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Es sind mehrere Ereignisse, die aus Hope, dem gottverlassenen Nest am Rand der Apachenwüste, für kurze Zeit eine böse Stadt machen.
Joel Webster stößt auf eine Quelle und gründet an der Wasserstelle eine Postkutschenstation. Der Wagenweg zwischen Nogales, El Paso und Santa Fe wird so um gute fünfzig Meilen verkürzt, und Hope liegt plötzlich an der Lebensader des Landes.
Fast zur selben Zeit findet Sam Hickman ganz in der Nähe von Hope eine Silberader, und auch dies trägt dazu bei, dass sich der Ort verändern wird.
Und dann rauscht ein Unwetter nieder und zwingt die fünf Insassen einer Postkutsche, in Hope Zuflucht zu suchen. Es sind drei flüchtige Banditen und zwei skrupellose Abenteurerinnen. Erst fluchen sie und hadern mit dem Schicksal, dann aber hören sie von dem Silberfund, und plötzlich wittern sie das große Geld.
Und so nimmt das Unheil seinen Lauf. Hope wird zu einer Sodom und Gomorrha des Westens, zu einer Stadt des Bösen, der Verbrechen und des Lasters, deren baldiger Untergang unausweichlich ist.
Dass wenigstens einige Gerechte vor der Katastrophe bewahrt werden, ist nicht zuletzt der Verdienst Slon Harpers, der auf der Suche nach seiner verschollenen Freundin ebenfalls in die böse Stadt geritten kommt ...
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Böse Stadt
Vorschau
Impressum
Böse Stadt
Es sind mehrere Ereignisse, die aus Hope, dem gottverlassenen Nest am Rand der Apachenwüste, für kurze Zeit eine böse Stadt machen.
Joel Webster stößt auf eine Quelle und gründet an der Wasserstelle eine Postkutschenstation. Der Wagenweg zwischen Nogales, El Paso und Santa Fe wird so um gute fünfzig Meilen verkürzt, und Hope liegt plötzlich an der Lebensader des Landes.
Fast zur selben Zeit findet Sam Hickman ganz in der Nähe von Hope eine Silberader, und auch dies trägt dazu bei, dass sich der Ort verändern wird.
Und dann rauscht ein Unwetter nieder und zwingt die fünf Insassen einer Postkutsche, in Hope Zuflucht zu suchen. Es sind drei flüchtige Banditen und zwei skrupellose Abenteurerinnen. Erst fluchen sie und hadern mit dem Schicksal, dann aber hören sie von dem Silberfund, und plötzlich wittern sie das große Geld.
Und so nimmt das Unheil seinen Lauf. Hope wird zu einem Sodom und Gomorrha des Westens, zu einer Stadt des Bösen, der Verbrechen und des Lasters, deren baldiger Untergang unausweichlich ist.
Dass wenigstens einige Gerechte vor der Katastrophe bewahrt werden, ist nicht zuletzt der Verdienst Slon Harpers, der auf der Suche nach seiner verschollenen Freundin ebenfalls in die böse Stadt geritten kommt ...
Sam Hickman kommt eilig auf seinem Maultier in die kleine Stadt geritten und wirft sich dort mit einem jauchzenden Ruf aus dem Sattel, obwohl seine Knochen schon ziemlich alt und morsch geworden sind in all den Jahren. Aber diesmal halten sie den Absprung noch aus.
Sam Hickman eilt in den Store, denn der Storehalter von Hope ist zugleich der Posthalter und Town Marshal. Letzteres Amt bekleidet er für das symbolische Gehalt von einem Dollar pro Monat. Er führt als Marshal auch die Register, trägt also die Sterbefälle und Geburten ein, registriert Besitzwechsel und Eheschließungen und dergleichen.
Sam Hickman schlägt mit seiner brettharten Hand auf den Ladentisch und brüllt nach dem Marshal.
