreicht die Schwingtür des Cattlemen Saloon. Er tritt ein.
Mike O'Brien steht einsam hinter dem langen Schanktisch und putzt Gläser. Seine Gäste sind sämtlich zum Mittagessen gegangen. Als er Dan Hancok erkennt, grinst er und gießt Whisky in ein Glas. »Dan«, sagt er kehlig. »Dan Hancok, du weißt ganz genau, dass ich dich ziemlich gut leiden kann. Aber musst du ausgerechnet hier in meinem Whiskyladen auf Burt Braddock warten?«
Dan Hancok schüttet den Whisky mit einem Ruck hinunter.
»Mike«, sagt er, »dieses Zeug ist nichts anderes als Pumaspucke mit rotem Pfeffer und geriebenem Kautabak. Es ist nur gerecht und vollkommen in Ordnung, wenn dein Saloon hier zusammengeschlagen wird. Überdies kannst du eine Menge Geld verdienen, wenn du hundert Dollar auf mich wettest. Die Wetten dürften nämlich zehn zu eins für Braddock stehen, und weil ich ihn schlagen werde, bringt dir dein Einsatz das Zehnfache ein, nicht wahr?«
Mike O'Brien wischt sich über sein sommersprossiges Gesicht. Seine Froschaugen werden schmal und betrachten Dan Hancok prüfend. Er fasst an sein vorspringendes Kinn und ist einen Moment sehr nachdenklich. Dann grinst er plötzlich, wie nur ein Ire grinsen kann, wenn ihm ein prächtiger Spaß einfällt.
»Sicher«, sagt er, »dieser Burt Braddock ist schon ein mächtiger Bursche. Ich habe mir erzählen lassen, dass schon eure Väter miteinander Streit hatten. Vor langer Zeit. Aber Burt Braddocks Vater soll nicht ganz so mächtig gewesen sein, und dein Vater soll damals auch viel Glück gehabt haben.«
»Yeah«, murmelt Dan, »er schleppte die Kugel von Burts Vater noch zehn Jahre mit sich herum.«
Mike O'Brien wendet sich plötzlich zur Tür, die in seine Privaträume führt.
»Joe!«, ruft er, und sofort kommt ein alter Bursche heraus, der einen Pinsel in der Hand hält.
»Gibt es endlich einen Whisky?«, fragt er und blinzelt Dan Hancok zu. »Ich habe immer gedacht, dass man genug zu trinken bekommt, wenn man einem Saloonwirt die Wohnung anstreicht«, sagt er. »Dan, willst du dich wirklich von Burt Braddock in Stücke schlagen lassen?«
Der lächelt nur bitter und gibt auf die Frage keine Antwort. Stattdessen sagt er lässig: »Du kannst meinen Wagen aus dem Mietstall holen und eine Fuhre Proviant bei Kate Stanford aufladen. Oder hast du noch lange bei Mike zu tun?«
»Zuerst wird er für mich durch die ganze Stadt laufen und Wetten annehmen.« Mike grinst und nimmt Joe den Pinsel weg. »Hier ist ein Papierblock – und da ist ein Bleistift. Ich nehme jede Wette an, dass Dan Hancok noch auf den Beinen stehen wird, wenn Burt Braddock am Boden liegt. Hast du mich verstanden, Joe?«
»Das ist die richtige Arbeit für mich«, ruft der alte Bursche und eilt hinaus.
Dan und Mike sehen sich eine Weile schweigend an. Dann grinsen sie, und Mike sagt: »Das gefällt mir so sehr an dir. Daniel. Du bist nicht großspurig, aber dein Glaube an dich ist unerschütterlich.«
Draußen klingen Hufschläge auf, kommen näher und verstummen vor dem Saloon. Ein Pferd schnaubt und stampft den Boden, als wäre es hart gezügelt worden. Dann klingt eine harte Stimme.
»He, wo steckt Dan Hancok?«
Die Antwort ist im Saloon nicht zu hören. Wahrscheinlich gibt jemand dem Frager nur ein Zeichen mit der Hand. Bald darauf klirren Sporen auf dem Gehsteig und ganz plötzlich wird die Tür aufgestoßen.
Burt Braddock ist gekommen.
Er muss schnell geritten sein, denn seine Hose ist mit flockigem Pferdeschweiß bedeckt, und auch ihm selbst sieht man den scharfen Ritt an. Er schiebt den Hut in den Nacken und kommt zwischen den Tischen den Gang entlang, bis er den freien Raum vor dem langen Schanktisch erreicht. Drei Schritte vor Dan Hancok hält er an.
