G. F. Unger Western-Bestseller 2663 - G. F. Unger - E-Book

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G. F. Unger

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Beschreibung

Ben Nelsons Pferd kommt nur noch auf drei Eisen nach Benson's Lake. Und diese drei Eisen hätte es mit großer Wahrscheinlichkeit auf den nächsten zehn Meilen auch noch verloren.
Es ist eine stockfinstere Nacht. Starker Regen prasselt auf Ben Nelsons gekrümmten Rücken. Längst hat er keinen trockenen Faden mehr am Leib.
Er ist seinem lahmenden Pferd dankbar, dass es ihn durch die dunkle Regennacht zu der kleinen Stadt am Benson-See brachte. Er selbst hätte in der Nässe und Dunkelheit den Weg nicht gefunden.
Ben Nelson richtet sich auf und wischt sich über das nasse Gesicht. Er ist krank vor Hunger, steif vor Kälte und Nässe, und er fragt sich in dieser Minute bitter, wie es weitergehen soll.
In Benson's Lake leben viele Menschen. Doch wer hilft schon einem halb verhungerten Satteltramp? Wer ist bereit, ihm Nahrung, Unterkunft, Wärme und Freundlichkeit zu geben? Und wer ist bereit, ihm das Beschlagen seines Pferdes zu ermöglichen?
Tausende von Satteltramps gibt es so kurz nach dem Krieg, und nicht wenige davon wurden Banditen oder sind auf dem Weg dazu. Ben Nelson fragt sich in dieser erbärmlich kalten Regennacht am Ortseingang von Benson's Lake, ob er es überhaupt noch einmal auf ehrliche Art versuchen soll ...


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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Schmutziger Lohn

Vorschau

Impressum

Schmutziger Lohn

Ben Nelsons Pferd kommt nur noch auf drei Eisen nach Benson's Lake. Und diese drei Eisen hätte es mit großer Wahrscheinlichkeit auf den nächsten zehn Meilen auch noch verloren.

Es ist eine stockfinstere Nacht. Starker Regen prasselt auf Ben Nelsons gekrümmten Rücken. Längst hat er keinen trockenen Faden mehr am Leib.

Er ist seinem lahmenden Pferd dankbar, dass es ihn durch die dunkle Regennacht zu der kleinen Stadt am Benson-See brachte. Er selbst hätte in der Nässe und Dunkelheit den Weg nicht gefunden.

Ben Nelson richtet sich auf und wischt sich über das nasse Gesicht. Er ist krank vor Hunger, steif vor Kälte und Nässe, und er fragt sich in dieser Minute bitter, wie es weitergehen soll.

In Benson's Lake leben viele Menschen. Doch wer hilft schon einem halb verhungerten Satteltramp? Wer ist bereit, ihm Nahrung, Unterkunft, Wärme und Freundlichkeit zu geben? Und wer ist bereit, ihm das Beschlagen seines Pferdes zu ermöglichen?

Tausende von Satteltramps gibt es so kurz nach dem Krieg, und nicht wenige davon wurden Banditen oder sind auf dem Weg dazu. Ben Nelson fragt sich in dieser erbärmlich kalten Regennacht am Ortseingang von Benson's Lake, ob er es überhaupt noch einmal auf ehrliche Art versuchen soll ...

Er ist skeptisch und mutlos.

Vielleicht wäre es besser, sich ein gutes Pferd zu stehlen und für eine rasche Flucht bereitzuhalten. Dann könnte er zum Beispiel in einen Store gehen, sich eine Ausrüstung und Proviant einpacken lassen und damit ohne Bezahlung verschwinden.

Das wäre wohl besser, als den Versuch zu machen, einen Job und zugleich einen Vorschuss zu bekommen, der es ihm ermöglichen würde, sich eine warme Mahlzeit zu kaufen und für das Pferd zu sorgen.

Denn Jobs sind selten, und Fremde haben es noch viel schwerer als heimkehrende Cowboys oder Handwerker.

Ben Nelson zögert noch immer.