Der Storehalter kommt aus der Eisenwarenabteilung und fragt ziemlich böse: »Warum brüllst du hier herum, Sam Hickman? Hat dein Maultier dich wieder in einen Kaktus geworfen so wie damals, als ich aus deinem Hintern die Stacheln herausoperieren musste?«
Aber Sam Hickman schüttelt heftig den Kopf und hebt beide Hände, um sie über seinem alten Hut zusammenzuklatschen.
»Ich habe die Ader gefunden – die große Ader! Trag sie ein, Lin Perrit, trag sie ein in dein schlaues Buch! Ich kann dir die genaue Lage angeben, die ganz genaue Lage am Schnittpunkt der Linien. Na los, ich habe wenig Zeit! Denn ich will mich gleich in Lolas Hurenhaus betrinken und mich von ihren Mädchen verwöhnen lassen. Dass ich das noch mal erleben kann! Oho!«
Sam Hickman ist vor Freude wie von Sinnen.
Der Storehalter aber greift unter den Ladentisch und holt eine Flasche und zwei Gläser hervor. Indes er einschenkt, spricht er ruhig: »Das freut mich aber für dich, Sam Hickman – wirklich. Du warst all die Jahre ein armer Hund, der wie ein Maulwurf überall herumwühlte und niemals Glück hatte. Aber jetzt – ist es weit von hier? Ich meine, wird diese Stadt von deinem großen Fund profitieren können?«
»Keine zehn Meilen von hier liegt meine große Silberader in der guten Mutter Erde!« Sam Hickman grinst breit und zeigt dabei seine fünf braunen Zähne. Denn mehr hat er nicht. Sie heben die Gläser und leeren sie mit einem Ruck.
Dann holt Lin Perrit das große Buch hervor, um den ersten Silberclaim des Landes einzutragen.
Dabei spricht er: »Weißt du eigentlich, Sam, dass der Finder einer Silberader dieser folgen kann, selbst wenn andere Claims an seinen angrenzen? Diese Ader gehört ganz und gar dir, sobald ich die genaue Lage eingetragen habe. Also, wie sind die Landmarken, deren Linien sich auf dem Claim kreuzen müssen?«
Er leckt an dem Tintenstift und wartet neugierig.
Durch die offene Tür treten nun zwei Männer in den Store. Man hörte zuvor ihre Pferde kommen und anhalten.
Nun treten sie ein wie zwei Kunden.
Doch das sind sie nicht.
Denn einer spricht hart: »Da kommen wir ja wohl noch rechtzeitig! Alter, es wird nicht klappen mit dem Claimraub. Wir sind zwei. Du bist allein. Und wir können beschwören, dass wir die Silberader zuerst fanden und für uns absteckten. Eigentlich sollten wir dich erschießen, du verdammte Wüstenratte. Hau ab, schleich dich. Denn sonst ...«
Weiter kommt er nicht. Denn Sam Hickman, der sich so fühlt, als würde er aus dem Himmel in die Hölle niederfallen, stößt einen seltsamen Laut aus.
Er wendet den beiden Eingetretenen den Rücken zu, denn er steht ja noch Lin Perrit zugewandt am Ladentisch.
Nun holt er seinen Revolver aus dem Hosenbund und wirbelt damit herum, so schnell er nur kann mit seinen morschen Knochen, Muskeln und Sehnen.
Als er es geschafft hat und den Revolver heben will, da bekommt er zwei Kugeln in die Brust. Und weil der Storehalter Lin Perrit die Schrotflinte unter dem Ladentisch hervorgeholt hat und auf die beiden Fremden richten will, bekommt auch er es von ihnen.
Denn eines wird klar: Es kamen zwei Revolverschwinger nach Hope.
Der Raum füllt sich mit Pulverdampf. Sam Hickman und Lin Perrit fallen zu Boden.
