G. F. Unger Western-Bestseller 2681 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2681 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Sie waren eine besondere Sorte. Man konnte sie anwerben wie zweibeinige Tiger. Manche zogen eine einsame und ruhelose Zickzackfährte. Und für fast alle gab es ein unwandelbares Schicksal, dem sie nicht entrinnen konnten.
Sie trugen ihr eigenes Gesetz tief unter der Hüfte. Manche taten Gutes auf böse Weise. Wahrscheinlich war keiner von ihnen gut. Aber es gab sie damals. Denn da war noch kein Gesetz, das die Kleinen und die Großen, die Schwachen und die Starken, die Guten und die Bösen zur Einhaltung der Regeln zwang, nach denen allein eine menschliche Gemeinschaft leben kann.
Sie waren zum Untergang verurteilt.
Und dennoch geschah es dann und wann, da und dort, dass solch ein Gunfighter seine Stunde hatte - eine Stunde, in der er die Zukunft einer Stadt, eines ganzes Landes und vieler Menschen entscheidend beeinflussen konnte. Jawohl, mit dem Colt!
Das war nun mal so, denn es gab ja noch nicht das wirkliche Gesetz. Und so war allein entscheidend, was für ein Mann dieser Gunfighter war ...

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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Männer wie Tiger

Vorschau

Impressum

Männer wie Tiger

Sie waren eine besondere Sorte. Man konnte sie anwerben wie zweibeinige Tiger. Manche zogen eine einsame und ruhelose Zickzackfährte. Und für fast alle gab es ein unwandelbares Schicksal, dem sie nicht entrinnen konnten.

Sie trugen ihr eigenes Gesetz tief unter der Hüfte. Manche taten Gutes auf böse Weise. Wahrscheinlich war keiner von ihnen gut. Aber es gab sie damals. Denn da war noch kein Gesetz, das die Kleinen und die Großen, die Schwachen und die Starken, die Guten und die Bösen zur Einhaltung der Regeln zwang, nach denen allein eine menschliche Gemeinschaft leben kann.

Sie waren zum Untergang verurteilt.

Und dennoch geschah es dann und wann, da und dort, dass solch ein Gunfighter seine Stunde hatte – eine Stunde, in der er die Zukunft einer Stadt, eines ganzes Landes und vieler Menschen entscheidend beeinflussen konnte. Jawohl, mit dem Colt!

Das war nun mal so, denn es gab ja noch nicht das wirkliche Gesetz. Und so war allein entscheidend, was für ein Mann dieser Gunfighter war ...

Ich saß bei einem Glas Bier in der Ecke. Es war schon eine Weile nach Mitternacht. Doch im Saloon war recht guter Betrieb. An dem großen runden Pokertisch in der anderen Ecke saßen noch fünf Mann und spielten.

Ich warf manchmal einen Blick hinüber, und ich wusste, dass vier Mann ständig verloren und immer noch glaubten, ihre Verluste bald wieder wettmachen zu können. Aber das konnten sie nicht schaffen. Niemals!

Als dann die Schwingtür aufgedrückt wurde und der Junge eintrat, da wusste ich sofort über ihn Bescheid.

Das mag unglaubhaft klingen, doch es war wirklich so. Ich kannte mich mit solchen Jungen aus. Vor ein paar Jahren war ich selbst noch so ein Bursche von nicht ganz zwanzig Jahren gewesen wie er. Ja, der da war ein junger hungriger Wolf.

Meine Erfahrung sagte es mir, ebenso mein Instinkt, und der war untrüglich.

Ich behielt den Jungen im Auge, obwohl es gewiss so wirkte, als wäre ich hinter meinem Bier fast eingeschlafen.

Der Junge streifte mich – wie die anderen Anwesenden – mit einem wachsamen Blick. Dann sah er auf die Pokerrunde und erkannte schnell, wer dort das Geld gewann. Mit dem nächsten Blick sah er auf das viele aufgestapelte Geld vor dem Platz des Mannes. Dann flog sein Blick wieder in die Runde – auch zu mir her. Schließlich wandte er sich zum Schanktisch, legte ein Geldstück auf die Platte und verlangte ein Bier.