Dabei denkt er daran, wie er zu einem hungernden Satteltramp wurde. Vor kurzer Zeit war er noch kein armer Hund. Da ritt er auf einem Dreihundert-Dollar-Pferd und saß in einem Zweihundert-Dollar-Sattel. Er besaß eine gute Ausrüstung und hatte etwa zweihundert Dollar in der Tasche.

Aber dann ...

Nun, er will nicht länger über sein Pech grübeln. Er will lieber an die Zukunft denken. Und dazu gehört, dass er sich jetzt entscheidet.

Seine Bitterkeit verstärkt sich mit einem Mal und hilft ihm bei seiner Entscheidung.

Er ist bereit, es auf die böse und unredliche Art zu versuchen, nachdem alles bisher vergeblich war. Sein Hunger und seine Bitterkeit bringen ihn zu der Überzeugung, dass die menschliche Gemeinschaft ihm etwas schuldig ist, dass sie undankbar und verlogen, scheinheilig und heuchlerisch ist und er ein Recht dazu hat, sich schadlos zu halten.

Er reitet aus dem Schutz der Scheune wieder in den Regen hinaus und weiter in die Stadt hinein, dorthin, wo einige helle Lichtbarrieren einen Saloon, ein Hotel mit Restaurant und einen Store vermuten lassen.

Ben Nelson reitet vorwärts, bis er erkennen kann, dass es dort tatsächlich einen Saloon, ein Hotel und einen Store gibt. Vor dem Hotel und dem Saloon stehen einige Sattelpferde. Sie werden von den vorgebauten Obergeschossen nur unvollkommen gegen den Regen geschützt.

Ben Nelson reitet am Saloon vorbei und erreicht eine Gasse. Hier findet er noch ein weiteres Sattelpferd dicht an der Hauswand. Er stellt sein eigenes Tier daneben und sitzt langsam ab.

In der Dunkelheit kann er nicht viel von dem anderen Tier sehen. Doch seine tastenden Hände fühlen einen erstklassigen Sattel und darunter ein prächtiges Pferd.

Das Tier schnaubt leise, zuerst warnend und unwillig, dann aber freundlicher. Ben Nelson gehört zu den Menschen, denen bissige Hunde bald die Hand lecken, denen die wildesten Pferde gern gehorchen und die es gar nicht schwer haben, sich das Vertrauen von Kindern zu erwerben.

Er bindet das Tier los und führt es aus der Gasse quer über die Straße zum Store hinüber. Er hält sich dabei außerhalb der Lichtbahnen und findet auch neben dem Store eine dunkle Gassenmündung, in deren Schutz er das Tier anbinden kann.

Er hat den ersten Schritt zum Banditen gemacht.

Er hat ein Pferd gestohlen!

Ben zögert einen Augenblick. Dann tritt er aus der Gasse hinaus und geht über den Plankengehsteig am erleuchteten Schaufenster des Store vorbei bis zum Eingang.

Im Licht des Schaufensters kann man Ben Nelson besser betrachten.

Er ist groß und hager, zu dünn und zu hager. Und er hinkt deutlich erkennbar mit dem linken Bein.

Aber das alles hat seinen Grund. Ihm fehlen noch mehr als zwanzig Pfund seines Normalgewichtes. Und in seinem linken Bein, dicht unter dem Hüftknochen, steckte vor Kurzem noch eine vierundvierziger Kugel.

Als er die Ladentür öffnet, bimmeln melodisch einige kleine Glöckchen. Es ist ein Klang, der Ben Nelsons Bitterkeit noch vertieft, denn der Klang ist gewissermaßen symbolisch für Geborgenheit, Wärme und all die Dinge, die Ben Nelson nicht bekommen kann.

Er tritt in die Mitte des Raumes, in dem ein Ofen steht, der noch Wärme ausstrahlt. Nach zwölf Stunden im Sattel befindet sich Ben Nelson zum ersten Mal in einem trockenen Raum und in der Nähe eines warmen Ofens.

