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Es gab damals diese Zwei-Revolver-Männer, doch ihre zwei Revolver machten sie nicht schneller, denn sie vermochten mit beiden Waffen gleichzeitig niemals so schnell zu ziehen und zu schießen wie ein Ein-Hand-Schütze. Sie hatten nur mehr Kugeln zur Verfügung.
Natürlich gab es Ausnahmen - wie fast immer.
Joshua Ward war solch eine Ausnahme, und er war ein Mann, der sich zwischen Gut und Böse bewegte und nur den eigenen Vorteil suchte. Sein Lebensweg hatte ihn einsam, verbittert und egoistisch gemacht. Es hätte sich nicht gelohnt, eine Geschichte über ihn zu schreiben.
Doch als Joshua Ward eines Tages mitten in ein dramatisches Ringen gerät, vollzieht sich in ihm eine seltsame Wandlung.
Er begreift mehr und mehr, dass ein Mann - wenn er in einer Gemeinschaft eine gute Zukunft schaffen will - seinen Egoismus überwinden muss.
Und eine solche Geschichte lohnt sich zu schreiben.
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Der Zwei- Revolver-Marshal
Vorschau
Impressum
Der Zwei-Revolver-Marshal
Es gab damals diese Zwei-Revolver-Männer, doch ihre zwei Revolver machten sie nicht schneller, denn sie vermochten mit beiden Waffen gleichzeitig niemals so schnell zu ziehen und zu schießen wie ein Ein-Hand-Schütze. Sie hatten nur mehr Kugeln zur Verfügung.
Natürlich gab es Ausnahmen – wie fast immer.
Joshua Ward war solch eine Ausnahme, und er war ein Mann, der sich zwischen Gut und Böse bewegte und nur den eigenen Vorteil suchte. Sein Lebensweg hatte ihn einsam, verbittert und egoistisch gemacht. Es hätte sich nicht gelohnt, eine Geschichte über ihn zu schreiben.
Doch als Joshua Ward eines Tages mitten in ein dramatisches Ringen gerät, vollzieht sich in ihm eine seltsame Wandlung.
Er begreift mehr und mehr, dass ein Mann – wenn er in einer Gemeinschaft eine gute Zukunft schaffen will – seinen Egoismus überwinden muss.
Und eine solche Geschichte lohnt sich zu schreiben.
G.F. Unger
Es ist ein langer Weg zu dieser Stadt in den Bitter Roots, dicht an der Grenze nach Kanada.
Joshua Ward bringt es fertig, immer wieder in der schwankenden, rüttelnden und oft mit Staub gefüllten Kutsche und trotz der unbequemen Haltung zu schlafen.
Er ist fast so elegant gekleidet wie ein berufsmäßiger Spieler. Seinen Revolvergurt mit den beiden Colts in den Holstern hat er in seiner großen Reisetasche. Dafür trägt er eine kurzläufige Waffe unter der Jacke im Schulterholster.
Ja, man könnte ihn leicht für einen reisenden Spieler halten, der niemals lange an einem Ort bleiben kann, weil er nach einer gewissen Zeit keine Opfer mehr findet, die es wagen, ihr Glück gegen ihn zu versuchen.
Als die Postkutsche sich wieder einmal einer Pferdewechselstation nähert, welche zugleich der Knotenpunkt mit einer anderen Linie ist, da sieht er die Frau zum ersten Mal durch das offene Seitenfenster der Kutsche.
Und sofort ist er hellwach.
Denn was er da sieht, entspricht ganz und gar den Vorstellungen und Wünschen, die er sich auf seinen vielen Wegen machte. Ja, so hat er sich stets die Frau seiner Träume ausgemalt.
Sie steht im Wind neben ihrem wenigen Gepäck, und der Wind presst ihr die Kleidung gegen den Körper, lässt die weichen Linien deutlich erkennen, aber zugleich auch eine katzenhafte Geschmeidigkeit ahnen.
Sie steht kerzengerade da, hat das Kinn erhoben und blickt der Kutsche wartend entgegen.
