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Es soll einmal fünfzig Millionen Büffel gegeben haben. Und natürlich gab es unter ihnen eine Anzahl besonders prächtiger Exemplare, wie es ja auch unter den Menschen immer wieder welche gab, die aus der Masse herausragten, deren Namen zur Legende wurde.
Unter den Büffeln war »Red Bull« solch ein Exemplar.
Die Legende erzählt, er sei der größte, stärkste und schlaueste Bursche seiner Art gewesen und sein Fell habe einen dunkelroten Schimmer gehabt.
Und mit Red Bull beginnt unsere Geschichte, die Büffeltal-Legende ...
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Büffeltal-Legende
Vorschau
Impressum
Büffeltal-Legende
Es soll einmal fünfzig Millionen Büffel gegeben haben. Und natürlich gab es unter ihnen eine Anzahl besonders prächtiger Exemplare, wie es ja auch unter den Menschen immer wieder welche gab, die aus der Masse herausragten, deren Namen zur Legende wurde.
Unter den Büffeln war »Red Bull« solch ein Exemplar.
Die Legende erzählt, er sei der größte, stärkste und schlaueste Bursche seiner Art gewesen und sein Fell habe einen dunkelroten Schimmer gehabt.
Und mit Red Bull beginnt unsere Geschichte, die Büffeltal-Legende ...
Red Bull führt die Herde wie jedes Jahr im Frühling nach Nordwesten. Es sind gewiss an die hunderttausend Büffel, ein Element, welches sich auf vierhunderttausend Hufen bewegt – und wenn sie in Stampede geraten, dann bebt die Erde, und der Donner ihrer Hufe ist viele, viele Meilen weit zu hören.
Auch in diesem Frühjahr machen die Indianer wieder Jagd auf die Büffel, ausgehungert in ihren Winterdörfern, lechzend nach frischem Fleisch.
Auch auf Red Bull machen die Indianer Jagd, aber nicht wegen seines Fleisches oder seines Fells. Sein Fell ist zottig und hat viele Narben. Und wollte man Leder aus diesem Fell machen, hätte man dreimal so viel Arbeit damit wie bei einem normalen Büffelfell.
Red Bull wird wegen seines Kopfes gejagt. Denn aus seinem Kopf mit den für einen Büffel großen Hörnern kann man eine besonders imposante Büffelhaube machen, mit der man beim Büffeltanz von allen anderen bestaunt und beneidet werden würde.
Man will also Red Bulls Kopf. Und das schon seit einigen Jahren.
Deshalb sind auch so viele Narben in seinem Fell.
Aber der riesige Büffelbulle weiß sich zu wehren, und er lernte so das Töten. Er wurde ein Killer-Bulle.
Auch an diesem schönen Frühlingstag ist es so.
Als die Riesenherde in Stampede ausbricht und die Erde auf viele Meilen in der Runde – ja, es sind gewiss fünfzig Meilen! – zu beben beginnt, da kommen einige Indianer auf ihren bunten Pferden an der Südflanke nach vorne gejagt.
Und Gelbvogel, ein prächtiger Cheyennekrieger, hat das beste Pferd und ist zuerst neben Red Bull an der Spitze der wohl zehn Meilen langen Herde.
Gelbvogel hat eine besonders gute Büffellanze. Für ihre Stahlspitze gab er dem Händler einst viele prächtige Felle.
Und nun will er sie dem gewaltigen Büffelbullen gleich neben der Schulter in den mächtigen Körper jagen, wenn möglich, bis ins Herz hinein. Er treibt sein Pferd noch einmal zu einem gewaltigen Sprung an, um dieses Vorspringen zugleich für den Stoß auszunutzen.
