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Dass Fort Benton ein ziemlich mieser und ruhiger Ort war, kümmerte mich nicht besonders. Denn es gab Dolly Boston hier. Sie war die Besitzerin von Dolly's Saloon und gebot über zwei Dutzend Mädchen und ein Dutzend Barkeeper, Bankhalter und Hauspolizisten. Von Dolly konnte ich alles haben, jawohl, alles. Wenn ich gewollt hätte, wäre ich in Dolly's Saloon der Prinzgemahl gewesen. Aber das wollte ich nicht. Mir genügten Dollys Wärme und Zärtlichkeiten. Sie war eine Frau, die einem Mann das Paradies bereiten konnte, wenn sie ihn liebte. Und mich liebte sie, da gab es keinen Zweifel.
Es war am frühen Mittag, als ich nach einer langen Nacht erwachte. Dolly lag noch in meinem Arm, so wie sie eingeschlafen war. Sie lächelte im Schlaf. Ich wollte sie auf die Nasenspitze küssen, doch das hätte sie wahrscheinlich geweckt, und so ließ ich es bleiben und sah zum Fenster. Von dort kam nicht viel Heiligkeit herein, obwohl es schon fast Mittag war. Es war auch merkwürdig still, sehr viel stiller als sonst um diese Tageszeit in Fort Benton.
Unwillkürlich seufzte ich. Denn meine Zeit des Faulenzens war vorbei. Gleich darauf klopfte es auch schon leise an der Tür ...
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Blizzard-Kämpfer
Vorschau
Impressum
Blizzard-Kämpfer
Dass Fort Benton ein ziemlich mieser und ruhiger Ort war, kümmerte mich nicht besonders. Denn es gab Dolly Boston hier. Sie war die Besitzerin von Dolly's Saloon und gebot über zwei Dutzend Mädchen und ein Dutzend Barkeeper, Bankhalter und Hauspolizisten. Von Dolly konnte ich alles haben, jawohl, alles. Wenn ich gewollt hätte, wäre ich in Dolly's Saloon der Prinzgemahl gewesen. Aber das wollte ich nicht. Mir genügten Dollys Wärme und Zärtlichkeiten. Sie war eine Frau, die einem Mann das Paradies bereiten konnte, wenn sie ihn liebte. Und mich liebte sie, da gab es keinen Zweifel.
Es war am frühen Mittag, als ich nach einer langen Nacht erwachte. Dolly lag noch in meinem Arm, so wie sie eingeschlafen war. Sie lächelte im Schlaf. Ich wollte sie auf die Nasenspitze küssen, doch das hätte sie wahrscheinlich geweckt, und so ließ ich es bleiben und sah zum Fenster. Von dort kam nicht viel Heiligkeit herein, obwohl es schon fast Mittag war. Es war auch merkwürdig still, sehr viel stiller als sonst um diese Tageszeit in Fort Benton.
Unwillkürlich seufzte ich. Denn meine Zeit des Faulenzens war vorbei. Gleich darauf klopfte es auch schon leise an der Tür ...
Als ich mich erhob, rollte sich Dolly auf die andere Seite und ließ ein leises, katzenhaftes Schnurren hören. Sie schlief also immer noch fest. Und das war mir recht.
Als ich die Tür einen Spalt öffnete, stand der alte Jake draußen. Und er sagte: »Du sollst sofort zu Kip Williams kommen. Er sagt, dass es eilig ist.«
»Ich weiß«, flüsterte ich zurück, machte die Tür wieder zu und fluchte leise.
Dolly hörte plötzlich mit dem Schnurren auf und saß mit einem Ruck aufrecht, hielt sich die Bettdecke bis unter das Kinn. Denn es war kalt im Zimmer. Und sie war unter der Bettdecke nackt.
»He, warum schleichst du dich weg wie ein Wolf, der im Stall ein Huhn fraß?«
So fragte sie geradeheraus. Das war ihre Art.
