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Auf einem Tausend-Dollar-Gaul, den ich einem Yankee-Offizier gestohlen hatte, kam ich nach El Paso, wo wir vier Dolan-Brüder uns nach dem Krieg treffen wollten. Falls wir mit heiler Haut davongekommen waren.
Und siehe da, vor der El-Condor-Spielhalle stand tatsächlich schon mein Bruder Jesse und schien es gar nicht mehr erwarten zu können, bis ich abgestiegen war.
Um es kurz zu machen - auch meine anderen Brüder waren da. Und Stapp saß in einer heißen Pokerrunde. Er hatte einen Straight Flush auf der Hand, wie Jesse sagte, aber kein Geld mehr, um mitzubieten.
Nun, ich ließ mich breitschlagen, und Stapp brachte mein Pferd und den Fünfhundert-Dollar-Sattel zum Einsatz.
Natürlich hatte er gar keinen Straight Flush. Er verlor mit Pauken und Trompeten, und keiner von uns hatte danach auch nur noch einen lausigen Cent in der Tasche.
Verdammt, was nun?
Doch da fiel mir plötzlich die schöne Dolores ein ...
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Der Weg der Dolan-Brüder
Vorschau
Impressum
Der Weg derDolan-Brüder
Auf einem Tausend-Dollar-Gaul, den ich einem Yankee-Offizier gestohlen hatte, kam ich nach El Paso, wo wir vier Dolan-Brüder uns nach dem Krieg treffen wollten. Falls wir mit heiler Haut davongekommen waren.
Und siehe da, vor der El-Condor-Spielhalle stand tatsächlich schon mein Bruder Jesse und schien es gar nicht mehr erwarten zu können, bis ich abgestiegen war.
Um es kurz zu machen – auch meine anderen Brüder waren da. Und Stapp saß in einer heißen Pokerrunde. Er hatte einen Straight Flush auf der Hand, wie Jesse sagte, aber kein Geld mehr, um mitzubieten.
Nun, ich ließ mich breitschlagen, und Stapp brachte mein Pferd und den Fünfhundert-Dollar-Sattel zum Einsatz.
Natürlich hatte er gar keinen Straight Flush. Er verlor mit Pauken und Trompeten, und keiner von uns hatte danach auch nur noch einen lausigen Cent in der Tasche.
Verdammt, was nun?
Doch da fiel mir plötzlich die schöne Dolores ein ...
Nun, ich erinnerte mich also wieder an die schöne Dolores.
Vielleicht gab es sie noch. Und wenn das so war, dann würde ich auch an ein Pferd und ein paar Dollars oder Pesos herankommen.
Ich konnte mich noch gut an den Weg erinnern, der zu dem schönen Haus inmitten eines gepflegten Gartens führte. Damals war ich diesen Weg stets geritten. Nun lief ich durch den Staub und trug mein weniges Gepäck.
Verdammt, was war ich wütend auf meine Brüder und ganz besonders auf Jesse, der mir etwas von einem Flush erzählte, der dann gar keiner war. Die verdammten Pfeifen hatten mich um das wundervolle Pferd und den kostbaren Sattel gebracht. Und überdies sagten sie immer noch Kleiner zu mir. Ich traute mir zu, jeden von ihnen umhauen und ihm auch in anderer Hinsicht etwas vormachen zu können.
Aaah, ich hatte genug von ihnen. Ich war verdammt wütend auf sie. Und so sehnte ich mich nach der schönen Dolores. Ob sie immer noch so wunderschön war wie damals? Oder gab es sie gar nicht mehr?
Wenig später sah ich das Haus. Und es sah immer noch so aus wie vor etwas mehr als fünf Jahren. Nur die Bäume und Büsche waren größer geworden.
Ich ging unwillkürlich schneller. Die Sporen an meinen Stiefeln klingelten melodisch. Das Haus war einmal von einem Hidalgo errichtet worden, als das Land hier noch zu Mexiko gehörte.
