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Mir war klar, dass sie eine besondere Frau war, kaum dass ich ihr gegenüber in der Postkutsche Platz genommen hatte. Unsere Blicke trafen sich. Ihre grünen Augen standen etwas schräg, ließen mich an Katzenaugen denken. Aber Sie war gewiss keine zweibeinige Hauskatze, eher schon eine Tigerkatze. Das spürte ich.
In ihrem Blick war keine Ablehnung, aber auch keine Ermunterung. Ich ahnte, dass sie viel Umgang mit Männern hatte und dabei herausfand, dass die meisten von ihnen nur Bluffer mit mehr oder weniger großem Imponiergehabe waren, die sich recht und schlecht durchs Leben schlugen.
Ich legte mich in die Ecke, zog meinen alten Hut übers Gesicht und schlief ein, kaum dass die sechsspännige Kutsche den Weg nach Süden eingeschlagen hatte. Ich hatte zwei Nächte am Spieltisch verbracht und musste Schlaf nachholen. Und ich war vom Spieltisch aus nicht in mein Hotelzimmer gegangen, sondern hatte das Hotel durch die Hintertür verlassen und die Postkutsche erst in letzter Sekunde erreicht.
Ja, ich war überzeugt, dass ich entkommen war. Auf das wenige Gepäck, welches in meinem Hotelzimmer geblieben war, konnte ich verzichten.
Denn ich hatte eine Menge Geld gewonnen ...
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Die Falle in der Player's Hall
Vorschau
Impressum
Die Falle in derPlayer's Hall
Mir war klar, dass sie eine besondere Frau war, kaum dass ich ihr gegenüber in der Postkutsche Platz genommen hatte. Unsere Blicke trafen sich. Ihre grünen Augen standen etwas schräg, ließen mich an Katzenaugen denken. Aber Sie war gewiss keine zweibeinige Hauskatze, eher schon eine Tigerkatze. Das spürte ich.
In ihrem Blick war keine Ablehnung, aber auch keine Ermunterung. Ich ahnte, dass sie viel Umgang mit Männern hatte und dabei herausfand, dass die meisten von ihnen nur Bluffer mit mehr oder weniger großem Imponiergehabe waren, die sich recht und schlecht durchs Leben schlugen.
Ich legte mich in die Ecke, zog meinen alten Hut übers Gesicht und schlief ein, kaum dass die sechsspännige Kutsche den Weg nach Süden eingeschlagen hatte. Ich hatte zwei Nächte am Spieltisch verbracht und musste Schlaf nachholen. Und ich war vom Spieltisch aus nicht in mein Hotelzimmer gegangen, sondern hatte das Hotel durch die Hintertür verlassen und die Postkutsche erst in letzter Sekunde erreicht.
Ja, ich war überzeugt, dass ich entkommen war. Auf das wenige Gepäck, welches in meinem Hotelzimmer geblieben war, konnte ich verzichten.
Denn ich hatte eine Menge Geld gewonnen ...
Die Kutsche, in der wir fuhren, war ein nobles Ding, eine Abbot&Downing-Kutsche mit neun Sitzplätzen, guten Polstern und ausgezeichnet gefedert. Ich hatte es also auf meinem Eckplatz recht bequem.
Aber ich kam nicht zu meiner wohlverdienten Ruhe. Denn wir waren noch keine drei Meilen aus Santa Fe heraus, da hielt die Kutsche mit einem Ruck, nachdem die Bremsen einen Moment lang kreischend fassten.
Der Fahrer oben auf dem Bock rief böse: »He, seid ihr denn verrückt? Was soll das? Wir transportieren nichts, was sich für euch lohnen könnte!«
Auch sein Begleitmann fluchte und fragte, ob man es jetzt schon auf einige magere Geldbeutel abgesehen hätte.
Aber eine grimmige Stimme erwiderte: »Von euch wollen wir gar nichts, Barney und Baker, nicht von euch! Wir wollen nur einen der Passagiere herausholen! Der hat uns beim Poker zu sehr betrogen, als dass wir ihn davonkommen lassen können. He, Clayton, wie willst du es haben? Es genügt uns schon, wenn du das Geld durchs Fenster wirfst. Sonst aber holen wir dich heraus! Wie willst du es haben?«
Ich kannte die Stimme. Ihr Besitzer hatte mit mir eine Nacht, einen Tag und wieder eine Nacht zusammen am Spieltisch gesessen.
