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Jim Lane klettert als letzter Mann aus der Kutsche. Er ist ein großer, hagerer und dunkler Bursche, dem ein sichelförmiger Bart über die Mundwinkel hängt.
Er trägt die Kleidung eines Mannes, der sonst zumeist im Sattel reist, und der Colt an seiner linken Seite wirkt auf den ersten Blick nicht besonders auffällig. Es scheint einfach nur ein gewöhnlicher Colt zu sein, so wie ihn viele Männer in diesem Land tragen.
Erst wenn man in Jim Lanes rauchgraue und leicht schräge Augen gesehen hat, misst man seiner Waffe mehr Bedeutung zu. Und dann blickt man unwillkürlich auf seine Hand - seine linke. Es ist eine lange Hand, geschmeidig und mit einem breiten Gelenk. Man glaubt sofort, dass diese Hand schneller zupacken kann als ein zuschnappender Wolfsfang. Und wenn man nicht gerade ein Greenhorn oder ein Dummkopf ist, weiß man über Jim Lane schon recht gut Bescheid.
Auch der Bursche, der bei der Vordertür der Poststation an einem Stützbalken des Verandadaches lehnt, kennt sich aus. Er bekommt schmale Augen, hebt einen Moment die Oberlippe und zeigt seine Zähne auf böse Art. Aber er bleibt stehen und sieht zu, wie man Jim Lanes Sattel vom Dach der Kutsche hinunter in Lanes Arme wirft. Erst als Jim Lane mit der Rechten den Sattel auf seine Schultern schwingt und sich in Richtung Hotel entfernen will, bewegt sich der hartäugige Mann, der bisher am Stützbalken lehnte. Langsam geht er Jim entgegen und bleibt dann breitbeinig vor ihm stehen ...
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Seitenzahl: 163
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Die Fährte der Revolvermänner
Vorschau
Impressum
Die Fährte der Revolvermänner
Jim Lane klettert als letzter Mann aus der Kutsche. Er ist ein großer, hagerer und dunkler Bursche, dem ein sichelförmiger Bart über die Mundwinkel hängt.
Er trägt die Kleidung eines Mannes, der sonst zumeist im Sattel reist, und der Colt an seiner linken Seite wirkt auf den ersten Blick nicht besonders auffällig. Es scheint einfach nur ein gewöhnlicher Colt zu sein, so wie ihn viele Männer in diesem Land tragen.
Erst wenn man in Jim Lanes rauchgraue und leicht schräge Augen gesehen hat, misst man seiner Waffe mehr Bedeutung zu. Und dann blickt man unwillkürlich auf seine Hand – seine linke. Es ist eine lange Hand, geschmeidig und mit einem breiten Gelenk. Man glaubt sofort, dass diese Hand schneller zupacken kann als ein zuschnappender Wolfsfang. Und wenn man nicht gerade ein Greenhorn oder ein Dummkopf ist, weiß man über Jim Lane schon recht gut Bescheid.
Auch der Bursche, der bei der Vordertür der Poststation an einem Stützbalken des Verandadaches lehnt, kennt sich aus. Er bekommt schmale Augen, hebt einen Moment die Oberlippe und zeigt seine Zähne auf böse Art. Aber er bleibt stehen und sieht zu, wie man Jim Lanes Sattel vom Dach der Kutsche hinunter in Lanes Arme wirft. Erst als Jim Lane mit der Rechten den Sattel auf seine Schultern schwingt und sich in Richtung Hotel entfernen will, bewegt sich der hartäugige Mann, der bisher am Stützbalken lehnte. Langsam geht er Jim entgegen und bleibt dann breitbeinig vor ihm stehen ...
»Im Hotel ist kein Platz mehr«, sagt er. »Bleiben Sie vom Hotel weg, Amigo. Die Luft ist dort überdies auch ungesund. Gehen Sie in die andere Richtung, Hombre!«
Die letzten Worte sind zweifelsohne ein Befehl.
Jim Lane blickt drei Sekunden in die harten Augen des Mannes, und er spürt auch deutlich den Anprall von Gefahr.
