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Linc McIntire kennt das Land, weiß von seinen Gefahren. Und er hat nicht nur wegen der Apachen allen Grund zur Vorsicht. Ein Mann, der mit drei schweren Packlasten Gold im Wert von fast dreihunderttausend Dollar unterwegs ist, der hat nicht nur die Apachen zu fürchten. Linc und seine Brüder haben Cade Cincaid nachts überfallen, um seine Goldader übernehmen zu können. Sie haben Cincaid für tot liegengelassen. Doch an anderen Morgen ist er verschwunden gewesen.
Drei Wochen lang arbeiteten die McIntire-Brüder Tag und Nacht in Cincaids Goldader. Dann wurde ihr Proviant knapp. Und so ist Linc - den das Los bestimmt hat - jetzt unterwegs, während seine beiden Brüder weiter das Gold aus der Ader holen.
Linc McIntire ist ein Mann mit dem Instinkt eines Wolfes. Dass er ständig an diesen Cade Cincaid denken muss, ist wahrscheinlich auch eine Vorahnung. Im Schatten eines Felsrückens hält er an und späht eine Weile in die Runde.
Linc McIntire flucht in Gedanken. Dabei durchfährt ihn der Gedanke an Cincaid besonders scharf. Plötzlich hört er hinter sich ein Geräusch. Er wendet den Kopf. Und dann sieht er ihn. Ja, da steht Cincaid. Er ist soeben vom Felsrücken gesprungen, in dessen Schatten der Reiter und die drei Packtiere verharren. Er hätte sich auch auf den Reiter werfen können. Doch er tat es nicht ...
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Cincaid schlägt zurück
Vorschau
Impressum
Cincaid schlägt zurück
Linc McIntire kennt das Land, weiß von seinen Gefahren. Und er hat nicht nur wegen der Apachen allen Grund zur Vorsicht. Ein Mann, der mit drei schweren Packlasten Gold im Wert von fast dreihunderttausend Dollar unterwegs ist, der hat nicht nur die Apachen zu fürchten. Linc und seine Brüder haben Cade Cincaid nachts überfallen, um seine Goldader übernehmen zu können. Sie haben Cincaid für tot liegengelassen. Doch an anderen Morgen ist er verschwunden gewesen.
Drei Wochen lang arbeiteten die McIntire-Brüder Tag und Nacht in Cincaids Goldader. Dann wurde ihr Proviant knapp. Und so ist Linc – den das Los bestimmt hat – jetzt unterwegs, während seine beiden Brüder weiter das Gold aus der Ader holen.
Linc McIntire ist ein Mann mit dem Instinkt eines Wolfes. Dass er ständig an diesen Cade Cincaid denken muss, ist wahrscheinlich auch eine Vorahnung. Im Schatten eines Felsrückens hält er an und späht eine Weile in die Runde.
Linc McIntire flucht in Gedanken. Dabei durchfährt ihn der Gedanke an Cincaid besonders scharf. Plötzlich hört er hinter sich ein Geräusch. Er wendet den Kopf. Und dann sieht er ihn. Ja, da steht Cincaid. Er ist soeben vom Felsrücken gesprungen, in dessen Schatten der Reiter und die drei Packtiere verharren. Er hätte sich auch auf den Reiter werfen können. Doch er tat es nicht ...
Für Linc McIntire sieht es gar nicht gut aus.
Denn er müsste erst sein Pferd wenden oder sich sehr weit im Sattel drehen. Er trägt den Colt auf der Cincaid abgewandten Seite.
Als Linc McIntire das schwere Messer in Cincaids Hand sieht, da weiß er, dass sich dieses im Stiefel des scheinbar toten Mannes befunden haben muss.
An Cincaids rechter Schläfe ist die frische Narbe, und an seinem Hemd ist auch noch das Einschussloch in der Schulter zu sehen.
»Na schön«, sagt Linc McIntire. »Wir waren ziemlich gemein zu dir. Wir ließen dir keine Chance, nachdem wir herausgefunden hatten, dass du eine Goldader gefunden hast.«
McIntires Stimme klingt friedlich, neugierig.