Es ist ein großer, eiserner Kanonenofen, auf dem eine Kaffeekanne steht. Auf einem Sims am Kamin, in den das Ofenrohr mündet, stehen einige Zinnbecher. Ben Nelson nimmt einen, schenkt sich Kaffee ein und trinkt. Der Kaffee ist gut, und er ist auch noch warm genug, um einen nassen und kalten Mann innerlich anzuwärmen und seine Lebensgeister etwas zu wecken.

Ben Nelson schnauft dankbar. Er nimmt seinen alten Hut ab und streicht sich durch das dunkle Haar. Seine rauchgrauen Augen haben im Licht der Lampen einen grünlichen Schimmer. Er hat eine etwas schiefe Nase, die offenbar einmal mit einer harten Faust in Berührung kam. Vom Mund bis zum Kinnwinkel sind einige kleine weißliche Narben in seinem braunen, hageren Gesicht.

Er ist gewiss nicht hübsch, dieser Ben Nelson.

Aber sein Kopf ist gut geschnitten. Und wenn Ben erst wieder sein normales Gewicht haben würde, wäre er ein stattlicher Bursche.

Jetzt wirkt er allerdings sehr heruntergekommen und mitgenommen.

Er trinkt den Rest des Kaffees aus dem Becher, und dann spürt er, dass er beobachtet wird. Er wendet sich halb um.

Ein Mädchen kommt aus dem dunklen Hintergrund des Store. Auf den ersten Blick hält er sie für jünger. Aber als sie dann fragt: »Was kann ich für Sie tun, Mister?«, hört er ihrer Stimme an, dass sie kein junges Ding mehr ist, eher schon eine junge Frau. Als sie näher ins Lampenlicht tritt, kann er sie genauer betrachten.

Sie mag etwa zwei Jahre jünger sein als er, also um die vierundzwanzig. Ihr Blick ist fest und gerade, prüfend und kritisch.

Er registriert, dass sie rote Haare und grüne Augen hat. Und obwohl er doch eine ganze Menge Sorgen hat, kommt er nicht umhin, sich zu sagen, dass sie ihm gefällt.

Noch nie sah er solch ein prächtiges Mädel. Oder ist sie eine Frau mit Familie?

Sein Instinkt sagt ihm, dass es nicht so ist.

Sie ist einen Kopf kleiner als er. Doch sie wirkt nicht unscheinbar. Ihre Lippen sind voll, aber um ihre Mundwinkel sieht er einige herbe Linien. Sie ist ein Mädchen, dem die Dinge auf dieser Welt nicht mehr fremd sind, das sich einzurichten wusste und gelernt hat, alles zu nehmen, wie es kommt.

Aber ihr Mund verrät auch Lebensfreude. In ihren Augen erkennt er Neugierde und Wachsamkeit.

Er glaubt, noch nie ein solches Mädchen gesehen zu haben, und er spürt auch irgendwie, dass ihr weiblicher Instinkt in ihn einzudringen versucht.

Aber dann fällt ihm wieder ein, dass er gekommen ist, um sich in diesem Store kostenlos auszurüsten. Sein Hunger, seine Erschöpfung und Müdigkeit erinnern ihn daran.

»Nun?«, fragt sie nach einer Weile.

»Ich – ich habe in einem angeschwollenen Creek mein Packpferd mitsamt der Ausrüstung verloren«, murmelt er. »Ich möchte mich neu ausrüsten. Ist das Ihr Store, Madam, oder arbeiten Sie hier?«

Er fragt es wie beiläufig, doch er kann ihre Antwort kaum erwarten.

Diese grünäugige Frau würde er nicht bestehlen können. Er könnte einen von diesen satten, engherzigen und hartgesottenen Storehaltern ausnehmen – einen von jener Sorte, die er vor wenigen Wochen so übel kennen lernte. Aber diese junge Frau ...

Sie lächelt. Dieses Lächeln macht sie jünger, mädchenhafter – und es verrät noch mehr von ihrer Lebendigkeit und Lebenskraft.

