1,99 €
Es ist an einem Nachmittag, als die Younger-Bande von Osten her über die Hügel kommt und am Rande des Tals die Pferde zügelt.
Ed Clelly, der schon während des Krieges mit Kevin Younger für den Süden als Guerilla ritt, deutet hinunter und erklärt den Reitern: »Der Fluss und die Stadt heißen beide Wild River. Wenn die Stadt größer wäre, würde sie vermutlich Wild River City heißen. Aber noch ist sie so klein, dass wir sie sicherlich ohne Schwierigkeiten übernehmen können. Seht euch den Fluss an. Er kommt von Norden her aus dem Washakie-Needle-Land und ist auf fast hundert Meilen nirgendwo passierbar - nur dort unten bei dieser kleinen Stadt. Versteht ihr? Wenn wir uns auf der Westseite des Flusses festsetzen, ist der Weg zu uns nur an dieser Stelle des Flusses und durch die Stadt möglich. Wenn uns die Stadt gehört, sind wir sicher. So einfach wäre das.«
Kevin Younger, ihr Anführer, fragt ruhig: »Und drüben? Was ist drüben? Du warst doch auch drüben, Ed - oder?«
»Sicher«, erwidert Ed Clelly, »ich habe mich nicht einfach auf das verlassen, was mir der alte Bergläufer bei einer Flasche Feuerwasser über ein Land erzählte, in dem Geächtete sicher sein würden. Ich bin hinübergeritten und habe mich zwei Wochen lang umgesehen. Und es ist alles so, wie ich es euch berichtete. Ein paar Schafzüchter, einige Minen - sonst ist da nichts, was uns behindern könnte. Wir werden dort drüben einen weiten Schatten werfen. Und der Wild River schützt uns vor allen Verfolgern. Sie können nur durch diese Stadt zur einzigen Furt.«
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Treck der Harten
Vorschau
Impressum
Treck der Harten
Die Armee-Forts längs des Bozeman Trails mussten damals nach dem Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten mit all den notwendigen Frachtgütern versorgt werden.
Die Armee selbst konnte das nicht bewerkstelligen. Ihr fehlten die erfahrenen Frachtfahrer, die mit den Maultier- oder Ochsengespannen umgehen konnten, welche oft zehn- oder zwölfspännig die schweren Murphy-Frachtwagen zogen, die oft noch kleinere Anhänger hatten.
Also nahm die Armee ganze Frachtwagenzüge unter Vertrag.
Die Fahrer und Maultiertreiber dieser langen Wagenschlangen waren die härtesten Exemplare der männlichen Gattung. Sie alle waren mehr oder weniger primitive Burschen, doch wahrscheinlich konnte nur diese Sorte das harte Leben ertragen, also frieren, in der Sonne rösten, Alkalistaub fressen und mit Maultieren oder Ochsen leben.
Ohne diese Sorte wäre die Armee in ihren Forts und Stützpunkten verhungert und der Westen und Nordwesten nicht erobert worden.
Und wahrscheinlich wäre auch der Völkermord an den Indianern nicht so schnell vorangegangen.
Lance Hackett und Reece Nelson waren die Eigner und Bosse eines solchen Wagenzuges. Und sie waren noch härter als ihre Fahrer.
Und dann war da auch noch der Revolvermann Henry Fisher ...
Als Lance Hackett auf dem Kamm der langen Hügelkette seinen Rappwallach anhält, da hat er weiten Blick über die wellige Ebene bis zum Laramie River.
Das Fort mit der Siedlung, die nur einen Steinwurf weit von den Palisaden entstand, liegt auf der anderen Seite des Flusses. Er kann erkennen, dass der kleine Ort im vergangenen Jahr gewachsen ist und fast schon eine kleine Stadt wurde.
Doch das war nur im Schutz des Forts möglich.
Lance Hackett versucht zu erkennen, wie der Wasserstand des Laramie River ist, den der Wagenzug durchfurten muss.