Doch indes er noch spricht, riskiert er es.
Er holt seinen Colt vorsichtig heraus, bewegt nur den Unterarm.
Aber als er den Colt dann über das Sattelhorn hinweg auf die andere Seite des Pferdes bringt, da macht er eine schnelle Bewegung mit dem Oberkörper, um dem Messer zu entgehen. Doch er hat kein Glück damit.
Das schwere Messer trifft ihn in die Brust, denn er drehte seinen Oberkörper weit genug im Sattel. Sein Schuss kracht noch, doch die Kugel verfehlt Cincaid. Obwohl der Schmerz ihn nun fast ohnmächtig werden lässt, feuert er noch einen zweiten Schuss ab. Er trifft abermals nicht, denn Cincaid kommt schnell und geduckt wie ein angreifender Apache.
Er reißt McIntire am Arm aus dem Sattel.
Und dann weiß Linc McIntire nichts mehr – und wird auf dieser Erde auch nie wieder etwas wissen ...
✰✰✰
Am nächsten Tag erreicht Cade Cincaid das Minen- und Goldgräbercamp Globe. Eine richtige Stadt ist Globe nicht. Er sieht viele leere Hütten.
Doch die Wells-Fargo-Station mit dem Wagenhof, ein Hotel, Saloon, wenige Geschäfte und Handwerkerläden sind noch in Betrieb.
Cade Cincaid reitet mit den drei Maultieren vor das Büro des Wells-Fargo-Agenten.
»Hoi, Kundschaft!« So ruft er hinein.
Doch es regt sich nichts.
Dann taucht ein gähnender Mexikanerjunge um die Hausecke auf.
»Er ist drüben im Saloon«, sagt er.
Cincaid grinst, sucht in seiner Tasche und bringt einige Münzen zum Vorschein. Er wirft dem Jungen eine zu.
»Also gib ihnen Wasser«, sagt er und setzt sich in Bewegung.
Er bleibt in der offenen Tür des Saloons stehen.
Drinnen sind ein halbes Dutzend Männer verteilt, und alle dösten sie bei seiner Ankunft gewiss vor sich hin.
Er fragt: »Der Wells-Fargo-Agent? Wer ist das von euch?«
»Ich habe um die Mittagszeit geschlossen«, sagt einer.
Aber da lächelt Cincaid plötzlich. Es ist keine Freundlichkeit in seinem Lächeln, nein, es ist nur blinkendes Zähnezeigen.
Und seine Stimme klingt eine Spur leiser.
»Jetzt machen Sie wieder auf«, sagt er.
Der Agent zögert drei Sekunden. Dann hört er auf seinen Instinkt und erhebt sich vom Stuhl. Er ist ein nicht sehr großer, doch gewiss sehr starker Mann, der sich vom Frachtfahrer heraufgearbeitet hat. Als er vor Cincaid durch den knöcheltiefen Staub geht, hinkt er leicht. Und er spuckt mehrmals geringschätzig in diesen Staub und sagt böse: »Verfluchte Hitze, verfluchtes Land, verfluchter Job. Alles ist verflucht. Und da kommen Sie auch noch. Was wollen Sie?«
»Ich werde etwa sechshundert Pfund Gold bei Ihnen einzahlen«, sagt Cincaid lässig. »Bis wir es gewogen haben mit Ihrer Goldwaage, wird eine Weile vergehen, nicht wahr? Wann kommt die Postkutsche?«
Der Wells-Fargo-Agent steht starr da, so als hätte er gar nicht zugehört. Seine Augen sind aufgerissen, und das linke Augenlid und der linke Mundwinkel zucken.
»Sechshundert Pfund Gold?« So fragt er langsam. »Das ist doch nicht wahr – oder? Sechshundert Pfund Gold auf drei Packtieren – und nur ein einziger Mann dabei. Das gibt es doch gar nicht. Ich ...«
Er sieht Cade Cincaid plötzlich mit anderen Augen an.