Ich ging zu ihr hin, setzte mich auf den Bettrand, zog jedoch erst meine Stiefel an. Dann aber nahm ich sie noch einmal in meine Arme. Und nachdem ich sie geküsst hatte, sagte ich: »Ich muss fort, mein Engel. Ein Blizzard kommt. Und du weißt, warum ich im Blizzard fort muss. Du allein weißt es außer mir und Kip Williams.«
Sie ließ ein zorniges Fauchen hören.
»Oh, du Blizzard-Kämpfer«, sagte sie. »Du blauäugiger Narr. Die ganze Welt verkriecht sich vor einem Blizzard. Jedes Lebewesen bringt sich in Sicherheit. Doch du wartest auf einen Blizzard, um hunderttausend Dollar nach Last Chance City zu bringen. Du glaubst, dass sich auch die Banditen verkriechen und die wenigen Wege und Pfade nicht bewachen werden. Du glaubst, dass ein Blizzard weniger schlimm ist als Banditen. Was macht es für einen Unterschied, ob sie dich wegen des Geldes erschießen oder ob du im Blizzard umkommst? Tot ist tot – oder?«
Ich grinste.
»Ich komme in keinem Blizzard um«, sagte ich. »Die Indianer, bei denen ich aufwuchs, bevor ich in die Missionsschule kam, lehrten mich, einen Blizzard zu besiegen. Und sie gaben mir einst den Namen Blizzard-Kämpfer. Mach dir also keine Sorgen, Dolly, mein Engel.«
Ich erhob mich, ohne sie noch einmal in meine Arme zu nehmen.
Sie schwieg, bis ich an der Tür war.
»Komm wieder«, sagte sie dann. »Verdammt, ich werde Tag und Nacht an dich denken müssen. Jeder andere Bursche würde bei mir bleiben und das Leben genießen. Aber du willst in die Hölle eines Blizzards hinaus. Steve, das ist es, was dich von anderen Männern unterscheidet. Das ist es! Und deshalb liebe ich dich. Verdammt, du bist einer wie sonst keiner von zehntausend Kerlen. Hau ab!«
Sie war zuletzt nicht etwa zornig, als sie »Hau ab!« sagte – o nein. Sie wollte nur nicht, dass ich sie weinen sah. Und sie wollte auch nicht darum betteln, dass ich blieb. Sie war nämlich sehr stolz, diese Dolly Boston.
Ich verließ das Zimmer.
Und es kostete mich wirklich eine Menge Energie, nicht umzukehren und wieder in Dollys Luxusbett zu steigen. Denn was auf mich wartete, wusste ich genau.
Als ich den Saloon verließ und die Uferstraße entlang zur Postagentur ging, da spürte ich schon den Eishauch des Blizzards. Doch vorerst war es nur ein Hauch. Ich wusste, dass aus diesem Hauch ein orgelndes Brüllen werden würde, ein fauchendes Toben, so als wären alle Untiefen der Unterwelt herausgekommen aus der Hölle.
Ich zog meinen Kopf ein, denn ich war nicht zweckmäßig gekleidet.
Als ich in das Office des Postagenten Kip Williams trat, legte dieser soeben einige Scheite Holz in den Ofen. Über die Schulter hinweg sah er dann zu mir her und sagte lässig: »Hallo, Steve McCallum, ich hätte nicht gedacht, dass jemand Sie aus Dollys Bett herausholen könnte.«
»Lassen Sie nur Dolly aus dem Spiel«, sagte ich grob.
Er nickte auch sofort und murmelte: »Pardon. Sie haben Recht, McCallum. Es geht mich nichts an. Und schließlich verdienen Sie meinen ganzen Respekt. Na gut! Der Blizzard kommt. Und Sie müssen los. So lautet unser Vertrag, auf den Sie einen Vorschuss erhielten, weil Ihr indianischer Name Blizzard-Kämpfer ist.«
Ich grinste.
»Und was ist, wenn ich mit den hunderttausend Dollar auf Nimmerwiedersehen abhaue, anstatt sie zum Agenten der Post- und Frachtlinie in Last Chance City zu bringen?«
Er kam vom Ofen zu mir herüber und hielt vor mir an. Er war stark und knochig wie ein Maultier, und er hatte sich vom Maultiertreiber hochgearbeitet zum Agenten der Post- und Frachtlinie von Fort Benton.
