G. F. Unger Western-Bestseller 2685 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Western-Bestseller 2685 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Lieutenant Archi Stuart war ein verdammter Narr. Ich wusste es, denn ich hatte in all den Jahren schon einige von seiner Sorte sterben sehen.
In unserer augenblicklichen Situation hätte sich ein junger Lieutenant aus West Point besser auf einen erfahrenen Sergeant verlassen sollen. Oder auf den Scout der Patrouille.
Der Sergeant war ich, Joel Jonnaway. Unser Scout hieß Ben Fisher.
»Nun, worauf warten Sie noch, Mister Fisher?«, rief der Lieutenant. »Reiten Sie hin und sehen Sie nach, ob die Wasserstelle frei ist.«
»Lieutenant«, erwiderte ich, »diese Wasserstelle ist nicht frei. Die Indianer sind schon da und warten auf uns. Ben Fisher braucht gar nicht erst nachzusehen.«
»Sergeant«, wies mich der Lieutenant zurecht. »Sie haben einen, Offizier mit Sir anzureden! Auf Patrouille die bewährten Regeln der Armee ändern zu wollen, wo kämen wir denn da hin!«
»Yes, Sir«, sagte ich. Ich gab klein bei, um ihn nicht noch mehr zu reizen. Ich durfte mich nicht mit ihm streiten.
Dabei konnte fast jeder Mann unserer Patrouille die Lage besser einschätzen als er. Alle Männer hinter uns ritten schon lange in diesem Land für die Armee. Sie alle waren zwar nicht so gebildet wie der Lieutenant, doch sie besaßen einen reichen Schatz an Erfahrungen und einen untrüglichen Instinkt.
Aber darauf legte der Lieutenant keinen Wert. Er richtete sich genau nach den Lektionen über das Führen einer Patrouille im Indianerland.
Was dabei herauskommen würde, konnten wir uns an den Fingern einer Hand abzählen ...

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Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Der verlorene Haufen

Vorschau

Impressum

Der verlorene Haufen

Lieutenant Archi Stuart war ein verdammter Narr. Ich wusste es, denn ich hatte in all den Jahren schon einige von seiner Sorte sterben sehen. In unserer augenblicklichen Situation hätte sich ein junger Lieutenant aus West Point besser auf einen erfahrenen Sergeant verlassen sollen. Oder auf den Scout der Patrouille. Der Sergeant war ich, Joel Jonnaway. Unser Scout hieß Ben Fisher.

»Nun, worauf warten Sie noch, Mister Fisher?«, rief der Lieutenant. »Reiten Sie hin und sehen Sie nach, ob die Wasserstelle frei ist.«

»Lieutenant«, erwiderte ich, »diese Wasserstelle ist nicht frei. Die Indianer sind schon da und warten auf uns. Ben Fisher braucht gar nicht erst nachzusehen.«

»Sergeant«, wies mich der Lieutenant zurecht. »Sie haben einen, Offizier mit Sir anzureden! Auf Patrouille die bewährten Regeln der Armee ändern zu wollen, wo kämen wir denn da hin!«

»Yes, Sir«, sagte ich. Ich gab klein bei, um ihn nicht noch mehr zu reizen. Ich durfte mich nicht mit ihm streiten. Dabei konnte fast jeder Mann unserer Patrouille die Lage besser einschätzen als er. Alle Männer hinter uns ritten schon lange in diesem Land für die Armee. Sie alle waren zwar nicht so gebildet wie der Lieutenant, doch sie besaßen einen reichen Schatz an Erfahrungen und einen untrüglichen Instinkt. Aber darauf legte der Lieutenant keinen Wert. Er richtete sich genau nach den Lektionen über das Führen einer Patrouille im Indianerland. Was dabei herauskommen würde, konnten wir uns an den Fingern einer Hand abzählen ...

Er sagte härter und schärfer: »Also, Mister Fisher, tun Sie Ihre Pflicht! Reiten Sie hin und sehen Sie nach, ob Apachen an der Wasserstelle sind! Es ist Ihr Job, Mister Fisher. Oder?«

Er sprach immer barscher. Wahrscheinlich wollte er seine eigenen Zweifel damit erschlagen.