»Na schön«, sagt er. »Dann gehe ich in den Saloon. Sonst noch etwas, was ich beachten muss?«
Der Bursche hebt in der für ihn gewiss charakteristischen Art seine Oberlippe und sagt spröde und eiskalt: »Pass auf, Hombre! Ich habe sofort erkannt, dass du eine harte Nummer bist. Und vielleicht bist du hergekommen, um dich in unser Spiel hier einzukaufen. Doch wir sind schon komplett. Wir nehmen niemanden mehr herein. Schleich dich, Bruderherz!«
Jim Lane grinst nun ebenfalls. Er hat prächtige Zahnreihen, und sein dunkles und sichelbärtiges Comanchengesicht wirkt verwegener als zuvor.
Er geht mit dem Sattel über die staubige Fahrbahn.
Oben auf dem Dach des gegenüberliegenden Adobehauses entdeckt er hinter dem Kamin einen Mann mit einem Gewehr. Der Bursche hätte ihn von dort glatt erledigen können. Jetzt, da er sieht, dass Jim Lane zum Saloon geht, zieht er sich in den Schatten des Kamins zurück.
Bis jetzt sehe ich zwei, denkt Jim Lane. Aber außer dem Burschen auf dem Dach und jenem, mit dem ich sprach, müssen zumindest noch zwei weitere im Ort sein.
Er hat die Straße nun überquert, wendet sich nach rechts und erreicht die Ecke des Saloons. In der schattigen Gasse sind vier zähe Pferde angebunden. Sie stehen gewiss schon einige Tage hier in Bereitschaft. Es wurde ihnen Futter hingeschüttet und Wasser gebracht. Da aber niemand den Pferdemist fortschaffte, kann man sich ungefähr ausrechnen, wie lange sie dort in der Gasse neben dem Saloon schon in Bereitschaft gehalten werden.
Die Haltestange vor dem Saloon ist leer.
Jim Lane legt den Sattel auf die Bank neben der Tür ab und tritt dann ein in das kühlere Halbdunkel.
Hinter der Bar steht ein Mexikaner. Wahrscheinlich ist er der Besitzer.
Und an dem Tisch in der Ecke, von dem aus er durch das Fenster die Straße beobachten kann, da sitzt Abe Gunnison. Er fletscht die Zähne wie eine Bulldogge und deutet mit seinem dicken Zeigefinger auf Jim Lane.
»Du bist doch nicht zufällig hier, Revolver-Lane«, sagt er. »Ich wette, du warst ganz in der Nähe, sodass ein Vögelchen dir etwas ins Ohr singen konnte. Und dann bist du mit der wöchentlichen Postkutsche hergekommen, weil es gerade so passte. Sonst wärest du geritten, nicht wahr? Ist es so?«
Er beugt sich über den Tisch, und er ist ein gedrungener, stiernackiger Mann mit der ständigen Angriffslust eines schwarzen Toros, also eines spanischen Kampfstieres, von denen die Longhorns abstammen.
Jim Lane tritt zur Bar und verlangt ein Bier. Er trinkt das Glas zur Hälfte leer und geht dann damit zu Abe Gunnison, setzt sich zu diesem an den Tisch.
»Ich hörte«, sagt er, »dass ihr einen harten Burschen in der Klemme habt und es deshalb nicht so einfach für euch ist, weil ihr ihn nicht töten dürft, bevor er euch sein Geheimnis verraten hat. Deshalb steckt nicht nur er, sondern auch ihr in der Klemme. Die Zeit arbeitet für ihn. Lange könnt ihr diesen kleinen Ort nicht mehr beherrschen und die Einwohner einschüchtern. Aus Santa Fe und Albuquerque sind vielleicht schon Aufgebote unterwegs. Auch die Freunde des Burschen kommen bald. Ihr müsst bis spätestens Mitternacht fertig sein. Ihr plagt euch schon zwei Tage hier herum.«
»Du weißt gut Bescheid, Revolver-Lane«, erwidert Abe Gunnison kehlig. »Aber du kannst dich trotzdem hier nicht einkaufen. Dieses Geschäft mache ich mit meinen Jungs allein.«
Jim Lane nickt und leert das Glas.
»Zuerst schmeckt es kühl«, sagt er, »doch der zweite Schluck kann nicht mehr täuschen. Abe, wir sind alte Bekannte, und einmal, da hätten sie dich drüben in Mexiko am Hals hochgezogen, wenn ich dir nicht geholfen hätte. Ich werde hinüber ins Hotel gehen und mit dem Mann reden. Vielleicht kann ich ihn überzeugen.«
Abe Gunnison grollt, als er dies hört. Er wischt sich über seinen haarlosen Kopf.