Ich ging in den Innenhof und traf dort auf den alten Samuel. Er war ein schwarzer Sklave gewesen. Doch Esmeralda, die Besitzerin, hatte ihm die Freiheit bescheinigt, obwohl er sie fünfhundert Dollar gekostet hatte.
Er hatte jetzt schneeweißes Haar, und als er mich erkannte, da zeigte er immer noch makellose weiße Zahnreihen. Er hatte bei einem Blumenbeet Ordnung geschaffen, also Unkraut gejätet.
Nun rief er: »Jeremy! Du guter Vater im Himmel, ich werde in der Kirche eine große Kerze anzünden!«
Ja, er freute sich, mich zu sehen.
Dann kam er, um mich anzufassen, so als fürchte er, nur ein Trugbild zu sehen. Doch ich konnte ihn beruhigen, indem ich mein weniges Gepäck fallen ließ und ihm auf beide Schultern klopfte.
Er sagte erleichtert: »Weißt du, Mister Jeremy, es ist ja so, dass zumeist die Guten nicht wiederkommen, während die Schlechten Glück haben. Nun ist Freude in mir, denn ein Guter wiegt zehn Schlechte auf!«
Er deutete auf den Eingang, der unter den Arkaden des Innenhofes in die große Wohnhalle führte, wo die Mädchen ihre Gäste empfingen, etwas tranken und sich auch unterhielten.
Und erst später, wenn es eine Übereinstimmung gab und ihnen die Freier angenehm genug waren, gingen sie mit ihnen nach oben.
Ja, ich kannte mich aus.
Nun, er deutete also auf den Eingang zur Wohn- und Empfangshalle und sagte: »Doña Dolores wird sich mächtig freuen, Mister Jeremy.«
»Und gewiss auch Doña Esmeralda«, sprach ich.
Aber da schüttelte er den weißhaarigen Kopf.
»Doña Esmeralda gibt es nicht mehr«, sprach er traurig. »Sie starb vor etwa einem Jahr. Dort drüben unter den Rosen lauerte eine Klapperschlange. Ich habe sie dann getötet. Doña Esmeralda kämpfte noch zwei Tage und Nächte gegen das Gift. Aber dann verlor sie, weil ihr Herz ...«
Er brach heiser ab und wischte sich übers Gesicht.
Nach einer Weile sprach er wieder einigermaßen beherrscht: »Doña Dolores Valdes ist jetzt unsere Patrona. Geh nur hinein, Mister Jeremy.«
Das tat ich. Mein Gepäck ließ ich einfach liegen. Samuel würde sich darum kümmern, das wusste ich.
All die Erinnerungen wurden wieder wach, als ich mich drinnen umsah. Hier waren wir Dolan-Brüder oft zu Gast gewesen und hatten unsere Dollars oder Silberpesos verjubelt, die wir mit Rinder- und Pferdediebstahl verdienten.
So mancher jetzt riesengroße Rancher in Texas und New Mexico hatte von uns Herden gekauft, nicht nur Longhorns, sondern auch Pferde von bester Zucht. Denn es ging den zukünftigen Cattle Kings vor allen Dingen darum, möglichst viel freies Weideland mit Rindern zu besetzen, also auf diese Weise für das jeweilige Brandzeichen zu beanspruchen.
Dolores kam aus einem der Nebenräume in die große Halle.
Himmel, sie sah jetzt wirklich wie eine wunderschöne Dame aus, wie eine spanische Adlige, so richtig vornehm und edel. Sie war etwa fünf Jahre älter als ich, musste jetzt dreißig sein.
Und sie war noch schöner geworden. Sie strahlte auch etwas aus, was man nicht so leicht beschreiben kann.
»Heiliger Rauch«, sprach ich feierlich, »bist du die wieder auferstandene Königin von Saba?«
»Nein.« Sie lächelte. »Ich bin nur die Dolores. Aber auch ich würde gerne den weisen Salomon mal besuchen, um eine Menge von ihm zu lernen. Ich bin nur Dolores, und dich, Jerry, habe ich sofort wiedererkannt. Das war leicht, denn ich konnte dich nicht vergessen und fragte mich oft, ob du wohl heil aus dem verdammten Krieg herauskommen würdest. Schön, dass du mich besuchen kommst.«
»Ich komme nur als armer Hund«, sagte ich und grinste verlegen. »Und du bist jetzt hier die Patrona.«
»Ich bin immer noch deine Freundin, die dich nicht vergessen hat.« Sie lächelte und kam in meine Arme.