»Wo fanden Sie das Gold, Mister? Ist noch welches da? Kann man sich noch einen Claim neben der Fundstelle abstecken?«
Nun grinst Cincaid wieder auf seine Art.
»Dort, wo das Gold ist«, sagt er, »wartet der Tod. Ich würde nicht hingehen. Es hat keinen Sinn. Also los, fangen wir an mit der Arbeit! Ich bringe die Packlasten hinein und ...«
✰✰✰
Noch am Abend kommen drei Besucher ins Office des Wells-Fargo-Agenten. Cade Cincaid sah sie schon am Mittag im Saloon. Einer ist der Spieler, der andere der bullige Wirt – und der dritte Mann ist wahrscheinlich einer dieser Revolverfalken, die von ihrem Colt leben.
Der Spieler wendet sich an Cade Cincaid.
»Freund«, sagt er, »wenn Sie einen solchen Berg Gold herbringen konnten, dann sind Sie gewiss ein harter und gefährlicher Mann. Wir unterschätzen Sie also nicht. Und dennoch werden Sie uns sagen müssen, wo Sie das Gold finden konnten. Wir wollen es wissen.«
»Auf der Südseite der Angel Arch Mesa«, sagt Cade Cincaid knapp. »Es fand dort ein Niederbruch statt und legte die Goldader frei. Ich habe für mich genug herausgeholt. Die McIntire-Brüder sind noch dort, zumindest zwei von ihnen. Ihr habt doch gewiss schon von ihnen gehört. Also reitet hin, wenn es euch juckt.«
Sie denken über seine Worte nach. Und sie lecken sich alle gleichzeitig die Lippen.
Cade Cincaid grinst.
»Na, dann reitet schnell los«, sagt er. »Reitet um die Wette! Gold auf der Südseite der Angel Arch Mesa. Was wollt ihr noch von mir?«
Sie waren zuerst überrascht, wie schnell er ihnen Auskunft gab. Nun werden sie misstrauisch.
»Nun gut, wir reiten zusammen. Sie auch, Mister. Sie kommen mit und führen uns hin. Denn dann sind wir sicher, dass auch wirklich die Angel Arch Mesa der richtige Ort ist.«
»Freund, ich reite nicht mit«, murmelt Cade Cincaid sanft. »Ich bleibe bei meinem Gold, obwohl die Wells Fargo es inzwischen übernommen hat. Aber ich bleibe dennoch dabei. Ich fahre mit der Kutsche. Und ich gebe euch mein Wort, dass ich nicht gelogen habe. Nobler als ich kann kein Mensch zu euch sein. Ich verriet euch die Lage einer längst noch nicht ausgebeuteten Goldader. Das grenzt schon fast an Dummheit. Also haut ab!«
Aber der Revolverfalke schüttelt den Kopf.
»Du kommst mit«, sagt er. »Die Wells Fargo hat dein Gold übernommen. Es ist dir sicher. Wenn es geraubt wird, zahlt dir die Versicherung den Gegenwert. Du verlierst nur ein paar Tage. Was sind schon ein paar Tage gegen ein langes Leben? Wir lassen dich nicht mehr aus unserer Reichweite. Also?«
»Hau ab, du Narr«, murmelt Cincaid.
Da zieht der Revolverfalke.
Er tut es gewiss nicht, um Cincaid zu erschießen. Denn Cincaid ist diesen Männern zu kostbar. Doch er will ihn zum Gefangenen machen, ihm den Revolver gewissermaßen unter die Nase halten und ihm den eigenen Colt abverlangen.
Doch er ist bei aller Schnelligkeit nicht schnell genug.
Cincaid zieht seinen eigenen Colt, den er in Linc McIntires Satteltasche fand. Er ist geradezu unheimlich schnell damit, und er hat sich auch bei seinen Worten vom Stuhl erhoben.
Als der Revolverfalke – nun schon von Panik getrieben – den Lauf hochschwingen will, da bekommt er es. Er kann nicht einmal mehr abdrücken. Der Colt wird ihm plötzlich schwer. Er lässt ihn fallen, um sich beide Hände auf das Einschussloch drücken zu können.
