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Am späten Nachmittag erreicht Pernel Clayton die Station auf der Wasserscheide des Lobo Pass. Er ist dunkelblond, blauäugig und trägt einen sichelförmigen Schnurrbart. Es geht etwas Wachsames von ihm aus. Und auf seinem Packpferd sind ein paar Wolfsfallen.
Der Mann auf der Stationsveranda wirkt indianerhaft, verwegen und wild. Und er trägt den Stern eines Deputy. Er wartet so lange, bis Pernel Clayton seine Zigarette angeraucht hat.
»Fremd hier?«
Clayton nickt.
»Auf der Durchreise? Oder haben Sie ein bestimmtes Ziel? Dann fragen Sie mich ruhig nach dem Weg.«
Pernel Clayton lächelt unter seinem Sichelbart. Dabei verändert sich sein Gesicht, wirkt jünger, ja, sogar jungenhaft.
Er deutet über das Tal.
»In solch einem Tal«, sagt er, »gibt es immer Arbeit für mich. In Tälern wie diesem haben alle sehr unter dem Raubzeug zu leiden. Ich aber habe bisher noch jeden Puma und jeden Wolf erwischt. Ich wette, ich bekomme dort unten eine Menge zu tun und verdiene mir ein paar gute Prämien. Oder?«
Der Deputy nickt. »Vielleicht Fremder, vielleicht. Es gibt jedoch in dem Tat da unten nicht wenige Leute, die jagen das Raubzeug selber. Oder jagen Sie auch zweibeiniges Raubzeug, mein Freund?«
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Lobos Spur führt in die Hölle
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Impressum
Lobos Spur führt in die Hölle
Am späten Nachmittag erreicht Pernel Clayton die Station auf der Wasserscheide des Lobo Pass. Er ist dunkelblond, blauäugig und trägt einen sichelförmigen Schnurrbart. Es geht etwas Wachsames von ihm aus. Und auf seinem Packpferd sind ein paar Wolfsfallen.
Der Mann auf der Stationsveranda wirkt indianerhaft, verwegen und wild. Und er trägt den Stern eines Deputy. Er wartet so lange, bis Pernel Clayton seine Zigarette angeraucht hat.
»Fremd hier?«
Clayton nickt.
»Auf der Durchreise? Oder haben Sie ein bestimmtes Ziel? Dann fragen Sie mich ruhig nach dem Weg.«
Pernel Clayton lächelt unter seinem Sichelbart. Dabei verändert sich sein Gesicht, wirkt jünger, ja, sogar jungenhaft.
Er deutet über das Tal.
»In solch einem Tal«, sagt er, »gibt es immer Arbeit für mich. In Tälern wie diesem haben alle sehr unter dem Raubzeug zu leiden. Ich aber habe bisher noch jeden Puma und jeden Wolf erwischt. Ich wette, ich bekomme dort unten eine Menge zu tun und verdiene mir ein paar gute Prämien. Oder?«
Der Deputy nickt. »Vielleicht Fremder, vielleicht. Es gibt jedoch in dem Tat da unten nicht wenige Leute, die jagen das Raubzeug selber. Oder jagen Sie auch zweibeiniges Raubzeug, mein Freund?«
In seine Stimme kommt bei aller Lässigkeit eine kaum noch verborgene Schärfe. Sein Blick wird lauernd.
»Ha, für zweibeiniges Raubwild sind doch Sie zuständig.« Pernel Clayton grinst. »Übrigens, mein Name ist Clayton, Pernel Clayton.«
»Ich bin Johnny Duane, Deputy Johnny Duane. Vielleicht werden Sie Ärger bekommen, Clayton, wenn Sie dort unten herumreiten. Die Leute sind nervös im Tal. Und dennoch haben Sie gewissermaßen Glück. Es gibt im Wannagan Valley wirklich einen bösen und schlimmen Lobo, einen Einzelgängerwolf. Sie nennen ihn El Cantor. Er heult nämlich nicht einfach wie jeder andere Wolf, sondern singt recht eigenwillig den Mond an, wenn es ihn mal überkommt. Er ist aber nicht nur ein besonderer Sänger, sondern auch ein blutiger Killer. Für den zahlen sie eine Abschussprämie.«
✰✰✰
Die Nacht ist schon angebrochen, als Pernel Clayton seinen Weg nach Wannagan fortsetzt. Die Lichter der Stadt weisen ihm den Weg, und die Nacht wird bald schon sternenhell.