Heiliger Rauch, denkt Joshua Ward, was ist das? Ob die auch nach Golden will?
Denn die Stadt Golden ist sein Ziel.
Als die Kutsche hält, steigt er mit den vier anderen Passagieren aus. Er hört die junge Frau zum Fahrer sagen: »Sie haben Verspätung.«
»Das ist so in diesem Land, Ma'am!« Der Fahrer grinst. Und sein Begleitmann, der mit einem Parker-Gewehr ebenfalls vom hohen Bock klettert, fügt hinzu: »Der verdammte Opal Creek hat uns mit seinem Hochwasser aufgehalten.«
Sie nickt nur stumm.
Joshua Ward verharrt einen kurzen Moment dicht vor ihr und kann ihr Gesicht aus nächster Nähe betrachten.
Und da erkennt er in diesem fast schönen, doch zumindest sehr ausdrucksstarken und faszinierenden Gesicht die feinen Linien, die ihm verraten, dass die Unbekannte kein Mädchen mehr ist, sondern eine erfahrene Frau, welche auf rauen und beschwerlichen Wegen wanderte und der kaum noch etwas fremd ist unter den Menschen.
Das alles erkennt er auch in ihrem geraden Blick, der seinem nicht ausweicht. Nein, sie ist kein dummes Huhn mehr und musste sich gewiss unter Männern behaupten.
Er greift an den Hut und spricht: »Hallo, Ma'am. Es ist schön, Sie ansehen zu können.«
Sie verzieht nur die Lippen ein wenig und lässt irgendwie spüren, dass sie nichts auf Komplimente gibt.
Er geht an ihr vorbei in die Gaststube, denn hier gibt es Kaffee und belegte Brote.
Als er als letzter Passagier wieder in die Kutsche klettert, da stellt er erfreut fest, dass sie den Platz ihm gegenüber in der neunsitzigen Abbot & Downing Stage eingenommen hat.
Nun könnte er sie pausenlos ansehen. Doch er tut es nicht. Er lehnt sich zurück und zieht sich den Hut übers Gesicht, so wie jemand, der schlafen will.
Es ist ein schwarzer Stetson ohne jeden Kniff, und vielleicht drückt dieser Hut etwas von seinem Charakter aus, der sich nicht verbiegen lässt.
Sie aber betrachtet ihn – und da sie vorhin in seinem Gesicht ebenfalls lesen konnte wie er in ihrem, registriert sie nun all die anderen Zeichen.
Er ist groß und von einer lässigen Geschmeidigkeit, welche auf so manchen Mann vielleicht herausfordernd wirkt. Er ist blond, fast rotblond mit blaugrünen Augen. Sein Oberlippenbart ist gepflegt. Und sein Anzug scheint Maßarbeit zu sein von einem guten Schneider. Sie stellt kundig fest, dass er eine Waffe im Schulterholster trägt, und denkt abschließend: Ein zweibeiniger Tiger – ja, er ist kein Spieler, sondern ein Revolvermann. Will er auch nach Golden? Oder ist er auf der Flucht und will weiter nach Kanada?
Sie weiß, dass sie es bald herausfinden wird. Denn bis nach Golden sind es noch etwa hundert Meilen. Sie werden noch zweimal das Gespann wechseln müssen, was ungefähr alle dreißig Meilen geschieht.
Es wird Nacht sein, wenn sie Golden erreicht haben, es sei denn, es würde etwas Unvorhergesehenes passieren. Das könnte leicht sein, denn das Land ist rau und voller Banditen, Geächteten, Deserteuren und Gejagten mit Schatten auf den Fährten.
Und dennoch reiste sie in dieses Land und will nach Golden.
Was wartet dort auf sie?
Auch sie schließt die Augen und versucht zu schlafen. Aber dennoch sieht sie vor ihren geschlossenen Augen das Bild dieses Mannes, dessen Namen sie noch nicht kennt und den sie für einen Revolvermann hält, der zugleich ein Spieler ist.
In ihr entsteht eine Neugierde. Ja, sie würde gerne wissen, was ihn nach Golden oder über die Grenze führt.
