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»Ist Ringo Lamate oben bei Isabel?« Ty McQuade fragt es sanft, fast freundlich. Seine Stimme ist ein totaler Gegensatz zu seinem Äußeren. Denn er ist gezeichnet von einem langen, staubigen Ritt. Und er sieht hart aus, hart und zäh.
Der Barmann schiebt ihm das inzwischen gefüllte Bierglas zu, sieht dann bewegungslos verharrend auf den Mann, wartet, bis dieser das Glas leert. Dann erst sagt er: »Sicher, Ringo Lamate ist oben bei Isabel. Und er möchte gewiss nicht gestört werden.«
»Ach«, sagt Ty McQuade, »es macht mir nichts aus, wenn er mir das übel nimmt.«
Er stellt das leere Bierglas auf die narbige Bar, wirft ein Geldstück hinterher und wendet sich zur Treppe, die neben dem Schanktisch nach oben führt. In seiner Rechten hält er immer noch das Gewehr.
Aber der Barmann greift unter den Schanktisch und bringt eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen zum Vorschein. »He, Ringo will nicht gestört werden!« So ruft er warnend.
Dabei macht er jedoch einen Fehler. Er unterschätzt den scheinbar vom langen Reiten erschöpften Mann und traut ihm deshalb keine Schnelligkeit zu.
Aber Ty McQuade ist so schnell wie ein Wildkater. Sein Gewehrlauf verlängert noch seinen Arm, sodass er damit über den Schanktisch reicht. Herumwirbelnd trifft der Lauf den Kopf des Barmannes dicht über dem Ohr.
Und indes der Barmann mitsamt seiner ungespannten Flinte hinter der Bar zu Boden geht, gleitet Ty McQuade die Treppe hinauf ...
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Der Falke
Vorschau
Impressum
Der Falke
»Ist Ringo Lamate oben bei Isabel?« Ty McQuade fragt es sanft, fast freundlich. Seine Stimme ist ein totaler Gegensatz zu seinem Äußeren. Denn er ist gezeichnet von einem langen, staubigen Ritt. Und er sieht hart aus, hart und zäh.
Der Barmann schiebt ihm das inzwischen gefüllte Bierglas zu, sieht dann bewegungslos verharrend auf den Mann, wartet, bis dieser das Glas leert. Dann erst sagt er: »Sicher, Ringo Lamate ist oben bei Isabel. Und er möchte gewiss nicht gestört werden.«
»Ach«, sagt Ty McQuade, »es macht mir nichts aus, wenn er mir das übel nimmt.«
Er stellt das leere Bierglas auf die narbige Bar, wirft ein Geldstück hinterher und wendet sich zur Treppe, die neben dem Schanktisch nach oben führt. In seiner Rechten hält er immer noch das Gewehr.
Aber der Barmann greift unter den Schanktisch und bringt eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen zum Vorschein. »He, Ringo will nicht gestört werden!« So ruft er warnend.
Dabei macht er jedoch einen Fehler. Er unterschätzt den scheinbar vom langen Reiten erschöpften Mann und traut ihm deshalb keine Schnelligkeit zu.
Aber Ty McQuade ist so schnell wie ein Wildkater. Sein Gewehrlauf verlängert noch seinen Arm, sodass er damit über den Schanktisch reicht. Herumwirbelnd trifft der Lauf den Kopf des Barmannes dicht über dem Ohr.
Und indes der Barmann mitsamt seiner ungespannten Flinte hinter der Bar zu Boden geht, gleitet Ty McQuade die Treppe hinauf ...
Er verharrt einige Atemzüge lang lauschend auf dem Gang.
Dann aber weiß er Bescheid.
Aus einem der Zimmer dringen allerlei Laute und Geräusche durch die verschlossene Tür, die McQuade erkennen lassen, dass sich dort drinnen ein Pärchen vergnügt.
McQuade weicht bis zur gegenüberliegenden Wand zurück, stemmt seinen Rücken dagegen und tritt mit aller Kraft gegen die Tür.
Sie springt auf.
Der Mann drinnen rollt sich von der aufkreischenden Frau aus dem Bett und greift dabei nach dem Colt auf dem Stuhl.
Aber auch hier ist McQuade schneller.