Einige Male hält Pernel Clayton an und späht den Weg zurück zum Pass hinauf.
Aber dann endlich sieht er, was er zu sehen erwartete.
Es sind Lichtzeichen vom Pass hernieder. Und sie gelten jemandem in der Stadt.
Als er wieder einmal verhält, hört er aus der Ferne einen eigenartigen Klang. Es ist ein Geheul, welches auf und ab geht, ja, es ist ein Wolfsgesang. Man kann es nicht anders nennen.
Ob das dieser El Cantor ist?
Es steckt eine Menge Wildheit in diesem Geheul – auch Herausforderung und stolze Freiheit.
Ja, stolze Freiheit, dies ist es wohl, was dieser Einzelgängerwolf spürt und mit seinem heulenden Gesang ausdrückt.
Dieser Lobo ist eine Art einsamer König, kein verstoßenes Tier. Dieser da ist ein Großer, der allein jagen will.
Pernel Clayton muss plötzlich über sich nachdenken.
Ist er nicht unter den Menschen auch solch eine Art Einzelgängerwolf?
Er führt sein Selbstgespräch nicht weiter, sondern denkt wieder an das Lichtsignal vom Pass.
Dieser Deputy Sheriff hat ihn angemeldet.
Wem? Und warum?
Warum hält dieser Deputy Johnny Duane dort oben eigentlich Wache?
Ja, er hält Wache. Das kann nicht anders sein. Pernel Claytons Gefühl ist da untrüglich.
Er reitet weiter und weiter.
Und dann trifft er auf einen Wagen, dessen Rad abgegangen ist. Eine Frauenstimme ruft ihn aus dem Schatten eines Felsens an: »Mister, wenn Sie weiter nach Wannagan reiten, dann sagen Sie doch im Valley Saloon den Duanes Bescheid, dass ich hier festsitze. Wollen Sie das tun?«
Er entdeckt sie nun im Schatten eines Felsens und ein paar Bäumen.
»Und von wem soll ich das den Duanes im Valley Saloon ausrichten?«, fragt er ruhig und versucht sie im Schatten besser zu erkennen. Ihrer Stimme nach muss sie jung und zumindest hübsch oder apart sein. Es ist etwas in ihrer Stimme, das ihn anspricht. Er glaubt nicht, dass solch eine Stimme eine hässliche Besitzerin hat.
»Ach, ich bin Liz Duane. Sie sind wohl ein Fremder?«
In ihrer Stimme ist nun ein wachsamer Klang der Vorsicht.
»Ist der Deputy droben am Pass Ihr Bruder?«
»Sicher, Mister. Ich habe vier Brüder. Und wer sind Sie?«
»Clayton, Pernel Clayton, Ma'am.«
Er sitzt nun ab und sieht sich die Sache am Wagen an.
Pernel Clayton zögert nicht.
Er tritt hinter den Zweirädrigen und hebt ihn von hinten hoch genug. Das zwar große, doch leichte Rad ist auch von einer Frau mühelos auf die Achse zu stecken.
Als sie zurücktreten, ist nun jäh wieder dieses merkwürdige Wolfsgeheul von den fernen Hügeln hörbar.
Als es dann endlich verstummt, bleibt es still. Es ist, als wenn die Welt den Atem anhält, nachdem sie zuvor schon atemlos lauschte.
»Das ist El Cantor«, sagt Liz Duane. »Die mexikanischen Schafhirten haben ihn schon weiter im Süden so genannt. Er kam einst über die Grenze. Droben in Mexiko soll er auch Menschen getötet haben.«
»Und Sie fahren allein durch die Nacht«, sagt er tadelnd.
Er schiebt einen als Splint dienenden Draht in das Achsloch.
Sie tritt wieder näher an ihn heran und sieht interessiert zu. Die Nacht ist noch um eine Idee heller geworden. Man könnte in einem Buch lesen.