Doch in diesem Moment wirft sich der gewaltige Bulle im vollen Lauf nach links, unterläuft mit unglaublicher und unerwarteter Katzenhaftigkeit den blanken Stahl der Lanzenspitze und rammt das Pferd in die Flanke. Das arme Tier wird umgeworfen. Und der ehrgeizige Büffeljäger Gelbvogel vom Volk der Cheyenne hat keine Chance mehr. Es wird von ihm und seinem Pferd nicht mehr viel zu sehen sein, wenn die Herde vorbei ist und in der Ferne verschwindet.
Red Bull aber, der Killer-Bulle, hat es nun noch stärker in seinem Instinkt, wie man jene Lebewesen zu töten hat, die ihn immer wieder angreifen und ihm so oft schon Schmerzen zufügten.
An diesem Tag, da seine Riesenherde von indianischen Jagdtrupps gejagt und um einige Dutzend Tiere dezimiert wird, bekommt er zwei Pfeile und einen Lanzenstich ab. Aber er zahlt alles mit Zins und Zinseszinsen zurück. Er wirft noch drei weitere Indianermustangs von den Hufen. Und die Herde hinter ihm macht Pferde und Reiter zur formlosen Masse.
Dann ist der Tag um.
Und Red Bull wälzt sich so lange im Büffelgras, bis die Pfeile abbrechen und er nur noch die schmerzenden Spitzen unter der dicken Haut im Muskelfleisch spürt.
Er ist an diesem langen Tag wieder einmal am Leben geblieben.
Und er ist erfahrener und bösartiger geworden.
Diese seltsamen Wesen, die ihn immer wieder angreifen und ihm Schmerzen zufügen, wird er in Zukunft ohne jede Warnung angreifen. Dies sagt ihm sein Instinkt.
Und noch etwas sagt ihm sein Instinkt, obwohl es sich gar nicht präzise ausdrücken lässt. Es ist unbestimmbar und dennoch vorhanden.
Irgendwann im Verlauf der Nacht gibt Red Bull diesem Drängen nach. Er erhebt sich aus dem Büffelgras und wandert zu einigen Kühen. Er stößt sie mit seiner Nase an und brummt dabei.
Die Herde schläft.
Doch die Kühe folgen ihm, als er in die Nacht trottet.
Es sind sieben Kühe, und er verlässt mit ihnen den alten Büffelweg, den alle Büffel schon seit Urzeiten zogen und auf dem bald die Eisenbahn ihre Schienenstränge nach Westen legen wird. Denn dieser alte Büffelweg ist auch der beste Weg für die Union Pacific.
Red Bull wird in dieser Nacht und in den ihr folgenden Tagen und Nächten vor Schmerzen auf einen ganz anderen Weg getrieben. Er folgt allein seinem Instinkt, der ihn irgendwohin lenken will, wo es Ruhe, Frieden und Sicherheit für ihn geben soll.
Sicherlich ist Red Bull eine Ausnahme unter fünfzig Millionen Büffeln, die es zu seiner Zeit schon längst nicht mehr gibt. Es hat gewiss noch niemals einen solchen Büffelbullen gegeben.
Dies sollte man stets vor Augen haben beim Weiterlesen dieser Geschichte.
Aber wenn Red Bull ein normaler Büffelbulle gewesen wäre, würde ja auch nicht die Büffeltal-Legende entstanden sein.
Irgendwo in den Bergen von Wyoming scheint es nicht mehr weiterzugehen. Es sieht so aus, als hätte sich der mächtige Bulle mit seinen sieben Kühen verirrt und müsste umkehren.
Doch dann findet er das Loch.
Es ist wie ein großes, offenes Tor, verborgen von Tannen und einer Menge Buschzeug. Doch der Bulle drängt sich hindurch, brummend und schnaufend, so als wäre er schon einmal hier gewesen. Aber vielleicht wittert er nur den Luftzug.
Die sieben Kühe folgen ihm.
Sie müssen durch das Tor, welches in der von jahrtausendelanger Erosion zernagten Bergwand von einer Felsenbrücke gebildet wird.