Mit dem Gewehrlauf schlägt er abermals zu, steht dann sekundenlang verharrend breitbeinig über dem Mann, dessen Körper in Bewusstlosigkeit erschlafft.
Das Mädchen Isabel sitzt nackt im Bett mit hochgezogenen Knien. Ihr langes Haar bedeckt Rücken und Schultern.
»Oh, McQuade«, sagt sie kehlig, »das hast du in Nogales schon mal gemacht, als ich im Angel House arbeitete und Ernest Slater mein Gast war. Warum störst du ständig meine Geschäfte?«
Ty McQuade grinst. Unter seinem Schnurrbart blinken zwei weiße Zahnreihen.
»Tut mir leid, Süße«, sagt er. »Es ist nicht gegen dich persönlich gerichtet. Es liegt allein daran, dass du mit Mördern ins Bett gehst, hinter denen ich her bin. Und wenn sie bei dir im Bett sind, dann ist es leicht, sie zu überrumpeln. Nimm's mir nicht übel, Süße.«
Er sagt es ganz ernst und mit dem glaubhaften Tonfall ehrlichen Bedauerns. Sie erhebt sich aus dem prächtigen Messingbett und zeigt sich einen Moment lang in all ihrer paradiesischen Schönheit. Ja, sie ist immer noch prächtig anzusehen.
Als sie sich den Morgenmantel umhängt, sagt sie: »McQuade, du bist ein harter Mann. Was mag dich so gemacht haben? An der Grenze gibt es viele Leute, die sprechen deinen Namen wie einen Fluch. Und niemals gab es offenbar eine Frau in deinem Leben. Nirgendwo – mag es in El Paso, Nogales, San Antonio, Socorro, Laredo oder anderswo sein – hast du was mit einer Frau. Verdammt, bist du nicht normal? Sieh mich an! Lasse ich dich kalt?«
»Nein«, sagt McQuade langsam, »nein, so ist es nicht. Du bist ein prächtiges Geschöpf, Isabel. Und ich bin auch ganz gewiss normal. Aber – nun, ich möchte lieber nicht über meine Probleme sprechen.«
Er verstummt, lässt erkennen, dass er genug geredet hat. Er lädt sich den Bewusstlosen auf und trägt ihn aus dem Zimmer.
Als er unten bei der Bar ist, zieht sich dort der Barmann am Schanktisch hoch. Er taucht den Spüllappen in die Wasserwanne und drückt ihn sich dann kühlend auf die Beule.
Seine blutunterlaufenen Augen blicken böse auf McQuade. Dieser verharrt mit dem Bewusstlosen über der Schulter.
»Willst du noch was, Paddy?« So fragt er heiser.
Der Barmann starrt ihn an. Sein Kopf schmerzt ihn gewiss noch.
Er sagt hassvoll: »Du verdammter Menschenjäger, eines Tages wird dich jemand abschießen. Ringo hat eine Menge Freunde in diesem Land. Du kannst nicht ewig Menschen jagen und Kopfprämien kassieren.«
McQuade erwidert nichts.
Er geht mit seinem Gefangenen hinaus.
Draußen legt er ihn dicht beim Pferd auf den Plankengehsteig.
Er holt Hand- und Fußschellen aus der Satteltasche und legt sie Ringo Lamate an.
Überall in der kleinen Stadt treten Leute aus den Häusern und Läden oder blicken aus den Fenstern und Türen.
McQuade kümmert sich nicht darum.
Da Ringo Lamate nur Unterzeug trägt, kehrt McQuade noch einmal in den Saloon zurück, um Ringo Lamates Kleidung zu holen.
Er muss nicht die Treppe hinauf. Denn von oben wirft Isabel ihm alles herunter.
Dabei sagt sie mit Inbrunst: »Und zur Hölle sollst du fahren, Ty McQuade! Ja, verdammt, zur Hölle sollst du fahren!«
Er erwidert nichts, hebt die Sachen auf und geht wieder hinaus.
Draußen bringt nun der Junge aus dem Mietstall Ringo Lamates Pferd, so wie McQuade es ihm aufgetragen hat, als er in die Stadt kam.
Der Junge sagt: »Sir, ich dachte, Sie wären Ringos Freund. Niemals hätte ich das Pferd hergebracht, wenn ich gewusst ...«
»Schon gut, Junge«, unterbricht er ihn.
