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Als es Abend wurde, leuchteten die Lichter von Hope immer heller in der stetig dunkler werdenden Nacht. Auch die Sterne am Himmel wurden immer klarer. Der Mond war noch hinter den Hügeln verborgen, aber bald würde er wie ein blanker Riesendollar am Himmel schweben.
Mir fiel ein, dass ich fünf Jahre fort gewesen war, fünf lange Jahre, von denen jedes doppelt und dreifach zählte, was meine Reife als Mann betraf. Ich war ein erfahrener Wolf geworden, mit Narben am Körper und an der Seele.
So ist das nun mal, wenn man hinaus in die Welt reitet, um sich darin zu behaupten, und keiner Herausforderung aus dem Weg geht, um seine Grenzen zu auszuloten. Ich hatte durch Zufall gehört, dass es im Hope-Land einige drastische Veränderungen gegeben haben sollte, die auch meine Familie betrafen. Und obwohl ich damals in Unfrieden weggeritten war, kam ich nun zurück, um nach meinen Eltern, dem Bruder und der Schwester zu sehen ...
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Mullegans Jagd
Vorschau
Impressum
Mullegans Jagd
Als es Abend wurde, leuchteten die Lichter von Hope immer heller in der stetig dunkler werdenden Nacht. Auch die Sterne am Himmel wurden immer klarer. Der Mond war noch hinter den Hügeln verborgen, aber bald würde er wie ein blanker Riesendollar am Himmel schweben.
Mir fiel ein, dass ich fünf Jahre fort gewesen war, fünf lange Jahre, von denen jedes doppelt und dreifach zählte, was meine Reife als Mann betraf. Ich war ein erfahrener Wolf geworden, mit Narben am Körper und an der Seele.
So ist das nun mal, wenn man hinaus in die Welt reitet, um sich darin zu behaupten, und keiner Herausforderung aus dem Weg geht, um seine Grenzen auszuloten. Ich hatte durch Zufall gehört, dass es im Hope-Land einige drastische Veränderungen gegeben haben sollte, die auch meine Familie betrafen. Und obwohl ich damals in Unfrieden weggeritten war, kam ich nun zurück, um nach meinen Eltern, dem Bruder und der Schwester zu sehen ...
Ich erinnerte mich – indes ich auf die Lichter zuritt auf dem staubigen Wagenweg – an Jane Ballous schönes Haus am Stadtrand. Dort in diesem Etablissement hatte mich mal ein Mädchen mit Namen Rosy für fünf Dollar in einer Nacht vom Jungen zum Mann werden lassen – was die Erfahrung mit Frauen betraf.
Ob es Jane Ballou und deren Mädchen noch gab?
Wenn ja, dann würde ich dort gewiss alles erfahren, was in diesem Land in den vergangenen fünf Jahren geschehen war. In solchen Häusern erfuhr man stets eine Menge mehr als sonst wo. Ich kannte mich aus.
Als ich nahe genug an der Stadt war, erreichte ich eine schmale Abzweigung und folgte ihr.
Ja, ich kannte den Weg noch, erinnerte mich wieder daran, wie ich damals um die Stadt herum zu Jane Ballous Etablissement geritten war, um nicht gesehen zu werden.
Wenig später hielt ich vor dem schönen Anwesen, das wie eine dieser Haciendas der spanischen Dons gebaut war, mit einem Innenhof also, der zum größten Teil ein blühender Garten war. Ja, dieses Haus hatte ein gewisses Niveau.
Als ich bei den Corrals mein müdes Pferd anhielt und absaß, trat ein Mann aus dem Schatten der Scheune und sagte: »Guten Abend, Mister. Wollen Sie länger bleiben? Sollen wir Ihr Pferd versorgen? Natürlich können Sie bei uns auch ein Bad nehmen. Sie sind fremd hier, ja?«
Ich kannte den Mann. Er war hier schon vor zehn Jahren für alles verantwortlich gewesen. Aber ich sagte nicht, dass ich ihn kannte, gab mich ihm nicht zu erkennen.