Der Wagenzug gehört ihm zur Hälfte, denn er hat einen gleichberechtigten Partner. Reece Nelson und er, Lance Hackett, sind Freunde, gewissermaßen Blutsbrüder.
Auf die noch große Entfernung kann Lance Hackett den Wasserstand der Furt noch nicht abschätzen. Und so beschließt er, dem Wagenzug vorauszureiten.
Doch zuvor will er Reece Nelson vom Hügelkamm aus ein Zeichen geben. Und so zieht er den Rappwallach herum und blickt nach Südosten zurück, wo die trockenen und staubigen Ebenen von Nebraska liegen, deren Alkalistaub sie auf den endlosen Meilen fraßen, die sie nun hinter sich wissen.
Denn der Wagenzug kommt vom Omaha, wo er von den Dampfbooten des Missouri die Ladung übernahm, und er weiß, dass ohne diese Fracht das Fort nicht existieren könnte. Es würde dort bald alles fehlen, vom Hufhagel bis zum Läusepulver.
Er blickt hinunter auf die meilenlange Wagenschlange, spürt dabei ein Gefühl des Stolzes. Bis zum letzten Wagen kann er die meilenlange Schlange überblicken.
Es sind siebenundfünfzig schwere Murphy-Schoner mit etwas kleineren Anhängern, also eigentlich einhundertundvierzehn Wagen. Und jeder Doppelwagen wird von einem Zwölfergespann gezogen, von je zwölf starken und zähen Maultieren also. Mit den Reservetieren gehören fast achthundert Maultiere und einige Dutzend Pferde zu dem Wagenzug.
Zwei Dutzend Begleitreiter schützen den Zug.
Diese Reiter sind überall rings um die lange Wagenschlange unterwegs und wechseln mehrmals am Tag ihre Sattelpferde.
Das Land hier in Wyoming ist nicht so trocken und staubig wie in Nebraska. Deshalb wirbelt der Wagenzug nicht viel Staub auf. Es hat auch am Vortag noch geregnet. Das Wasser steht zwar nicht mehr in den Furchen des Bozeman Trails, aber das Land ist noch nicht wieder völlig trocken geworden vom Wind und der Sonne.
Lance Hackett sieht Reece Nelson nun vom Ende der Wagenschlange nach vorn geritten kommen. Er wird sich einmal mehr bewusst, dass sie sich fast wie Brüder gleichen. Nur der texanische Sichelbart, den Reece trägt, unterscheidet sie, denn er – Lance Hackett – rasiert sich stets sorgfältig, leistet sich bewusst diesen besonderen Luxus unterwegs auf dem staubigen Bozeman Trail.
Ja, sie sind beide groß und trotz ihres schlanken Wuchses schwergewichtig.
Und das Leben hat sie hart gemacht. Längst verloren sie auf ihren Wegen den Glauben an die Welt und das Vertrauen zu den Menschen und begriffen irgendwann, dass die Guten nur überleben können, wenn sie von den Harten vor den Bösen beschützt werden.
Die dunklen Linien von Lance Hackett verändern sich. Auf seinem bisher hart geschlossenen Mund erscheint der Hauch eines Lächelns, als er Reece Nelson zuwinkt, denn dieser ist nun nahe genug an die Hügelkette herangekommen und reitet neben dem ersten Wagen, sodass er Lance auf dem Hügelkamm gut erkennen kann. Reece winkt zurück, gibt damit zu erkennen, dass er begriffen hat, was Lance will.
Und so zieht Letzterer seinen Wallach herum und reitet hinunter.
Bis zur Furt des Laramie River sind es noch fast zwei Meilen.
Als Reece Hackett unten auf der Ebene ist, muss er zwischen einigen Felsen hindurch, die wie eine graue, versteinerte Elefantenherde anmuten, die schon Jahrtausende der Erosion trotzen konnte. Denn es sind Granitfelsen.
Als er sie durchritten hat und wieder freie Sicht bekommt, sieht er vor sich eine uralte Burreiche und erkennt im Schatten der weit ausladenden Äste den Reiter, der dort ruhig im Sattel sitzt, eine Zigarette raucht und offenbar mit der Geduld eines Jägers auf ihn gewartet hat.