Er nahm das Glas, trank es zur Hälfte leer und ging damit zum Freiimbisstisch. Hier nahm er sich eine Scheibe Brot mit einer Scheibe Bratfleisch darauf und biss hinein. Ich wäre fast jede Wette eingegangen, dass er mindestens seit zwei Tagen nichts im Magen hatte. Obwohl er sich Mühe gab, seine Gier zu verbergen, gelang ihm das nicht ganz.

Sein Blick richtete sich wieder auf die Pokerpartie und auf den stiernackigen und schwergewichtigen Gewinner. Er versuchte wahrscheinlich auch, die Höhe der Summe abzuschätzen, die der Mann vor sich aufgebaut hatte.

Es waren einige Türme von Gold- und Silberdollars und auch ein Stapel Banknoten. Wahrscheinlich waren es mehr als zweitausend Dollar, und das war eine große Menge Geld jetzt so kurz nach dem Krieg hier im Südwesten.

Der Junge verharrte noch zwei Atemzüge lang.

Er war groß, hager und von jener sehnigen Knochigkeit, die nur noch Fleisch ansetzen muss, um stattlich zu werden. Er hatte rotblonde Haare, blaue Augen und eine Menge Sommersprossen. Sein hohlwangiges Gewicht war gut geschnitten. Es strömte wilde Verwegenheit und einen unersättlichen Hunger aus nach allen Dingen des Lebens.

Ach ja, da war noch etwas. Sein Colt! Es war ein altes Ding, ein Hartford-Dragoon-Revolver, Modell 1847, also eine bessere und kleinere Version des alten Whitneyville-Walker-Revolvers, den die Texas Rangers in Gebrauch hatten.

Aber wir schrieben das Jahr 1867, und deshalb konnte seine Waffe fast zwanzig Jahre alt sein. Das Kolbenholz war beschädigt. Vielleicht war die ganze Waffe nicht viel wert. Aber er trug sie sehr tief, fast herausfordernd.

Er ging wieder. Ich sah ihm nach. Als er die Schwingtür erreichte, ruckte sein Kopf noch einmal herum. Er sah über seine knochige Schulter zurück auf die Spieler.

Dann war er verschwunden.

Ich aber spürte mit allen Fasern meines Instinktes, dass ich mir mal wieder meinen Revolverlohn würde verdienen müssen.

Ich richtete meinen Blick auf den Mann, der mich bezahlte. Dafür beschützte ich ihn, denn er hatte meinen Revolver gekauft.

Es war jener schwergewichtige Spieler, der den vier anderen das Geld abgenommen hatte. Nathan Timberlee gewann immer – und nicht nur beim Pokerspiel. Er gewann jedes Spiel, mochte es um Land, um Wasserrechte, um Frachtkontrakte, um Pferde und Rinder und – ach, mochte es gehen, um was es wollte, Nathan Timberlee gewann immer. Denn er war ein Mann, der sorgfältig plante und stets die richtigen Leute zur Hand hatte.

Mich hatte er zu seinem persönlichen Schutz, denn ich war Chet Kincaid, der Revolvermann. Ich war nicht einfach nur einer dieser Revolverschwinger – o nein. Ich war ein bekannter Gunfighter zu beiden Seiten der Grenze, und viele Leute sprachen meinen Namen aus wie einen Fluch.

Vor einigen Jahren war ich solch ein Bursche gewesen wie jener, der sich vorhin hier umgesehen hatte und dann wieder verschwunden war.

Ich schloss die Augen und stellte mir vor, was der wilde Junge jetzt wohl tun würde. Und das war recht einfach. Er musste sich ein gutes Pferd beschaffen. Es musste das beste Tier sein, das überhaupt zu finden war. Denn nur auf solch einem Tier konnte er entwischen. Nur dann besaß er eine Chance. Und das wusste er sicherlich genau.