»Ich weiß noch nicht, ob ich lange bleibe«, erwiderte ich. »Doch mein Pferd soll gut versorgt werden.«
Der Mann hieß Barney. Er sah mich im Lichtschein, welcher aus dem Haus fiel, noch einmal prüfend an. Aber er erkannte mich nicht.
Ich ging hinein in das noble Etablissement von Jane Ballou.
O Moses, ich ahnte nicht, was mich drinnen erwartete und was ich bald zu spüren bekommen würde wie einen Pferdetritt in die Magenpartie.
Drinnen in der großen Empfangshalle hatte sich wenig verändert. Vielleicht waren einige Teppiche und Kristallleuchter neu. Aber dann sah ich noch etwas, was damals nicht vorhanden gewesen war, nämlich ein großes Bild, das den Schönheitsstreit der Göttinnen darstellte, die sich Paris zur Beurteilung darboten. Der Maler hatte die Szene ziemlich frivol dargestellt.
Jane Ballou stand hinter der Bar, so wie ich sie von damals in Erinnerung hatte. Sie wirkte sehr würdig, fast edel mit ihren grauen Haaren und ihrem wunderschönen Gesicht. Ja, sie war auch im Alter noch wunderschön.
Im Hintergrund der großen Halle spielte eines der Mädchen Klavier. Andere Mädchen saßen da und dort mit ihren männlichen Gästen. Es wurde gelacht, getrunken und geschäkert.
Ich wandte mich Jane Ballou zu.
Sie lächelte mir verständnisvoll entgegen, ganz und gar wie eine gütige, mütterliche Freundin, der man sein Herz ausschütten kann und die für alle Nöte einen Rat weiß. »Hallo, Fremder«, sagte sie. »Wollen Sie Bourbon oder Tequila?«
Indes sie fragte, sah sie mir fest in die Augen. Ich aber fragte mich, ob sie mich erkennen würde. Und da sah ich auch schon, wie sie stutzte und aus den Tiefen ihrer Erinnerung etwas in ihr aufstieg. Dann funkelten ihre grünen Augen. Und ihr Lächeln war plötzlich verschwunden.
Sie sagte: »Mullegan, Cliff Mullegan, nicht wahr? Oha, aus einem wilden Jungen ist ein Mann geworden. Cliff Mullegan, an der Farbe deiner Augen würde ich dich noch in hundert Jahren wiedererkennen. Niemand auf dieser Erde hat so leuchtend blaue Augen wie du in deinem dunklen Gesicht – niemand sonst. Das sind Rebellenaugen. Oha, mein Junge, warum musste das alles so kommen?«
»Erzähl es mir einfach«, erwiderte ich. »Schenk mir einen Bourbon ein und erzähl mir alles. Ich bin mir sicher, niemand könnte es mir besser erzählen als du.«
Sie schenkte zwei Gläser voll.
Dann tranken wir uns zu.
Und als ich sie danach fragend ansah, ihr somit deutlich machte, dass sie beginnen sollte, da nickte sie in Richtung Treppe, die geschwungen nach oben führte.
Ihre Stimme klang heiser, als sie sagte: »Die da kann dir alles noch besser erzählen als ich.«
Ich sah zur Treppe hinauf. Von oben kam ein Paar herunter – ein noch junger Cowboy und eines von Jane Ballous Mädchen.
Das Mädchen kam mir bekannt vor.
O nein, es war nicht jene Rosy von damals.
Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz.
Das Mädchen war meine Schwester Sally.
O Vater im Himmel, dachte ich, wie kann das sein?
Ich stieß einen Laut aus, der wie ein schmerzvolles Stöhnen klang.