Oha, er richtete sich genau nach dem Lehrbuch! Und da stand gewiss, dass ein Patrouillenführer stets seine Scouts die Lage auskundschaften lassen soll.

Ben Fisher sah mich an. Er erwartete Hilfe von mir.

Doch ich konnte ihm keine geben. Denn wenn ich nochmals widersprochen oder abgeraten hätte, würde der junge Lieutenant sich noch mehr versteift haben.

Ich sah Ben Fisher auf eine Art an, die ihm deutlich sagte, was ich dachte.

Nun hatte er die Wahl. Aber da er ein Armee-Scout war, stand er unter Kriegsrecht wie wir Soldaten auch. Die Armee würde ihn wie einen Deserteur vor dem Feind behandeln.

Er entschloss sich und ritt stumm davon.

Wir sahen ihm schweigend nach. Die Sicht war gut an diesem Spätnachmittag. Das Gelände senkte sich etwas. Wo die Senke am tiefsten war, standen rote Felsen und gab es leuchtendes Grün.

Dort war also Wasser.

Und wir mussten es haben. Wir hatten am Vortag schon mit den Apachen gekämpft und einige Verluste gehabt. In der Nacht konnten sich die Apachen von uns lösen und entkommen. Sie hatten einige weiße Gefangene bei sich, darunter auch eine oder zwei Frauen.

Und dies hatte den Lieutenant weit über die Wendemarke unserer Patrouille hinausreiten lassen. Wir hätten längst auf dem Rückweg zum Fort sein müssen.

Ich wandte mich im Sattel um und sah auf die Reiter.

Ihre verschwitzten, bärtigen oder zumindest stoppelbärtigen Gesichter wirkten wie Masken, aus denen rote Augen starrten. Sie verharrten, warteten, lauschten – und ganz gewiss sandten nicht wenige von ihnen jetzt stumme Stoßgebete gen Himmel.

Und ganz gewiss fluchten alle auf die Armee, die sie unter Befehl stellte. Und ganz besonders verfluchten sie den Tag, an dem sie sich anwerben ließen.

Ich wusste, dass ich die Männer jetzt schief angrinste.

Nur Fat Cat Furley grinste zurück. Dann kratzte er sich durch die vorn offene Feldbluse. Er holte eine Laus heraus und zerdrückte sie am Sattelhorn. Er betrachtete sie zuerst einmal triumphierend.

Aber dann erinnerte er sich wohl daran, dass es auch mit uns so schnell zu Ende gehen konnte wie mit dieser Laus.

Und da spuckte er zur Seite aus. Er hatte plötzlich Furcht. Alle hatten sie eine heilige Furcht – auch ich.

Nur der Lieutenant nicht.

Denn er hatte keinen Instinkt. Dieser Lieutenant spürte nicht, was wir alle spürten. Es war der scharfe Atem von Gefahr, dazu der Hauch des Todes.

Ich sah wieder nach vorn.

Zuerst war Ben Fisher im Trab geritten.

Nun ritt er im Schritt. Er lenkte das Pferd mit der Linken. In der Rechten hielt er sein Spencer-Gewehr. Es war ein ziemlich kurzläufiger siebenschüssiger Karabiner. Er konnte damit einhändig so gut schießen wie mancher Revolverschwinger mit dem Colt.

Immer langsamer ritt Ben Fisher. Zweimal hielt er an, wartete, lauerte. Dann schlug er einen leichten Bogen, wahrscheinlich deshalb, weil er so besser zwischen die Felsen spähen konnte.

Nun war er nur noch einen Steinwurf davon entfernt.

Und plötzlich wandte er einen uralten Trick an, weil ihm nichts Besseres einfiel. Er riss sein Pferd herum, gab ihm die Sporen und jagte wie flüchtend davon. Es sah wirklich so aus, als hätte er eine Gefahr erkannt und wollte seine Haut retten.

Doch es geschah nichts – gar nichts.

Niemand schoss hinter ihm her.