Lance reitet nur noch ein kurzes Stück vorwärts und hält dann an. Denn sein Instinkt für Unheil und Gefahr warnt ihn stark genug.
Der Reiter kommt aus dem Schatten der mächtigen Eiche herausgeritten. Da die Sonne zu dieser Tageszeit hoch am Himmel steht, wird keiner der beiden Reiter von ihr geblendet. Deshalb können sie sich gründlich betrachten, als sie ein Dutzend Yards voneinander getrennt verhalten.
Reece sieht einen Mann, der ihn ebenfalls hart betrachtet und der ihn an einen hageren Wolf aus der Apachenwüste denken lässt.
Der schmallippige Mund des Mannes wird noch schmaler. Seine Lippen wirken wie eine Messernarbe.
Der Mann spricht endlich: »Ich bin Jennison, Burt Jennison. Wenn ich Sie abschieße, bekomme ich tausend Dollar. So einfach ist das. Doch ich töte nicht aus dem Hinterhalt. Deshalb haben Sie eine Chance, Lance Hackett.«
»Sie kennen mich, Jennison?«
»Wer kennt Sie nicht, Hackett? Und wenn ich Sie im Duell besiegt habe, werde ich auch Ihren Partner Reece Nelson stellen. Ich sagte es schon vorhin, es ist alles ganz einfach zu verstehen.«
Als er verstummt, da schüttelt Lance Hackett leicht den Kopf.
»Nein, ich verstehe es nicht, noch nicht. Aber wenn Sie mir schon so offen mit Ihrem ganzen Revolverstolz entgegentreten, dann erklären Sie es mir. Wer will unseren Tod und zahlt dafür tausend Dollar Abschussprämie?«
Der breite, schmallippige Mund von Jennison verzieht sich ein wenig: »Ich sagte es doch schon, Hackett. Es ist einfach zu begreifen. Wenn dieser Wagenzug herrenlos wird, will die Bank in Omaha ihr Geld zurück, das Sie als Kredit für den Wareneinkauf bekamen. Meine Auftraggeber springen dann ein, und die Bank wird verdammt froh sein, erstklassige Schuldner zu finden. Oder glauben Sie, dass einer von Ihren Maultiertreibern an Ihre Stelle treten könnte?«
»Nein«, erwidert Hackett ruhig: »Es ist wirklich alles ganz einfach. Und wer sind Ihre Auftraggeber?«
»Aaah, das ist ein ganzer Trust, also eine Vereinigung von Unternehmen, die das Ziel haben, einen entstehenden Markt zu monopolisieren, also allein zu beherrschen. Er hat schon die Schifffahrt auf dem Missouri unter Kontrolle. Und nun geht es um die Versorgung des ganzen Landes bis hinauf zur kanadischen Grenze. Muss ich Ihnen noch mehr erklären?«
Hackett schüttelt stumm den Kopf.
Dann aber spricht er: »Und Sie glauben, dass Sie mich im fairen Duell schlagen und somit Ihre Revolverehre behalten könnten?«
»So ist es, Lance Hackett. Ich werde Sie schlagen. Im fairen Duell. Denn nur so kann ich Sie töten. Oder wollen Sie kneifen?«
Lance Hackett erwidert nicht gleich. Er lauscht erst tief in sich hinein, wo der Kern seines Wesens liegt und der Zorn, aber auch sanftere Gefühle geboren werden. Und da spürt er den aufsteigenden Zorn und weiß, dass es dagegen kein Ankämpfen geben kann.
Langsam spricht er: »Jennison, ich war vor dem Krieg daheim in Texas ein Revolvermann wie Sie. Aber nach dem Krieg schlug ich einen anderen Weg ein. Ich warne Sie.«
Aber Jennison schüttelt stumm den Kopf und sitzt mit einer geschmeidigen Bewegung ab, tritt dann drei Schritte seitwärts von seinem Pferd weg und wartet dann.
Und so seufzt Lance Hackett bitter und sitzt ebenfalls ab.