Dann legt er Ringo quer über den Sattel, hängt Ringos Hose, Stiefel, Jacke und Hut ans Sattelhorn, sitzt auf und reitet mit dem Gefangenen aus der Stadt.
✰✰✰
Gegen Mitternacht, als sie an einer verborgenen Quelle rasten, ist Ringo Lamate endlich wieder so weit, dass er denken und reden kann und die allerschlimmste Not überwunden hat.
»Wolltest du mir den Schädel einschlagen, McQuade?«, fragt er bitter. »Wäre es dir lieber gewesen, mich als Toten nach Nogales zu bringen? Denn Tote machen keine Schwierigkeiten mehr. Tote sind sanft und geduldig, nicht wahr?«
McQuade sieht ihn mit seinen Falkenaugen über das Feuer hinweg an und bläst in den heißen Kaffeebecher in seinen Händen.
»Ringo«, sagt er dann merkwürdig sanft, »du machst mir bestimmt auch lebend keine Schwierigkeiten, du nicht. Denn dann würde ich dich wahrhaftig als Toten nach Nogales schaffen.«
»Um die Belohnung zu kassieren«, erwidert Ringo Lamate verächtlich. »Du verdammter Menschenjäger. Ich habe dir nichts getan. Und was ist für ein Unterschied zwischen uns? Ich beraube die Reichen und Satten, und wenn sie nicht gehorchen, dann mache ich sie klein. Du aber verdienst dir Prämien mit Menschenjagd. Und wer sich von dir nicht einfangen lässt, den machst du klein. Beide jagen wir nach Geld auf unsere Weise. Und wir sind bereit zum Töten. Was also unterscheidet uns?«
McQuades Falkenaugen verengen sich.
Aber er sagt kein Wort zu Ringo Lamates Vorwürfen.
Erst etwas später, als sie schon gegessen haben, sagt er ruhig: »Ich löse dir jetzt abwechselnd die Hand- und Fußschellen, damit du dich ankleiden kannst. Und dann werden wir eine Weile ausruhen.«
»Du hättest wenigstens warten können, bis ich bei Isabel fertig war«, murrt Ringo Lamate. »Du hast sie letztlich um ihre Einnahme gebracht. Denn ich wäre zu ihr sehr spendabel gewesen. Aber du gönnst wohl anderen Männern keine Freude?«
»Nein«, sagt Ty McQuade und beugt sich vor, um über das Feuer hinweg mit böser Härte knirschend zu sprechen: »Ringo, ich will dir etwas sagen, was ich bisher stets für mich behielt und nur wenige Leute wissen. Und da sie dich in Nogales bald hängen werden, wirst du das, was ich dir sage, mit ins Grab nehmen. Ich hatte einst eine prächtige Pferderanch bei San Antonio. Es war ein wunderschöner Besitz. Meine Pferdezucht steckte noch in den Anfängen, aber sie war auf dem besten Wege, berühmt zu werden. Ich hätte den besten Pferdezüchtern auf tausend Meilen in der Runde schon bald Konkurrenz gemacht. Eines Tages ließ ich die Frau kommen, die ich während des Krieges in Alabama kennengelernt hatte. Sie hatte auf mich gewartet. Drei lange Jahre. Als sie kam, heirateten wir drei Tage später.«
»Wie schön für euch.« Ringo Lamate grinst. »Also hast du eine Menge Spaß bekommen. Warum also hast du mir diesen Spaß mit Isabel nicht gegönnt?« Er fragt es höhnend.
Aber dann erschrickt er über die unversöhnliche Härte in Ty McQuades Gesicht, die durch den Feuerschein nicht gemildert wird, sondern maskenhaft wirkt.
Ty McQuade spricht weiter: »Eine Woche später kam eine Banditenhorde. Sie war auf der Flucht vor einem starken Aufgebot und brauchte frische Pferde. Sie kam wie eine Ausgeburt der Hölle über uns. Ich tötete zwei oder drei, aber das half nicht viel, gar nichts. Denn sie schossen mich nieder. Es waren zu viele. Und ich hatte auf der Weidekoppel keine Deckung. Sie schossen auch auf meine Frau, die zu mir gelaufen kam, als ich am Boden lag.«
Wieder macht Ty McQuade eine Pause.