Einer der beiden Fremden sagt hart und trocken: »Nun besitzen wir nicht nur eine Silberader, sondern auch noch diese Stadt. Oho, sie wird mächtig wachsen, blühen und gedeihen! Ja, es wird wohl so sein, dass wir auch diese armselige Stadt übernehmen müssen, um aus ihr ein Juwel zu machen. Nicht wahr, Ringo?«
»Sicher, Johnny, sicher.« Ringo grinst. »Wir haben zwei Silberadern in unserer Hand. Zwei!«
✰✰✰
Es ist ein verdammt harter und langer Weg, den die beiden Frauen und die fünf Männer wandern müssen, seit ihre Kutsche nach dem Unwetter beim Passieren der Furt von der starken Strömung des Flusses mitgerissen wurde und sie nur mit allergrößter Mühe ihr Leben retten konnten.
Besonders dem Begleitmann Pete, der einen Stiefel im Fluss verlor, fällt das Laufen schwer. Er bleibt immer weiter zurück und schließt dann erst auf, wenn die anderen eine Pause einlegen.
Die beiden Frauen halten sich an diesem Tag prächtig. Es macht ihnen nichts aus, dass die Männer immer wieder auf ihre Beine starren. Sie geben sich sehr selbstbewusst, und es ist völlig klar, dass sie eine Menge Erfahrung haben mit Männern jeder Sorte.
Manchmal bleiben sie ein Stück zurück und unterhalten sich wie Schwestern.
Es ist Eveline Keyes, die zuerst das Gespräch mit den Worten beginnt: »Also Jodie heißt du.«
»Jodie White«, erwidert diese. »Ja, das ist mein Name. Und du bist Eveline Keyes, nicht wahr? So hast du dich vorgestellt. Wir werden zusammenhalten müssen wie gute Schwestern, Eveline. Oder bist du anderer Meinung?«
»Nein, Jodie, nein. Denn wir sind mit drei besonders harten Nummern unterwegs, die uns nicht mal ihre Namen verraten. Die haben eine Menge Verdruss auf ihren Fährten. Und jetzt sind sie so entschlossen wie drei hungrige Wölfe, die man aus ihrem Jagdrevier jagte. Die werden sich ein neues Revier suchen, und ich wette, sie gehen dafür über Leichen. Irgendwann werden sie versuchen, uns zu vernaschen. Was dann, Jodie, was dann?«
Sie schweigen eine Weile und wandern nebeneinanderher. Und so zerzaust, abgerissen, staubig und schmutzig sie auch sind, sie bieten dennoch einen erfreulichen Anblick.
»Ja, was dann ...«, murmelt Eveline und spricht dann weiter: »Weißt du, Jodie, ich bin schon oft vernascht worden, vor allem damals, als ich als junges Ding von daheim weglief, weil ich nicht länger wie ein Siedlerjunge leben und schuften wollte. Weißt du, bei uns kamen keine Jungen, sondern nur Mädchen zur Welt. Und alle meine Schwestern liefen irgendwann von zu Hause fort. Ich war die Fünfte. Nach mir waren es noch zwei. Wir alle wählten diesen Weg durch die Hölle. Aber jetzt lasse ich mich nicht mehr vernaschen, sondern vernasche selbst. Jodie, wohin bist du unterwegs?«
»Nach Santa Fe natürlich«, erwidert Jodie. »Und dann will ich weiter über den Raton Pass ins Goldland von Colorado. Rings um das große Camp Denver suchen schon zehntausend Hammel nach Gold. Denen will ich das Fell über die Ohren ziehen. Und du, Eveline?«
»Ich auch, Schwester, ich auch. Welchen von den drei zweibeinigen Wölfen hältst du für den gefährlichsten?«
»Diesen Cole.«
»Dann werden wir ihn spüren lassen, dass wir ihn für einen edlen Coltritter halten, einen stolzen Samurai, dessen Schutz wir uns anvertrauen.«
»Gut so, Schwester, gut so. Aber ich glaube, sie besitzen alle drei jenen Revolverstolz und kommen sich wie die letzten Ritter vor. Die werden richtig um uns werben, denke ich. Das sind keine zweitklassigen Revolverschwinger. Die sind eine Klasse größer. Ich würde gerne ihre richtigen Namen wissen. Aber das bekommen wir schon noch heraus.«
Sie wandern dann schweigend weiter.