Sie stehen sich nun gegenüber und rücken ihre Revolverholster mit den schweren Waffen zurecht, verharren etwas breitbeinig stehend und sehen sich eine Weile schweigend an.
Dann spricht Jennison: »Wenn Sie bereit sind, Hackett, dann ziehen wir beim nächsten Falkenschrei am Himmel.«
»Einverstanden, Jennison.«
Sie müssen dann eine Weile angespannt und lauernd warten. Denn die Falken am Himmel stoßen eine ganze Minute keine Pfiffe aus.
Dann aber passiert es jäh und fast unerwartet.
Die beiden Männer ziehen, um sich zu töten. Denn jeder von ihnen will es.
Burt Jennison will sich Revolverlohn verdienen, Hackett aber überleben.
Es kommt auf einen winzigen Sekundenbruchteil an.
Um diesen Bruchteil einer Sekunde ist Lance Hackett schneller. Und so stößt seine Kugel Burt Jennison bei seinem Abdrücken.
Hackett schießt weiter. Er kann nicht anders, will er überleben. Er darf Jennison keine Chance lassen, obwohl er ihn schwanken sieht und erkennen kann, wo seine Kugel in den Revolvermann einschlug.
Doch auch ein angeschossenen Revolvermann kann noch töten.
Er trifft Jennison zum zweiten Mal und sieht ihn auf die Knie fallen. Jennison schießt vor sich in den Boden, fällt dann aufs Gesicht.
Und dann begreift Lance Hackett, dass es vorbei ist.
Langsam tritt er näher, schiebt einen Fuß unter Jennisons Taille und dreht ihn auf den Rücken. Dabei spürt er die ganze Bitterkeit gegen diese Welt.
Er und sein Partner Reece Nelson erledigen einen redlichen Job. Sie betrügen niemanden und geben mehr als hundert Leuten Arbeit, zahlen ihnen Lohn.
Aber ein mächtiger Trust, dessen Bosse im Osten sitzen, will sich Monopole verschaffen und geht dabei über Leichen, wirbt Revolvermänner an, die für Geld bereit zum Töten sind. Aber vielleicht war das schon immer so auf dieser Welt.
Er blickt auf Burt Jennison nieder, den er zweimal traf.
Doch Jennison ist noch nicht tot. Er öffnet noch einmal die Augen und blickt zu ihm empor. Sein harter Mund verzerrt sich.
Dann spricht er heiser: »Es war ein faires Duell. Ich wusste immer, dass ich mal auf einen schnelleren Mann stoßen würde ...«
Nach diesen Worten atmet er für immer aus.
Lance Hackett hebt die Hand und wischt sich über sein gebräuntes Gesicht.
Dann sieht er zu Jennisons Pferd hinüber. Das Tier steht still, bewegt nur die Ohren und schnaubt leise.
Es ist ein Kriegspferd, das sich auch beim Krachen der Schüsse nicht bewegte, weil die Zügelenden am Boden liegen. Denn dies ist die erste Lektion solcher Tiere.
Hackett bückt sich nieder und hebt Jennison auf. Der Tote wiegt gewiss um die hundertsechzig Pfund, aber das macht Lance Hackett wenig Schwierigkeiten, als er ihn quer über den Sattel des nervös schnaubenden Tieres legt.
Er redet ruhig auf das Tier ein, indes er ihm Hals und Brust klopft: »Bring ihn zur Stadt beim Fort zurück. Ich wette, du kennst den Weg zum Mietstall. Gewiss hat er genügend Geld für eine noble Beerdigung in seinen Taschen.«
Nach diesen ruhigen Worten wendet er das Tier in Richtung Laramie und zur Furt, schlägt es leicht auf die Hinterseite. Der Rotfuchs schnaubt und setzt sich in Bewegung.
Hackett sieht ihm lange nach, dreht sich dabei eine Zigarette und zündet sie an.
Dabei denkt er: Auf welche Art werde ich eines Tages sterben? Nur gut, dass man dies nicht voraussehen kann – nur gut.