»Und warum kamen Sie in dieses Land?« So fragt sie und deutet nach Norden. »Das Tal hat keinen Ausweg dort. Also können Sie wohl nicht nur auf der Durchreise sein. Ich hörte – als Sie an Ihrem Packpferd hantierten – Eisen klirren.«
»Wolfsfallen«, sagt er. »Ich bin ein Raubzeugjäger. Und ich werde diesen El Cantor erledigen. Sind Prämien ausgesetzt?«
»Ja«, erwidert sie und sieht ihn immer noch fest an. Sie ist ihm so nahe, dass er sie greifen könnte. Er wittert sogar ihren Duft. Er gefällt ihm, und es geht nun ein noch stärkerer Strom von ihr aus.
Vielleicht gefällt er ihr auch. Vielleicht konnte sie seine beherrschte Verwegenheit und seinen von einer spielerischen Lässigkeit verdeckten Stolz genau spüren. Vielleicht erkannte sie schnell, dass da ein besonderer Mann ins Tal kam.
»Im Saloon – im Valley Saloon – steht ein großes Glas mit Deckel. Dort hinein werfen sie alle das Geld für El Cantors Skalp. Er hat überall Schaden angerichtet und Kälber, Fohlen, Hühner, Gänse und Schafe gerissen. Er hat nach und nach eine ganze Hundemeute vernichtet, mit deren Hilfe ein Jäger ihn erledigen wollte. Diese Meute von Spür- und Bluthunden soll fünftausend Dollar wert gewesen sein. Es sollen sich mehr als tausend Dollar in dem großen Deckelglas im Valley Saloon befinden. Aber niemand bekommt ihn. Er ist zu schlau.«
»Ich bekomme ihn«, sagt Pernel Clayton.
Sie schweigt einen Moment.
»Vielleicht«, murmelt sie dann. »Ich spüre jedenfalls, dass Sie kein Durchschnitt sind, Pernel Clayton. Aber vielleicht wissen Sie noch nicht alles über El Cantor und dieses Valley hier.«
»Bestimmt nicht«, murmelt er. »Denn ich bin hier völlig fremd.«
Sie will offenbar etwas erwidern. Er bemerkt, dass sie den Ansatz dazu macht.
Doch dann hören sie den trommelnden Hufschlag von Pferden. Reiter kommen durch die Nacht gejagt. Sie reiten rau und verwegen, lassen auch Schreie tönen, mit denen sie ihre Pferde anfeuern.
»Das sind meine Brüder«, sagt Liz Duane. »Denen ist jetzt endlich eingefallen, dass sie eine Schwester haben und es schon Nacht geworden ist.«
Es sind drei Reiter, und sie bilden dann beim Wagen und Pernel Clayton einen Moment ein wildes Durcheinander, so jäh zügeln sie ihre Pferde, reißen diese auf die Hinterhand und lassen sie tanzen.
Ja, es sind wilde Jungs, raue Burschen, die sich immer wieder selbst beweisen müssen, wie wild und verwegen sie sind. Dies erkennt man allein schon an ihrer Art zu reiten.
Alle sind sie dunkel, indianerhaft, geschmeidig – und sie strömen eine Verwegenheit und Kühnheit aus, vielleicht auch sogar böse Härte.
Und sie sind auch keine Jungen mehr. Johnny Duane, der oben auf dem Pass herumlungerte und wahrscheinlich dann die Lichtzeichen ins Tal oder nach Wannagan gab, ist wahrscheinlich der jüngste Duane, der jüngste männliche.
Al Duane ist wahrscheinlich der Älteste von ihnen.
Nachdem Liz Duane den Fremden vorgestellt hat, sagt Al Duane: »Nun, Schwester, dann kannst du ja endlich heimfahren. Wir kommen sofort nachgeritten. Erst geben wir Pernel Clayton noch ein paar Tipps für die Wolfsjagd. Wir kommen gleich nach. Fahr schon!«
In seine Stimme kommt ein fordernder Klang.
Liz Duane zögert zwei Atemzüge lang. Dann nimmt sie die Zügel auf. Sie nickt Pernel Clayton zu.