Diese zweite Nacht war noch nicht ganz um, aber im Osten zeigte sich schon das erste Grau des kommenden Tages.
Clayton, das war mein Name.
Ben Clayton, jawohl.
Und also war ich gemeint.
Die Passagiere verhielten sich still und regungslos. Nicht alle Plätze waren besetzt. Außer der schönen Frau und mir waren noch vier Leute in der Kutsche.
Ich zog meinen Colt mit links, und mit der rechten Hand nahm ich meinen Hut ab. Ich legte den Colt in meinen Schoß und bedeckte Hand und Colt mit dem Hut.
Jemand riss von draußen den Schlag auf.
Nun fiel ein wenig mehr Licht in das Wageninnere, denn der Schein der Kutschenlaternen wurde von den Felsen rechts neben der Kutsche zurückgeworfen.
Ich erkannte den Mann mit dem Colt.
Er sagte hart zu mir in die Kutsche: »Pass auf, du verdammter Kartenhai, du hast keine Chance. Wir lassen dich nicht mit deiner Beute davonkommen. Her mit dem Geld! Oder du bekommst heißes Blei!«
Es war eine unmissverständliche Drohung.
Sie waren schlechte Verlierer. Denn ich hatte sie nicht betrogen. Mein Spiel war ehrlich gewesen, und wahrscheinlich wussten sie das nur zu gut. Was sie mir vorwarfen, das war nur ein Alibi für ihre Handlungsweise. Denn sie waren Wegelagerer, Banditen.
Ich sagte aus meiner Ecke heraus: »Bruder, lass es lieber bleiben. Ihr habt verloren. Warum spielt ihr überhaupt, wenn ihr nicht verlieren könnt?«
Aber er gab mir keine Antwort auf meine Frage. Er knirschte vielmehr drohend: »Ich zähle bis drei. Dann ...«
Ich wartete nicht länger, denn er meinte es ernst.
Und so schoss ich durch meinen Hut. Die Kugel traf ihn voll. Sie stieß ihn wie ein Huftritt zurück. Er schoss schräg nach oben durchs Kutschendach. Und indes er draußen vor der Kutsche auf den Rücken fiel, schoss er noch einmal gen Himmel.
Ich aber riss den gegenüberliegenden Schlag auf, warf mich aus der Kutsche, rollte mich unter dieser auf die andere Seite und kam hoch.
Die Pferde der beiden Reiter tanzten. Es waren keine guten Pferde, denn sie konnten das Krachen nicht vertragen. Gewiss waren es Mietpferde aus dem Mietstall. Die beiden Reiter konnten nicht auf mich schießen, weil sie zu sehr Mühe hatten, sich in den Sätteln zu halten. Diese Kerle waren Townwölfe, Spieler, Zuhälter, keine Reiter oder gar Excowboys.
Ich stieß noch einige wilde Schreie aus und schoss noch dreimal dicht an den Nasen der Pferde vorbei. Da brachen sie aus, trugen die brüllenden Reiter davon, ganz gegen deren Willen.
Der andere Mann lag stöhnend am Boden.
Die Kutsche aber fuhr an. Der Kutscher wollte fort, nichts wie fort. Ich musste ein halbes Dutzend Sprünge machen, um durch den noch offenen Kutschschlag wieder in die Kutsche zu gelangen.
Als ich den Schlag geschlossen hatte und wieder in der Ecke saß, da sagte einer der Passagiere vorwurfsvoll: »Mann, Sie haben vielleicht Nerven! Wenn der Bursche, den Sie trafen, in unsere Kutsche geschossen hätte – he, dann ...« Der Sprecher vollendete seine Sätze nicht. Aber das war auch nicht nötig. Denn alle wussten wir, dass es Tote hätte geben können.