Das nasse Land dampft bald unter der Sonne, und es ist am späten Mittag, als sie überall das erste Grün aus dem nassen Boden sprießen sehen. Morgen wird hier alles in bunten Farben leuchten.
Jener Cole gesellt sich zu den beiden Frauen und wandert eine Weile zuerst wortlos zwischen ihnen.
Doch dann spricht er: »Ihr zwei wunderhübschen Schwestern werdet es leichter haben als wir. Euch werden sie in Hope die kleinen Füße küssen. Aber was ist, wenn dies eine harte Stadt ist, die uns wie Tramps behandelt und zum Teufel jagen will? He, was ist dann?«
»Das wird sich finden«, erwidert Eveline Keyes.
»Dann soll diese Stadt zum Teufel gehen«, faucht Jodie White.
Er lacht leise und spricht dann: »Ja, dann wird diese Stadt zum Teufel gehen. Ja, das glaube ich.«
Wieder wandern sie eine Weile schweigend. Dann spricht er: »Ihr seid beide Glücksjägerinnen, nicht wahr? Aber ihr habt Format. Ihr würdet gut zu uns passen, sehr gut. Mein Name ist Cole Younger. Die anderen heißen Burt Sharky und Larry Parks. Und wir alle sind nun arm wie Kirchenmäuse, weil wir alles im Fluss verloren. Ich glaube, wir werden die kleine Stadt ausrauben müssen, Schwestern. Solltet ihr etwas dagegen haben, dann wartet lieber, bis wir uns versorgt haben und weggeritten sind.«
Sie erwidern nichts.
Und abermals lacht er leise und spricht dann: »Ich wüsste nicht, für welche von euch ich mich entscheiden sollte. Ihr gefallt mir beide. Würden wir länger zusammenbleiben, dann ließe es mir keine Ruhe, bis ich herausgefunden hätte, wer von euch besser im Bett ist. Hahaha!«
»Du würdest von einer von uns ein Messer in den Bauch bekommen«, spricht Jodie ganz ruhig. »Wenn eine von uns von dir etwas will, dann wird sie dich das spüren lassen. Aber solange du das nicht spürst, solltest du uns wie Schwestern behandeln. Alles klar?«
Er lacht als Antwort.
Dann geht er wieder schneller und holt bald seine beiden Partner und Kumpane wieder ein.
Barney und Pete folgen im immer größer werdenden Abstand.
Jodie aber spricht zu Eveline: »Ev, so muss es sein. Wir müssen uns gegenseitig beistehen.«
»Richtig, Jodie, richtig.«
Sie wandern nun schweigend, und die Nacht wird hell mit einem Himmel voller Sterne und einem halben Mond.
✰✰✰
Nachdem sie den Storehalter und Sam Hickman erschossen haben, übernehmen Ringo Fawlett und Johnny Slade die kleine Stadt.
Sie schaffen es mit zwei Revolvern, denn Hope verlor den Anführer, den Storehalter und Marshal, auf den die Bewohner immer hörten und der sie stets anführte, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gab.
Kurz nachdem im Store die Schüsse krachten, treten die beiden Banditen auf die staubige Fahrbahn, die ja die einzige Straße von Hope ist.
Aus den Häusern liefen die Menschen. Aber viele sind es nicht. Denn einige arbeiten draußen auf den Äckern und Feldern. Im kleinen Schulhaus unterrichtet eine Lehrerin die Kinder.
Es sind kaum mehr als ein Dutzend Bürger, die sich für die Schüsse interessieren. Und sie sehen die beiden fremden Revolverschwinger aus dem Store kommen.