»Ich bin Georgia Mayton«, sagt sie. »Ich habe diesen Store von meinem Vater übernommen. Zufrieden?«

Ben Nelson zögert, er ringt mit sich selbst. Draußen sind Nässe und Kälte, in ihm sind Hunger und Erschöpfung. Er ist von einer schweren Verwundung kaum genesen. Er braucht reichlich Nahrung, um wieder zu Kräften zu kommen.

Nun steht da dieses grünäugige Mädchen, das ihm so gut gefällt und ihm vorkommt wie ein schönes Licht in dunkler Nacht.

Er müsste sie bestehlen, deshalb zögert er.

Aber dann denkt er wieder daran, was ihm in den letzten Wochen passiert ist. Und da wird alles, was in ihm weich und duldsam, redlich und gut reagieren wollte, wieder hart und verschlossen, unversöhnlich und kalt.

»Mein Name ist Fisher, Bill Fisher«, murmelt er. »Können wir anfangen? Ich brauche ...«

Er zählt auf, was er alles haben will, und sie sucht die Sachen aus den Regalen und Schubladen.

Schweigend beobachtet er sie, trinkt noch eine Tasse Kaffee und schneidet sich eine Scheibe von dem Rauchfleisch ab, von dem er sich ein großes Stück als Proviant bestellte. Er bricht sich auch ein Stück Brot ab und beginnt zu essen.

Sie betrachtet ihn manchmal und erkennt, wie hungrig er ist, wie nass und verfroren, erschöpft und verbittert.

Immer wieder denkt sie: Was soll ich tun? Er ist gewiss ein streunender Satteltramp, vielleicht sogar ein Bandit, der auf der Flucht ist. Er wird mir nicht einen Cent zahlen. Ich kann froh sein, wenn er nicht versucht, mir die Ladenkasse zu leeren. Oder sollte ich versuchen, an ihm vorbei auf die Straße zu laufen, um dort um Hilfe zu rufen? Aber er hat gute Augen! Ich konnte spüren, wie er mit sich kämpfte und es ihm viel lieber gewesen wäre, würde ich nicht die Besitzerin des Store sein. Was mache ich nur? Oh, was mache ich nur?

Sie findet keine Antwort und kommt zu keinem Entschluss. Inzwischen hat sie alles herausgesucht, was ihr später Kunde haben möchte. Sie zählt die Sachen zusammen, und als sie ihm die Summe nennt, hofft sie, dass er in die Tasche greifen wird, um zu bezahlen.

Doch er sagt heiser: »Sie müssen den Betrag für mich anschreiben, Mrs oder Miss Georgia Mayton. Aber ich schwöre Ihnen, dass ich Sie nicht betrügen oder bestehlen will. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass Sie den Betrag bekommen werden, mit Zinsen, wenn es länger dauern sollte. Wollen Sie meinen Worten glauben?«

Sie sieht ihn eine ganze Weile stumm an. In seinen Augen erkennt sie die Hilflosigkeit. Und in seiner Stimme war ein kaum spürbarer Beiklang von Hoffnung.

Sie spürt, dass ihre Antwort von allergrößter Bedeutung sein wird. Abweisung, Schimpf und Verachtung werden diesen einsamen Wolf noch einsamer und verbitterter machen.

Aber wenn er schon ein Verlorener ist, dann könnte es sein, dass er sich nachher sogar über sie lustig machen wird.

Aber sie kann nicht anders.

Sie handelt plötzlich nicht mehr nach ihrem Verstand, sondern allein nach ihrem Gefühl.

Und so sagt sie: »Cowboy, ich kann das gut verstehen. Pech gehabt, nicht wahr? Jeder von uns hat mal Pech. Ich habe einen Bruder, dem ich gern so helfen würde wie Ihnen, Bill Fisher. Aber ich kann es nicht. Deshalb machen Sie sich keine Sorgen. Ich glaube, dass Sie mir nichts schuldig bleiben werden. Ich halte Sie für einen Mann, der nie etwas schuldig bleibt. Wenn Sie erlauben, gebe ich Ihnen noch etwas Bargeld – vielleicht zehn Dollar, ja? Sie sind mir dann dreiunddreißig Dollar und siebenundfünfzig Cent schuldig.«

Er staunt und sieht, wie sie in die Ladenkasse greift und zehn Dollar neben die Ware legt, die in zwei kleinen Säcken verpackt ist.