Ich sagte zum Lieutenant: »Sir, sie spielen ihre Art von Poker mit ihm. Die beantworten seinen Bluff mit ihrem Bluff. Sie wissen genau, dass wir zum Wasser kommen werden. Und wahrscheinlich haben sie sich so gut versteckt, dass man erst auf sie treten muss, um sie zu sehen. Pfeifen Sie Ben Fisher zurück, Sir! Dann reiten wir heim – ohne Wasser, Sir. Diese Patrouille ist nicht stark genug, um eine solche Bande zu erledigen. Hören Sie endlich auf den Rat eines alten Soldaten, der nun schon sehr lange ...«

»Halten Sie Ihren Mund, Sergeant«, sagte er. »Wenn ich Ihre weisen Ratschläge hören möchte, dann werde ich Ihnen das sagen. Aaah, halten Sie Ihren Mund und versuchen Sie mir nicht weiszumachen, dass knapp zwei Dutzend Wilde eine große Gefahr für uns wären.«

Er sagte es knirschend, und gewiss kam er sich ziemlich großartig vor, ganz und gar wie ein Haudegen, ein Eisenfresser.

Und wenn er mit heiler Haut davonkommen sollte, würde er gewiss bei jeder passenden Gelegenheit erzählen, dass nur der Geist der Offiziere allein in der Lage sei, eine müde und in ihrem Willen degenerierte Patrouille mitzureißen oder anzutreiben und so zur vollen Erfüllung ihres Auftrages und ihrer Pflicht zu bringen.

Dann sahen wir den Scout Ben Fisher zwischen den Felsen verschwinden.

Er kam nicht wieder heraus. Er blieb dort. Kein Laut war zu hören.

Ich beobachtete den Lieutenant.

Er nagte an seiner Unterlippe.

Ahnte er schon, dass er einen Mann in den Tod geschickt hatte?

Ich sagte nichts mehr. Ich ließ ihn schmoren. Er wollte meine Ratschläge nicht. Und gab ich sie ihm nochmals ungebeten, dann würde er aus Trotz vielleicht das Gegenteil tun.

Ich musste warten.

Ich war ja nur ein Master Sergeant, nur ein Bursche von zweiunddreißig Jahren, der es nicht bis zum Offizier bringen konnte, weil dazu eine andere Schulbildung gehörte.

Nur, jetzt konnte der Junge nichts damit anfangen.

Als er lange genug auf der Unterlippe herumgekaut hatte, sagte er trotzig: »Also gut, sie haben ihn. Sie haben die Wasserstelle besetzt, haben ihn erwischt. Bei ihnen sind weiße Gefangene, wahrscheinlich zwei Frauen. Also los, jetzt packen wir sie. Sergeant, wir greifen an!«

Er machte eine kleine Pause. Dann stellte er sich in den Steigbügeln auf. Seine Stimme rief: »In Reihe rechts von mir formiert! Marsch! Achtung! Traaab!«

Wir trabten an. Der Lieutenant war auf der linken Seite. Ich musste nach rechts hinüber zum anderen Ende. Zwischen uns ritten zwölf Mann. Zusammen waren wir also vierzehn. Mit Ben Fisher wären wir noch fünfzehn gewesen.

Denn einen Hornisten hatten wir auch dabei.

Der blies jetzt auf Befehl zum Angriff. Wir nahmen unsere Säbel heraus und gaben unseren Pferden die Sporen.

Brüllend galoppierten wir auf die Wasserstelle zu, hinter denen unser Scout verschwunden war und zwischen deren Felsen und Buschzeug die Apachen lauern mussten.

Der Hornist blies immer wieder das Angriffssignal, so als wären wir ein ganzes Regiment. Aber wir waren nur ein gutes Dutzend armer Hunde unter Befehl.

Wir waren ein verlorener Haufen.

Dies wurde mir klar.

Die Apachen ließen uns ziemlich nahe herankommen. Sie sparten Munition. Bei denen musste jede Kugel treffen. Sie verschwendeten so schnell nichts.