Als wir uns voneinander lösten, da lächelte sie immer noch. Aber sie sagte: »Du stinkst nach Pferd, dem Rauch von Feuern und hast ein Bad nötig. Nicht wahr?«
»Und dann?« So fragte ich.
Aber sie lachte nur. Ihr Lachen war melodisch. Sie lachte wie eine erfahrene Frau, die einem Mann gewaltig viel schenken kann – nämlich das Paradies.
✰✰✰
Als ich am nächsten Morgen erwachte, da war ich sehr zufrieden mit meiner ersten Nacht in El Paso. Und ich dachte mit einiger Schadenfreude an meine drei Brüder. Denn die hatten die vergangene Nacht gewiss nicht so angenehm verbracht wie ich.
Dolores lag neben mir und schlief noch fest.
Was für eine Frau! Aber sie war aufgestiegen zur Patrona dieses Hauses und gebot über ein halbes Dutzend wunderschöner Mädchen, einen Koch, eine Haushälterin, den Neger Samuel und zeitweilige Hilfskräfte aus dem mexikanischen Teil von El Paso.
Sie erwachte nun, drehte sich auf die Seite und sah mich an.
»Du hast gewiss eine Menge Frauen verführt in den vergangenen fünf Jahren«, sagte sie lächelnd.
»Oder sie mich.« Ich grinste. »Und es hat mir stets geholfen, was ich damals alles von dir lernte.«
»Ich weiß«, sprach sie und erhob sich. Nackt stand sie am Bett und ließ sich bewundern. Ich fragte: »Warum hast du dir nicht schon längst einen King geangelt? Du hättest eine Queen werden können an der Seite eines Mächtigen. New Orleans wäre etwas für dich gewesen als geeigneter Angelplatz.«
Sie lächelte nachsichtig auf mich nieder. Dann warf sie sich den Morgenmantel über und sprach: »Ich könnte eine Queen werden, Jeremy, eine Queen ohne King. In Saint Louis. Ich könnte ein gewaltiges Erbe antreten. Vor einigen Tagen erhielt ich die Aufforderung, durch mein Erscheinen meinen Anspruch geltend zu machen.«
Ich staunte und fragte: »In Saint Louis?«
Sie nickte. »In Saint Louis. Ich könnte dort ein Imperium erben, ein Handelsimperium, zu dem eine Schiffslinie gehört, Handelsagenturen bis hinauf nach Montana, Sägewerke, Frachtwagenzüge, die von den großen Strömen aus den Westen versorgen, und Baumwollplantagen. Ein Imperium eben. Ich könnte es erben.«
»Von wem?« Ich fragte es knapp.
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung: »Ach, da war mal ein Gast, ein Bursche wie ein alter Adler. Er kam von Galveston herauf, wo er während des Krieges große Geschäfte mit Waffenlieferungen aus Europa machte. Und er legte seine Gewinne bei den Yankees an, weil er wusste, dass sie den Krieg gewinnen würden. Wir verstanden uns gut. Er wollte sogar, dass ich ihm einen Erben schenkte. Jetzt ist er gestorben. Ein Notar aus Saint Louis schrieb mir, dass ich nur persönlich meinen Anspruch geltend machen könne. Sonst würde das Erbe verfallen. Ich habe jetzt noch zwanzig Tage Zeit, um nach Saint Louis zu gelangen. Zwanzig Tage ...«
»Na und, dann nichts wie hin«, sagte ich. »Warum bist du noch nicht unterwegs? Es ist ein verdammt weiter Weg bis Saint Louis.«
»Richtig«, erwiderte sie. »Doch ich erhielt noch einen zweiten Brief. In diesem Brief stand, dass ich nicht aus El Paso herauskommen würde. Man würde mich nicht einfach nur abschießen wie eine Katze, sondern mit mir noch eine Menge Spaß treiben. Und dann würde man mich nach Mexiko in ein Bordell schaffen. Jeremy, würdest du an meiner Stelle nach Saint Louis reisen? Mir geht es hier gut. Ich könnte mir in einigen Jahren in New Orleans ein schönes Haus kaufen und zahlreiche Diener halten. Ich könnte auch nach Kalifornien ziehen. Ich bin längst eine wohlhabende Frau. Soll ich mich also auf die gefährliche Reise machen und mich in ein solches Abenteuer stürzen?«
Ich sah ihr an, dass sie es ganz ernsthaft fragte.