Ich dachte an mein eigenes Pferd. Es stand im Mietstall, denn wir hatten gegenüber im Hotel Zimmer genommen. Aber mein Pferd war ein besonders gutes Tier. Einst hatte es drüben in Sonora einem mexikanischen Banditenführer, der sich stolz »General« nannte, gehört. Wahrscheinlich gab es kein besseres Pferd auf hundert Meilen in der Runde.

Jetzt war ich in Gefahr, diesen prächtigen grauen Wallach zu verlieren. Denn ich traute dem Jungen zu, dass er bereits herausgefunden hatte, wo das beste Pferd zu holen war, und dabei war, dies auch zu tun.

Ich sah, wie Nathan Timberlee den Kopf bewegte und mit den Schultern ruckte. Er rutschte mit seinem breiten Hintern auf dem Stuhl herum. Diese Zeichen kannte ich.

Er würde jetzt aufhören mit dem Spiel. Es war zwei Stunden nach Mitternacht. Er hatte genug. Mit Sicherheit war er heute mal wieder voll zufrieden. Wir hatten eine gute Reise gehabt, erfolgreich Geschäfte abgeschlossen und waren nach dem Abendessen in den Saloon gegangen – natürlich getrennt und so, als gehörten wir nicht zusammen.

Denn das war der große Trick, über den schon viele Burschen geflucht hatten.

Auch jetzt würde es wieder so sein.

Ich wusste es, denn Nathan Timberlee hatte zu viel gewonnen.

Als er seinen vier Mitspielern sagte, dass er genug hätte und ins Bett wollte, da starrten sie ihn hart an. Aber dann fing er an, sein Geld einzusammeln und in den Außentaschen seiner Jacke unterzubringen.

Als er sich erhob und mit den Kniekehlen den Stuhl zurückschob, da sagte einer der Spieler scharf: »So geht das nicht, Mister! Sie können nicht einfach mit vollen Taschen davonschleichen, nachdem Sie uns rasiert haben. Hier bei uns muss man Revanche geben. Ich würde sagen, dass wir alle noch einmal die gleiche Zeit spielen, also noch mal fünf Stunden. Setzen Sie sich also wieder, Mister!«

Die letzten Worte klangen wie ein Befehl. Der Mann, der sie sprach, wirkte ziemlich hart. Er war ein Mann aus den Minen in der nahen Umgebung. Man konnte das an der Kleidung irgendwie erkennen. So wie er kleideten sich die Aufseher, Mineningenieure oder auch die Minenbesitzer. Sie bevorzugten Cord und hohe Schnürstiefel. Dieser da war ein Mann, der anderen Befehle erteilte. Daran war er gewöhnt.

Ein anderer Mann, der wie ein Rancher wirkte, nickte und sagte: »So ist es hier Sitte, Mister. Setzen Sie sich wieder!«

Ich sah die beiden anderen Männer an. Einer nickte gleichfalls. Aber der Vierte tat nichts – gar nichts. Er sah Nathan Timberlee nur ruhig an und wartete.

Ich wusste, auf diesen Mann musste ich besonders achten. Er war der wirklich gefährliche Bursche unter ihnen. Dabei wirkte er auf den ersten Blick sehr durchschnittlich und harmlos. Aber er war wachsam und bereit.

Im Saloon war es still geworden.

Ich seufzte. Denn nun wusste ich, dass ich bald meinen Revolver ins Spiel bringen musste.

Nathan Timberlee wandte leicht Kopf. Er blickte sich um, um die Lage zu prüfen, und er sah auch, dass ich bereit war und er sich wieder einmal unbedingt auf mich verlassen konnte.

Und so wandte er seinen vier Mitspielern den breiten Rücken und sagte achtlos und fast verächtlich: »Ach, was soll denn das Gefasel – quatscht mich doch nicht von der Seite an, wenn ihr nicht verlieren könnt. Weinen zieht bei mir nicht!«

Und dann ging er.

Nachdem er den dritten Schritt getan hatte, ging es auch schon los.