Jane Ballou goss mir noch mal das Glas mit bernsteinfarbenem Bourbon voll und sprach dabei fast flüsternd: »So ist nun mal das Leben, Cliff Mullegan. Sally wollte es so. Und bei mir hat sie es besser als in jedem anderen Putahaus. Sie wollte es so.«
Ich grollte böse, und es kam ein Zorn in mir hoch, den ich nur mühsam unter Kontrolle halten konnte.
Ich nahm den zweiten Drink und kippte ihn herunter, so als könnte er wie eine Medizin meine Schmerzen lindern. Ja, es war ein böser Schmerz in mir, nicht körperlich, sondern seelisch. Und immerzu wollte eine böse, zerstörerische Wut von mir Besitz ergreifen.
Sally brachte indes den jungen Cowboy zur Tür, bot ihm den Mund zum Abschiedskuss. Dann kam sie zur Bar, also zu Jane Ballou und mir. Sie lächelte, sah nur Jane Ballou an und sagte: »Stell dir vor, Tante Jane, er würde mich heiraten, wenn ich mit ihm ginge. Dieser Junge ...«
Sie hielt inne. Denn während sie sprach, hatte sie einen raschen Blick auf mich geworfen. Nun aber starrte sie mich wortlos an.
Sie war noch so jung. Noch keine zwanzig Jahre zählte sie. Aber um ihre Mundwinkel waren einige harte Linien. Ich erkannte es im Lampenschein. Und in ihren Augen, welche ebenso intensiv blau waren wie meine, erkannte ich eine Härte, die mich erschreckte.
Sie nahm den Drink, den Jane Ballou ihr inzwischen eingeschenkt hatte, und kippte ihn sich in die Kehle wie eine erfahrene Säuferin.
Dann sah sie zu mir empor.
»Du kommst spät, Bruder, zu spät. Du hättest jetzt nicht mehr zu kommen brauchen, jetzt, nachdem alles vorbei ist. Am besten, du haust wieder ab. Aber vorher möchtest du wohl von mir wissen ...«
»Ja, Sally«, unterbrach ich sie.
Sie nickte und wandte sich ab. Ich folgte ihr nach oben. O Himmel, dachte ich, was ist aus meiner kleinen Schwester geworden?
Es war ein nobles Zimmer mit einem prunkvoll wirkenden Messingbett. Sally setzte sich auf die Bettkante. Sie verbarg einen Moment ihr Gesicht in beiden Händen. Dann aber sah sie mich an.
»Vielleicht war es gut, dass du nicht hier warst«, flüsterte sie. »Denn dann wärest du wahrscheinlich getötet worden wie unsere Eltern und unser Bruder Tom. Für dich war es gut, dass du damals fortgelaufen bist, weil du die Welt sehen wolltest und die Abenteuer dich lockten. Wir hörten dann und wann von dir. Du wurdest ein Revolvermann und später ein Kriegsheld der Texasbrigade. Aber was nützt dir das jetzt alles? Du kommst zu spät, viel zu spät.«
»Verdammt«, knirschte ich, »erzähl mir die ganze Sache von Anfang an. Und natürlich wirst du nicht in diesem Haus bleiben, Sally. Aber bevor wir gehen, wirst du mir erst alles erzählen. Ich weiß nur sehr ungenau und bruchstückhaft, was hier im Hope-Land geschah. Erzähl mir alles aus der Sicht der Mullegans. Vorwärts, Schwester, fang an!«
Sie stieß einen fauchenden Laut aus.
»Pass gut auf, Bruder«, sprach sie dann herb. »Als du damals fortgeritten bist, da war ich noch deine kleine Schwester, ein dummes Ding, das noch an eine heile Welt glaubte. Jetzt bin ich eine erfahrene Frau. Kommandiere mich nicht herum. Rede anders mit mir. Du hast mir nichts zu sagen, verstehst du, gar nichts. Denn ich musste meinen Weg allein gehen, als ich plötzlich allein war. Und nun bleibe ich dabei.«
Sie machte eine kleine Pause. Dann verbarg sie wieder ihr Gesicht hinter ihren Händen. Ich begriff, dass sie sich nur äußerlich so spröde, herb und abweisend gab und es in ihrem Kern ganz anders aussah. Aber sie war zu stolz, um es mir zu zeigen.