Wir kamen bis auf zwanzig Yards an die ersten Felsen heran.

Dann gaben sie es uns. Aber der Schwung ließ unseren Angriff weitergehen. Selbst die Toten von uns kamen noch bis zu den Felsen. Denn die Pferde wurden von den Apachen nicht beschossen. Pferde waren zu kostbar.

Ich ritt zwischen zwei Felsen hindurch, erledigte einen Krieger mit meinem Säbel und wurde von einem anderen, der von einem Felsen auf mich wuchtete, aus dem Sattel und zu Boden gerissen.

Doch der Apache war ein armer Hund. Jeder Mann, der mit mir körperlich zu kämpfen versuchte, war ein armer Hund. Denn ich hatte bisher noch keinen gefunden, der mich schlagen konnte. Ich bekam den Apachen unter mich, brach ihm den Arm und nahm dann das Messer, um es ihm in den Bauch zu stecken. Das ging nun mal nicht anders, denn ich wollte überleben.

Dann sprang ich auf, bekam meinen Dragoon frei und begann zu schießen.

Aber dann war es auch schon vorbei. Es war still bis auf ein paar Stöhnlaute, die da und dort hörbar wurden.

Jemand sagte dann nach einer Weile laut: »Du lieber Vater im Himmel, ich werde in der nächsten Kirche eine große Kerze spenden.«

»Der Heiligen Jungfrau«, sagte eine andere Stimme. Ich kannte sie, sie gehörte Fat Cat Furley.

Und dass er es überstanden hatte, dies überraschte mich nicht. Furley konnte es mit zwei Apachen zugleich aufnehmen. »Fat Cat« hatte man ihn damals vor dem Krieg an der Ostküste als Preiskämpfer genannt. Und inzwischen hatte er noch eine ganze Menge schmutziger Tricks gelernt. Fat Cat Furley war der gefährlichste Mann von uns allen.

Er trat mir entgegen. Und er grinste, wobei er einen fauchenden Ton hören ließ, sodass man an einen muskelbepackten Wildkater dachte.

»Das wär's wohl, Sergeant«, sagte er. »Und das Schlimmste ist, dass der Junge nun gar nichts dazulernen konnte. Der ist tot. Dort drüben liegt ...«

Ich ging hinüber.

Und da fand ich ihn. Er lag auf dem Bauch, hatte Arme und Beine ausgebreitet wie ein Käfer und seine Finger in den Boden verkrallt.

Er war mit einer Apachenlanze festgenagelt worden. Wie ein überdimensionaler Käfer war er mit einer Riesennadel aufgespießt.

Ich ging weiter, um die Lebenden und die Toten zu zählen.

Und irgendwo mussten doch wohl die Gefangenen sein, die wir bei den Apachen vermuteten.

✰✰✰

Wir fanden die Gefangenen zwischen zwei Felsen, zugedeckt mit Dornengestrüpp. Sie waren gefesselt und geknebelt.

Dem Mann ging es schlecht. Er lag im Sterben. Die Apachen hatten ihn gefoltert.

Außer dem Mann gab es noch zwei Frauen. Sie waren noch recht jung, vielleicht auch hübsch. Dies aber war noch nicht feststellbar. Eine war bewusstlos, fast schon erstickt an dem Knebel. Die andere sah uns mit großen Augen an. Es waren grüne Augen, jetzt jedoch mit gerötetem Rändern. Die beiden Frauen waren ziemlich mitgenommen und ganz und gar nicht für solch ein unbequemes Erlebnis gekleidet. Ich vermutete sofort, dass man sie aus der Postkutsche geraubt hatte.

Denn um eine überfällige Postkutsche zu suchen, deshalb war unsere Patrouille überhaupt ausgeritten. Wir hatten die Kutsche auch gefunden, abgebrannt und mit ein paar toten Männern ringsherum.

Die beiden Frauen trugen Reisekostüme, welche gewiss einmal sehr elegant und kleidsam gewesen waren.

Nun, wir taten für die drei Unglücklichen, was wir konnten.

Wir waren nur noch sechs Mann.