✰✰✰
Als er die Furt des Laramie River erreicht, ist der Rotfuchs mit dem Toten drüben im kleinen Ort verschwunden. Das Tier kannte den Weg zum Mietstall also genau.
Lance Hackett überlegt, ob er auf den Wagenzug warten oder schon hinüber zum Fort reiten soll.
Doch da sieht er drei Reiter aus dem Fort kommen, uniformierte Reiter, also Soldaten. Einen kennt er. Es ist der Quartiermeister, Captain Stonebreaker, der gewiss schon ungeduldig auf den Wagenzug gewartet hat. Er hat zwei Sergeants bei sich, die Hackett ebenfalls bekannt sind.
Hackett erinnert sich wieder daran, dass die beiden Sergeants zu den Soldaten des Forts gehörten, die vor mehr als einem halben Jahr von seinen Frachtfahrern in der Kantine bei einer schrecklichen Rauferei schlimm verprügelt wurden.
Und so weiß er, dass da keine Freunde geritten kommen.
Der Quartiermeister Captain Stonebreaker hat eine zu kurze Oberlippe, sodass er ständig die oberen Beißzähne zeigen muss, etwa so wie ein Biber, der schon lange keinen Baum mehr fällen konnte, sodass sich seine Zähne nicht abnutzen konnten. Stonebreaker versucht das dadurch verursachte falsche Lächeln mit einem Walrossbart zu tarnen, doch es gelingt ihm nicht völlig.
Als er mit den beiden Sergeants rechts und links von sich vor Lance Hackett verhält, da geht von ihnen der Atem von Feindschaft aus.
Nach einer Weile sagt Stonebreaker: »Da sind Sie ja endlich, Hackett. Haben Sie alles mitgebracht oder die Hälfte vergessen?«
»Ich habe alles, was auf der Liste stand«, erwidert Hackett.
Der Captain nickt kurz, fragt dann: »Was ist mit dem Toten, der quer über dem Sattel seines Pferdes durch die Furt kam? Haben Sie damit etwas zu tun?«
»Und wenn, Stonebreaker, und wenn, dann geht es die Armee nichts an. Mein Wagenzug wird in etwa einer Stunde die Furt erreichen. Wo sollen wir abladen?«
»Im Fort vor den Magazinen, aber stets nur zwei Wagen. Erst wenn jeweils zwei Wagen entladen sind und das Fort verlassen haben, dürfen die nächsten zwei herein. Wie viele Wagenladungen sind für Fort Laramie bestimmt?«
»Siebzehn, Stonebreaker, siebzehn Doppelwagen. Hat die Armee Angst vor uns? Oder warum dürfen nur jeweils zwei Wagen ins Fort zum Abladen?«
Der Captain zeigt seine Biberzähne nun noch deutlicher unter seinem Schnurrbart. Dann spricht er böse: »Hackett, Ihre Fahrer und Maultiertreiber sind total verwilderte Hurensöhne, ganz und gar eine unzivilisierte Horde. Das ganze Fort ist für diese Kannibalen absolutes Sperrgebiet. Unsere Truppe würde sich abermals herausgefordert fühlen. Es sind noch zu viele Rechnungen offen. Sie haben mich verstanden, Hackett?«
Er fragt es klirrend hart.
»Gewiss, Mister Pferdesoldat«, erwidert Hackett. »Ihr Blaubäuche würdet ohne uns verhungern. Die stolze Armee würde nicht mal Läusesalbe zur Verfügung haben. Ja, ich habe verstanden.«
Der Quartiermeister des Forts – er ist verantwortlich für die Versorgung des ganzen Regimentes von siebenhundert Mann, starrt ihn böse an.
»Vielleicht werden einige von euch bald in unseren Arrestzellen schmoren«, stößt er hervor und wendet sein Pferd.
Die beiden Sergeants zögern noch sekundenlang.
Dann stößt einer hervor: »Auf euch haben wir schon lange gewartet.«
Dann folgen sie dem Captain.
Er sieht ihnen nach.
Was er jetzt erlebte, das hat er befürchtet.