Das Land steigt mit jeder Meile höher in die Bitter Roots hinauf, und manchmal müssen die sechs Pferde des Gespanns schwere Arbeit verrichten.
Es ist dann am späten Nachmittag, als die Kutsche nach einer langen, sich windenden Steigung auf der Wasserscheide einer Hügelkette anhält.
Der Fahrer ruft: »Die Tiere müssen jetzt verschnaufen! Sie können sich alle die Beine vertreten, wenn Sie wollen. Da drüben hinter den Felsen gibt es eine gute Quelle, welche alle Stunden heftig sprudelt, weil sie von irgendwoher Druck bekommt. Das Wasser schmeckt köstlich. Wenn sich das jemand ansehen will ...«
Der Fahrer verstummt heiser, springt hinunter und beginnt sich um die Pferde zu kümmern.
Die Passagiere steigen aus, aber nur die Frau geht hinüber zu den Felsen, die dort wie eine versteinerte Elefantenherde stehen.
Joshua Ward folgt der Frau und erreicht nach wenigen Schritten die Quelle hinter den Felsen.
Die beginnt in diesem Moment zu sprudeln, doch sie prustet nicht los wie ein aufsteigender Geysir.
Die Frau steht am Rande des natürlichen Wasserbeckens, und offenbar hatte sie schon ihr Gesicht erfrischt, denn sie trocknet es jetzt mit einem Tuch.
Als er neben sie tritt, da blickt sie zur Seite und zu ihm hoch.
Aber er sagt nichts, beugt sich nur nieder, um sich ebenfalls das jetzt stoppelbärtige Gesicht zu waschen und einige Handvoll Wasser zu trinken.
Als er sich wieder aufrichtet zu seiner vollen Größe, da sieht man, dass er einen ganzen Kopf größer ist als sie. Dennoch ist sie als Frau etwas mehr als mittelgroß.
Ihre Blicke treffen sich wieder. Nun funkeln ihre grünen Augen. Ihr schwarzes Haar ist mit feinem Staub bedeckt, aber aus der Nähe sieht er, dass es rabenschwarz sein muss. Sie betrachten sich lange schweigend. Dabei denkt er: Heiliger Rauch, ihr Gesicht ist von einer starken, eindringlichen Schönheit, die das Leben auf langen Wegen formt. Ihr ist die Liebe nicht fremd, aber auch Enttäuschungen hat sie erleben müssen. Sie hat vom Leben gelernt, sich einzurichten. In ihrem Gesicht erkenne ich Spuren von Glück und überstandenen Niederlagen. Was für eine Frau!
Als er mit diesen Gedanken zu Ende kommt, da hört er sie mit ihrer etwas kehligen Stimme ruhig fragen: »Nun, zu welchen Schlüssen kamen Sie, Mister?«
»Es ist schön, Sie anzusehen«, erwidert er. »Mein Name ist Joshua Ward. Ich würde Sie gerne näher kennenlernen und ...«
»Ach, Mister Ward«, unterbricht sie ihn ruhig, »eine gewisse Sorte von Männern versucht das stets. Das passiert mir immer wieder auf meinen Wegen.«
»Was für eine Sorte?«, will er wissen.
Sie betrachtet ihn noch einmal ernst: »Männer, deren Selbstbewusstsein stark genug ist«, spricht sie dann, »Männer Ihrer Sorte. Aber ich habe kein Interesse.«
Sie will sich abwenden, doch er murmelt: »Das respektiere ich. Aber Ihren Namen könnten Sie mir dennoch verraten.«
»Ich heiße Rachel Morrow«, erwidert sie und geht davon.
Doch dann hören sie beide den Hufschlag von Pferden. Es müssen Sattelpferde sein. Sie hält inne und blickt auf ihn zurück.
»Warten Sie noch!«, ruft er leise mit einem warnenden Klang in der Stimme.
Sie verharrt, und so ist er mit drei Schritten bei ihr. Nun lauschen sie beide.