Oha, verdammt noch mal, sie hatte sich trotz allem und obwohl sie in diesem Haus hier lebte, irgendwie einen Stolz erhalten.
Als sie dann die Hände vom Gesicht nahm, da sah ich doch Feuchte auf ihren Wangen schimmern. Ja, sie wollte ihre Tränen nicht zeigen, hatte sie aber dennoch nicht ganz abwischen können.
Langsam begann sie zu reden.
»Ein Mann kam ins Land. Duke Caesar nannte er sich. Er kaufte die Spanish Bit Ranch und warb eine starke Mannschaft an. Dann begann er, die Nachbarn zu bedrängen. Einige verkauften an ihn und zogen fort. Andere taten sich zusammen und versuchten, gegen den Druck standzuhalten. Es kam zum Krieg zwischen den vereinigten Kleinranchern und dem großen Cattleking. Ja, er wurde schnell ein großer Cattleking, der von Mexiko große Herden kommen ließ und damit die Weide besetzte. Die vereinigten Kleinrancher wählten unseren Vater zum Anführer. Es gab einige Kämpfe mit Duke Caesars Mannschaft. Wir eroberten die freie Weide für unsere Rinder zurück, auch wichtige Wasserstellen, von denen wir vertrieben wurden. Der Hope Creek wurde wieder die Grenze. Wir jagten die Spanish-Bit-Rinder hinüber und glaubten, Duke Caesar für immer in die Schranken verwiesen zu haben. Aber ...« Sie verstummte.
Ich aber fragte ungeduldig: »Aber was?«
»Dräng mich nicht, Bruder!«, fauchte sie, und ihr Gesicht zuckte wie vor Schmerz. »Dann kamen die fünf Gnadenlosen«, flüsterte sie fast tonlos.
»Wer?«, dehnte ich fragend.
»Die fünf Gnadenlosen«, erwiderte sie heiser. »So wurden sie bald im Hope-Land genannt. Fünf erbarmungslose Schießer waren es. Sie kamen von Mexiko herüber, wo sie während der Revolution für irgendwelche Großgrundbesitzer gearbeitet hatten. Sie wurden von Duke Caesar angeworben und machten für ihn die Drecksarbeit. Als sie damals unsere Ranch überfielen, Vater, Mutter und Bruder töteten, entkam ich nur deshalb, weil Vater mich fortschickte, um bei den Nachbarn Hilfe zu holen. Ich hörte noch lange das Krachen der Schüsse, indes ich lief und lief, bis ich stürzte, weil mir der Atem ausging und mir schwarz vor Augen wurde. Und dann war ein Reiter bei mir, einer dieser fünf Gnadenlosen. Er stieg lachend vom Pferd und sagte mir, dass er mich am Leben ließe, wenn ich mich ihm hingeben würde. Ich wollte leben, Bruder. Also ließ ich alles mit mir geschehen. Und indes wir im Gras lagen, hörte ich das Krachen der Gewehre bei unserer Ranch. Später dann war der Feuerschein am Himmel. Und der Kerl ritt lachend fort und rief zurück, dass ich es gewiss noch besser lernen würde. Nun, das habe ich ja dann auch hier. Willst du noch mehr wissen, Bruder?«
Sie fragte es hart.
Und ich hatte einen Kloß im Hals, konnte nichts sagen, nur stöhnen und mit den Zähnen knirschen.