Es war jener scheinbar unscheinbare Bursche, der bisher nichts gesagt und noch nicht mal genickt hatte, der die Waffe aus dem Schulterholster brachte. Vielleicht wollte er den Timberlee nur bedrohen und dazu zwingen, zurück zum Spieltisch zu marschieren und wieder Platz zu nehmen.

Doch ich konnte es nicht darauf ankommen lassen.

Da die Entfernung nur etwa sechs Schritte betrug, konnte ich ihm in den Arm schießen, sodass ihm die Waffe entfiel.

Auch die anderen Männer am Spieltisch hatten nach ihren Revolvern gegriffen. Doch nun erstarrten sie.

Es war still. Man hörte in der Stille das schmerzvolle Stöhnen des Getroffenen. Alle sahen zu mir herüber.

Mein Colt beherrschte alles. Der Pulverrauch breitete sich aus.

Nathan Timberlee ging, ohne ein Wort zu sagen, weiter und verließ den Saloon, als wäre nichts geschehen. Das war so seine Art.

Ich wartete noch einige Atemzüge und sagte dann ruhig: »Das war's wohl, Leute! Ich hätte Sie auch totschießen können, Hombre. Man zieht nicht hinter dem Rücken eines unbewaffneten Mannes den Colt. Und es war ja wohl auch nicht vorher abgesprochen, wie lange gespielt werden würde. Noch irgendwelche Unklarheiten?«

Sie alle starrten mich an. Denn es war ihnen klar, dass ich der Leibwächter des dicken Spielers war.

Der Verwundete presste seinen zerschossenen Unterarm unter den anderen und hielt ihn so gegen den Leib. Er starrte mich an, und es war Hass in seinem dunklen Blick.

»Sag mir mal deinen Namen, Revolverschwinger«, verlangte er.

Ich zögerte, denn ich hatte mir als Nathan Timberlees Leibwächter schon eine Menge Feinde gemacht.

Doch dann sagte jemand vom Ende des Schanktisches her: »Das ist Chet Kincaid aus Socorro. Das ist nicht einfach nur ein Revolverschwinger.«

Ich sah mich nach dem Sprecher um. Ich kannte ihn nicht, er aber hatte mich erkannt. Das war kein Wunder. Ich besaß schon einen bitteren Ruhm.

Ich ging rückwärts zur Tür. Aber es war keine Feindseligkeit mehr gegen mich zu spüren. Mein Name hatte genügt. Ich brauchte nicht mehr zu schießen. Aber auf meinen Namen konnte ich gewiss nicht stolz sein.

Ich gelangte also gut hinaus. Und hinter mir im Saloon blieb es still.

Ich dachte an den hungrigen Jungen, der nur darauf wartete, Nathan Timberlee die Taschen leeren zu können.

Ich musste immer noch auf Timberlee aufpassen. Das war mein Job.

Und diesmal würde es gewiss schwerer sein als im Saloon.

✰✰✰

Nathan Timberlee stand von dem Hotel und schnappte noch einmal frische Luft. Das war kein Wunder, denn im Saloon war in den letzten Stunden ein zunehmender Mief gewesen. Es war eine klare und schon kalte Nacht.

Aber der massige Nathan Timberlee hatte genügend Hitze im Leib.

Ich ging nicht hinüber, obwohl ich ja auch in dem Hotel ein Zimmer hatte, das sich genau neben dem von Timberlee befand. Ich musste damit rechnen, dass der junge Wolf sein Opfer beobachtete und sich etwas anderes einfallen lassen würde, wenn er erst herausfand, dass Timberlee nicht allein war.

Ich wandte mich nach links und ging auf dem Plankengehsteig weiter. Ich warf nur noch einen flüchtigen Blick hinüber zum Hotel. Timberlee starrte zu mir her, aber er reagierte sonst nicht. Er wusste zu gut, dass ich für mein Verhalten meine Gründe hatte.

Doch vorsehen würde er sich jetzt. Das war klar.