Und da erinnerte ich mich wieder an meine drei Brüder.
✰✰✰
Ich fand sie beim Mietstall, wo sie die Nacht im Maisstroh verbracht hatten. Sie sahen nicht besonders glücklich aus, und ich wusste, sie hatten Hunger. Wahrscheinlich würden sie nicht mehr lange hungern wollen und in der nächsten Nacht jemanden ausrauben. Denn so weit waren sie jetzt. Das sah ich ihnen an.
Ich kam auf einem Pferd in den Stallhof geritten. Das Tier gehörte Dolores, aber das konnten sie nicht wissen.
Vom Sattel aus sah ich grinsend auf sie nieder und sagte: »Na, ihr Pfeifen, habt ihr auch so ein schönes Frühstück gehabt wie ich?«
Bruce grollte sofort: »Wir sollten unseren Kleinen vom Pferd holen und ihm den nackten Hintern versohlen, so wie damals, als er sich noch in die Hosen machte. Sollen wir?«
Doch Stapp und Jesse wollten nicht. Sie schüttelten wortlos die Köpfe. Stapp sagte schließlich: »Du hast es doch gestern gehört, Bruce. Wir sollen nicht mehr Kleiner zu ihm sagen. Und er ist wohl auch nicht mehr unser kleiner Bruder – nur noch der jüngere, nicht wahr?«
Dann sah er mich an und fragte: »Was willst du, dass du jetzt grinsend herangeritten kommst wie eine männliche Versuchung?«
Ich setzte mich bequemer im Sattel zurecht und ließ sie noch einige Atemzüge lang warten. Dabei betrachtete ich sie noch einmal prüfend.
Sie waren nun mal meine Brüder. Gestern war ich verdammt wütend und böse auf sie gewesen. Aber nun hatte sich mein Zorn gelegt.
Ich sah ihnen an, dass sie die Nachwirkungen des langen Krieges und der Gefangenschaft genauso wenig überwunden hatten wie ich. Sie waren auch so abgerissen wie ich. Es fehlte ihnen an Gewicht. Sie ließen mich an struppige Wüstenwölfe denken, welche lange keine Beute machen konnten. Nun waren sie bereit, über alles herzufallen, was zur Linderung ihrer Not beitragen konnte.
Gewiss hatten sie vorgestern und gestern ihre ganze Barschaft zusammengelegt, damit Stapp – er war schon immer unser bester Pokerspieler – ihre paar Kröten vermehren sollte. Und offenbar hatte er in der langen Nacht anfangs mächtig gewonnen, bis dann seine Pechsträhne begann. Ein Spieler namens Leo Leroy hatte zuletzt das größere Spielkapital, nämlich vierhundert Dollar mehr. Und so verlor ich mein prächtiges Pferd, das ich am Mississippi einem Nordstaatenmajor gestohlen hatte und mit dem ich ihm dann auch noch wie durch ein Wunder entkommen konnte.
Denn eines war sicher: Wegen dieses Verlustes hatte der Major gewiss Himmel und Hölle in Bewegung versetzt.