Und nun höhnt Ringo Lamate nicht mehr. Jetzt endlich beginnt er etwas zu begreifen. Er sieht, wie es in Ty McQuades Gesicht zu arbeiten beginnt. Dann hört er ihn sagen: »Ich selbst wurde wieder gesund. Aber meine Frau blieb gelähmt. Eine Kugel hat ihr Rückgrat verletzt, irgendwelche Nerven zerfetzt. Die besten Pferde hatte die Bande gestohlen. Ohne die Pferde war meine Ranch nicht sehr viel wert. Ich musste sie billig verkaufen, weil ich Geld brauchte. Und ich brauche immer noch Geld, sehr viel Geld. Denn meine Frau befindet sich im Sanatorium eines berühmten Professors an der Ostküste. Allein der Transport dorthin kostete eine Menge Geld. Nun, Ringo Lamate, ich hole mir das Geld als Prämienjäger von den Bösen. Denn die Bösen sind an unserem Unglück schuld. Also müssen sie bezahlen. Auch du bist einer von ihnen. Auf deine Ergreifung – tot oder lebendig – ist eine Belohnung von tausend Dollar ausgesetzt. Das reicht dann wieder einige Wochen für die Behandlung und Betreuung meiner Frau. Ja, ich jage euch, um die Kopfprämien zu kassieren. Was ist falsch daran?«
Er fragt es hart, böse, drohend.
Und Ringo Lamate schluckt mühsam.
Dann nickt er. »Hat sie noch eine Chance, wieder gesund zu werden?«, fragt er plötzlich.
In Ty McQuades Blick tritt für einen Moment der Ausdruck des Staunens, so als wäre er überrascht, denn Lamates Worte verraten Mitgefühl.
»Vielleicht«, murmelt er. »Ja, der Professor machte uns gewisse Hoffnungen. Vielleicht hat sie eine schwache Chance. Sie soll operiert werden, wenn bestimmte Voraussetzungen durch die Vorbehandlung geschaffen sind. Aber das alles geht dich nichts an, Lamate. Ich wollte dir nur klarmachen, warum ich euch jage. Jetzt weißt du es. Und jetzt halte bis nach Nogales deinen Mund, es sei denn, ich frage dich etwas.«
Er verstummt.
Und Ringo Lamate sagt wirklich nichts mehr.
✰✰✰
Es ist zwei Tage später, als Ty McQuade mit seinem Gefangenen Nogales erreicht und Ringo Lamate abliefert. Von Lamates so großspurig angekündigten Kumpeln haben sie unterwegs keinen Hemdzipfel gesehen. Wahrscheinlich haben sie sich gesagt, dass es gesünder für sie ist, sich nicht mit McQuade anzulegen.
Ringo Lamate ist zu erschöpft, um noch etwas sagen zu können.
Der Sheriff bleibt ebenfalls wortlos, ja, er lässt irgendwie sogar Abneigung erkennen in seinem Blick und Gesichtsausdruck.
Erst als er für die Belohnung eine Anweisung an die Bank von Nogales schreibt und McQuade überreicht, sagt er: »Sie müssen ja inzwischen ein reicher Mann geworden sein, McQuade. Man könnte neidisch werden. Unsereiner vertritt für hundert Dollar im Monat das Gesetz. Aber ein Kopfgeldjäger kann sich eine goldene Nase verdienen.«
»So ist es, Sheriff«, erwidert Ty McQuade kalt. »Und jetzt möchte ich Ihren Stapel Steckbriefe durchsehen. Oder haben Sie einen Auftrag, der mir eine besonders hohe Prämie einbringt?«
Der eisgraue und ledern wirkende Sheriff betrachtet ihn funkelnd.
»Jock Coronado kam hier durch«, sagt er schließlich. »Einer meiner Gehilfen wollte ihn aufhalten, hatte aber keine Gelegenheit, Hilfe zu holen. Jetzt ist er tot. Und Jock Coronado ist drüben in Sonora bei seinen Amigos. Es gibt drei verschiedene Belohnungen auf seine Ergreifung. Die Postlinie, eine Versicherung und ich, der Sheriff von Nogales, wir zahlen zusammen dreitausend Dollar. Aber er ist drüben in Mexiko. Und vielleicht ist er eine Nummer zu groß für Sie, McQuade. Denn er hat schon viele Jäger geschafft. Weil er meinen Gehilfen umgelegt hat, hätten Sie hier bei uns einige Steine im Brett, McQuade. Mein Gehilfe hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Verstehen Sie?«
McQuade nickt.