Mit vierzehn hatten wir angefangen. Unser Scout war hier schon vorher gestorben. Die Apachen hatten also neun von uns bei dieser Wasserstelle erledigt.

Ich hatte jetzt das Kommando über fünf Soldaten.

Und kein Narr von Lieutenant konnte mir jetzt noch Befehle geben.

Um unseren Scout Ben Fisher tat es mir besonders leid. Er war mit nur einer sehr schwachen Hoffnung im Herzen in den Tod geritten. Vielleicht bereitete es ihm im Jenseits eine gewisse Genugtuung, dass der Junge, der ihn in den Tod geschickt hatte, ebenfalls seinen Löffel abgeben musste.

Pferde hatten wir genug zur Verfügung. Eine ganze Herde konnten wir zu unserem Fort zurücktreiben. Die meisten dieser Tiere waren keine mageren Apachenmustangs. Nein, die Bande hatte sich gut versorgt mit Tieren von der Armee, von der Postlinie und von irgendwelchen Ranchos.

Ich gab eine Menge Anordnungen. Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu. Ein paar Geier waren auch schon da – und in der Nacht würden Coyoten die Toten wittern und unser Camp belagern.

Wir mussten die Toten beerdigen.

Ich ließ eine Grube ausheben an einer weichen Stelle des Bodens. Später würden wir dann eine Menge großer Steine auftürmen müssen, damit die Tiere die Toten nicht wieder ausscharren konnten.

Irgendwann hatte ich dann endlich Zeit, mich um die befreiten Gefangenen zu kümmern.

Den beiden Frauen ging es inzwischen etwas besser. Sie hatten sich einigermaßen gesäubert und auch ihre Kleidung in Ordnung gebracht. Jemand musste ihnen einen Kamm gegeben haben.

Sie betrachteten mich prüfend – und schon allein daran erkannte ich, dass sie zu jener Sorte gehörten, die so schnell nicht aufgibt.

Ich nickte ihnen zu.

Dann sagte ich: »Wir haben zwei von unseren Jungs die Uniformen ausgezogen. Die haben bestimmt nichts dagegen, wenn Sie diese Uniformen anziehen. Es wäre besser, wie Sie sich denken können. Der Weg zurück ins Fort ist verdammt weit. Die Kleider hängen Ihnen jetzt schon in Fetzen herunter. Wollen Sie? Übrigens, ich bin Jonnaway, Sergeant Joel Jonnaway. Dass wir Sie befreiten, verdanken Sie dem Lieutenant. Vielleicht beten Sie für ihn. Ich hätte keine neun Soldaten geopfert, um einen sterbenden Mann und zwei Frauen zu retten. Aber fassen Sie das nichts als Feindschaft auf. Ich wollte Ihnen nur zu verstehen geben, dass Sie mir keinen Dank schuldig sind – keinem von uns. Wir standen unter Befehl.«

Sie sahen mich beide immer noch forschend an.

Und sie waren sehr verschieden.

Die grünäugige Frau hatte rotbraunes Haar. Sie war von einer ruhigen und klaren Art mehr als hübsch, und sie sah so aus, als würde sie das Leben kennen. Ich hielt sie sofort für eine Art Abenteurerin.

Die andere Frau war vielleicht zwei Jahre jünger, etwa vierundzwanzig. Sie hatte rabenschwarzes Haar und blaue Augen, ein paar Sommersprossen und eine kleine Nase. Ihr jetzt zerrissenes Reisekostüm war auffälliger gewesen, herausfordernder.

Ich kannte ihre Sorte. Das war ein Honey aus den Tingeltangels, eine von der Sorte, die jeder gernhat und die von keinem wirkliche Liebe bekommt, jene Liebe, die vom Herzen kommt.

»Ich bin Claire Brown«, sagte sie.

Und als ich nickte und die andere ansah, erkannte ich ein Funkeln in deren Augen.