Sie hören eine harte Stimme rufen: »Hoiii, das ist ein Überfall! Also gebt alles heraus, was mehr als einen Dollar wert ist! Vorwärts! Oder müssen wir euch erst erschießen?«
Die harte Stimme hat einen Klang von wildem Lachen in der Kehle, so als machte dem Rufer das alles Spaß.
Rachel Morrow aber sieht Joshua Ward an. Sie spricht kein Wort, aber in ihren Augen ist eine Frage deutlich zu erkennen.
Doch er schüttelt den Kopf und murmelt: »Nein, da mische ich mich nicht ein.«
»Das dachte ich mir«, erwidert sie. »Männer wie Sie kämpfen nicht ohne Revolverlohn und gehören nicht zu den Guten.«
»So ist es, Lady«, murmelt er. »Ich habe meinen Preis. Würde ich mich jetzt einmischen, dann müsste ich wahrscheinlich töten. Ja, ich bin mein eigener Hüter, nicht der von anderen Menschen.«
Sie erwidert nichts, aber sie verharrt weiter neben ihm und wartet wie er. Es dauert nicht lange, dann haben die Banditen wahrscheinlich bekommen, was zu holen ist. Man hört ihre Pferde anspringen. Der Hufschlag verrät, dass sie im Galopp in Richtung Golden davonjagen.
»Gehen wir, Rachel«, murmelt Joshua Ward.
»Für Sie bin ich Mrs Morrow«, spricht sie hart.
»Ach, Schwester«, erwidert er, »wir gehören zu einer Sorte.«
Er setzt sich nun in Bewegung, und als sie nach etwa zwei Dutzend Schritten die Felsengruppe verlassen und freie Sicht auf die Kutsche und die Männer dort bekommen, da sehen sie diese noch ziemlich ratlos verharren.
Ja, sie wurden ausgeplündert. Dies ist ihnen leicht anzusehen.
Einer der Passagiere ruft böse: »Was für ein Land! Die haben mir sogar den Ehering weggenommen, die verdammten Hurensöhne! He, Fahrer, Sie kannten die wohl – oder?«
Seine Frage klingt anklagend, so als hielte er den Fahrer und dessen Begleitmann für Komplizen der Banditen.
Der Fahrer lacht bitter und voller Sarkasmus und erwidert: »Die kennt jeder in diesem Land – fast jeder zumindest. Das waren die Jennison-Brüder. Aber wer will sie denn festnehmen? Und wer will sie verurteilen? Mein Begleitmann und ich, wir sind verdammt froh, dass sie uns nicht vom Bock schossen. Und so viel gab es wohl nicht an Beute zu machen hier bei euch. Das hier war nur ein Spaß für die wilden Jennisons.«
Der Fahrer blickt nun auf Rachel und Joshua. »Glück gehabt«, sagt er zu ihnen. »Bei euch hätten sie gewiss mehr Beute gemacht. Nur gut, dass ihr hinter den Felsen geblieben seid. Es geht weiter!«
Er ruft die letzten Worte wild und klettert auf den hohen Bock. Auch sein Begleitmann tut es, wobei er flucht und dabei böse spricht: »Sie haben mir das gute Parker-Gewehr weggenommen. Die können alles gebrauchen. Verdammt, ich sollte diesen beschissenen Job aufgeben!«
Sie klettern nun alle in die Kutsche. Als sie anfährt, starren die männlichen Passagiere alle auf Joshua Ward.
Erst nach einer Weile sagt einer: »He, Mister, uns haben sie ausgeraubt, Sie nicht. Und ich wette, Sie haben eine ganze Menge Dollars bei sich. Vielleicht sollten Sie jedem von uns ein paar Dollars abgeben. Dann wäre der Schaden etwas unter uns verteilt. Wir hätten ja auch den Banditen sagen können, dass da hinter den Felsen noch mehr Beute zu machen ist. Na?«
Als der Mann verstummt, da warten sie alle irgendwie hoffnungsvoll. Und man kann sie ja auch verstehen, denn sie wurden ausgeraubt, mussten nicht nur Geld, sondern auch sonst alle Wertsachen abgeben – also Uhren, Ringe, Waffen, sogar eine silberne Gürtelschnalle. Sie werden in Golden betteln müssen, denn sie haben ja nicht mal was zu verkaufen.