»Selbst wenn es dir gelingen sollte, Jim«, murrt er dann, »wirst du nur einen Fünftelanteil bekommen können. Denn wir sind schon vier. Du bist das fünfte Rad am Wagen. Aber schön – wir kennen uns gut. Und ich bin dir eine Kleinigkeit schuldig, noch von Mexiko. Schön, versuch es! Es könnte auch sein, dass er dir eine Kugel in den Bauch schießt, sobald du in sein Zimmer kommst. Er ist verwundet und hat Fieber. Wenn wir genügend Zeit hätten, brauchten wir nur zu warten. Also, gut! Versuch es!«
Er beugt sich zur Seite und stößt das Fenster auf.
Mit scharfer Stimme ruft er über die Straße: »Hoiii, Jungs, er hat meine Erlaubnis! Er ist ein alter Freund von mir. Er darf ins Hotel!«
Als er das Fenster wieder geschlossen hat und Jim Lane ansieht, wirkt er ausdruckslos und dennoch irgendwie geheimnisvoll. Man muss bei seinem Anblick an einen Buddha aus Bronze denken.
»Versuch nur nicht, mich aufs Kreuz zu legen, Revolver-Lane«, murmelt er, wobei er kaum seine dicken Lippen bewegt.
Jim Lane erwidert nichts. Er verlässt den Saloon, hält draußen an, holt sein Rauchzeug hervor und dreht sich eine Zigarette.
Seine Gedanken arbeiten. Und er denkt: Abe Gunnison sagt, dass sie vier Mann sind – aber wo steckt ihr vierter Mann? Und was ist, wenn er mich angelogen hat und sie fünf Hombres sind?
Er setzt sich langsam in Bewegung und überquert die staubige Fahrbahn. Dieser Ort hier entstand aus einer Poststation. Außer dieser, dem Hotel, dem Saloon und einem Store gibt es nur noch ein halbes Dutzend Häuser und ebenso viele Hütten. Zumeist ist alles aus Adobe errichtet und weiß getüncht. Denn die meisten Leute hier in Taton sind mexikanischer Abstammung. Für sie ist Adobe seit Urzeiten das beste Baumaterial.
Der Bursche, mit dem Jim Lane schon bei seiner Ankunft einige Worte gewechselt hatte, kommt von der Poststation zum Hoteleingang und starrt Jim Lane an.
Dieser bleibt stehen und murmelt: »Du bist hier – einer ist auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses. Abe Gunnison sitzt im Saloon, und wo sind die anderen Jungs?«
Der Mann grinst ihn auf seine merkwürdige Art an. Dann sagt er: »Du hättest Abe fragen sollen, Bruder – nur Abe, nicht mich. Und damit du es gleich weißt, ich traue dir nicht. Du magst ja mit Abe gut bekannt sein, aber für mich stinkst du gegen den Wind.«
Jim Lane erwidert nichts.
Er lässt den anderen wortlos stehen und betritt das Hotel. Doch diese Bezeichnung ist eigentlich eine Übertreibung. Es handelt sich um einen einfachen Gasthof.
Unten gibt es eine Gaststube, einen Treppenaufgang nach oben, die Küche und einige weitere Nebenräume.
Oben sind gewiss nicht mehr als sechs Zimmer.
Und in einem dieser Zimmer hat sich Al Shannighan verschanzt. Dies weiß Jim Lane, und deshalb ist er gekommen.
Der Wirt lässt sich nicht blicken. Gewiss hat er sich in seine Privaträume zurückgezogen und dort auch seine Familie in Sicherheit gebracht.
Jim Lane blickt auf die Treppe. Doch zuerst geht er zur Hintertür und öffnet diese einen Spalt. An der Ecke eines Schuppens oder Stalles lehnt ein Mann. Er ist halb hinter der Ecke verborgen und hat ein Gewehr in der Armbeuge.
Nun weiß Jim Lane, wo sich der vierte Mann der Bande befindet, und es war ja auch vorauszusehen, dass sie den Hinterausgang des Hotels bewachen würden.
Aber gibt es noch einen fünften Mann?