»Ich habe gewusst, dass du es wagen würdest«, sagt er kalt und schwer zu Dan Hancok.
Der lehnt mit dem Rücken am Schanktisch und hat die Ellbogen darauf gestemmt. Er nickt Burt Braddock ruhig zu und murmelt: »Sicher, Freund. Und ich habe gewusst, dass du darauf wartest. Du musst mich also jetzt zurechtstutzen, großer Mann, nicht wahr? Oder das ganze Land lacht über deine Drohung. Nun?«
Burt Braddock nickt.
»Sicher«, sagt er schwer, »ich werde dich schlimm verprügeln und dann draußen auf der Straße vor mir kriechen lassen. Dein Vater hat vor zehn Jahren meine Sippe aus dem Land gejagt und meinen Vater dabei getötet. Aber ich bin zurückgekommen!«
»Ich weiß, du willst jetzt noch einmal das versuchen, was deinem Vater nicht geglückt ist. Aber du redest viel zu viel und machst große Worte. Nun komm schon!«
Dan Hancok stößt es scharf hervor und löst sich vom Schanktisch. Er wartet mit hängenden Armen.
Braddock betrachtet ihn aufmerksam. Er ist ein mächtiger Bursche, weit über sechs Fuß groß und sicherlich zwanzig Pfund schwerer als Dan Hancok, der hundertachtzig Pfund wiegen dürfte. Braddocks Gesicht ist rund und stets gerötet. Er ist rotblond, hat gelbe Augen und einen breiten Mund mit vollen Lippen. Von ihm geht eine gesunde Kraft aus.
Zu Dan Hancoks herausfordernden Worten nickt er langsam. Dann tritt er zur Seite und zwei Yards neben Dan an den Schanktisch. Dort legt er seinen Waffengürtel ab und sagt zu Mike O'Brien: »Achte darauf. Hab keine Sorge um deine Einrichtung. Ich stoße ihn gleich auf die Straße hinaus, damit die ganze Stadt sehen kann, wie sehr ich mein Versprechen halte. Dan, wenn ich mit dir fertig bin, wird sich niemand mehr an meinem prächtigen Zaun vergreifen.«
»Du redest viel zu viel«, murmelt Dan Hancok und legt ebenfalls seinen Waffengurt ab. Dabei behält er Burt Braddock fest im Auge und ist deshalb vorbereitet, als dieser sich gegen ihn wirft.
Sie prallen kraftvoll und mit Wucht gegeneinander, und es ist von Anfang an nicht nur ein Kampf, bei dem es um eine Meinungsverschiedenheit oder um eine Beleidigung geht, wie es unter rauen Männern in diesem wilden Land oft der Fall ist.
Dieser Kampf ist mehr!
Wenn es Burt Braddock gelingen sollte, Dan Hancok zu zerbrechen, so gibt es keinen Mann mehr im ganzen Land, der ihn aufhalten könnte.
Das ist es!
Sie prallen also gegeneinander, und Braddocks Wucht ist etwas stärker, sodass Dan Hancok zurückweichen muss. Braddock trifft ihn rechts und links in den Körper und hämmert ihm die Luft aus der Brust. Er treibt ihn am Schanktisch entlang bis zur Wand. Wieder wirft er sich knurrend gegen ihn und nagelt ihn in der Ecke fest.
Dan Hancok muss eine Menge einstecken. Er blutet bald aus vielen Platzwunden, aber als er sich abstößt und sich Braddock entgegenwirft, finden seine Füße besseren Halt. Er drückt sich mit dem rechten Fuß kraftvoll von der Zimmerwand ab, streckt beide Fäuste geschlossen vor und rammt sie unter Braddocks Kinn. Sein ganzer Körper ist zu einem Rammbock geworden.
Der Zusammenprall ist mächtig, da Braddock sich mit seinem ganzen Gewicht und aller Kraft entgegenwirft. Dan hat das Gefühl, als brächen ihm Fäuste und Handgelenke – und ein scharfer Schmerz zuckt durch seine Arme bis in die Schulterblätter und die Wirbelsäule entlang.
Burt Braddock stößt einen seltsamen Laut aus, dreht sich halb zur Seite, prallt gegen die Wand und fällt dort auf die Knie.