Ich fragte mich, ob der Junge ihn überrumpeln konnte – und wie ihm das gelingen würde. Timberlee war ein harter Mann, ein ehemaliger Frachtfahrer, Maultiertreiber und Preiskämpfer. Aber diese Zeiten waren schon eine Weile vorbei. Mit zunehmenden Jahren ließ er mehr seinen Verstand arbeiten. Und solch ein Spiel wie vorhin im Saloon, das war für ihn eine Erholung, ein Spaß. Timberlee liebte das Kartenspiel als Zeitvertreib, als Nervenkitzel und um sich die nötige Bettschwere zu verschaffen.

Er besaß auch nicht nur die zweitausend Dollar, die er beim Spiel gewonnen hatte. Unter seiner Kleidung trug er einen Geldgürtel auf dem bloßen Leib. Und darin waren mehr als fünfzigtausend Dollar in großen Scheinen.

Dieser hungrige Junge konnte einen ganz großen Coup landen.

Ich überquerte die Fahrbahn und verschwand in einer Gasse. Die Stadt hatte ich mir schon am späten Nachmittag kurz nach unserer Ankunft angesehen. So war es einfach für mich, schnell hinter das Hotel zu gelangen.

Und da fand ich auch schon mein Pferd. Jawohl, es war mein guter Grauer. Er stand unter zwei Bäumen und begrüßte mich mit einem sanften Schnauben.

Mein Respekt vor dem Jungen wuchs. Der Bursche hatte das beste Pferd im Ort gefunden und aus dem Mietstall geholt. Wie er das geschafft hatte, würde wohl sein Geheimnis bleiben – aber er hatte es geschafft.

Ich aber hatte ihn von Anfang an richtig eingeschätzt. Ich grinste zufrieden. Doch nun stand ich vor der Entscheidung: Sollte ich hinein ins Hotel, um Timberlee beizustehen – oder war es besser, hier zu warten?

Ich überlegte und versuchte abzuschätzen, ob der Junge vielleicht ein Mörder war, der lautlos mit dem Messer arbeitete. Doch diesen Gedanken verwarf ich schnell. Nein, zu dieser Sorte gehörte er bestimmt nicht.

Er würde Timberlee also nicht das Messer in den Bauch stoßen und ihm wahrscheinlich auch nichts über den Kopf geben. Timberlee würde auch nichts versuchen, was ihn gefährden könnte. Denn Timberlee hatte ja mich.

Ich wartete also dicht bei meinem Pferd, das dem Burschen zur Flucht dienen sollte. Lange musste ich nicht warten.

Dann tauchte er auf, und er huschte schnell und leise heran. Als er mein Pferd erreichte, stieß er einen seltsamen Laut aus. Es klang wie ein frohlockendes Lachen, aber zugleich auch wie ein mühsam unterdrückter Schrei des Triumphes.

Nun, ich glaubte ihm, dass er sehr stolz auf sich war und am liebsten gebrüllt hätte vor Freude und Triumph. Er hielt sich jetzt für den Größten auf dieser Erde. Denn alles war offenbar sehr leicht gewesen und glatt vonstatten gegangen. Er hatte fast mühelos einen scheinbar harmlosen Dicken ausgeraubt und konnte nun auf einem erstklassigen Pferd das Weite suchen.

Als er mit einem Griff die festgebundenen Zügel vom Ast löste und sich in den Sattel schwang, trat ich hinter dem Baumstamm hervor. Er hatte den Fuß noch nicht im zweiten Steigbügel, als ich ihn vom Pferd riss. Ich warf ihn gegen den Baum, und als er dennoch hochkam, gab ich es ihm mit einer präzisen Geraden auf den Halsansatz. Er erstickte fast daran.

Als er wieder einigermaßen beisammen war, hatte ich seinen alten Colt, sein Messer aus dem Stiefelschaft – und auch Timberlees Geld.