»Also nochmals vielen Dank, Pernel Clayton. Und nicht vergessen, mich zu besuchen. Auch unsere Mom wird sich freuen.«
Damit fährt sie an.
Sie alle sehen ihr schweigend nach.
Pernel Clayton spürt immer noch die Wildheit der Duanes – und da sind auch Warnsignale seines Instinktes.
Aber er ist überrascht, dass Al Duane das Pferd neben sein Tier lenkt.
Pernel Clayton ist inzwischen aufgesessen und hält auf der anderen Seite sein Packtier an der Leine. Al Duane drängt das Tier so dicht an seines, dass sich ihre Steigbügel berühren.
Er reicht Clayton die Hand hinüber und sagt mit einem herzlichen Tonfall: »Nun, Clayton, ich danke für die Hilfe, die Sie meiner Schwester angedeihen ließen.«
»Aber das war doch selbstverständlich«, erwidert Clayton und nimmt die Hand. Er spürt den festen Griff des Mannes. Wie eine Stahlklammer greift Al Duanes Hand die seine. Doch auch Clayton hat Kraft in seinen Händen. Er kann solch einen Druck mühelos erwidern – und dabei auch noch grinsen.
Aber dann wird er ernst.
Denn nun greift Al Duane auch mit der anderen Hand zu.
Auch die beiden anderen Duanes werfen sich aus den Sätteln.
Und alle vier Männer bilden dann für eine Weile ein Durcheinander am Boden. Sie bekommen ihn unter sich, und sie machen es hart mit ihm.
Pernel Clayton kommt nach einer Weile wieder einigermaßen zur Besinnung, um zu begreifen, was eigentlich vorgeht.
Sie haben ihn ausgezogen und durchsuchen seine Kleidung gründlich. Auch die Stiefel schneiden sie einfach auf, um zu sehen, ob etwas in ihrem Futter verborgen ist. Dann nehmen sie sich sein Gepäck vor, die Packlast, seinen Sattel und auch den Packsattel. Als sie fertig sind, hat er sich einigermaßen erholt.
Er spürt einen kalten Zorn, der vernichten will, einen Zorn, der nach Rache und Genugtuung verlangt. Hätten sie ihm nicht alle Waffen abgenommen, so würde er den Kampf noch einmal begonnen haben. Und dann hätte es Tote gegeben.
»Was, zum Teufel, sucht ihr denn?«, fragt er und erhebt sich. Er trägt nur noch seine Unterhose, ist barfuß.
Sie wenden sich nun gegen ihn, umgeben ihn.
Al Duane sagt langsam: »Du bist schon ein beachtlicher Bursche, das müssen wir zugeben. Und du willst uns einreden, dass du ganz zufällig über den Pass in unser Valley gekommen bist, um Wölfe und Pumas zu jagen? He, sollen wir das glauben? Bist du nicht vielleicht doch ein Bursche, der zweibeiniges Raubwild jagt? Trägst du sonst vielleicht einen Stern? Also los, wir geben es ihm noch mal!« Mit dem letzten Satz sind die beiden Brüder gemeint.
Dann werfen sie sich wieder gegen Clayton.
Sie machen ihn richtig klein, und weil auch er sie mehrmals empfindlich treffen kann, werden sie immer bösartiger. Noch nie kämpften sie gegen solch einen harten Mann.
Sie treten ihn sogar noch, als er am Boden liegt und nicht mehr kämpfen kann.
Und dann holt Al Duane die Bullpeitsche vom Sattelhorn des Pferdes.
✰✰✰
Der böse Schmerz lässt ihn nicht lange bewusstlos bleiben.
Und überdies liegt er auch nicht lange allein so hilflos zwischen seiner verstreuten Habe und seinen beiden Pferden.
Liz Duane kommt zurückgefahren.
Mit einem zornigen Ruf springt sie aus dem Wagen und kniet bald schon neben Pernel Clayton.
Doch die drei Duane-Brüder sind schon fort – irgendwohin. Sie ritten wild und zornig davon, unzufrieden mit ihrem Erfolg. Denn sie brachten nichts aus ihrem nun hilflosen Opfer heraus – gar nichts.