Jim Lane traut Abe Gunnison zu, stets ein Ass im Ärmel zu haben. Er schließt die Tür und geht zur Treppe. Auf halber Höhe hält er inne und ruft: »Hoiii, Shannighan! Hörst du mich, Shannighan?«
»Ich höre dich«, klingt es zurück. »Und ich habe auch Abe Gunnisons Gebrüll gehört. Du musst ja ein guter Freund von ihm sein. Was willst du? Kenne ich dich?«
»Vielleicht hast du von mir schon gehört, Shannighan. Ich bin Lane, Jim Lane. Und ich möchte mit dir reden. Glaubst du, dass es schaden könnte, wenn wir miteinander reden?«
»Ach, für mich ist alles gut, was mich am Einschlafen hindert«, erwidert Shannighans Stimme. »Und gehört habe ich schon von dir. Du bist doch nicht einfach nur ein Jim Lane, sondern Revolver-Lane – oder?«
»So nennt man mich. Kann ich jetzt kommen?«
»Mit den Händen hinter dem Kopf verschränkt, Lane. Nur so!«
Jim Lane grinst blitzend. Dann gehorcht er. Mit hinter dem Kopf verschränkten Händen geht er weiter die Treppe hinauf. Schon von der nächsten Stufe aus kann er über die Treppe hinweg und den kurzen Gang entlang in ein offenes Zimmer blicken.
Aus diesem Zimmer kann ein guter Schütze tatsächlich jeden Mann wegputzen, der von unten heraufkommen will. So einfach ist das.
Und Al Shannighan ist mehr als nur ein guter Schütze. Er ist ein Künstler auf diesem Gebiet.
Diesmal aber hat es ihn ziemlich schlimm erwischt.
Er hockt halb liegend auf seinem Bett. Sein Oberkörper ist nackt, und der Verband, den er sich selbst anlegte, taugt nicht viel. Es muss ihn ziemlich übel auf einer Rippe erwischt haben. Sein linkes Hosenbein ist aufgeschnitten, und auch hier kann Jim Lane einen Verband erkennen.
Nun ist ihm klar, warum sich Al Shannighan – auch Red Shannighan genannt! – in diesem Gasthof in einem Zimmer verkroch wie ein in die Enge getriebener Wolf in einer Höhle.
Shannighan kann nicht mehr reiten. Er ist am Ende einer Flucht.
Vielleicht hat er sich hier Hilfe erhofft. Doch dieser Ort ist zu klein. Die Leute hier sind zu ängstlich und denken nicht daran, sich wegen eines fremden Revolvermannes mit einer ganzen Bande einzulassen. Für sie ist das alles hier eine reine Privatsache zwischen Al Shannighan und Abe Gunnison und dessen Reitern.
Jim Lane behält die Hände hinter dem Kopf. Doch er tritt neben der Tür an die Wand und lehnt sich dagegen. Seine Stimme klingt nicht laut und reicht gerade noch bis zu Shannighans Ohren.
Er sagt zu Shannighan: »Der Junge aus dem Hotel kam zur Pueblo-Station. Du hattest ihm Geld gegeben und ihn losgeschickt, dass er dir Hilfe holt. Er hatte Glück und traf bei der Pueblo-Station auf mich. Nun bin ich hier, um das Geschäft mit dir zu machen. Wie ich von dem Jungen hörte, geht es um eine Goldader. Willst du mir mehr davon erzählen, Shannighan? Der Hoteljunge war noch mächtig durcheinander. Er begriff wohl erst auf der Pueblo-Station richtig, wie viel Glück er hatte, dass es ihm gelang, sich fortzuschleichen. Wie steht die Sache hier?«
Er betrachtet Shannighan ernst.
Und auch Shannighan starrt zurück. Er ist ganz gewiss ein Mann von Jim Lanes Sorte. Auch er besitzt hier im Südwesten einen Kriegsnamen und jenen bitteren Ruhm eines Revolvermannes und Abenteurers. Shannighan und Lane haben schon voneinander gehört, ohne sich bisher begegnet zu sein.
Nun also betrachten sie sich.
Aladin Shannighan ist gewiss nicht kleiner als Jim Lane, doch er wirkt nicht so hager. Er ist rothaarig und hat blaue Augen, in denen jetzt das Fieber glänzt. Auf seiner kurzen Nase sind ein paar Sommersprossen. Er hat einen breiten Mund, ein kräftiges Kinn und blinkende Zahnreihen.