Ja, er hatte nicht nur Timberlees Spielgewinn, sondern auch den Geldgürtel mit mehr als fünfzigtausend Dollar Inhalt an sich gebracht. Nun verstand ich sein Frohlocken und seinen kaum unterdrückten Triumphschrei.

Aber an mir war er gescheitert. Denn gegen ihn war ich ein erfahrener, narbiger Wolf. Und auf meinen Instinkt konnte ich mich verlassen.

Als er endlich wieder Luft schnappen konnte, da hätte mich jeder andere Bursche an seiner Stelle verflucht, meine Vorfahren und die eventuellen Nachkommen mit eingeschlossen.

Aber er fluchte nicht. Er wartete. Er strömte nicht einmal Hass aus.

Nach einer Weile sagte er: »Na schön, ich muss wohl doch noch eine Menge lernen auf dieser Welt. Ich hätte wissen müssen, dass der Dicke mir seinen Schatz nicht kampflos überlassen hätte, würde es da nicht irgendwie und irgendwann noch einen Trumpf gegeben haben. Diese Spieler haben doch immer ein fünftes Ass im Ärmel. Na schön, was jetzt, großer Meister?«

Ich musste grinsen. Dieser Bursche gefiel mir immer besser. Aus dem konnte noch etwas werden. Der hatte noch echten Piratengeist. Wahrscheinlich war dieser Junge auch zu positiven Dingen fähig.

Ich sagte: »Vielleicht kannst du es in zwei oder drei Jahren mit mir aufnehmen Chico, Billy, Johnny oder wie du heißen magst. Doch vorerst ist es noch so, dass ich dich windelweich klopfen kann, solltest du mir Ärger bereiten wollen. Also nimm alles, was du bei dem Dicken kassiert hast, und bring es ihm zurück. Er wird sich freuen, dich wiederzusehen. Er wartet sogar auf dich. Und noch etwas, Junge. Das ist mein Pferd. Du hast dir mein Pferd aus dem Mietstall geholt. Was war mit dem Stallmann?«

»Der ist betrunken«, sagte er. Und dann sammelte er alles auf, was er verloren hatte – also seinen Hut, den Geldgürtel und einen Beutel, in dem sich das Geld aus Timberlees Jackentaschen befand.

Seinen alten Colt und sein Messer hatte ich.

Wir gingen den Weg zurück, den er gekommen war, betraten durch die offene Hintertür das Hotel und gingen die nur schwach beleuchtete Treppe hinauf bis zu Timberlees Zimmer. Es war das beste Zimmer des Hauses.

Als Timberlee draußen auf dem Gang unsere Schritte hörte, öffnete er. Wir traten ein. Timberlee grinste breit, aber ich sah das Funkeln in seinen Augen. Er war jetzt sehr gefährlich. Vielleicht würde er den Jungen gleich in Stücke schlagen.

Aber er tat es nicht. Er sah den Jungwolf nur an.

Ich lehnte von innen an der wieder verschlossenen Tür und wartete.

Timberlee sah zu mir her. »Gute Arbeit, Chet«, sagte er. »Dieser Bursche warf sich auf der Treppe auf mich. Er drückte mir gleich den Colt vor den Bauch. Im Zimmer musste ich meine Hosen herunterlassen. Und nachdem er auch meinen Geldgürtel hatte, ließ er mich unters Bett kriechen und schob Tisch und Sessel davor. Aber ich versuchte erst gar nicht, schnell hervorkriechen zu wollen. Auf dich ist Verlass, Chet. Ich gebe dir eine Prämie von fünfhundert Dollar.«

Ich nickte nur. Denn ich hatte das nicht anders erwartet. Nathan Timberlee war nobel in dieser Beziehung. Der sparte bei zuverlässigen Leuten nicht an Dollars. So dumm war er nicht.

Der Junge sah sich nach mir um. Doch nur einen Moment lang.

»So leicht möchte ich auch mal fünfhundert Dollar verdienen«, sagte er und sah Timberlee an. »Wenn ich solch einen Job finden könnte, stünde ich auch treu zu meinem Boss. Ja, dann wäre es leicht.«