Im Mond- und Sternenlicht erkennt Liz, was ihre Brüder getan haben. Sie stößt ein Schluchzen aus, in welchem Hilflosigkeit und Zorn zugleich enthalten sind.
Und dann springt sie wieder auf.
Denn sie muss Hilfe holen, schnelle Hilfe. Sie kann Pernel Clayton nicht allein hochheben und in den Wagen setzen.
Sie nimmt eine Decke. Es ist seine Decke, die er in der Sattelrolle mitführte. Sie breitet die Decke über ihm aus.
Dann springt sie wieder in den Wagen und fährt davon. Sie biegt schon bald von der Straße ab und fährt querfeldein. Als sie nach einer Meile eine Hügellücke hinter sich hat, erblickt sie ein gelbes Licht in der Nacht.
Liz Duane weiß, dass dort die Cannons wohnen.
Ed Cannon muss ihr helfen. Und Sally Cannon muss alles vorbereiten, einen völlig zerschlagenen Mann aufzunehmen, einen Mann, der vielleicht sogar sterben wird, wenn die inneren Verletzungen ebenso böse sind wie die äußeren.
✰✰✰
Indes erwacht Pernel Clayton abermals, und wieder knirscht er vor Schmerz und krümmt sich wie ein Wurm. Er will aufstehen, zumindest auf die Knie kommen – aber es gelingt ihm nicht.
Er erinnert sich dumpf daran, wie ihn die Duane-Brüder immer wieder zwischendurch, wenn sie innehielten und nachdem sie ihn wieder zu sich kommen ließen, eindringlich fragten, ob er ein Marshal oder ein Kopfgeldjäger sei und wer von den Leuten im Valley ihn gerufen habe.
Sie fanden nur das, was ein wirklicher Raubzeugjäger bei sich haben musste.
Erst jetzt spürt er, dass eine Decke über ihm liegt. Haben die Duanes ihn vielleicht in einer Anwandlung von Mitleid noch zugedeckt? Er kann es eigentlich nicht glauben.
Er rollt sich nun auf die etwas weniger schmerzende Seite, versucht seine Pferde zu entdecken. Es sind gute und treue Pferde. Er könnte sie durch Zuruf herbeikommen lassen. Sie gehorchen ihm fast wie Hunde.
Doch sie sind beide nicht mehr in seiner Nähe. Sie tanzten zur Seite und entfernen sich noch weiter. Dabei schnauben und wiehern sie schreckhaft. Er kann es endlich hören. Vorhin war es ihm noch, als hätte sein Gehör ausgesetzt. Doch nun weiß er trotz seiner Not schnell Bescheid.
Die beiden Tiere sind erschreckt. Sie fürchten sich vor etwas.
Solche Tiere haben es seit vielen Generationen im Blut, wie sie sich gegenüber Wölfen zu verhalten haben.
Wölfen!
Als er daran denkt, kommt ihm auch schon der Begriff Wolf wie ein Alarmschrei in den Sinn.
Lobo! Einzelgänger El Cantor, der Mordwolf!
Ist er in der Nähe?
Pernel Clayton ist krank, blutet überall und kann sich nicht erheben.
Für solch einen gefährlichen Einzelgängerwolf ist er eine hilflose Beute.
Wölfe besitzen oft eine außergewöhnliche Klugheit.
Vielleicht hat El Cantor schon eine Unruhe gespürt.
Und wenn er näher kommt, wird er das Eisen der Wolfsfallen wittern. Sie waren auf dem Packpferd und liegen nun verstreut herum.
Er muss sie wittern.
Wird er daran seinen besonderen Feind erkennen? Den Wolfsjäger?
Was Pernel Clayton jetzt antreibt, ist der nackte Selbsterhaltungstrieb – und dieser ist gewiss stärker als die Energie eines Mannes allein. Und er schafft es schließlich, auf die Beine zu gelangen.
Das Dunkel vor seinen Augen wird heller. Schleier lichten sich.
Endlich kann er wieder die helle Nacht sehen. Die Erde wird vom bleichen Licht der Gestirne übergossen. Überall werfen die aufregenden Dinge ihre Schatten.