Und wenn die acht Büffel denken könnten und schon wie die Menschen etwas von einem Paradies gehört hätten, dann würden sie beim Anblick dieses Tales glauben, dieses Paradies gefunden zu haben.
Doch so heben sie nur ihre Nasen witternd in den Aufwind, der ihnen vom weiten Tal her entgegenweht. Dieser warme Aufwind erzählt ihnen etwas von schattigen Wäldern, von saftiger Weide, duftenden Gräsern und viel, viel Wasser.
Red Bull brüllt zufrieden.
Doch bevor er seine sieben Kühe in das Tal abwärtsführt, wendet er sich noch einmal um und betrachtet das Felsentor, durch welches sie kamen.
Es ist natürlich undenkbar, dass ein Büffelbulle Verstand zum Denken hat und dass er sich dieses Felsentor als etwas vorstellen kann, durch welches Gefahren zu ihm und seinem Harem vordringen könnten.
Und dennoch ist der Instinkt eines jeden Lebewesens oftmals eine unerklärlich wunderbare Sache.
Jetzt ist es sicherlich so, dass Red Bull mit seinem Instinkt genau spürt, dass ihm durch dieses Felsentor Verdruss folgen könnte.
Und dieses instinkthafte Wissen prägt sich seinem Kern ein wie äußerlich die frischen Narben seinem Fell. Und er wird dies alles immer wieder spüren, so wie er die Pfeilspitzen in seinem Fleisch spürt – immerzu. Denn sie sind wie fortwährende Nadelstiche, die ihn ständig erinnern an die Jagd auf ihn, an seine Kämpfe mit diesen anderen, gefährlichen Lebewesen.
Er führt vorerst seine sieben Damen hinunter zu einem See, den die Biber anstauten.
Der See ist an einigen Stellen schon recht morastig, und dies gefällt den Büffeln sehr. Behaglich wälzen sie sich im Schlamm. Ja, sie sind im Paradies angekommen.
Red Bulls Damen werden es ihm gewiss danken mit besonders kräftigen Nachkommen.
✰✰✰
In diesen Jahren beginnt das große Büffelschlachten. Die Büffeljäger töten die Büffel wegen deren Häute zu Hunderttausenden.
Dort, wo einige Dutzend Büffeltöter und Abhäuter über eine Herde herfallen, ist die Prärie bald mit stinkenden Kadavern bedeckt, an denen sich die Aasfresser mästen.
In diesen Jahren, die Red Bull mit seinem Harem in dem schönen Tal verbringt, wird auch der Bau der Union Pacific beendet und kommt der Indianerkrieg mit den Sioux und Cheyennes voll in Gang. Am Bozeman Trail werden Forts errichtet, und die Friedensverhandlungen bei Fort Laramie bleiben erfolglos.
Und General Custer wird bald mit dem Siebten Regiment in die große Sioux-Falle am Little Big Horn reiten.
Doch von all diesem Geschehen bleibt das verborgene Büffeltal unberührt.
Dennoch liegt das nicht so sehr am Zufall, sondern eigentlich allein an Red Bull.
Er tötete nämlich in diesen Jahren einige Menschen.
Und er tötet sie wie eine aus der Hölle entsprungene, bösartig vernichtende Kraft, ein erbarmungsloses Untier.
Merkwürdig ist es, wenn er seine kleine, doch stetig anwachsende Herde verlässt und zu jenem Felsentor hinaufwandert. Es ist ein geheimnisvoller Instinkt, der ihn so handeln lässt.
Denn immer dann, wenn er oben beim Felsentor ist, muss er nicht lange warten, zumeist nur wenige Minuten und niemals länger als eine Stunde.
Der erste Mensch, dem er den Zutritt in sein Paradies verwehrt, ist ein Trapper, der das Felsentor ganz zufällig fand, als er einen verwundeten Bären verfolgte. Im vergangenen Jahr hatte Biber Johns hier ganz besonders schöne Biberfelle erbeutet, dazu noch den Winter über allerschönste Edelpelze.