Er tritt langsam näher.

Seine grauen Augen brennen.

»Warum tun Sie das?«, fragt er heiser. »Sie wissen doch ganz genau, dass ich hereingekommen bin, um Sie zu betrügen und ...«

»Sie sind irgendwie in Not«, unterbricht sie ihn. »Sie haben den Glauben an die Welt und die Menschen verloren. Sie sind voll Bitterkeit, Verachtung und Zorn. Ich kann das spüren. Sie haben vielleicht nur eine Weile Pech gehabt und werden bald wieder Glück haben. Das ist alles.«

Er sieht sie ungläubig an. Es ist, als könnte er nicht an die Aufrichtigkeit ihrer Worte glauben.

Doch dann beeilt er sich. Er nimmt die beiden Säcke und geht hinaus. An der Tür wirft er einen kurzen Blick über seine Schulter auf Georgia.

»Viel Glück!«, sagt sie herzlich. Er antwortet ihr nicht.

Dann tritt er hinaus in die Regennacht und drückt die Tür hinter sich mit dem Absatz zu.

✰✰✰

Als er das Pferd erreicht, das er gestohlen und neben dem Store in der Gasse verborgen hat, hält er einen Moment an und versucht, das Durcheinander seiner Gefühle zu ordnen. In seinem Misstrauen lauscht er sogar und rechnet damit, dass dieses erstaunliche Mädchen jetzt laut um Hilfe ruft. Doch das ist nicht der Fall.

Es bleibt still.

Alles ist mit einem Mal völlig anders geworden.

Jetzt besitzt er eine bescheidene Ausrüstung und Proviant, sogar Patronen für seinen alten Colt. Und er hat zehn Dollar in der Tasche.

Für zwei Dollar kann er seinen alten Wallach neu beschlagen lassen, und für einen Dollar könnte er ihn vielleicht selbst beschlagen und brauchte nur für die Rohlingeisen und das Schmiedefeuer zu bezahlen.

Er könnte sich ein richtiges Abendessen leisten und für einige Cent im Stroh des Mietstalles übernachten – im Trockenen.

Zum Teufel, denkt er, wie schnell ändert sich doch manchmal alles auf dieser verdammten Erde! Soeben war ich noch ein hungriger Hund, der es aufgegeben hatte, immer wieder um einen Knochen zu betteln, und der sich einfach nehmen wollte, was er brauchte. Und nun ist alles anders. Ich bin jetzt in der Lage, einen Monat lang zu reiten und nach einer Chance zu suchen. Ich habe eine Frist von einem Monat. In dieser Zeitspanne sollte sich doch irgendetwas finden lassen – selbst gegen die Konkurrenz von tausend Satteltramps, denen es nicht anders geht als mir. Nun, ich brauche kein Pferd zu stehlen. Ich kann dieses Tier zu dem Platz zurückbringen, von dem ich es wegholte.

Nachdem er mit seinen Gedanken so weit ist, atmet er tief durch. Denn als Cowboy und Reiter ist er sich besonders deutlich bewusst, wie verwerflich es ist, ein Pferd zu stehlen.

Er wurde dort geboren, wo der Besitz eines Pferdes gleichbedeutend war mit am Leben bleiben zu können. Verlor man sein Pferd, so war das fast ein Todesurteil.

Und so hängt er seine beiden gefüllten Säcke ans Sattelhorn und führt das Pferd über die Straße zurück in die Gasse neben dem Saloon. Als er es an den eisernen Ring bindet, der an der Hauswand ist und den er durch Tasten schnell findet, tritt jemand hinter ihn und stößt ihm einen harten Gegenstand in den Rücken.

Ben Nelson weiß, dass es eine Revolvermündung ist.