Dann taumelt er zur Seite. Er wendet sich vorgebeugt und stolpert zur Tür hinaus.
✰✰✰
Die Nacht vergeht wirklich ohne Zwischenfälle.
Der Wells-Fargo-Agent und Cade Cincaid teilen sich die Wache. Aber es passiert nichts. Globe ist ja auch fast völlig von seiner Bevölkerung entblößt worden. Sie alle brachen auf zu Pferd oder mit Wagen zur Angel Arch Mesa.
Es gibt gewiss keine drei Dutzend Menschen mehr in Globe.
Und ein Dutzend Apachen, welche überraschend kämen, könnten die Stadt nehmen und dem Erdboden gleichmachen, die Bewohner erledigen.
Doch es kommen keine Apachen.
Dafür kommen kurz nach Sonnenaufgang zwei Reiter. Die beiden Reiter sind nicht die McIntire-Brüder Lorne und Stapp.
Nein, dort kommen zwei ganz andere Reiter.
Den einen erkennt Cade Cincaid sofort, sobald sie ein kleines Stück näher gekommen sind.
Denn dieser Reiter da ist Al Jefferson, der Kopfgeldjäger.
Der Reiter neben ihm ist zugleich sein Gefangener.
Die Handgelenke des Mannes sind gefesselt. Seine Füße sind unter dem Pferdebauch hindurch mit einem langen Riemen miteinander verbunden.
So kommen sie herangeritten. Ihre Pferde können kaum noch die Hufe heben.
Al Jefferson hat noch niemals ein Pferd mehr geschont als notwendig. Und da er von hier aus mit der Postkutsche weiterfahren will, braucht er die beiden Tiere nicht mehr.
Er betrachtet Cincaid mit geröteten Augen.
»He, Cincaid«, sagt er heiser. »Lange nicht mehr gesehen. Wann kommt die Kutsche?«
»Sie sollte in der nächsten halben bis ganzen Stunde hier eintreffen, Jefferson«, murmelt Cincaid und betrachtet den Gefangenen.
Dieser Gefangene ist jünger als Jefferson und Cincaid, aber er ist gewiss ein ebenfalls sehr beachtlicher Bursche, kein durchschnittlicher Mann.
Er erwidert Cincaids Blick ruhig. An seiner linken Seite sind Schläfe und Ohr angeschwollen und verfärbt.
»Ich bin Ringo Lane«, sagt er plötzlich. »Ich bin in Laredo daheim. Jeder Mensch soll wissen, dass Al Jefferson mit mir nach Santa Fe unterwegs ist. Bis jetzt hat er mich am Leben gelassen, weil eine Leiche in der Sonne zu stark riecht. Jeder soll wissen, dass Al Jefferson mit mir von Globe nach Norden gefahren ist.«
»Ich fahre auch mit«, sagt Cincaid und sieht Jefferson an. »Ist die Belohnung hoch, die auf seinen Kopf ausgesetzt ist?«
»Was geht es dich an, Cincaid«, sagt Al. »Kümmere dich nur um deine Sachen, wie ich mich um die meinen kümmere. Dann bekommen wir miteinander auch keinen Ärger. Oder möchtest du Ärger mit mir, Cincaid?«
Cincaid grinst nur. Er ist kein Mann von jener Sorte, die sich immer wieder selbst beweisen muss, wie stolz sie ist.
»Rutsch mir den Buckel herunter, Jefferson«, sagt er fast freundlich. »Und wenn du Lust hast, kannst du ihn mir auch wieder raufrutschen.«
»Ich weiß noch gar nicht, ob Sie mitfahren können«, sagt der Agent. »Wenn mehr als vier Personen in der Kutsche sitzen, können Sie nicht mit. Denn ich habe eine schwere Ladung mitzugeben. Und wer zuerst kommt und zuerst bezahlt, der wird zuerst bedient.«
In des Agenten Stimme klang ein mürrischer Trotz. Man spürt, dass es ihm nichts ausmachen würde, diesem Mann und dessen Gefangenen die Weiterreise mit der Postkutsche zu verwehren, wenn ihm die Beförderungsbestimmungen der Wells Fargo dies gestatten.