Ja, sie sind übel dran. Und für jeden von ihnen wären ein paar Dollar ein großes Glück.
Aber dann hören sie Joshua Ward erwidern: »Ich hätte mir nichts abnehmen lassen. Die Hammel werden stets geschoren. Die Schwachen und Feigen zahlen stets die Zeche. Und dann klagen sie über ihr Unglück.«
Er verstummt ganz ruhig, fast freundlich und mit einem Anflug von Mitleid.
Niemand erwidert etwas. Doch man spürt, dass sie sich schämen.
Da spricht Rachel Morrow: »Nicht jeder ist ein Wolf.«
✰✰✰
Es ist dann fast Mitternacht, als die Kutsche mit einiger Verspätung nach Golden gelangt. Schon zuvor erblicken sie von der Passhöhe die Lichter der kleinen Stadt im Canyon. Und rechts und links des Wagenwegs, da waren die Lichter und Feuer der vielen Minen und Claims zu sehen.
Die Kutsche hält vor dem Golden Hotel.
Sie alle steigen aus. Der Begleitmann reicht Rachel Morrow das Gepäck vom Kutschdach herunter. Sie nimmt es und geht mit erhobenem Kopf ins Hotel.
Joshua Ward sieht ihr nach, bis sie verschwunden ist. Dann nimmt er sein Gepäck und macht sich auf den Weg zur Golden Hall.
Er geht langsam, nimmt sich Zeit, hält immer wieder an wie ein witternder Wolf in einem fremden Revier.
Golden ist voll in Betrieb, und es unterscheidet sich kaum von all den anderen Städten, die sich den Namen Golden gaben, weil in ihrer Umgebung Gold gefunden wurde und sie alle davon leben.
Joshua Ward war schon in Golden in Arizona, dann in Colorado – und jetzt hier in den Bitter Roots von Montana.
Golden, dieser Name verspricht so viel und hält so wenig.
Er weiß es. Das war überall so.
Die Golden Hall besteht aus mehreren Gebäuden, welche miteinander verbunden sind, sodass man vom Saloon in die Spielhalle und auch in den Theater- und Tanzsaal gelangen kann, ohne auf die Straße zu müssen.
Als er in den Saloon tritt, da sieht er die durstigen Kehlen drei Glieder tief an der Bar stehen. Drei Keeper bedienen.
Joshua entdeckt neben dem Ende der Bar eine Tür, an der ein Schild anzeigt, dass dahinter das Office der Golden Hall ist.
Er geht hin und tritt ein, bevor ihn einer der Barkeeper daran hindern kann.
Und da sieht er sie drinnen an einem runden Tisch sitzen.
Ja, da sind Chuck Hooker, Jerry Nelson und John Finnegan.
Sie sind ein wenig älter geworden, so wie er ja auch. Doch sie wurden schwergewichtiger, fast dick – er nicht.
Im Lampenschein betrachten sie ihn einige Atemzüge lang schweigend. Dann aber sagt Hooker: »Seht, er hat sich nicht verändert, nicht so stark wie wir jedenfalls. He, Joshua, willkommen in Golden. Du hast dir Zeit genommen. Verdammt, warum hast du uns so lange warten lassen?«
Er gibt noch keine Antwort, lässt sein Gepäck einfach fallen und tritt hinter sich die Tür mit dem Absatz zu.
Dann entdeckt er in der Ecke den Tisch mit den Gläsern und Flaschen, geht hin und schenkt sich bernsteinfarbenen Whisky ein.
Nachdem er getrunken hat, geht er zum runden Tisch und nimmt dort bei ihnen Platz.
Nacheinander betrachtet er sie im Lampenschein und wiegt dann zweifelnd den Kopf.