Gewiss wiegt er an die zweihundert Pfund, und er kann damit – wenn er gesund ist – so schnell sein wie ein Berglöwe.
In seiner Rechten hält er einen Colt. Ein zweiter Colt liegt griffbereit neben ihm auf dem Bett.
»Du also bist Jim Lane«, murmelt er, »Revolver-Lane! Comanchen-Lane! Brazos-Lane! Oha, ich kenne eine Menge Namen von dir, nicht wahr?«
»Du hast wohl viel Zeit?«, fragt Jim Lane zurück.
Da wischt sich Shannighan über sein schwitzendes Gesicht. Das Fieber ist schlimmer in ihm, als es für Jim Lane zuerst den Anschein hat.
»Nein, ich habe keine Zeit«, murmelt Shannighan. »Und warum soll ich dir nicht genau sagen, um was es geht? Vor drei Tagen hatte ich mein Camp in der Nähe der Pima-Tinaja. Gegen Mitternacht kam ein Mann mit letzter Kraft. Er fragte mich, wer ich sei, und als ich ihm meinen Namen genannt hatte, da sagte er mir, dass er von mir schon gehört hätte und es ihm eine Freude wäre, mich zu seinem Erben zu machen. Ja, er hatte eine Goldader gefunden, davon einige Brocken herausgeschlagen und war nach Acoma geritten, um zwei Packlasten Ausrüstung, Proviant und ähnliche Dinge zu kaufen. Schon in Acoma wagte er es nicht mehr, seine Fundstelle registrieren zu lassen. Denn dass er mit Goldbrocken bezahlte, hatte einige böse Pilger auf ihn aufmerksam gemacht. Deshalb meldete er seinen Claim nicht an, sondern versuchte, sie abzuschütteln. Das gelang ihm nicht. Sie waren zwei Tage hinter ihm her, als er sich ihnen zum ersten Mal stellen musste. Und dann wurde es für ihn eine traurige Sache. Sie verwundeten ihn und jagten ihn durch die Nacht. Sie verstanden diese Art von Jagd. Nun, er hatte also keine Chance mehr – auch später nicht, als ich für ihn getan hatte, was ich konnte. Seine Wunden hatten sich entzündet. Er war am Ende, und er wusste das. Ich gab ihm mein Wort, dass ich an seiner Stelle weitermachen würde. Und da verriet er mir die genaue Lage der Goldader. Sie wird gewiss nicht einfach zu finden sein. Nun gut, er starb dann etwa eine Stunde später. Zuvor schon waren wir eingeschlossen worden von der Bande. Er rief ihnen noch zu, dass sie sich jetzt an mich halten müssten und es mit mir gewiss schwerer haben würden, weil ich kein namenloser Goldsucher, sondern Red Shannighan wäre. Oh, er redete schon sehr im Fieber und dachte nur an Rache. Ich selbst hatte es dann ziemlich schwer, mir den Weg freizuschießen. Ich kam nur verwundet davon. Dieser Abe Gunnison hatte am Anfang mehr als ein halbes Dutzend von diesen hartbeinigen Nummern bei sich. Jetzt sind es noch vier.«
Al Shannighan schweigt nun erschöpft. Er beugt sich zur Seite und nimmt eine Flasche, die neben seinem Bett auf dem Fußboden steht. Er trinkt daraus. Etwas läuft ihm aus den Mundwinkeln am Kinn nieder. Es ist Rotwein.
Jim Lane sagt: »Gunnison sitzt im Saloon. Ein Mann ist vorne auf der Straße. Ein zweiter Bursche ist hinter dem Hotel. Und ein dritter Hombre befindet sich gegenüber vom Hotel auf einem Hausdach. Den vierten Mann konnte ich noch nicht entdecken.«
»Er wird die Straße nach Santa Fe und Albuquerque bewachen«, erwidert Shannighan und trinkt noch mal. »Gunnison muss sich nach dorthin absichern. Was für ein Geschäft willst du mit mir machen, Jim Lane?«
In seine fieberglänzenden Augen tritt noch einmal der Ausdruck von Härte und Selbstsicherheit.