»Oder sind Sie ein Sheriff – oder ein US Deputy?« So fragt er plötzlich.
»Das ist Al Jefferson, der Kopfgeldjäger«, sagt sein Gefangener plötzlich scharf.
»Halts Maul«, brummt Jefferson. »Du bist nun mal dreitausend Dollar wert.«
Dann entfernt er sich mit dem Gefangenen über die Straße. Schräg gegenüber ist ein Hotel mit einem Speiseraum.
Cincaid und der Agent sehen den beiden Männern nach.
»Den möchte ich aber auch nicht auf meiner Fährte haben«, murmelt der Agent. Er sieht Cincaid an. »Sie kennen ihn – und er kennt Sie, und ihr seid keine Freunde, nicht wahr?«
»Nein«, murmelt Cincaid. »Al Jefferson hat nirgendwo Freunde.«
Er sieht Jefferson und den Gefangenen im Restaurant verschwinden.
Was mag dieser Ringo Lane auf dem Kerbholz haben? Die ausgesetzte Belohnung ist hoch. Dreitausend Dollar sind viel Geld, auch für einen Kopfgeldjäger wie Jefferson. Dreitausend Dollar könnte ein Cowboy in fünfzehn Jahren nicht sparen.
Seine Gedanken bewegen sich nun in viele Richtungen – aber alle kommen sie immer wieder auf die Tatsache zurück, dass er für fast dreihunderttausend Dollar Gold besitzt, welches mit der nächsten Kutsche transportiert werden soll.
Und Al Jefferson, der für dreitausend Dollar einem Mann wie diesem Ringo Lane bis in die Apachenwüste folgte, der würde für dreihunderttausend Dollar noch sehr viel mehr tun.
✰✰✰
Die Postkutsche kommt eine Stunde später mit etwas Verspätung, und sie hat nur drei Fahrgäste, welche weiterfahren wollen.
Die neunsitzige Kutsche wird von sechs Pferden gezogen.
Als Cade Cincaid Platz nimmt, sieht er sich der jungen Frau gegenüber, die er vorhin nur flüchtig aussteigen sah, weil er sich selbst zu sehr um die Verladung des Goldes kümmerte.
Sie sitzt ihm gegenüber auf der mittleren Bank mit dem Gesicht zur Fahrtrichtung. Er aber sitzt mit dem Rücken zur Fahrtrichtung und kann die ganze Kutsche übersehen.
Einer der anderen Fahrgäste hat neben ihm Platz genommen, der andere Mann neben der Schönen.
Und Jefferson belegt mit seinem Gefangenen die hintere Sitzbank.
Er kann von hinten nach vorne alles genauso übersehen wie Cincaid von vorne nach hinten.
Er lächelt die Schöne nun offen an. Zuerst sieht es so aus, als wollte sie keine Miene verziehen. Doch dann erwidert sie sein Lächeln, und ihr Mund verrät nun eine starke Lebensfreude.
»Reisen Sie bis nach Santa Fe?«, fragt er.
»Und wenn?«, fragt sie zurück.
»Oh, Sie sind ein sehr erfreulicher Anblick für einen Mann, der seit vielen Wochen keine Frau sah und schon fast vergessen hat, wie Frauen aussehen«, erwidert er.
Sein Nachbar lacht mit ihnen.
Cincaid schätzt ihn als Handelsvertreter ein, der in Nogales und Tucson irgendwelche Abschlüsse tätigte.
»Ich bin Webster, Charles Webster«, sagt sein Nachbar nun. »Ich habe in Nogales und Tucson sieben Klaviere verkauft, sieben Klaviere! Wenn das kein Zeichen ist für den Glauben dieser Menschen an die Zukunft dieses Landes, nicht wahr? Sieben Klaviere und einige Blasinstrumente. Aber jetzt würde ich gerne heimkehren zu meiner Familie. Was nützen mir gute Geschäftsabschlüsse, wenn die Apachen mir ...«
Der andere Fahrgast, der neben der schönen Frau auf der Bank sitzt, lacht nun etwas gezwungen.