Sie aber sprach schließlich weiter: »So wie uns erging es auch allen anderen. Diese fünf Killer räumten das Hope-Land für Duke Caesar frei, den man jetzt Big Duke nennt. Ich ging zu Jane Ballou in dieses Haus hier und mache all den Kerlen etwas vor, um ihr Geld zu bekommen. Wenn ich genug beisammen habe, werde ich nach New Orleans gehen und mir dort einen kleinen Laden kaufen – irgendeinen Laden, vielleicht ein kleines Kaffeehaus. Denn inzwischen bin ich eine erfahrene Frau geworden. Du bist zu spät gekommen, Bruder. Und das ist dein Glück.«
Ich schwieg immer noch. Und ich hatte solches Mitleid mit ihr, dass ich keine Worte finden konnte. Oh, ich hätte meine kleine Schwester jetzt so gerne in die Arme genommen und getröstet.
Aber womit hätte ich sie trösten können?
Verdammt, was war hier geschehen? Ich wusste, es war kein Einzelfall. Während des Krieges und danach war für rücksichtslose Burschen eine Menge möglich. In dieser Zeit vermochten sich rücksichtslose Piraten eine Menge zu erobern.
Und wenn sie es dann geschafft hatten und groß und mächtig geworden waren, dann sorgten sie für Recht und Gesetz in ihrem Machtbereich – für ihr Recht und ihr Gesetz. Denn nur so konnten sie ihre große Beute behalten.
Ich wusste Bescheid.
Indes meine Schwester erzählte, hatte ich mich in einem der Sessel niedergelassen und die Beine ausgestreckt. Ich spürte meine Sattelmüdigkeit vom langen Reiten. Doch ich wusste, ich würde mich nicht ausruhen.
Langsam öffnete ich meine Jacke und auch das Hemd und holte den Geldgürtel hervor, den ich auf dem bloßen Leib trug. Ich warf ihn neben meine Schwester aufs Bett.
»Du kannst jetzt schon nach New Orleans, Sally«, murmelte ich, »und dir dort einen Laden oder ein Café kaufen. Da sind siebentausend Dollar drin. Nimm die nächste Postkutsche. Ich sage Jane Ballou unten Bescheid.«
Nach diesen Worten erhob ich mich und ging zur Tür.
»Was hast du vor, Cliff?« So fragte Sallys Stimme hinter mir her.
Da blieb ich stehen und blickte über die Schulter zurück.
»Sicher, ich kam zu spät heim«, murmelte ich, »zu spät für euch, um euch zu helfen, doch nicht zu spät für die Jagd. Ich werde sie alle finden, Mann für Mann. Und den ersten Mann muss ich nicht einmal suchen. Sicher wird er mir sagen können, wie die Killer heißen und wohin sie wollten, nachdem er sie ausgezahlt hat. Er wird es mir sagen.«
Ich wollte weiter zur Tür. Aber da kam sie und warf sich schluchzend in meine Arme. Nun war sie doch wieder meine kleine Schwester, die bei ihrem Bruder Trost suchte.
Ich streichelte ihren Kopf, spürte die seidene Weichheit ihres goldblonden Haars. Aber wir mussten Abschied nehmen, kaum dass wir uns wieder gefunden hatten.
Denn wenn ich mit der Jagd begann, musste ich jeden Ballast abwerfen.
✰✰✰
Jane Ballou stand immer noch hinter der Bar, als ich herunterkam und zu ihr trat. Sie sah mich schweigend an.
»Ich gab ihr siebentausend Dollar für einen neuen Anfang«, sagte ich. »Sorg dafür, dass sie mit der nächsten Postkutsche nach New Orleans fährt. Versprichst du mir das, Jane?«
Sie schwieg immer noch, doch sie nickte.
»Und du?« So fragte sie nach einer Weile, indes wir uns fest in die Augen sahen.
Ich grinste, doch ich wusste, dass selbst harte Burschen sehr, sehr vorsichtig wurden, wenn ich so grinste.