Auch Pernel Clayton wirft einen Schatten, denn der Mond ist hinter ihm am Himmel.
Und dort, wo der lange Schatten des Mannes endet, da verharrt El Cantor.
Der große Lobo wittert das Blut.
Und er wittert auch die Fallen.
Er duckt sich leicht auf die Hinterhand, stemmt auch die Vorderläufe fester ein. Er macht sich bereit zum Absprung.
Und sein Fang ist halb geöffnet, zeigt die blinkenden Zähne.
Seine Ohren liegen flach. Die dreieckigen Augen zeigen eine Menge Weiß. Aus seiner Kehle kommt ein leises Grollen.
O ja, er weiß, dass er ein Opfer fand, welches ihm kaum Widerstand entgegensetzen kann. Er weiß es mit seiner ganzen Erfahrung.
Dieser Mann da hat keine Waffe – nicht mal einen Knüppel.
Plötzlich spricht der Mann zu ihm. Die Stimme ist zuerst heiser und mühsam, doch völlig ohne Furcht. Dies erfasst er instinktiv.
Er versteht die Worte des Mannes nicht – und dennoch erfasst er irgendwie ihre Bedeutung, spürt ihre Absicht. Auf geheimnisvolle Art versteht er diesen Mann, als wäre er schon lange dessen Hund.
Der Mann sagt: »He, El Cantor, jetzt hast du mich mächtig in der Klemme! Nun hast du mich gleich am ersten Tag erwischt, bevor ich dich erwischen konnte. Du hast eine Menge Glück, Hombre. Na, dann komm schon! So leicht mache ich es dir nicht. Ich habe schon mal einem Wolf das Genick gebrochen. Vielleicht mach ich das bei dir auch. Na, was ist, Hombre?«
Der Wolf hört genau, dass die Stimme des blutenden Mannes fester wird. Es ist kein Klang der Panik darin. Der Mann ist ein Kämpfer.
Und vielleicht hat er doch eine Waffe, die man noch nicht sehen kann. Oder liegt vielleicht noch eine dieser Stahlfallen verborgen im Boden?
Der Wolf springt noch nicht. Er ist zu vorsichtig.
Das Grollen aus seiner Kehle wird stärker. Der Fang blitzt gefährlicher. Und er duckt sich zum Sprung.
Doch da macht der Mann einen halben Schritt nach vorn.
»Na los, Lobo!«
Nun ist die Stimme schon eine Herausforderung.
Der Wolf weicht zurück – und dieses Zurückweichen macht ihn böse.
Wahrscheinlich hat er eine Menge Stolz. Und er will nicht furchtsam sein, nur vorsichtig.
Er muss sich nun nochmals überwinden. Und er duckt sich abermals zum Sprung. Überdies weiß er jetzt ganz genau, dass dieser Mann keine Waffe hat.
Nun ist er entschlossen. Man sieht es ihm an.
Der Mann hebt schon leicht seinen angewinkelten Arm, um ihn quer in den Fang zu schieben.
Doch dann gibt El Cantor plötzlich auf. Er wirbelt herum, zieht sich einige Schritte zurück und lauscht nach Osten. Ja, er muss etwas hören.
Er lauscht nicht lange. Dann wendet er sich mit einer leichten Bewegung um und verschwindet im Schatten von Felsen und Büschen.
Und endlich hört Clayton auch, warum El Cantor verschwand, obwohl noch Zeit gewesen wäre, den Mann zu töten.
Ein Wagen kommt aus den Hügeln.
Das war es also. El Cantor ist vorsichtig.
Pernel Clayton aber schwinden die Sinne.
Nun dreht sich die Erde mit ihm im Kreis.
Er muss auf Hände und Knie nieder.
Und als er so kauert und die Rippen ihn so sehr schmerzen, dass er stöhnen muss, da wird ihm schlecht wie noch nie zuvor in seinem ganzen Leben.
Er merkt nicht mehr, dass er zur Seite kippt.
Und er kann nicht wahrnehmen, wie Liz Duane mit dem Siedler und Drei-Kühe-Rancher Ed Cannon eintrifft. Liz lenkt den Wagen. Der Mann begleitet sie auf seinem Pferd.