Ringo Fawlett hat sich Lin Perrits Blechstern angesteckt, so als wäre er nun der Town Marshal.
Als sie die ersten Bürger erreichen, da fragt ein älterer Mann – es ist der Sattler – vorsichtig: »Was ist geschehen?«
Ringo Fawlett tippt mit seinem Daumen gegen den Blechstern auf seiner Hemdtasche und erwidert: »Jetzt bin ich hier der Marshal. Dieser alte Silbersucher wollte uns um eine Silberader bringen. Wir fanden sie, aber er wollte sie als seinen Entdeckerclaim anmelden. Als sich euer Marshal weigerte, dies in das Register einzutragen, da erschossen sie sich beide gleichzeitig. Doch noch im Sterben übergab euer Marshal mir den Stern. Ich will euch etwas sagen, ihr Leute von Hope. Kommt alle her und macht eure Ohren weit auf! Diese Stadt wird aufblühen, wachsen und gedeihen. Denn unsere mächtige Silberader wird binnen weniger Tage mehr als tausend Menschen herlocken. Die Nachricht vom großen Silberfund wird sich wie ein Präriebrand nach allen Seiten verbreiten. Und dann kommen sie alle – die Guten, die Bösen, die Reinen und die Sündigen. Eure Stadt mit dem prächtigen Namen Hoffnung wird davon profitieren. Aber ihr braucht einen guten Marshal. Der bin ich. Und dies hier ist mein Partner. Wir werden für euch denken und alles lenken. Und morgen geht es richtig los. Wir werben eine Mannschaft für unsere Silbermine an und senden Boten in alle Himmelsrichtungen. In einer Stunde ist die große Versammlung im Saloon. Holt alle Bürger zusammen, auch die Leute von den Äckern und Feldern. Ich bin Ringo Fawlett. Dieser Gentleman heißt Johnny Slade. Wir sind ziemlich harte Burschen und haben jetzt das Kommando hier. Hat jemand etwas dagegen, dass wir aus Hope ein Juwel machen und ihr alle wohlhabend werdet?«
Er fragt es zuletzt hart und sieht sich um.
Seine Hand hängt hinter dem Revolvergriff.
Sein Partner Johnny Slade steht ebenfalls kampfbereit neben ihm. Sie starren in die Gesichter der Menschen, die sie im Halbkreis umgeben.
Und die Leute von Hope schweigen. Es ist niemand da, der ihnen sagt, was sie tun sollen. Lin Perrit fehlt, und sie hörten, dass er tot wäre, erschossen vom alten Gold- und Silbersucher Sam Hickman.
Wer will das widerlegen, anzweifeln?
Jetzt zeigt es sich, wie schwach eine Bürgerschaft ist, wenn der Anführer fehlt. Denn selbst eine Hammelherde hat einen Leithammel.
»Wir inspizieren jetzt die ganze Stadt«, spricht Ringo Fawlett nun wieder. »Habt ihr hier einen Sargmacher und Leichenbestatter?«
»Ja, der bin ich«, meldet sich ein alter Mann und hebt die Hand.
»Dann sorgen Sie dafür, dass der Storehalter und dieser alte Gauner von Silbersucher bestattet werden. Wir werden jetzt in jedes Haus kommen und alle Waffen einsammeln. Denn wir wollen eine friedliche Stadt haben. Ihren Schutz übernehmen wir. Denn nur wir dürfen hier Waffen tragen. Also los, Leute, geht in eure Häuser! Nur der Leichenbestatter darf sich einen Gehilfen aussuchen und seiner Arbeit nachgehen. Alle anderen Leute warten in ihren Häusern und Hütten. Wir möchten euch näher kennenlernen, mit jedem von euch ein paar Worte reden. Es wird euch gut gehen unter unserer Leitung und in unserem Schutz. Da habt ihr unser Wort. Nun geht!«
Seine Stimme duldet zuletzt keinen Widerspruch.