Solch ein Nordstaatenmajor war mächtig. Ihm stand der ganze Nachrichtendienst der siegreichen Unionsarmee zur Verfügung, der bis in den tiefsten Süden reichte. Denn hier in Texas war alles voller Besatzungstruppen und galt auch immer noch das Kriegsrecht, weil es einige Guerillatruppen gab, die sich noch nicht ergeben hatten und auf das Amnestieangebot pfiffen.
Wenn dieser Major am Mississippi tatsächlich wollte, konnte er überall da, wo Unionstruppen waren, nach seinem herrlichen Gaul suchen lassen.
Nun, ich sah also meine Brüder forschend an.
Stapp war der älteste Dolan, dann kam Bruce, nach diesem Jesse und dann ich. Wir waren alle genau zwei Jahre auseinander, so als hätten unsere Eltern damals eine präzise Maßarbeit bezüglich des Kinderkriegens vollbracht. Stapp war also sechs Jahre älter als ich.
Aber das zählte nicht mehr. Der Krieg hatte uns in den vergangenen Jahren gewiss unterschiedlich reifen lassen.
Sie warteten immer noch auf ein Wort von mir.
Und so sprach ich langsam: »Ich habe einen Job für euch – für uns alle. Wisst ihr, eigentlich verdient ihr es gar nicht, dass ich euch aus dem Bullshit heraushole, aber ihr seid nun mal meine Brüder. Und so tue ich es allein schon unserer Mutter zuliebe. Die soll sich im Himmel nicht länger um euch sorgen.«
Als ich verstummte, sah ich ihnen an, wie sie innerlich zu kochen begannen.
Stapp knurrte: »He, treib es nur nicht zu weit, Jeremy! Zieh nur mächtig die Zügel an. Gewiss, wir haben was um die Backen verdient, aber jetzt solltest du aufhören, uns zu reizen.«
Ja, so war es wohl wirklich. Sie waren immer noch stolz, selbst als Verlierer waren sie das noch.
Und so sagte ich einfach und schlicht: »Wir sollen eine reiche Erbin nach Saint Louis begleiten. Sie muss binnen zwanzig Tagen dort ihren Anspruch geltend machen. Aber es hat jemand was dagegen. Und so würde sie ohne Schutz wahrscheinlich niemals in Saint Louis ankommen. Kapiert?«
Sie nickten. Aber das alles war ja auch leicht zu begreifen.
Stapp stellte dann die logische Frage: »Und wer ist die reiche Erbin, die in zwanzig Tagen in Saint Louis sein muss?«
Ich grinste sie an.
»Das wird eine hübsche Überraschung für euch«. Ich kicherte. »Aber noch hübscher sind die tausend Dollar, die jeder von uns erhält, wenn sie das Erbe antreten kann. Und hundert Dollar gibt es Vorschuss.«
Sie staunten.
»Her damit«, verlangte dann Bruce.
»Ja, her damit«, wiederholten Stapp und Jesse zweistimmig.
Ich saß ab und gab ihnen das Geld.
Dabei sagte ich: »In zwei Stunden seid ihr im Hof der Postagentur. Eure Pferde mitsamt den Sätteln könnt ihr verkaufen, denn wir werden in einer noblen Extrapostkusche reisen, einer guten Abbot & Downing Stage, versteht ihr? Ich kann euch nicht zumuten, in weniger als zwanzig Tagen bei einem Gewaltritt nach Saint Louis eure süßen Popos wund zu reiten. Also wascht euch und kauft euch neues Zeug. Sonst stinkt ihr zu sehr in der Kutsche in Gesellschaft der Lady.«
Sie schluckten.
Bruce murrte: »Wie spricht der mit uns, verdammt ...«
»Halt den Mund, Bruce«, grollte Stapp. »Vergiss nicht, dass er uns einen Tausend-Dollar-Job mit hundert Dollar Vorschuss verschafft hat. Wo gibt es denn so was noch jetzt in dieser lausigen Zeit im südwestlichen Texas?«
Ich trat wieder zu meinem Pferd, saß auf und ritt weiter.
Denn nun musste ich eine Extrapost mieten und dafür sorgen, dass sie ein besonders gutes Gespann bekam.