Ja, er fühlt sich in der Klemme. Seine Männer sind wirklich primitive, raue Burschen. Kaum einer kann lesen und schreiben, manche höchstens ihren Namen. Und sie respektieren nur den stärkeren Mann.
Doch er konnte keine anderen Männer finden. Es geht ihm wie einem Kapitän, der mit seinem Schiff auf Walfang geht, viele Monate auf See ist und dessen Besatzung aus den härtesten Kerlen besteht.
Mit anderen Männern könnte solch ein Kapitän seinen Job nicht machen.
Uns so ist es auch mit ihm und seinem Partner Reece Nelson.
Mit Engeln oder Dandys kann man nicht durch die Hölle.
Als er sich im Sattel umwendet, sieht er den ersten Wagen über den Hügelkamm kommen. Auch die Vorreiter sind bei dem Wagen.
Er reitet ins strömende Wasser der Furt.
Von dem gegenüberliegenden Ufer kommt ihm ein Reiter entgegen. Doch dann sieht er, dass es kein Reiter, sondern eine Reiterin ist.
Er hält an und wartet.
Sie kommt aus dem Fort geritten, denkt er, nicht aus der kleinen Stadt im Schatten des Forts. Wahrscheinlich ist sie eine Offiziersfrau.
Er verspürt eine zunehmende Neugierde, und je näher sie kommt, umso mehr wird er sich bewusst, dass sie eine besondere Frau ist.
Heiliger Rauch, denkt er, was für eine Frau kommt da angeritten?
Dann hält sie vor ihm das Pferd an, und er sieht in zwei grüne Augen, in denen er ein Funkeln erkennen kann. Ihr Haar ist rabenschwarz. Sie hat es hinter dem Kopf mit einem grünen Band zu einer Art Pferdeschwanz zusammengebunden und so gebändigt.
Er spürt ihre besondere Ausstrahlung, die ihn wie ein Anprall trifft, den er deutlich spüren kann.
Und dann ihr Gesicht ...
Oho, es ist ein Gesicht von der starken, eindringlichen Sorte reifer Schönheit, die das Leben eindrucksvoll geformt hat. Und so weiß er, dass dieser Frau die Höhen und Tiefen des Lebens nicht fremd sind. Es ist ein Gesicht mit einem großen Mund und klaren Konturen, ganz und gar das leidenschaftliche, wache, herbe und herrliche Gesicht einer besonderen Frau.
Sie sitzt wie ein Cowgirl in einem Cowboysattel, nicht in einem Damensattel. Und sie trägt einen ledernen geteilten Reitrock, dazu Cowboystiefel. Es sind sehr zierlich wirkende Stiefel mit silbernen Sporen.
Und an ihrem Gürtel hängt ein Revolver.
Ihre dunkle, melodisch klingende Stimme fragt: »Sind Sie Mister Lance Hackett? Der Quartiermeister nannte mir Ihren Namen vorhin im Vorbeireiten.«
»Ich bin Hackett«, erwidert er und verspürt eine starke Neugier. Denn er ahnt, dass sie etwas von ihm will.
»Mein Name ist Bullock, Brooke Bullock«, sagt sie ruhig.
Dann betrachtet sie ihn einige Atemzüge lang wortlos. Er spürt, dass ihr Instinkt an ihm tastet, in ihn einzudringen versucht. Ja, er spürt es wie einen Anprall fast körperlich.
Und so weiß er, dass sie ihn prüft, ob sie ihm trauen kann, und dass herausfinden will, zu welcher Sorte er gehört. Denn immerhin ist er der Boss einer rauen Mannschaft von Frachtfahrern und Maultiertreibern. Es könnte also sein, dass auch er zu dieser üblen Sorte gehört, also kein ritterlicher Gentleman ist.
Er lächelt nachsichtig und fragt ruhig: »Was kann ich für Sie tun, Lady?«
»Nehmen Sie mich mit nach Fort Gibson, Mister Hackett. Denn dorthin müssen Sie einige Wagenladungen liefern. Oder nicht?«