Nun kommt er mit zwei Packtieren, um sich wieder einzurichten für eine lange Jagdsaison.
Aber dann sieht er ein gewaltiges Ungetüm auf sich zustürmen. Er erkennt, dass es ein gewaltiger Büffel sein muss – dreieinhalb Yards lang ohne Schwanz und schwerer als eine Tonne, wahrscheinlich also über zweitausend Pfund schwer. Dieses schnaubende Ungetüm wirft ihn mitsamt Pferd um. Und als der Trapper aufspringt und zu seinem Pferd springt, um an eines der beiden Gewehre zu kommen, die der sich wälzende Gaul in den beiden Sattelholstern trägt, da kommt das Ungetüm schon wieder. Denn es machte kehrt wie eine große Katze.
Der Trapper kann gar nicht glauben, dass dies ein gewaltiger Büffelbulle ist, aber sein Verstand und seine Erfahrung sagen ihm dies im allerletzten Moment.
Er zieht noch den Colt und versucht, das Ungetüm mit Revolverkugeln aufzuhalten. Doch es gelingt ihm nicht.
Vom Trapper bleibt nicht mehr viel übrig – und nach Tagen ist nur noch sein zernagtes Gerippe unter dem Felsentor zu sehen.
Red Bulls nächste Opfer sind zwei desertierte Soldaten, die einen Offizier erschlugen und nun ihre Hälse retten wollen.
Sie werden von drei indianischen Scouts gejagt, die sich das Kopfgeld verdienen wollen, welches die anderen Offiziere des Regiments ausgesetzt haben.
Auch die beiden Deserteure finden das Felsentor nur durch Zufall, weil sie sich bei den Bäumen und Büschen vor dem Felsentor in einen Hinterhalt legen wollten.
Sie reiten bald darauf in ihr Verderben.
Denn der Bulle greift sie an wie einige Monate zuvor den Trapper, und er lässt ihnen keine Chance, als er von der Seite her gegen ihre Pferde stürmt und sie gleich alle beide umwirft.
Als dann die drei indianischen Armee-Scouts auftauchen, finden sie nur noch die Toten.
Und sie erblicken den gewaltigen Bullen, der wütend schnaubt, mit den Hufen den Boden scharrt und den gesenkten Kopf schüttelt.
Der eine Scout sagt wie betend: »Seht, ein roter Bulle! Man sagt, dass sie noch seltener wären als die weißen. Und dass sie aus der Hölle kämen, weil sie verzauberte Teufel wären, sagt man auch. Kommt, Freunde, kommt nur. Mit dem lassen wir uns lieber nicht ein. Der bewacht das Tal. Vielleicht ist das hier der Eingang zur Hölle. Reiten wir!«
Er zieht sein Pferd herum.
Doch die beiden anderen Scouts zögern noch. Einer ist ein Halbblut und deshalb weniger abergläubisch als die beiden Vollblutindianer. Er zieht das Gewehr aus dem Sattelschuh und knurrt: »Dem gebe ich noch was! Mal sehen, ob er wirklich ein Teufel in Büffelgestalt ist. Denn dann vertrüge er ja heißes Blei. Mal sehen!«
Und er drückt ab, indes Red Bull auf ihn zustürmt.
Die Kugel trifft den Bullen mitten auf die Stirn. Das kann man sehen, denn auf seiner Stirn fliegt die Fellwolle. Aber die Kugel hält ihn nicht auf. Sie zeigt kaum mehr Wirkung als ein Stein, den ein Knabe mit einer Steinschleuder schießt.