Ich erwiderte: »Aber er hat nicht in die Kutsche schießen können, Mister.«
Da schwiegen sie alle.
Die Kutsche rollte weiter, legte Meile um Meile zurück.
Von Osten her kam der Tag herauf. Als es hell genug war, sah ich wieder in die grünen Augen der schönen Frau mir gegenüber. Es war nun ein neugieriges Forschen darin zu erkennen.
Sie hielt meinem Blick stand. Ja, sie war eine Frau, die sich unter Männern behaupten konnte. Und gewiss war ihr kaum noch etwas fremd auf dieser Erde. Ihre Ausstrahlung traf mich wie ein Atem.
Verdammt, dachte ich, was für eine Frau!
Aber dann zog ich mir wieder den Hut übers Gesicht. Es war ein Loch in der Hutkrone. Durch dieses Loch konnte ich die grünäugige Frau immer noch betrachten.
Sie lächelte, so als wüsste sie, dass ich sie durch das Loch ansah.
Da schloss ich die Augen. Ich wusste, die Kutsche rollte nun durch das Rio Grande Valley nach Süden.
Es war später Mittag, als wir an einer Relaisstation das Gespann wechselten. Man konnte in der Gaststube einen Imbiss bekommen.
Es war ein hitzeflimmernder Tag.
Ich wusch mich bei den Wassertrögen am Brunnen und trank auch etwas von dem guten Wasser, welches ich aus dem Brunnen holte. Es war kühl und wohlschmeckend.
Eine Stimme sagte hinter mir: »Holen Sie mir auch einen Eimer voll herauf, Mister?«
Ich wusste, dass die Stimme nur ihr gehören konnte. Es war eine dunkle Stimme. Sie klang melodisch. Solche Stimmen besaßen geschulte Sängerinnen, welche gelernt hatten, ihren Stimmen besonderen Ausdruck zu verleihen.
Ich wandte mich nach ihr um.
Ja, sie war es, und ihre grünen Augen forschten wieder in meinen. Sie prüfte mich immer noch mit ihrem Instinkt. Etwas, das von ihr ausging, versuchte in mich einzudringen, mich zu erforschen. Ich spürte es deutlich.
»Gern, Ma'am«, sagte ich. »Das Wasser hier aus diesem Brunnen ist wirklich köstlich. Und es ist ein heißer, staubiger Tag.«
Ich ließ den Eimer hinunter, holte ihn voll wieder hoch und stellte ihn auf den gemauerten Brunnenrand.
Sie nahm die Schöpfkelle. Als sie trank, sah sie mich wieder voll an.
»Wären Sie ein guter Verlierer?« So fragte sie, als sie die Schöpfkelle absetzte.
Ich grinste. »Wer ist das schon?« So fragte ich zurück und setzte hinzu: »Aber wenn man mit schlechten Karten etwas wagt, muss man mit Verlusten rechnen. Dann darf man nicht klagen. Nicht wahr, Ma'am?«
Ihr Instinkt forschte immer noch, versuchte zu spüren, wer ich war, was ich war. Ich konnte ihr dann ansehen, dass sie sich entschied. Und da sagte sie auch schon: »Kommen Sie mit mir!«
Ich war nicht überrascht, nein, gewiss nicht. Denn zuvor schon hatte ich das Gefühl, dass wir irgendwie Artgenossen waren: Glücksjäger. Und dies hatte sie gespürt, wie ich es an ihr spürte.
»Wohin?« So fragte ich.
»Nach Ophir«, erwiderte sie.
Ich staunte. »Ophir? So heißt doch das in der Bibel erwähnte sagenhafte Goldland – oder?«
Sie nickte. Dann fragte sie etwas spöttisch: »Sind Sie fromm oder nur gebildet? Ja, der Ort heißt Ophir. Und Gold und Silber gibt es dort auch. Doch der Grund, warum es sich lohnt, hinzureisen für Menschen unserer Sorte, ist das große Spiel, welches jedes Jahr dort in der Player's Hall stattfindet, das wirklich große Spiel der großen Spieler um alles oder nichts. Kommen Sie mit mir, mein Freund. Es wird sich lohnen.«
Ja, das glaubte ich, weil ich in ihre Augen sah. Und was ich dort erkennen konnte, dies verhieß mir eine Menge – wenn, ja wenn ich würdig genug war. Und wenn ich würdig sein wollte, dann durfte ich nicht zweitklassig sein.