Er erstarrt und hält den Atem an.

Dann hört er den Mann hinter sich sagen: »Nun, was bedeutet das, Amigo? Sag es schnell, und sag es, ohne zu lügen. Los!«

Ben Nelson atmet bitter aus.

Jetzt hat er mich also erwischt, denkt er. Wenn dieser Bursche hinter mir ein angesehener Mann ist, braucht er nur zu brüllen und mich mit seinem Revolver festzuhalten, bis noch mehr Leute kommen. Dann kann er ihnen mühelos beweisen, dass ich sein Pferd stehlen wollte. Schließlich hängte ich ja schon mein Gepäck an sein Sattelhorn. Ich Narr habe sein Pferd zurückbringen wollen und bin dabei in seine Falle geraten. Zur Hölle mit mir! Warum bin ich nicht vom Store aus auf seinem Pferd fortgeritten? Es ist ein gutes Tier, auf dem mich niemand hätte einholen können.

Nach diesen bitteren Gedanken sagt er: »Ich war am Ende – völlig am Ende. Mein altes Pferd verlor seine Eisen, und ich hatte keinen Cent mehr in der Tasche. Ich war es leid, um einen Job zu betteln, den in diesen lausigen Zeiten niemand an Fremde zu vergeben hat. Ich war einfach am Ende. Ja, ich wollte auf Ihrem Pferd weiter, nachdem ich mich drüben im Store ausgerüstet hatte, ohne zu bezahlen. Doch dann geschah das Wunder. Ich bekam von der Storebesitzerin Kredit. Ich bekam sogar zehn Dollar in bar! Da wollte ich Ihr Pferd nicht mehr, Mister. Ich habe es zurückgebracht und wollte meinen alten Wallach wieder mitnehmen. Ich wollte damit im Mietstall die Nacht verbringen und morgen in die Schmiede gehen. Das ist es, Mister.«

Der Mann hinter ihm schweigt.

Dann lacht er leise, und es ist ein kehliges, spöttisches Lachen. Ben Nelson glaubt, dass der Mann hinter ihm sehr hart, kaltblütig und erfahren ist.

Denn in diesem Land reiten zweitklassige Männer nicht auf vorzüglichen Pferden und sitzen in silberbeschlagenen Sätteln. Auf irgendeinem Gebiet muss dieser Mann eine besondere Nummer sein.

»Und du glaubst, Cowboy, dass du nach dieser Geschichte so einfach davonkommen könntest?«, fragt der Mann. Dabei nimmt er die Revolvermündung von Ben Nelsons Rücken und tritt schnell einen halben Schritt zurück.

Aber was man Ben Nelson auch nachsagen könnte – gewiss nicht, dass er langsam ist. Selbst als kaum genesener Mann, der müde, hungrig und vom langen Reiten ausgebrannt ist, ist er noch schneller als ein normaler Mann.

Er wartet nicht darauf, dass er den Revolverlauf über den Schädel gezogen bekommt. Er deutet nämlich das leichte Zurückweichen des Mannes richtig. Er weiß, dass dieser nur deshalb die Revolvermündung von seinem Rücken nahm, um mit dem Revolver zuschlagen zu können.

Er duckt sich zur Seite und wirbelt herum. Seine Linke zuckt aus der Hüfte heraus und trifft die Leberpartie des Mannes. Das alles geschieht nicht nur schnell, sondern auch mit schlafwandlerischer Sicherheit. Damit wird klar, dass Ben Nelson ein erfahrener Kämpfer mit außerordentlicher Schnelligkeit ist.

Der niedersausende Revolver trifft nur seine rechte Schulter und lähmt diese und seinen rechten Arm für einen Moment. Aber Ben Nelson macht sich keine großen Sorgen mehr, denn bisher hat er noch niemals erlebt, dass sein Gegner bei einer handgreiflichen Auseinandersetzung einen solchen Leberhaken hinnehmen konnte, ohne zumindest mit einem Knie auf den Boden zu müssen.

Diesmal jedoch ist es anders.