Auf die drei Armee-Scouts wirkt das wie ein Zauber, wie ein Wunder. Aber wahrscheinlich hatte die Patrone nur eine zu schwache Pulverladung. Die drei Armee-Scouts aber denken nicht an eine schwache Pulverladung. Für sie ist das ein gewaltiger Zauberbulle, ein Teufel in Büffelgestalt, der auch durch eine Gewehrkugel nicht aufzuhalten ist.
Sie wenden sich zur Flucht.
Aber sie müssen ja erst ihre müden Pferde herumreißen und dann anspringen lassen. Der Bulle aber ist schon in »Fahrt« wie eine Lok unter vollstem Dampf.
Er rammt die Reiter von ihrer linken Flanke her. Und er macht es geschickt. Er fährt dem linken Reiter unter dessen Pferd und wirft es halb über und halb hinter sich, rammt dem mittleren Pferd die Rippen ein, wirft es zu Boden und stampft über dieses Tier hinweg, um das rechte zu erwischen. Diesem Tier fährt er von hinten zwischen die Beine, bevor es auskeilt.
Er beruhigt sich erst wieder, nachdem alles tot ist.
Die Armee wird nie wieder etwas von den beiden Deserteuren und den sie verfolgenden drei Scouts erfahren.
✰✰✰
Red Bulls sieben Kühe sorgen in all den Jahren für reichlich Nachkommen, und auch diese vermehren sich prächtig. Die kleine Herde lebt friedlich in dem verborgenen Tal, indes draußen in der Welt fast all ihre Artgenossen abgeschlachtet werden.
Auch der große Indianerkrieg tobt in diesen Jahren, und er wird mit der völligen Vernichtung der Indianer enden, deren klägliche Reste man in Reservate sperrt.
Für Büffel und Indianer gibt es all die Jahre keine Gnade.
Das große Felsentor wächst in diesen Jahren noch dichter zu.
Und wenn dennoch Menschen – zumeist Jäger oder Geächtete auf der Flucht und der Suche nach einem sicheren Versteck – den Eingang zum Büffeltal finden, dann ist der gewaltige Bulle zur Stelle wie ein alles vernichtendes Untier, welches von geheimnisvollen Kräften alarmiert wurde.
Aber an einem Nachmittag kommt dann Pierce Roman, ein Trapper französischer Abstammung, in die Gegend. Er schießt bald darauf eine Antilope an, die er verfolgt, um noch vor Sonnenuntergang Frischfleisch zu bekommen. Seine beiden Packpferde mit Fallen und Proviant lässt er zurück. Was er braucht, ist Frischfleisch. Denn der Proviant ist für einen langen Winter bestimmt.
Auf der schweißigen Fährte der angeschossenen Antilope gelangt Pierce Roman dann durch den dichten Tannenwald vor das Felsentor zum Büffeltal.
Und hier vergisst er erst mal die angeschossene Antilope.
Denn zweierlei Dinge lassen ihn staunen.
Er begreift, dass er hier offenbar das Tor zu einem wunderbaren Jagdparadies fand, denn er kann schon das weite Tal überblicken, sieht dort all das Wunderbare, zum Beispiel den großen Bibersee, die Wälder und Weiden, den gewundenen Creek, die Hügelketten.
Sein Herz schlägt schneller.
Doch dann sieht er die Knochen, und er erkennt schnell, dass es sich um Menschen- und Pferdeknochen handelt.
Es gibt auch noch genug alte Spuren, die dem erfahrenen Trapper verraten, dass hier immer wieder gekämpft wurde. Und er wird sich darüber klar, dass es sich um einen gewaltig großen Büffel handeln muss. Diese Stampfspuren sind unverkennbar. Er findet auch verwitterten Büffeldung.
Und die Menschen- und Pferdeknochen sind zerbrochen, zersplittert, so als wären sie mit einem Hammer zerschlagen worden.