»Werden Sie spielen?«, fragte ich.
Sie nickte. »Sicher«, sprach sie. »Orwin Otis ist mir Revanche schuldig. Denn ich verlor im vergangenen Jahr die Player's Hall an ihn. Ich bin Donna Thurndall. Ihr Name ist Clayton? So nannte Sie der Mann, den Sie erschossen haben.«
»Ben Clayton«, nickte ich, »ja, das ist mein Name. Doch ich habe ihn nicht erschossen, nur seine Schulter bekam ein Loch. Er wird es überleben.«
Sie nickte. Und sie sah mich immer noch fest an.
»Nun, kommen Sie mit nach Ophir, Ben Clayton?«
»Wo liegt es?«
»An der Grenze, irgendwo zwischen El Paso und Nogales.«
Ich sah sie an, und ich brauchte nicht zu fragen, was sie sich davon versprach, dass ich mit ihr ging. Es war so einfach zu begreifen. Sie wusste, dass ich ein Spieler war, der in Santa Fe eine Menge Geld gewonnen hatte gegen hartgesottene Burschen.
Und sie hatte erlebt, dass ich mir nichts wegnehmen ließ, sondern kämpfte.
Nun wollte sie meinen Schutz. Und dafür würde sie mir geben, was eine schöne Frau einem Mann nur geben kann, wenn er ihrer Meinung nach ihrer würdig ist. Wir würden ein Glücksjägerpärchen sein.
Ich nickte ihr zu: »Wenn Ophir an der Grenze liegt, dann komme ich mit.«
Ihre Augen wurden einen Moment lang schmal.
»Wirst du vom Gesetz gesucht, Ben?« So fragte sie schlicht.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein«, erwiderte ich. »Aber ich wollte schon lange mal an die Grenze nach Mexiko. Doch sag mir eines, Donna ...«
»Ja?«
»Warum bist du allein unterwegs? Warum hast du keinen Begleiter?«
Sie lächelte ernst. »Der wurde vor einem Jahr in der Player's Hall erschossen«, sprach sie dann. »Und das könnte auch dir zustoßen. Ich sage es dir lieber gleich. Er war auch einer von der Sorte, welche nicht verlieren kann. Du aber sagtest vorhin, dass du dies könntest, weil man mit Verlusten rechnen muss, wenn man etwas wagt. Ich fand bisher keinen Begleiter von deiner Sorte. Zufrieden mit meiner Antwort?«
Ich nickte nur.
Dann mussten wir wieder in die Kutsche klettern. Denn die Fahrt ging weiter. Ich saß wieder in meiner Ecke, versuchte noch ein wenig Schlaf zu bekommen mit dem Hut über dem Gesicht. Aber ich vermochte nicht mehr zu schlafen. Denn ich war mir zu stark bewusst, wie sehr sich die Welt für mich von einem Moment zum anderen verändert hatte – nur weil eine schöne Frau ihrem Instinkt gehorchte und wie in einem Spiel alle Chips auf mich setzte.
Ich würde sie besitzen. Das war sicher. Doch was würde ich in Ophir dafür bezahlen müssen? Das war die Frage.
Doch bisher war ich noch aus jeder scheinbar aussichtslosen Situation heil herausgekommen. In dieser Hinsicht war ich wirklich ein Glücksspieler.
Irgendwann, spät in der Nacht, kamen wir nach Santa Rosa, einem kleinen Nest an dem Wagenweg nach Socorro.