Eine halbe Stunde später wurde ich mit dem Post- und Frachtagenten von El Paso einig. Ich inspizierte die Kutsche genau, suchte auch das erste Gespann aus, denn das war wichtig, weil wir dafür bei allen Relaisstationen ein gleichwertiges Gespann bekommen würden, und hinterlegte die Kautionssumme, die wir in Saint Louis abzüglich der Mietsumme und der eventuellen Schäden an der Kutsche zurückerhalten würden.
Denn wir brauchten keinen Fahrer.
Ich ging dann noch einige Einkäufe machen. Die schöne und noch so junge Patrona Dolores Valdes, die mich in der vergangenen Nacht so verwöhnt hatte, hatte mir genügend Geld mitgegeben.
Ich ließ alle Einkäufe zur Kutsche im Hof der Postagentur bringen und brachte das Pferd zurück in den Stall des noblen Putahauses.
Samuel nahm es in Empfang. Er sagte traurig: »Die Patrona ist reisefertig. Sie wird im leichten Zweirädrigen zur Poststation kommen. Du sollst mit ihr fahren, Mister Jeremy. Unsere Rote Lola wird das Etablissement weiterführen. Auch sie wird eine gute Patrona sein für uns alle.«
»Sicher, Samuel, sicher,«, erwiderte ich. »Sonst hätte Dolores sie nicht zu ihrer Nachfolgerin bestimmt.«
✰✰✰
Als ich den zweirädrigen Buggy in den Hof der Postagentur fuhr, saß Dolores neben mir.
Und meine Brüder standen herum und bildeten eine lose Gruppe.
Aber sie erkannten die schöne Dolores nicht, obwohl sie sich gewiss bei ihrem Anblick an sie erinnert hätten. Schließlich hatten sie mich ihr doch vor etwa acht Jahren zu meiner eigenen »Entjungferung« übergeben.
Dolores neben mir war wie eine seriöse Lady gekleidet nach der französischen Mode, die von New Orleans nach El Paso kam.
Sie trug auch einen Hut, von dem ein raffinierter Schleier über ihr Gesicht fiel und dessen rassige Schönheit lediglich ahnen ließ.
Dolores war schwarzhaarig, hatte jedoch blaue Augen.
Meine Brüder staunten, als ich ihr aus dem Wagen half und sie zur wartenden Kutsche begleitete. Dann aber griffen sie an die Hüte und verbeugten sich wie echte Gentlemen.
Ich nickte Stapp und Bruce zu. »Wir lösen uns auf dem Bock ab. Ihr macht den Anfang. Ich übernehme dann mit Jesse bei der nächsten Station.«
Dann wandte ich mich an Dolores. »Lady, dies sind meine Brüder. Ich denke, wir werden uns unterwegs noch besser kennen lernen.«
Sie wollte einsteigen, denn ich hielt ihr schon den Wagenschlag auf.
Aber dann fiel mein Blick hinüber zum Hof des Mietstalles. Die Entfernung betrug weniger als zwei Steinwurfweiten.
Aus dem Mietstall kam jener Leo Leroy geritten. Er saß auf dem wundervollen Rappen, den ich am Mississippi dem US-Major gestohlen hatte und den mein Bruder Stapp dann verlor.
Stolz saß er im wertvollen Sattel.
Gewiss wollte er ausreiten an diesem schönen Vormittag und sich an seinem prächtigen Spielgewinn erfreuen.
Doch da kamen drei Männer zum Vorschein, die sich offensichtlich hinter den abgestellten Frachtwagen verborgen gehalten hatten. Mehr als ein Dutzend solcher Wagen standen auf dem Mietstallhof herum.
Zwei der drei Männer waren Soldaten, Sergeants der Besatzungstruppe.
Der dritte Mann war ein Zivilist. Und er trug einen Stern.
Ich konnte sehen, wie sie Leo Leroy zum Anhalten und Absteigen veranlassten. Und da wurde mir blitzschnell klar, dass der Major am Mississippi einen sehr langen Arm hatte, der bis hierher nach El Paso reichte.