Pierce Roman ist ein erfahrener Trapper, der sich auch mit Büffeln auskennt. Er wird jetzt sehr vorsichtig und wachsam. Und dennoch überrumpelt ihn der alte Bulle fast wie eine sich anschleichende Wildkatze. Er taucht lautlos wie ein Gespenst hinter einem großen Felsen auf und schiebt sich näher und näher. Er schnaubt nicht einmal.
Und erst als das Pferd des Trappers die Witterung bekommt und nervös wird, der Trapper endlich in Richtung der sich nähernden Gefahr blickt, stürmt er los.
Pierce Roman schießt zwar, doch er trifft an diesem Tag zum zweiten Mal nicht richtig, obwohl er sonst ein sicherer Schütze ist.
Schon die Antilope traf er nicht gut genug. Und jetzt sind es die hastigen Bewegungen seines Pferdes, die ihn einen Fehlschuss tun lassen, der dem angreifenden Büffelbullen nur die Haut ritzt.
Dann fliegt er mitsamt seinem Pferd durch die Luft.
Doch dabei hat er Glück. Obwohl er sich ein Bein und zwei Rippen bricht, gelingt es ihm, sich rasch genug hinter einigen Felsen und in einer Spalte in Deckung zu bringen.
Der Trapper kauert stöhnend und fluchend in der engen Spalte. Sein Gewehr verlor er, und auch der Gürtel mit dem Colt hing am Sattelhorn, weil es so bequemer war für ihn. Er hat nur sein langes Green-River-Messer. Er hat starke Schmerzen, dieser Pierce Roman. Ein gebrochenes Bein und zwei gebrochene Rippen bereiten ihm nach diesem raschen Bewegen die Hölle.
Aber eines weiß er schon: Dieser Bulle, dessen Fell dunkelrot ist, hat ihn in der Falle. Und noch niemals hat es solch einen Büffelbullen gegeben, der ohne jede Warnung Menschen wie ein wildes Ungeheuer angreift.
Er beginnt, ihn zu verfluchen, schmerzvoll knirschend und schon wissend, dass es keine Hilfe für ihn geben wird.
Denn der Bulle verschwindet nicht. Er tut sich sogar nieder, so als wüsste er, dass er sehr lange wird warten müssen. Pierce Roman begreift, dass er die Spalte so schnell nicht wird verlassen können.
Keine Viertelmeile weit außerhalb des Felsentores stehen seine beiden Packpferde. Er hat sie gut angebunden, bevor er die angeschossene Antilope zu verfolgen begann.
Wenn er nur zu ihnen kommen könnte.
Aber vorerst ist daran nicht zu denken.
Der Bulle dort draußen geht nicht weg.
Die Nacht vergeht – dann der Tag – und dann kommt die zweite Nacht.
Als dann die zweite Nacht fast vorbei ist, fürchtet Pierce Roman, dass er sterben wird. Und der Killerbulle da draußen rechnet wahrscheinlich auch damit.
Pierce Roman wird sehr bald den Brand ins Bein bekommen.
Sein Brustkorb schmerzt. Die gebrochenen Rippen haben ihn innerlich überdies noch böse verletzt.
Es vergeht auch der zweite Tag – und es kommt die dritte Nacht.
Pierce Roman bewegt sich nicht mehr. Er stellt sich tot. Obwohl er böses Fieber hat, ist sein Verstand immer noch in Ordnung, und sein Selbsterhaltungstrieb sagt ihm, dass er sich totstellen muss – viele, viele Stunden lang. Manchmal verliert er die Besinnung – und dann ist er ja wirklich schon in einem totenähnlichen Zustand.
Als die dritte Nacht um ist, bewegt er sich in der engen Spalte. Er kriecht hinaus – und der alte Büffelbulle ist weg, kommt auch nicht mehr. Vielleicht ging er endgültig, weil er glaubte, dass der Feind in der Spalte krepiert wäre – vielleicht gab er aber auch seinem Hunger und vor allen Dingen dem Durst nach und wird dort im schönen Valley erst mal Nahrung einnehmen.