Von hier gingen ein halbes Dutzend Routen zu den Goldfeldern nach Helena, nach Blackfoot und Diamond City, auch nach Deer Lodge, Bozeman, Virginia City, Gallatin und Livingston. Es gab noch mehr Camps, zu denen diese Station hier an der Schiffslandestelle von Fort Benton Verbindung hielt. Er war also ein wichtiger Agent geworden, ein Mann mit einiger Macht, der eine kleine Privatarmee anwerben durfte, wenn dies die Interessen der Post- und Frachtlinie erforderlich machten.
Denn die US-Armee hatte hier nichts zu sagen, gar nichts. Das Land war laut Friedensvertrag den Indianern garantiert worden.
Eigentlich hielten sich alle Weißen widerrechtlich hier auf. Und es waren nun schon Zehntausende.
Das Gold hatte sie hergelockt, und sie pfiffen auf die Verträge mit den Indianern.
Kip Williams sah mich aus nächster Nähe an. Sein flintsteinharter Blick traf prüfend meine Augen. Dann grinste er wie ich und sagte: »Das machst du nicht. Du haust nicht mit hunderttausend Dollar ab, die ich dir anvertraue. Da sind sie!«
Er deutete auf zwei Segeltuchbeutel, in denen sonst Briefe und kleine Päckchen befördert wurden.
Ich zögerte noch. Aber ich hatte Vorschuss bekommen, weil ich beim Poker aus dem Spiel geblufft werden sollte. Mit vier Damen wollte ich nämlich nicht wegen Geldmangels aussteigen. Der Postagent gehörte zu den Zuschauern. Und er bot mir Geld an. Ich nahm es, bot weiter mit, blieb im Spiel – und hatte dann mit meinen vier Damen gegen einen Royal Flush keine Chance. Ich verlor alles und gehörte gewissermaßen dem Agenten, als hätte ich meine Seele dem Teufel verkauft.
Er wusste, dass ich jetzt so dachte. Und deshalb grinste er wie ein Maultier, das seine Zähne und das Weiße seiner Augen zeigt.
Ich nahm die beiden Geldsäcke und ging zur Hintertür. Als er mich hinausließ, begann der Blizzard zu fauchen.
Ich brauchte etwa fünf Minuten bis zu Blue Crows Hütte, denn ich rannte so schnell ich konnte durch den Schnee- und Eishagel, wurde fürchterlich verprügelt und erfror fast in meiner dünnen Kleidung.
Blue Crow wusste, dass ich beim Einsetzen eines Blizzard kommen würde. Er hatte alles bereit.
Als er mich in seine Hütte ließ, sagte er kehlig: »How, Blizzard-Kämpfer, ich habe auf dich gewartet und halte alles bereit.«
Ich knurrte nur und wärmte mich an seinem Ofen erst wieder auf. Die beiden Geldsäcke lagen achtlos am Boden.
Draußen fauchte und orgelte der Blizzard nun mit aller Wucht.
Wir gingen von Blue Crows Hütte in den Stall hinüber. Er war an die Hütte angebaut. Wir brauchten nicht ins Freie dazu.
Im Halbdunkel sah ich die Hunde, hörte sie knurren oder winseln. Sie waren voller Unruhe, so als ahnten sie, was kommen würde. Sie wollten genauso wenig in den Blizzard hinaus wie ich.
Blue Crow sagte: »Du kennst sie ja inzwischen alle gut genug. Und sie kennen dich. Du weißt, dass du dich auf sie verlassen kannst. Hoffentlich gilt das auch umgekehrt.«
Ich nickte und trat zwischen die Hunde.
Es waren sieben Tiere mit dickem Fell, sogenannte »Huskies«, wie sie weiter oben im Norden – also drüben in Kanada und Alaska – als Schlittenhunde gezüchtet wurden. Sie waren so groß wie Wölfe, und eigentlich unterschieden sie sich auch in ihrer Gefährlichkeit nicht von Wölfen.