Ganz ruhig sagte ich: »Sie nennen ihn jetzt Big Duke, nicht wahr? Nun, ich werde herausfinden, wie groß er wirklich ist. Leb wohl, Jane Ballou.«
»Viel Glück, Cliff Mullegan«, erwiderte sie.
Dann ging ich.
Als ich von Barney draußen mein Pferd verlangte, da fragte er: »Hat es Ihnen nicht gefallen, Mister?«
»Nein«, entgegnete ich. »Aber das ist nicht die Schuld von Jane Ballou und deren Engelchen. Es lag an besonderen Umständen. Bekomme ich nun mein Pferd, Barney?«
»Oh, Sie kennen meinen Namen«, murmelte er und ging, um mein Pferd zu holen. Als er mir das Tier brachte, sah er mich abermals forschend an.
»Sollte ich Sie kennen, Mister?« So fragte er vorsichtig.
»Besser nicht«, erwiderte ich und saß auf.
Dann ritt ich aus der Stadt.
✰✰✰
Ich erinnerte mich noch gut an die Spanish Bit Ranch. Es war einst eine kleine Ranch wie unsere, und sie lag westlich des Hope Creek. Damals gehörte sie Ernest Fisher. Und er hatte sie offenbar an diesen Duke Caesar verkauft, der sie als Ausgangsbasis benutzte, um sich wie ein Pirat ein Rinder- oder Königreich zu erobern.
Der Weg zur Spanish Bit Ranch war etwa sieben Meilen weit. Ich ritt langsam, denn ich wollte erst nach Mitternacht dort ankommen.
Was dann sein würde, nun, das fand sich gewiss. Ich machte mir deswegen keine besonderen Sorgen. Natürlich würde ich etwas Glück auf meiner Seite haben müssen. Aber damit rechnete ich.
Indes ich des Weges ritt, dann und wann anhielt und in der hellen Nacht die vertrauten Landmarken zu erkennen versuchte, da dachte ich über meine kleine Schwester nach.
Ob ich sie jemals wiedersehen würde?
Ja, ich war mir sicher, dass sie nach New Orleans gehen würde, um dort einen neuen Anfang zu finden. Und längst kannte sie die Schlechtigkeit und Gnadenlosigkeit der Welt. Sie war kein dummes Schaf mehr, sondern angefüllt mit Wachsamkeit und Misstrauen. Sie würde nicht mehr untergehen, sondern sich behaupten. Und vielleicht verblasste eines Tages alles, was sie hier zurückließ an bitteren Erinnerungen, wie ein böser Traum und sie fand irgendwie ihr Glück.
Ich wünschte es ihr von Herzen.
Doch dann dachte ich wieder an diesen Duke Caesar.
O Mann, ich würde ihn bald kennenlernen und ihn dann die Trompete Gabriels hören lassen. Aber vorher würde er mir noch einiges erzählen müssen.
✰✰✰
Als ich nach etwa drei Meilen den Hope Creek erreichte, stand bei der Furt ein Sattelpferd. Und ein lallender und fluchender Mann versuchte, in den Sattel zu kommen. Als er das endlich schaffte, fiel er auf der anderen Seite wieder hinunter und platschte in das flache Wasser des Creeks.
Ich hörte ihn trunken lallen: »Dadadann leleleckt mimimich doch alle, dadadann schlaschlafe ich eben hier, hihihi!«
Er machte es sich tatsächlich im flachen Wasser bequem. Wahrscheinlich schuf das Feuerwasser in ihm so viel Hitze, dass er die Kühle des Wassers nicht spürte.
Ich hockte grinsend im Sattel. Oha, was hatte sich dieser Cowboy doch mächtig beschlaucht! Sein Pferd trug den Spanish-Bit-Brand. Und so war mir der Bursche gerade recht. Ich saß ab und trat zu ihm. Er schnarchte schon rasselnd, und er war ein sehr kleiner, krummbeiniger Bursche, einer von der Sorte, die man in jeder Mannschaft hatte und einfach nur Shorty nannte.