Das Wetter war umgeschlagen. Es war dunkel wie im Bauch einer Kuh. Der Fahrer rief laut, als wir im Wagenhof der Poststation hielten: »Es geht erst bei Sonnenaufgang weiter! Der Weg ist zu gefährlich bei dieser Dunkelheit!«
Wir kletterten aus der Kutsche. Jemand rief halblaut: »Verdammt, das Hotel ist voller Wanzen und Flöhe! Hier habe ich vor vier Wochen schon mal auf der Hinreise übernachtet. Der Fahrer bekommt vom Wirt Provision, wenn er bei der geringsten Dunkelheit nicht weiter nach Süden fährt. Ich lege mich nicht wieder in solch ein Wanzen- und Flöhebett, verdammt!«
Der Sprecher war ein Reisender in Stoffen und Miederwaren. Er kannte sich auf dieser Strecke aus. Einige Stimmen lachten und fluchten durcheinander.
Ich nahm Donna am Arm.
»Legen wir uns in der Scheune ins Heu«, sagte ich.
Sie kam sofort mit mir. Einige andere Fahrgäste folgten uns. Aber wir fanden in der Scheune im Heu einen Winkel, wo wir allein waren.
Sie drängte sich an mich. Ich nahm sie in meine Arme. Und sie ließ mich spüren, was alles sie für mich bereithielt. Ja, sie war eine vollblütige Frau, welche forderte und dafür auch gab. Die Zeit mit ihr würde ich gewiss nie wieder vergessen können – mochte sie kurz oder lang sein.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, lag sie noch in meinem Arm und schlief. Im Halbdunkel konnte ich sie einigermaßen betrachten. Jetzt, da sie schlief, waren ihre Gesichtszüge weich und fast noch mädchenhaft. Ich war versucht, sie zu küssen aus einem Gefühl der Dankbarkeit. Da öffnete sie die Augen und lächelte mich an.
Von draußen klang die Stimme des Fahrers: »Leute, wacht auf! Es gibt Frühstück! In einer Viertelstunde sause ich ab mit der Kutsche! Wacht auf, Leute!«
Es wurde laut in der Scheune. Da und dort krochen sie aus dem Heu. Auch wir erhoben uns und säuberten uns gegenseitig vom Heu.
»Ich brauche ein Bad«, sagte sie. »Aber daraus wird wohl nichts bis El Paso. Erst dort werden wir einen längeren Aufenthalt haben, weil die Kutsche der Nebenlinie nur alle zwei oder drei Tage fährt. Ben, du hast einen dicken Geldgürtel. Hast du viel gewonnen in Santa Fe?«
Ich grinste, indes wir über den Hof hinüber in die Gaststube gingen, wo es Kaffee und belegte Speckbrote gab, das übliche Verpflegungsessen der Postlinien unterwegs.
»Ja, es sind fast zehntausend Dollar«, sagte ich.
»Die werden wir vielleicht brauchen, wenn mein Spielkapital nicht reichen sollte«, erwiderte Donna. »Denn ich will die Player's Hall zurückgewinnen.«
Nun wusste ich genau, was sein würde. Sie brauchte nicht nur meinen Schutz, sondern auch mein Geld. Donna war unterwegs zu einem großen Spiel. Und sie würde jeden sich nur irgendwie ergebenden Vorteil für sich ausnutzen.
Aber ich war bereit, ihr zu helfen. Denn sie hatte mich spüren lassen, was alles sie zu geben bereit war. Sie hatte mir gewissermaßen die Tür zum Paradies geöffnet und mir einen Vorgeschmack gegeben.
War ich ein Narr?
Am nächsten Tag fuhren wir weiter nach Ophir.
Im vergangenen Jahr war mein Vorgänger in der Player's Hall zu Ophir erschossen worden. Ich würde meinen Verstand gebrauchen müssen, damit es mir nicht auch so erging.
Wir fuhren in der alten Kutsche über El Paso und von da aus nach Westen, immer ziemlich dicht an der Grenze entlang.
✰✰✰
Unsere Reise nach Ophir verlief ohne jeden Zwischenfall. Wir waren zwei Tage und Nächte unterwegs. Als der zweite Tag schon fast gestorben war, kamen wir in den breiten Canyon. Und wir sahen die Lichter von Ophir in der zunehmenden Dunkelheit leuchten, fast wie Edelsteine auf dunkelblauem Samt.