Falls man ihnen nicht gründlich klarmachte, dass man der Boss war, dann konnte es sein, dass sie einem irgendwann einmal an die Kehle sprangen, wenn man zu viel von ihnen verlangte oder sie hungern ließ in einem Blizzard.
Es war also für einen normalen Menschen schon ein Wagnis, zwischen sie zu treten.
Als ich es tat, begannen sie zu knurren. Obwohl sie mich kannten, weil ich mich während der vergangenen zwei Wochen täglich mit ihnen abgab, verhielten sie sich feindlich, so als spürten sie genau, dass sie mit mir hinaus in die weiße Eishölle sollten.
Aber ich sagte mit ruhiger Grobheit zu ihnen: »Passt auf, ihr Beißer, ich ziehe euch das Fell über die Ohren, wenn ihr glaubt, dass ich eine Pfeife bin, die sich von euch etwas gefallen lässt.«
Ich nahm das bereitliegende Geschirr hoch und rief: »Josh!«
Josh war der Leithund, ein Bursche, der es mit jedem Wolf aufnehmen konnte.
Er wandte sich mir zu, duckte sich, so als wollte er mir im nächsten Moment an die Kehle springen, und starrte aus seinen dreieckigen Augen im Halbdunkel des Stalles zu mir hoch.
Ich wusste, er wollte jetzt ausprobieren, wer von uns der Boss war. Denn jetzt, da ich das Geschirr in der Hand hielt, wusste er, dass es tatsächlich hinaus in die weiße Hölle gehen sollte.
»Komm her, Josh!« In meiner Stimme lag meine ganze Härte und ließ ihn spüren, dass ich bereit war, es zwischen uns zur Kraftprobe kommen zu lassen. Aber das wollte er auch. Er war der Leithund. Er war es sich und dem ganzen Hundegespann schuldig, es auszuprobieren.
Als ich einen halben Schritt auf ihn zutrat, sprang er mich an. Blue Crow stieß einen fast jubelnden Schrei aus.
Ich aber war vorbereitet gewesen. Ich wich wie ein Wildkater zur Seite. Joshs Fang schnappte ins Leere. Und ich schlug ihm die Faust zwischen die Ohren, indes er an mir vorbei ins Leere sprang, mich nur leicht streifte.
Er war halb bewusstlos, als er zu Boden fiel. Dennoch rollte er sich zur Seite und wollte wieder hochkommen.
Da trat ich ihn zwischen die Rippen. Der Tritt nahm ihm die Luft, und er heulte auf vor Schmerzen. Endlich begriff er, dass ich der Boss war, für ihn der neue Leithund gewissermaßen, dem auch er sich zu fügen hatte.
Es war nicht anders zu machen gewesen. Diese Hunde waren fast so wild wie Wölfe. Und nur nach dem Naturgesetz, dass der Stärkere die Führung übernimmt, war mit ihnen fertig zu werden.
Ich war kein Tierschinder. Was ich tat, war mir zuwider. Ich hätte mich lieber auf andere Weise mit ihm geeinigt, mir seine Zuneigung erworben. Doch das hätten er und seine Artgenossen nicht verstanden.
Wir lebten in keiner zivilisierten Welt. Das Land – und jetzt der Blizzard – würden grausam zu uns sein. Es gab keine Gnade. Der Starke übernahm die Führung.
Ich ließ ihm einige Atemzüge lang Zeit und hörte sein Stöhnen.
Dann sagte ich: »Komm her, Josh!«
Und diesmal kam er. Als ich ihm das Geschirr angelegt hatte, rief ich die anderen der Reihe nach. Ich kannte jeden Namen. Und sie kamen alle. Denn ich hatte ihren Anführer klein gemacht. Josh hatte sich mir ergeben. Ich war ihr Boss.
Als ich sie im Geschirr hatte, spannte ich sie an den Schlitten.