Nachdem er das Glas geleert hat, spricht er: »Eigentlich liebe ich euch immer noch nicht. Und deshalb zweifle ich, ob wir überhaupt ins Geschäft kommen werden. Doch euer Angebot klang verlockend. Lasst also hören. Was wollt ihr von mir? Und wo sind die tausend Dollar, die ich allein schon für mein Kommen erhalten soll? Her damit!«
Er verstummt mit einem ironisch klingenden Lachen in der Kehle.
Sie starren ihn nun fast böse, zumindest aber biestig wirkend an. Dann knurrt John Finnegan: »Der ist immer noch der alte, gierige, stets hungrige Wolf.«
Aber Joshua Ward wiederholt nur die beiden fordernden Worte: »Her damit!«
Da erhebt sich Jerry Nelson, geht zum Geldschrank in der Ecke, öffnet ihn und kommt mit tausend Dollar zum Tisch zurück, wirft sie vor Joshua Ward hin.
»Da sind sie«, knurrt er ärgerlich.
Ward nimmt das Geld, zählt es aufreizend langsam, steckt es weg und nickt dann.
»Jetzt können wir reden«, spricht er ruhig. »Ihr habt mich gewiss nicht zum Pfannkuchenbacken geholt. Ihr seid irgendwie in der Klemme. Was ist?«
Sie schweigen noch einige Atemzüge lang und betrachten ihn witternd. Und auch er lässt seinen Instinkt noch einmal gegen sie strömen.
Dabei erinnert er sich an jene Zeit, da sie zusammen ritten und kämpften, immer wieder reiche Beute machten. Und während des Krieges besaßen sie sogar einen Mississippi-Raddampfer. Damit fuhren sie bis nach New Orleans hinunter und holten von den Seeschiffen Waffen für die Konföderation.
Doch eines Tages schossen die Unionstruppen bei Vicksburg ihren schönen Dampfer in Stücke – und dann mussten sie wieder reiten, reiten und kämpfen. Joshua Ward erinnert sich in dieser Minute an viele Dinge. Und einige dieser Geschehnisse waren mehr als unerfreulich.
Seine beiden Worte »Was ist?« hängen immer noch sozusagen über ihren Köpfen im Raum und warten auf Antwort.
Doch dann spricht Chuck Hooker hart: »Du bist hoffentlich nicht nachtragend. Als wir dich damals vor vier Jahren angeschossen in dem kleinen mexikanischen Dorf zurückließen, da legten wir dir mit deinem Colt zugleich auch deinen Anteil an unserer Beute unters Kopfkissen. Wir mussten weiter und lockten unsere Verfolger von dir weg. Wir haben uns nichts vorzuwerfen.«
»Gut.« Joshua Ward nickt. »Komm endlich zum Punkt, Chuck. Was ist?«
Und da endlich erhält er eine Antwort. Jerry Nelson spricht hart: »Wir kämpfen um diese kleine verdammte Stadt wie um eine schöne Hure, auf die alle anderen Freier so scharf sind wie damals unser Urvater Adam auf die Eva. Joshua, du wirst einige Burschen abschießen müssen, zuerst den Marshal. Dann kannst du dessen Amt übernehmen und mit uns diese Stadt leiten.«
»He«, macht Joshua Ward nur. »Seid ihr in euren Köpfen nicht ganz dicht?«
Da grinsen sie. Und Jerry Nelson geht abermals zum Schreibtisch und holt dort einen Steckbrief aus der Schublade, bringt ihn zum Tisch und legt ihn vor Ward hin.
»Das ist er – unser Marshal, den unsere Gegenpartei einsetzte. Er wird im Süden steckbrieflich gesucht. Aber das stört die Mehrzahl unserer Stadträte nicht. Sie wollten einen berüchtigten Revolverhelden und Killer zum Town Marshal. Du kannst ihn ganz legal stellen. Er wird zum Revolver greifen. Du kannst ihn ganz legal wie jeder andere Kopfgeldjäger abschießen. Dann übernehmen wir diese Stadt.«
Als er verstummt, schweigt Joshua Ward eine Weile. Und immer wieder betrachtet er seine drei einstigen Sattelgefährten.
Schließlich fragt er: »Was ist so gut an dieser Stadt?«