»Ich hole ihn«, sagt er schlicht. »Und ich kenne ihn vom Sehen. Ich spielte früher mal, als er noch nicht steckbrieflich gesucht wurde, in San Antonio mit ihm Poker. Er hatte eine Menge Geld, und es machte ihm nichts aus, immer wieder zu verlieren. Ich hole ihn!«
Nach diesen Worten geht er hinaus.
Der Sheriff sieht ihm durch die offene Tür nach.
McQuade geht zum Post Office hinüber. Der Sheriff weiß, dass dort stets postlagernd Briefe auf McQuade warten. Er sieht ihn auch bald wieder herauskommen, dabei einen schon geöffneten Brief hastig lesend, so als hätte er brennend vor Ungeduld auf Nachrichten gewartet.
Der Sheriff von Nogales würde zu gerne wissen, was in diesem Brief steht. Er tritt in die offene Tür, sieht McQuade zur Bank gehen und dann wieder zum Post Office zurückkehren.
Aha, denkt der Sheriff, jetzt schickt er wieder den größten Teil der Kopfgeldprämie irgendwohin nach Osten. Stets schickt er das meiste Prämiengeld dorthin. Entweder hat er dort ein Bankkonto oder er ist an Geschäften beteiligt. Vielleicht bekomme ich das noch heraus. Die Anschriften sagen mir nicht viel, auch nicht die Absendernamen der Briefe, die er erhält. Es ist alles zu neutral. Was mag er nur mit dem vielen Geld machen?
Als Ty McQuade später in einem Restaurant beim Abendessen sitzt, zieht er den Brief noch einmal hervor und liest:
... haben wir gestern endlich die Operation an Ihrer Frau vornehmen können. Ob sie Erfolg haben wird, dies kann sich erst nach etwa zehn Tagen feststellen lassen. Sie werden sofort Nachricht erhalten.
Hochachtungsvoll
James M. Garret
James M. Garret ist ein berühmter Professor, der durch Operationen schon vielen Querschnittsgelähmten helfen konnte.
Bei dem Brief lag auch eine Rechnung über mehr als dreitausend Dollar.
Nun holt Ty McQuade einen zweiten Brief hervor.
Dieser Brief ist von seiner Frau geschrieben, wenn auch mühsam mit einer krakeligen Schrift. Er kann sich vorstellen, wie mühsam sie auf der Bettdecke schrieb. Wahrscheinlich hatte man sie etwas aufgesetzt. Denn von selbst kann sie das nicht. Sie kann nur ein wenig die Arme und Hände bewegen.
Er liest:
... bin ich voller Hoffnung, dass ich wieder gesund werden kann. Doch wenn sie es nicht schaffen, mich wieder zu einer gesunden Frau zu machen, dann werde ich mich umbringen. Dann will ich nicht mehr länger wie eine lebende Tote im Bett liegen. Ich habe Schmerztabletten gesammelt, die sie mir zum Schlucken gaben. Ich ertrug die Schmerzen, um einen leichten Tod haben zu können. Und ich verfluche den Tag, an dem ich dir auf die verdammte Pferderanch in dieses verdammte Land folgte, wo mich die Banditen zusammenschossen. Ich verfluche alles. Rita
Wenn er nicht schon gegessen hätte, würde er jetzt, da er den Brief nochmals las, keinen Bissen mehr herunter bekommen.
Von Ritas Liebe ist nichts mehr vorhanden.
Sie verflucht den Tag, da sie zu ihm kam und seine Frau wurde.
Und er kann ihr das nicht mal übel nehmen.
Als sie mit ihm ging auf die Ranch in den Hügeln, da ging sie ins Unglück.
Er konnte sie nicht beschützen.
Und alles, was er noch tun kann, ist, dafür zu sorgen, dass sie bestmögliche ärztliche Hilfe und Betreuung erhält, dass jede Chance wahrgenommen wird, sie wieder gesund zu machen.