Ja, hier im Stall stand auch der Schlitten.
Es war ein Ding, dessen Kufen mit Stahlbändern beschlagen waren wie die Räder eines Wagens mit eisernen Reifen.
Der Schlitten war etwa acht Fuß lang, gut achtzehn Zoll breit, und der Boden befand sich etwa sieben Zoll über den Stahlbändern der Kufen.
Der Schlitten war fertig gepackt. Das hatte Blue Crow längst besorgt. Ich wusste, dass alles unter der starken Segeltuchplane verstaut und festgezurrt war, was ich für mich und die Hunde brauchte – also Proviant, Futter, ein Schlafsack aus Kaninchenfell, Schneeschuhe und viele andere Dinge, auch ein Gewehr, welches griffbereit in einem Futteral an der rechten Führungsstange hinter dem Schlitten steckte.
Es war alles fertig. Blue Crow, der Halbindianer, hatte den Blizzard schon vor Stunden gewittert und gewusst, dass ich kommen würde. Denn so war es ausgemacht gewesen.
Ich verstaute nun die beiden Postsäcke mit dem Geld.
Und dann kleidete ich mich um.
Bald war ich in Fell gekleidet, trug Fellstiefel und Fäustlinge aus Fell.
Mit den Hunden war indes eine merkwürdige Veränderung vorgegangen.
Waren sie am Anfang unwillig und feindlich gewesen, so wirkten sie nun ungeduldig, kauerten sozusagen sprungbereit auf dem Boden. Ja, sie winselten sogar vor kaum beherrschtem Eifer.
Ich trat an das Ende des Schlittens und umfasste die beiden Steuerstangen.
Blue Crow grinste mich an, so als wollte er mir zeigen, wie froh er war, nicht mit mir hinaus in die Schnee- und Eishölle zu müssen.
Dann drückte er das Stalltor auf.
Ich rief: »Mush, ihr Beißer! Mush! Mush!«
Und da sprangen sie an.
Sie zerrten den Schlitten aus dem Stall in den Schnee – und draußen glitten die stählernen Kufen dann leichter. Ich sprang hinten auf die Kufen und ließ mich mitziehen.
Es war Mittag, also noch heller Tag.
Doch der Blizzard ließ kaum Licht durch. Fauchend und brüllend kam der Sturm von Norden her mit Eishagel und Schnee.
Da ich nach Westen musste, traf uns seine ganze Wucht von rechts her.
Wir verließen Fort Benton. Die Hunde liefen eifrig und zogen den Schlitten an die sechs Meilen in der Stunde. Dass sie nun so willig waren, lag allein an ihrer Klugheit und ihrem Rudelinstinkt.
Bald schon hatten wir es ein wenig besser, denn wir glitten hinab in das tiefe Bett des Elk Creek, der aus den Bergen im Westen kam und oberhalb von Fort Benton in den Missouri mündete.
Der Blizzard war zuerst mit Hagel niedergewuchtet, auf den nun der Schnee fiel. Der Schlitten glitt leicht dahin, und der Sturm brauste über unsere Köpfe hinweg. Wir würden im Creekbett bleiben bis hinauf zu den Vorbergen. Und dort ging es weiter durch Canyons und Schluchten, die ebenfalls Schutz gaben.
Man musste nur den Weg genau kennen. Das allerdings war schwierig, weil es keine weite Sicht gab und nirgendwo die Landmarken zu sehen waren, nach denen man sich richten konnte.
Aber ich kannte dieses Land, und wo ich nichts sah, da konnte ich meinem Instinkt folgen.
✰✰✰
Wir blieben in Bewegung, bis die Nacht anbrach.
Es gab am nördlichen Ufer eine Auswaschung, fast schon eine flache Höhle. Hier hielten wir an. Bald fand ich etwas Treibholz, sodass ich ein Feuer in Gang bekam.
Die sieben Hunde hockten lauernd im Schnee und beobachteten mich. Ich wusste, sie ruhten noch nicht. Sie hatten jetzt Anspruch auf ihr Fressen.