»Wir werden schon durchkommen«, sagt er beruhigend.
Er wendet den Kopf und blickt auf Al Jefferson und dessen Gefangenen zurück. Dann beugt er sich wieder vor und fragt flüsternd zu Cincaid gewandt: »Ist das ein US Marshal mit einem steckbrieflich gesuchten Verbrecher? Ist das ein Gesetzesmann mit einem eingefangenen Mörder?«
Cincaid hat diesen Mann schon abgeschätzt. Er hält ihn für einen gehobenen Angestellten – aber nicht für einen Boss.
»Es ist kein Gesetzesmann, nur ein Kopfgeldjäger«, beantwortet er die Frage des Mannes, und er kann sehen, wie in dessen Augen der Ausdruck von Erleichterung sichtbar wird.
Oha, du hast selbst was auf dem Kerbholz, denkt er und betrachtet die pralle Reisetasche, die der Mann halb unter der Bank zwischen seinen Füßen auf Tuchfühlung hält.
Als er wieder in die Augen der Frau blickt, erkennt er nun deutlich den Ausdruck von Belustigung. Er lächelt ihr zu.
»Ich bin Cincaid«, sagt er, »Cade Cincaid. Haben auch Sie Furcht vor den Apachen?«
»Sie nicht?« So fragt sie auch diesmal zurück, statt seine Frage zu beantworten.
»Nur ein Narr hätte keine Furcht vor ihnen«, sagt er. »Und Sie sehen nicht wie eine Närrin aus.«
»Ich bin Nancy Buckmaster«, sagt sie. »Mein Nachbar ist Mister Harvey, John Harvey. Wir kommen aus Nogales – aber wir gehören nicht zusammen. Wir fanden uns rein zufällig als Nachbarn nebeneinander in dieser Kutsche, als es Tag wurde und wir schon Meilen nebeneinander saßen.«
Sie lächelt wieder. Ihr Mund ist sehr ausdrucksvoll und verrät eine Menge von ihrer Lebensfreude – aber auch Lebenskraft.
»Nun bin ich zufrieden«, sagt Cade Cincaid. »Und Nancy – ja, Nancy ist ein guter Name für Sie. Nancy passt zu Ihnen.«
Er schließt die Augen und ist von einem Atemzug zum anderen eingeschlafen. Diese Nacht bekam er nicht viel Schlaf. Er hat noch viel nachzuholen.
✰✰✰
Die Kutsche rollt an diesem Tag Meile um Meile nach Norden oder Nordosten. Alle zwanzig bis dreißig Meilen gelangen sie zu einer Relaisstation, bei der sie ein frisches Gespann bekommen.
Dies ist viermal so an diesem Tag.
Aber als es dann schon später Nachmittag wird, finden sie von der fünften Pferdewechselstation nur noch rauchende Trümmer vor. Die Corrals sind leer. Der Stationsmann und dessen mexikanischer Gehilfe liegen tot neben dem Brunnen.
Es ist alles völlig klar zu begreifen.
Hier haben Apachen zugeschlagen.
Sie legen bis Sonnenuntergang noch zwanzig Meilen zurück und sehen dann vom Seven Cat Pass die nächste Station.
Es sind noch etwa drei Meilen bis dorthin, und die Nacht kommt schnell von Osten her mit ihren blauen Schatten heran und frisst den letzten Schein des Abendrotes auf.
Sie könnten die Station in der einsetzenden Dunkelheit normalerweise gar nicht mehr sehen. Doch da die Station wie eine große Fackel brennt, ist sie nicht zu übersehen.
Die Kutsche hält und knarrt in ihren Ledergehängen, als die Männer nun aussteigen. Der Gefangene sagt zu Al Jefferson: »Jetzt wird es wohl langsam Zeit, dass mir die Hände losgebunden werden und ich eine Waffe erhalte – oder?«