Und noch eines kann er tun: Er kann die Bösen jagen.
Er weiß, dass er wieder jenes merkwürdige Gefühl der Befriedigung spüren wird, wenn er auch diesen Jock Coronado nach Nogales zum Henker gebracht haben wird.
Morgen wird er hinüber nach Sonora reiten und die Suche nach Jock Coronado beginnen.
Coronado ist zur Hälfte mexikanischer Abstammung. Er hat drüben eine Menge Freunde. Früher war er nur ein eitler Revolvermann, ein Pistolero, der sich als Beschützer oder als Rächer anwerben ließ.
Dann aber wurde er ein Bandit.
Ty McQuade wird ihn sich holen. Morgen wird er aufbrechen.
Und wenn es ihn selbst bei diesem Versuch erwischen sollte?
Nun, dann war es Schicksal.
Er glaubt an ein unwandelbares Schicksal.
Und wenn es sich gegen ihn entscheidet, dann wird er das hinnehmen wie schlechte Karten in einem Spiel.
Er ist ein Mann, der schon fast alles verloren hat auf dieser Erde – nur noch nicht das Leben. Und seitdem Rita ihn hasst, ist ihm eine Menge verdammt gleichgültig geworden.
✰✰✰
Es ist in Santa Rosa, als Ty McQuade am Creek entlangreitet. Und dort, wo der Creek in einen hübschen See fließt, da sieht er den Angler unter den Bäumen.
Ein geschecktes Pferd steht ebenfalls unter den Bäumen. An einem Ast hängen schon einige Forellen.
Der Angler legt die Angelrute zu Boden und sieht dem sich nähernden Reiter entgegen.
Als Ty McQuade verhält und aus dem Sattel rutscht, beobachtet ihn Jock Coronado schweigend und bewegungslos. Und als McQuade sich bis auf wenige Schritte nähert und dann verhält, da nickt Jock Coronado und zeigt unter dem Schnurrbart zwei prächtige Zahnreihen. Es ist ein blitzendes Grinsen.
Er ist dunkel wie sein mexikanischer Vater. Aber er hat blaue Augen wie seine irische Mutter. Und er sagt: »Ay, Amigo, wir kennen uns, nicht wahr? Einst saßen wir in San Antonio zusammen in einer Pokerrunde. Doch das ist schon lange her. Ich hörte, dass du inzwischen ein großer Banditenjäger geworden bist. Und schnell sollst du sein mit deinem Colt. Du bist ein berühmter Mann geworden. Was willst du von mir? Oder kommst du zufällig hier vorbei?«
»Nein, ich will zu dir, Jock«, erwidert Ty McQuade. »Denn wenn ich dich nach Nogales bringen kann, dann bekomme ich dreitausend Dollar. Ich bin nun mal ein gieriger Prämienjäger.«
Jock Coronado nickt leicht.
Dann fragt er: »Bist du wegen Adam Breahit hinter mir her? Hast du herausgefunden, dass du für Adam Breahit eine Prämie kassiert hast, die auf einen Unschuldigen ausgesetzt worden war?«
Ty McQuade erinnert sich binnen dreier Sekunden an alles, was damals war.
Ja, er jagte damals einen gewissen Adam Breahit, auf den eine Belohnung ausgesetzt war. Er fing ihn, lieferte ihn in El Paso ab und kassierte die Prämie. Es war damals seine erste Kopfgeldprämie, und er brauchte sie dringend für seine Frau.
Langsam nickt er.
Und da fragt Jock Coronado auch schon: »Und wie hast du herausgefunden, dass Adam Breahit unschuldig war, dass die angeblichen Augenzeugen falsche Eide schworen, dass Big John Flannaghan dies alles inszeniert hatte und dass in Wirklichkeit ich und nicht Adam Breahit die Bank überfiel und ausraubte?«
Wieder lässt sich Ty McQuade nichts anmerken.
Jock Coronado ist nun wohl der Meinung, dass genug geredet wurde. Denn er sagt hart: »Du hättest nicht herkommen dürfen, McQuade.«
Und als er es gesagt hat, zaubert er den Colt heraus, höllisch schnell. Denn Jock Coronado ist einer der schnellsten Pistoleros zu beiden Seiten der Grenze.
Dennoch schlägt ihn McQuade.