Als ich den Sack mit Trockenfleisch aus dem Gepäck des Schlittens holte, kamen sie gierig heran, wollten mich umspringen, mir den Sack aus den Händen reißen.
Ich riss einen brennenden Ast aus dem Feuer und machte dem Rudel klar, wer der Boss war. Ich prügelte die wildesten Tiere mit dem brennenden Ast und bekam endlich Ruhe.
Nun hockten sie zitternd am Boden, gewiss winselten und knurrten sie auch, aber diese Laute konnte ich im brüllenden Blizzard nicht hören.
Ich warf dann jedem seine Portion zu. Es war ein gutes Pfund Trockenfleisch.
Sie schlangen es im Feuerschein gierig hinunter.
Als die Hunde gefressen hatten, waren sie friedlicher. Sie wollten sich zusammenrollen, ihre Nasen unter die buschigen Schwänze stecken und zu schlafen beginnen.
Doch das konnte ich noch nicht zulassen. Ich rief sie nacheinander zu mir an das Feuer und begann, ihre Pfoten zu untersuchen. Das war wichtig.
Aber heute hatte sich keiner eine Pfote verletzt, sich nichts eingetreten oder im Eis aufgerissen.
Nun endlich war ich mit den Hunden fertig und konnte an mich denken.
Blue Crow hatte mir einige Steaks und frisch gefangene Fische eingepackt. Ich setzte die Pfanne in die Glut und wartete, bis sie heiß genug war für das erste Steak. Aber als ich es hineintat, da hörte ich nicht mal das Zischen. Denn der Blizzard orgelte zu laut über mir.
✰✰✰
Noch bevor es richtig Tag wurde, waren wir wieder unterwegs. Allerdings konnte man den Tag durch den dichten Schnee nur ahnen. Manchmal wechselte sich der Schnee mit Eishagel ab. Dann wurde die Kälte noch gnadenloser. Und nur, weil wir in Bewegung waren, erfroren wir nicht.
Meine Ausrüstung war gut. Die Nacht über hatte ich meine Fellstiefel am Feuer getrocknet. Vorübergehend waren sie hart geworden.
Der Tag verging. Am späten Nachmittag musste ich das Creekbett verlassen. Es wurde zu steinig und steil. Es gab hier einige kleine gefrorene Wasserfälle.
Als wir aus dem Creekbett kamen, traf uns der Blizzard voll von der Seite her. Für zwei oder drei Meilen gab es keinen Schutz. Überall hatten sich bei den geringsten Hindernissen Schneewehen gebildet.
Manchmal musste ich die Schneetreter anschnallen und den Hunden die Bahn treten. Sonst wären sie im Schnee versunken.
Aber das Gespann kämpfte.
Als es fast schon Abend war, kamen wir in den Schutz der Vorberge.
Ich musste nun nach Süden abbiegen und bekam den Blizzard von hinten. Das war gut so, obwohl diese Vorberge ja schon zu den Big Belt Mountains gehörten, also guten Schutz gaben.
Die Last Chance Gulch lag mit ihrem nördlichen Ein- und Ausgangsmaul genau vor mir im Süden.
Doch der Weg war noch weit.
Ich hätte natürlich auch den Wagenweg nehmen können, den die Postkutschen und Frachtwagen nahmen. Doch da hätte ich auch gleich mit der Postkutsche fahren können.
An diesem Wagenweg lauerten die Banditen, die Geld- und Goldräuber. Sie hockten auch in den Gaststuben der Stationen, wo die Postkutschen frische Gespanne erhielten.
Meine Hunde hielten durch. Natürlich verbrauchten sie eine Menge von ihrer Substanz so wie ich, aber sie hielten durch.
Und als am sechsten Tage der Blizzard endlich starb und die Sonne den Schnee glitzern und gleißen ließ, da sah ich Last Chance City vor mir.
Überall längs des Last Chance Creek im Canyon war Bewegung. Die Menschen krochen aus dem Schnee, begannen zu schaufeln, ihre Hütten, Zelte und Claims freizulegen.