»Ich bin Mary Hopkins«, sagte sie und fügte nach einem Atemzug hinzu: »Es passt uns gut, dass wir uns nicht zu bedanken brauchen. Ja, es passt uns gut. Und wir werden wirklich für den Lieutenant beten. Darauf können Sie wetten, Sergeant.«

Als sie es gesagt hatte, wollte ich etwas erwidern. Doch da stöhnte der gemarterte Mann, der bei ihnen am Boden lag.

Ich hockte mich an seine Seite und blickte auf ihn nieder.

Wir konnten gar nichts für ihn tun – gar nichts.

Er gehörte zu den Goldsuchern, die überall in den Hügeln und auch in der Apachenwüste nach Gold suchten. Sie zogen zumeist mit Mulis umher und hatten einen Gesteinshammer mit dem Stiel im Stiefelschaft stecken. Und überall klopften sie herum, nahmen auch schon mal die Hacke und die Schaufel oder wuschen den Sand der wenigen spärlichen Creeks.

Ja, solch ein Typ war das.

»Wenn die Schufte das Gold bekommen ...«, murmelte er, und er sagte es nicht so glatt, wie es hier steht, sondern formte die Worte mühsam, ächzte und stöhnte dabei. Es war das Röcheln eines Sterbenden.

Aber nicht nur ich hatte das Wort Gold gehört.

Auch die beiden Frauen konnten es verstehen.

Und dann waren noch Fat Cat Furley und Ringo Lane zugegen. Sie hatten das Wort Gold ebenfalls gehört. Und solch ein Wort war für diese beiden Burschen etwas Ähnliches wie der Geruch von frischer Büffelleber für zwei hungrige Wölfe.

Ringo Lane, der wie ein Comanche aussah, war ein ehemaliger Revolvermann, dem jemand auf der Fährte war, vor dem er sich fürchtete. Und so war er zur Armee geflüchtet.

Sie schluckten gierig und beugten sich vor. Ringo Lane sagte: »Sergeant, er hat was von Gold gefaselt. Spinnt der schon, oder ist er noch bei Verstand?«

»Weswegen haben ihn die Apachen wohl über dem Feuer geröstet?«, fragte Fat Cat Furley und bewies mir, wie gut sein Verstand in Ordnung war.

Aber der Goldsucher war schon wieder bewusstlos.

»Wir müssen ihn wach bekommen«, sagte Furley und wollte nach ihm greifen.

Aber ich schlug ihm auf die Pfoten, denn der Bursche, der da zu unseren Füßen lag, hatte ein Recht darauf, ruhig sterben zu können.

Claire Brown sagte plötzlich: »Den brauchen Sie wirklich nicht zu rütteln. Das ist Barney Longhorn. Der war bekannt zwischen El Paso, Nogales und Tucson. Und was er den Apachen schließlich doch noch sagte, haben auch wir gehört. Ihr braucht ihn nicht zu schütteln. Wir können es euch sagen, Soldaten.«

Wir schwiegen und sahen sie an.

Und dabei begriff zumindest ich, dass sie selbst schon vom Goldfieber gepackt war und alles andere schon halb vergaß – oder zumindest weit verdrängte.

Denn sie war ja eine Glücksjägerin, die in den Saloons den Männern Gold und Geld abnahm, wie sie nur konnte. Und all die Jahre träumte sie gewiss von einer Chance.

Ich sah nun auf Mary Hopkins.

Sie betrachtete uns aus schmalen Augen. Ihr etwas zu breiter Mund hatte ein paar harte Kerben um die Winkel.

Sie betrachtete uns nachdenklich und wissend zugleich.

Und dann sagte sie: »Claire, du bist ein dämliches Mädchen. Jetzt werden wir uns diese durchschossenen Uniformen zweier toter Soldaten anziehen und mit diesen Burschen dorthin reiten müssen, wo das Gold liegen soll. Jetzt gibt es kein Halten mehr für diese Kerle. Wetten?«

Sie fragte es mit spürbarer Verachtung.

Da grinste ich.

»Wir reiten mit euch zum Fort«, sagte ich. »Und wenn hier irgendwo ein riesiger Berg von Gold liegen sollte, reiten wir hierher zurück.«

In ihren Augen war Spott. Und gleich wusste ich auch, warum.