Die Endstation der Postlinie befand sich neben dem Ophir Hotel. Als wir mit unserem wenigen Gepäck in die Empfangsdiele traten, kam der hagere Mann hinter dem Anmeldepult hervor und sagte mit wirklicher Freude, die in seiner Stimme klang und in seinem Gesicht zu erkennen war: »Hallo, Donna, ich wusste, dass Sie in diesen Tagen kommen würden. So war es ja ausgemacht zwischen euch Spielern. Das Zimmer ist bereit für Sie. Ich habe es freigehalten.«
»Danke, Robert«, sagte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm auf die Wangen zu küssen, so wie man es bei einem guten Freund tut, ohne sich dabei als Lady etwas zu vergeben.
»Danke, Robert«, wiederholte sie zurückhaltend. »Ich hatte gehofft, dass du an mich denkst. Robert, dies ist Ben Clayton. Ben, dies ist Robert Ferguson. Ihm gehört das Hotel und noch eine Menge mehr. Er ist ein guter Freund.«
Ich sah in Robert Fergusons Augen. Sie waren gelbgrün wie die eines Wüstenlobos. Ich kannte mich aus mit solchen Burschen. Ferguson war ein alt gewordener Spieler und Revolvermann, der es etwas ruhiger haben wollte, nachdem er nun schon mal so lange am Leben geblieben war. Aber er war immer noch ein harter und gefährlicher Bursche, den man am besten nicht gegen sich hatte.
Er gab mir die Hand. In seinen Augen erkannte ich einen nachdenklichen Ausdruck, fast schon ein Bedauern. Oder war es gar ein Ausdruck von Mitleid, welches er für mich jetzt gleich von Anfang an zu hegen schien?
Ja, das konnte so sein. Ich spürte es instinktiv.
Wir gingen nach oben. Das Zimmer war prächtig. Es war nobel und groß genug für uns beide.
Donna wandte sich mir zu. Ihr Blick war ernst.
»Es wird gefährlich werden für dich hier in Ophir«, sagte sie. »Denn du sollst mich beschützen vor Orwin Otis. Ich verabscheue ihn. Und er will mich haben. Solange du es schaffst, am Leben zu bleiben, will ich dir als Frau all deine Wünsche erfüllen. Doch wenn du eines Tages weglaufen möchtest, dann werde ich das verstehen.«
Ich nickte. Ja, ich ahnte eine Menge böser Dinge. Doch ich war ein harter Bursche, der sich bisher überall behaupten konnte. Und Donna war mehr als schön. Ich hatte sie in mir wie ein betörendes Gift. Ich war gewissermaßen süchtig.
Ja, ich nickte also und hörte mich sagen: »Donna, wenn du nach hier zurückgekommen bist, um Revanche zu bekommen, dann werde ich dir beistehen. Und weggelaufen bin ich bis jetzt noch nie. Wie groß die Burschen hier auch sein mögen, ich werde groß genug für sie sein.«
Sie kam zu mir, schlang die Arme um meinen Nacken, zog sich an mir hoch und küsste mich. Dann sagte sie: »Ich will dir jeden Tag und jede Nacht, die wir zusammen sein können, alles geben, was ich dir nur geben kann, so als würde es unsere letzte Stunde sein.«
Sie trat zurück. Denn es klopfte an der Tür. Zwei Mexikaner, die hier die Hausburschen waren, schleppten die Badewanne herein.
Robert Ferguson, der Hotelbesitzer, wusste, was Donna jetzt haben wollte.
Ich ging hinaus. Denn ich fühlte mich von der ersten Minute an, die wir hier in Ophir waren, wie ein Wolf in einem fremden Revier. Ich fühlte mich wie blind. Und so wollte ich diese Stadt kennenlernen. Ich musste mich darin zurechtfinden können und auch ihren Atem und Puls fühlen.
✰✰✰
Robert Ferguson stand hinter dem Anmeldepult und las die Zeitung, welche mit der Postkutsche kam. Er sah zu mir auf, indes ich die Treppe herunterkam.
»Ich gehe hinten hinaus«, sagte ich.
Er verstand sofort, dass ich mich umsehen wollte in einem neuen Revier. Und er deutete den Gang hinunter.