Und so gehen sie alle auseinander, die Frauen mit den Kindern, die Männer mit größeren Söhnen, die Alten.
✰✰✰
Es ist schon spät in der Nacht, als sie weit voraus zu ihren Füßen die Lichter von Hope erblicken. Es sind ein halbes Dutzend gelbe Lichter, die sich sehr von dem Leuchten der türkisfarbenen Sterne unterscheiden.
Diese gelblich schimmernden Lichter liegen in einem langen Tal, in welches sie nun hinabblicken.
Sie setzen sich schweigend in Bewegung. Sie sind erschöpft, fußkrank, hungrig. Es war ein heißer, langer Tag, und der Weg nach Hope schien kein Ende zu nehmen.
Wahrscheinlich – wenn sie jetzt nicht die Lichter sehen würden – hätten sie sich alle niedergelegt. Doch die Lichter ziehen sie fast magisch an. Und so vergessen sie ihre schmerzenden Füße und marschieren noch einmal mit neuem Elan.
Als sie nur noch hundert Schritte von den ersten Gebäuden entfernt sind, da spricht Barney krächzend: »Das muss die Schmiede mit dem Wagenhof und dem Pferdehandel sein. Der Schmied wurde als Stationsmann verpflichtet. Hier hätte die Postkutsche ein frisches Gespann bekommen müssen. So lautete meine Instruktion. Gehen wir also zuerst zum neuen Stationsmann der Post- und Frachtlinie. Er ist verpflichtet, uns zu helfen. Basta!«
Sie erwidern nichts. Aber wenig später versammeln sie sich am Brunnen und tauchen dort ihre Köpfe in die Wassertröge.
Denn die Nacht ist noch warm von dem heißen Tag.
Sie mussten zwar unterwegs nicht dürsten, denn überall stand nach dem Unwetter noch das Wasser in den Senken, aber sie gerieten mächtig in Schweiß.
Das kühle Wasser erfrischt sie.
Aus dem Wohnhaus neben der Schmiede tritt ein Mann und fragt: »He, wer seid ihr denn? Wo kommt ihr her?«
Er ist offenbar der Schmied, und in seiner Stimme ist ein Klang von Vorsicht und Misstrauen. Langsam tritt er näher.
Barney aber fragt: »Sind Sie Lonnegan, der neue Stationsmann der Post- und Frachtlinie?«
»Der bin ich. Und wer seid ihr?«
Barney erklärt es ihm mit wenigen Worten und schließt dann: »Also werden wir einen Weg finden müssen, um ...«
»Kommen Sie ins Haus«, unterbricht ihn der Schmied und Stationsmann. »Wissen Sie, es hat sich hier bei uns in Hope eine Menge verändert. Ich muss Sie erst einmal aufklären und informieren. Kommen Sie ins Haus. Ich sehe, dass Sie auch zwei Ladys bei sich haben. Meine Frau wird sich um die Ladys kümmern. Kommen Sie.«
Seine Stimme drängt, und er geht voraus.
Sie folgen ihm, denn sie alle spüren, dass es besser ist, wenn sie nicht länger hier mitten im Hof beim Brunnen stehen und ein Palaver halten.
Die große Wohnstube des Hauses wurde in einen Gastraum für Passagiere umgewandelt, damit diese während der Gespannwechsel etwas zu sich nehmen können.
Lonnegan dreht die Flamme einer Lampe höher.
Und von oben kommt eine Frau die Treppe herunter, eingewickelt in einen Morgenmantel.
»Ist die Postkutsche doch noch gekommen? Aber ich habe doch gar nichts gehört.« Ihre Stimme klingt schlaftrunken. Oben beginnt ein Kleinkind zu weinen.
Lonnegan sagt: »Lisa, kümmere dich um die beiden Ladys. Die Postkutsche ging verloren in einem reißenden Fluss. Das große Unwetter ...«
Er sieht nun die Männer an.