Aber dann gibt er es auf, Jim Lane täuschen zu wollen. Er weiß, dass er dies nicht mehr kann. Er ist am Ende und kann nicht mehr lange durchhalten. Zwar müssen sie ihn lebend in ihre Hände bekommen, doch wird es dann umso schlimmer für ihn werden.
»Kann ich meine Hände herunternehmen, Shannighan?« Jim Lane fragt es ruhig und wartet dann.
Shannighan sieht ihn an.
Dann nickt er. »Ja, du bist ein Gentleman von meiner Sorte, Lane«, murmelt er. »Du bist kein Geier wie die dort draußen. Also, nimm deine Hände herunter. Ich habe meine Kanone ja auch schussbereit in der Hand. Du aber müsstest erst ziehen. Hoii, wer von uns würde wohl unter normalen Verhältnissen schneller ziehen und treffen, Lane? Ein Glück, dass wir nie auf verschiedenen Seiten standen.«
Jim Lane nimmt die Hände herunter. Er geht langsam zum Fenster und blickt auf die Straße – und auch hinüber zu Gunnisons Mann auf dem Hausdach.
Dann sagt er zu Shannighan: »So ähnlich dachte ich mir die ganze Sache, nachdem der etwas verwirrte Junge, den du um Hilfe schicktest, geredet hatte. Du sitzt hier in der Klemme. Ich kann dir helfen. Diese Bande würde nicht mit dir teilen. Das sind miese Vögel, die Furcht davor hätten, dich leben zu lassen. Denn wenn du wieder gesund bist, würdest du sie dir vornehmen. Nun gut, Shannighan, ich helfe dir aus der Klemme und werde dein Partner. Das ist mein Angebot.«
Er grinst unter seinem schwarzen Sichelbart, und man sieht ihm jetzt an, dass er zu jener Sorte gehört, die sich durch Kühnheit behauptet.
Nun grinst auch Shannighan, doch er grinst bitter.
»Du bist auch kein Menschenfreund«, murmelt er. »Du tust auch nichts umsonst oder der Ehre wegen.«
»So ist es!« Jim Lane nickt. »Ich muss hinausgehen und töten. Zwar ist Mitleid für mich etwas, an das ich mich noch ganz fern aus meiner Kindheit erinnern kann – doch inzwischen lernte ich auch, auf mich selbst zu achten in einer dreckigen Welt. Was ist, Shannighan?«
»Ich kann dir nur ein Drittelanteil versprechen«, sagt dieser. »Denn in jenem verborgenen Tal wartet noch eine Frau auf die Rückkehr ihres Mannes. Wenn sie Glück hat, kommen wir an seiner Stelle. Es soll eine junge und reizvolle Frau sein. Ein Drittel – mehr ist nicht für dich drin, Jim Lane.«
Dieser nickt. »Eine Frau ...«, murmelt er nachdenklich.
Und dann geht er hinaus, die Treppe hinunter, aus dem Hotel und über die Straße in den Saloon.
Abe Gunnison sitzt immer noch am Tisch in der Ecke.
Jim Lane setzt sich ihm gegenüber und sagt: »Du hast mich angelogen, Abe. Ihr seid nicht vier, sondern fünf!«
»Und was ist sonst noch?«, fragt Gunnison. Seine Rechte liegt nicht auf dem Tisch wie die Linke. Wahrscheinlich hält er mit dieser Rechten in Deckung des Tisches einen Revolver auf Jim Lane gerichtet. »Und was ist sonst noch?« Er wiederholt seine Frage schärfer.
»Dieser Al Shannighan«, sagt Jim Lane, »ist kein übler Bursche. Nicht so übel wie du, Abe Gunnison.«
»Gewiss, für einige Leute bin ich übel«, sagt dieser, und er drückt dann – obwohl er bereit war – seinen Colt einen Sekundenbruchteil zu spät ab, als Jim Lane sich scheinbar nach dem Wirt umwenden will, jedoch plötzlich reflexartig handelt.
Jim Lane ist wahrhaftig so schnell wie ein hungriger Wüstenwolf, der eine Klapperschlange fassen will, um ihr das Genick zu brechen.
Er wirft sich vom Stuhl, rollt über den Boden.
Abe Gunnison schießt zweimal daneben, denn der Tisch hindert ihn etwas am gewohnten Zielen.